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Arbeitsrecht
02.10.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Wirksamkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.7.2015 – 4 BVL 5004/14

Leitsätze

Die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29.05.2013 (Bundesanzeiger vom 07.06.2013) des Tarifvertrags  über das Sozialkassenverfahren in der Fassung vom 17.12.2012 und die Allgemeinverbindlicherklärung vom 25.10.2013 (Bundesanzeiger vom 04.11.2013 mit Berichtigung Bundesanzeiger vom 14.03.2014) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren in der  Fassung vom 03.05.2013 sind wirksam.

§ 98 ArbGG, § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG, § 5 TVG aF.

Aus den Gründen

I.          Das Rubrum des Beschlusses vom 8. Juli 2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/15 – ist gemäß § 98 Abs. 3, § 80 Abs. 2, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 319 Abs. 1 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit zu berichtigen (vgl. zur Berichtigung im Beschlussverfahren zB BAG 10. Dezember 2002 – 1 ABR 7/02 – zu III der Gründe, BAGE 104, 175). Der Beteiligte zu 22) und Antragsteller zu 17) F. M. ist bei der Ausfertigung des Beschlussdeckblattes versehentlich nicht als Beteiligter genannt worden. Sowohl aus dem Tenor als auch aus den Gründen des Beschlusses vom 8. Juli 2015 ergibt sich, dass der Beteiligte zu 22) weiter in dem Verfahren beteiligt ist. Dies wird auch bestätigt durch die Angaben in der Sitzungsniederschrift vom 8. Juli 2015.  

II.         Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

III.         Die Entscheidung ergeht gemäß § 98 Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 1 ArbGG iVm. § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch die stellvertretende Vorsitzende allein.

S.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit zweier Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und 25. Oktober 2013.

Der Beteiligte zu 1) und Antragssteller zu 1) unterhält einen Fliesenbetrieb und wird von dem Beteiligten zu 3), der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes, Verein mit Rechtsfähigkeit aufgrund staatlicher Verleihung (im Folgenden: ULAK), auf Beitragszahlungen auf Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (im Folgenden: VTV).  ua. im Jahr 2013 in Anspruch genommen. Beteiligter zu 2) ist das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (im Folgenden: BMAS). Die Beteiligten zu 7) und 8) und Antragsteller zu 2) und 3) werden von der ULAK auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Zeit von Dezember 2008  bis März 2014 in Anspruch genommen. Die Beteiligte zu 9) und Antragstellerin zu 4) verrichtet Abbrucharbeiten und wird ebenfalls auf  Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Anspruch genommen. Die Beteiligte zu 10) und Antragstellerin zu 5) ist die persönlich haftendende Gesellschafterin der Beteiligten zu 9). Die Beteiligten zu 1) sowie 7) bis 10) sind an den VTV nicht kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden. Die Beteiligte zu 11) und Antragstellerin zu 6) ist eine juristische Person, die sich von verschiedenen Bauunternehmen Rückforderungsansprüche gegen die ULAK hat abtreten lassen. Hinsichtlich der genauen Bezeichnung der Zedenten wird auf Bl. 92 d. A. verwiesen. Die Zedenten sind an den VTV nicht kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden. Die Zedenten haben Sozialkassenbeiträge auf Grundlage des VTV an die ULAK geleistet, weil sie aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung von einer Tarifgebundenheit an den VTV nach § 5 TVG ausgingen. Die Zedenten sind der Auffassung, dass sie aufgrund der nunmehr von ihnen angenommenen fehlenden Rechtswirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Sozialkassenbeiträge haben. Die Beteiligte zu  12) und Antragstellerin zu 7), die Beteiligte zu 13) und Antragstellerin zu 8), die Beteiligte zu 15) und Antragstellerin zu 10) sowie die Beteiligten zu 18) bis 27) (Antragsteller zu 13) bis 22)) werden ebenfalls von der ULAK auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Anspruch genommen, ohne an den VTV kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden zu sein.

Der Beteiligte zu 17) ist der Zentralverband der Deutschen E.- und I. H. (im Folgenden: ZVEH). Nach seiner Satzung umfasst das Fachgebiet, für das er auch Tarifverträge abschließen darf, die folgenden Gewerke: „Elektrotechniker, Informationstechniker, Elektromaschinenbauer“. Der ZVEH ist Tarifvertragspartei ua. des „Tarifvertrags zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge“.

Der Beteiligte zu 4), der Zentralverband des Deutschen B. (im Folgenden ZDB), der Beteiligte zu 5), der Hauptverband der Deutschen B. e. V. (im Folgenden: HDB), und die Beteiligte zu 6), die Industriegewerkschaft B.-A.-U. sind die Tarifvertragsparteien des VTV.

Der ehemalige Beteiligte zu 16) und Antragsteller zu 11) hat den Antrag mit Schriftsatz vom 12. Mai 2015 (Bl. 1127 – 1128 d. A.) zurückgenommen. Das Verfahren ist hinsichtlich des ehemaligen Beteiligten zu 16) mit Beschluss vom 13. Mai 2015 (Bl. 1129 d. A.) eingestellt worden.

In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden zum Geschäftszeichen 4 Ca 540/14 mit der ULAK als Klägerin, dessen Entscheidung von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und vom 25. Oktober 2013 abhängt, hat das Arbeitsgericht Wiesbaden den Rechtsstreit durch rechtskräftigen Beschluss ausgesetzt.

Das BMAS erklärte den VTV mit Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Mai 2013  für allgemeinverbindlich und machte die Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger vom 7. Juni 2013 bekannt. Der Inhalt des entsprechenden Verwaltungsverfahren zum Geschäftszeichen IIIa6-31241-Ü-14b/68 wurde dem Gericht durch Übersendung einer entsprechenden Akte mitgeteilt. Die entsprechende Akte (im Folgenden: Beiakte I) war Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Sie wurde den übrigen Beteiligten in elektronischer Form überlassen und lag im Original auf der Geschäftsstelle der erkennenden Kammer zur Einsichtnahme aus.

Das BMAS erklärte den VTV weiterhin mit Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013  für allgemeinverbindlich und machte die Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger vom 4. November 2013 bekannt. Der Inhalt des entsprechenden Verwaltungsverfahren zum Geschäftszeichen IIIa6-31241-Ü-14b/69 wurde dem Gericht durch Übersendung einer entsprechenden Akte mitgeteilt. Die entsprechende Akte (im Folgenden: Beiakte II) war Gegenstand des gerichtlichen Verfahren. Sie wurde den übrigen Beteiligten in elektronischer Form überlassen und lag im Original auf der Geschäftsstelle der erkennenden Kammer zur Einsichtnahme aus.

Der HDB beantragte unter dem 17. Dezember 2012 gleichzeitig im Namen des ZDB  und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, den VTV mit Wirkung vom 1. Januar 2013 für allgemeinverbindlich zu erklären. Die Allgemeinverbindlicherklärung sollte entsprechend dem Antrag mit den Einschränkungen, die sich aus der sog. „Großen Einschränkungsklausel“ für Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen für das Baugewerbe gem. Bekanntmachung vom 15. Mai 2008 (Bundesanzeiger Nr. 104a vom 15. Juli 2008) ergeben, erfolgen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Schreibens vom 17. Dezember 2012 wird auf Bl. 6 – 10 der Beiakte I verwiesen.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 (Bl. 68-69 der Beiakte I) und ergänzendem und berichtigenden Schreiben vom 14. März 2013 (Bl. 134 der Beiakte I) teilte der HDB dem BMAS mit, dass am Stichtag 30. September 2012 in den Mitgliedsbetrieben des ZDB und in den Mitgliedsbetrieben des HDB insgesamt 330.362 gewerbliche Arbeitnehmer, 75.235 Angestellte und 25.735 Auszubildende beschäftigt waren. Die Ermittlung der Zahlen beruhte auf einer Umfrage der Beteiligten zu 4) und 5) bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden. Der ZDB und der HDB führen jedes Jahr zu demselben Stichtag (30. September eines jeden Jahres) zur Ermittlung der „Kleinen Zahl“ eine Befragung bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden durch. Bei der Abfrage wird auf die Notwendigkeit „für den Nachweis, dass 50 % der unter die Bautarifverträge fallenden Arbeitnehmer bei den tarifgebundenen Arbeitgebers beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz)“ hingewiesen. Gleichzeitig wurde bei der Abfrage darum gebeten, dass „die Doppelverbände die Zahlen aufgeteilt nach Handwerks- und Industrieunternehmen“ mitteilen, um eine doppelte Erfassung beim ZDB und HDB auszuschließen.

Hinsichtlich der Rückmeldebögen der ZDB-Mitgliedverbände wird auf Bl. 82 – 115 der Beiakte I. und hinsichtlich der Rückmeldebögen der HDB-Mitgliedverbände wird auf Bl. 116 – 134 der Beiakte I. verwiesen.

Ebenfalls mit Schreiben vom 24. Januar 2013 (Bl. 68- 69 der Beiakte I) teilte der HDB dem BMAS mit, dass nach Angaben der ULAK zum Stichtag 30. September 2012 526.591 gewerbliche Arbeitnehmer, 100.525 Angestellte und 33.079 Auszubildende erfasst waren. Nicht berücksichtigt und mitgeteilt hatte der HDB dabei die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten in denjenigen Betrieben, für die bereits ein Beitragskonto eingerichtet und die Baubetriebseigenschaft noch streitig war. Hierbei handelte es sich um weitere 23.202 gewerbliche Arbeitnehmer und 3.751 Angestellte.

Das BMAS erklärte den VTV mit Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Mai 2013  für allgemeinverbindlich und machte die Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger vom 7. Juni 2013 bekannt. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Bundesanzeigers vom 7. Juni 2013 wird auf Bl. 271-287 der Beiakte I. verwiesen. Ausweislich des Vermerks des Referats IIIa6 des BMAS vom 19. März 2013 (Bl. 142-148 der Beiakte I.) legte das BMAS bei der Ermittlung des Quorums von 50 % nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF. hinsichtlich der unter den Geltungsbereich des VTV fallenden bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern (sog. „Kleine Zahl“) die von HDB und ZDB durch Umfrage bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden ermittelte Gesamtzahl von 431.332 Beschäftigten zugrunde.

Für die Ermittlung der sog. „Großen Zahl“ hat das BMAS vier Quellen geprüft: Die Daten der ULAK, die Daten der Bundesagentur für Arbeit, die Daten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und die Daten des Statistischen Bundesamts (StBa). Die Daten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hat das BMAS als nicht geeignet zur Prüfung der Voraussetzungen des 50 %-Quorums angesehen.

Nach den dem BMAS mitgeteilten Angaben der ULAK betrug die Zahl der im Geltungsbereich des VTV tätigen Beschäftigten zum Stichtag 30. September 2012 insgesamt 660.195. Nach der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, die auf den Meldungen der Arbeitgeber zur Kranken-, Renten-, Pflege- und/oder Arbeitslosenversicherung beruht, waren zum Stichtag 30. Juni 2013 1.066.378 Beschäftigte in Betrieben der Wirtschaftsunterklassen tätig, die dem Baugewerbe entsprechend dem betrieblichen Geltungsbereich unter Berücksichtigung der „Großen Einschränkungsklausel“ zuzurechnen sind. Das StBa veröffentlichte in der Fachserie 4 Reihe 5.1 vom 5. Februar 2013, Produzierenden Gewerbe, Zahlen zu tätigen Personen und Umsatz der Betriebe im Baugewerbe. Das BMAS hat bei dem Versuch die in etwa dem betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags-Bau (BRTV) zuzuordnenden Bereich zu betrachten unter Zugrundelegung der Übersicht 1.5 der Fachserie 4 Reihe 5.1 mit Stand 30. Juni 2012 eine Beschäftigtenzahl von 733.476 im Baugewerbe ermittelt (vgl. S. 10 des Vermerks vom 19. März 2013 = Bl. 146 Rü der Beiakte I.). Die so ermittelte Personenzahl entspricht allerdings nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV.

Daraus ergaben sich bei der Ermittlung des § 50 %-Quorums folgendes Bild:

Datenquelle        Große Zahl                  Kleine Zahl                               Tarifbindung

ULAK               660.195                                                                       65,3 %

                        (Stand 30.9.12)            

BA                   1.066.378                                 431.332                        40,40 %

                        (Stand 30.6.12)             (Stand 30.9.12)

StBa                733.476                                                                       58,8 %

                        (Stand 30.6.12)

Das BMAS hat ausweislich des Vermerks vom 19. März 2013, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 142 – 148 der Beiakte I. verwiesen wird, bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ die von der ULAK gemeldeten Zahlen zugrunde gelegt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass es sich bei den Zahlen der ULAK um die einzigen Daten handelt, die den Geltungsbereich des VTV in der zur Allgemeinverbindlicherklärung beantragten Form abbilden. Nicht berücksichtigt war allerdings die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten in denjenigen Betrieben, für die bereits ein Beitragskonto eingerichtet und die Baubetriebseigenschaft noch streitig war. Wären diese berücksichtigt worden, hätte sich eine Gesamtzahl von 687.148 unter den persönlichen Geltungsbereich des VTV fallenden Beschäftigten ergeben. Der prozentuale Anteil der in den tarifgebundenen Betrieben Beschäftigten beträgt dann 62,77 %.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2013 beantragte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Antrags wird auf Bl. 1 – 10 der Beiakte II verwiesen.

Das BMAS erklärte den VTV mit Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013  für allgemeinverbindlich und machte die Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger vom 4. November 2013 bekannt. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Bundesanzeigers vom 4. November 2013 wird auf Bl. 453 -465 der Beiakte II. verwiesen. Ausweislich des Vermerks des Referats IIIa6 des BMAS  vom 20. August 2013 (Bl. 241-253 der Beiakte II.) legte das BMAS bei der Ermittlung des Quorums von § 50 %  nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG hinsichtlich der unter den Geltungsbereich des VTV bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern (sog. „Kleine Zahl“) die von HDB und ZDB durch Umfrage bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden ermittelte Gesamtzahl von 431.332 Beschäftigten zugrunde. Hinsichtlich der Ermittlung der „Großen Zahl“ nutze das BMAS dieselben Erkenntnisquellen, die der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV vom 29. Mai 2013 zugrunde lagen. Einen Unterschied bei der Zahlenermittlung ergab sich nur im Hinblick auf den Zeitpunkt der seitens der Bundesagentur für Arbeit ermittelten Zahlen.

Entsprechend ergab sich für die Ermittlung des  50 %-Quorums folgendes Bild (vgl. Bl. 252 der Beiakte II.):

Datenquelle        Große Zahl                              Kleine Zahl                   Tarifbindung

ULAK               660.195                                                                       65,3 %

                        (Stand 30.9.12)            

BA                   1.094.205                                 431.332                        39,40 %

                        (Stand 30.9.12)             (Stand 30.9.12)

StBa                733.476                                                                       58,8 %

                        (Stand 30.6.12)

Das BMAS hat ausweislich des Vermerks vom 20. August 2013, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 241 – 253 der Beiakte II. verwiesen wird, bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ wiederum die von der ULAK gemeldeten Zahlen zugrunde gelegt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass es sich bei den Zahlen der ULAK um die einzigen Daten handelt, die den Geltungsbereich des VTV in der zur Allgemeinverbindlicherklärung beantragten Form abbilden. Nicht berücksichtigt war allerdings die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten in denjenigen Betrieben, für die bereits ein Beitragskonto eingerichtet und die Baubetriebseigenschaft noch streitig war. Wären diese berücksichtigt worden, hätte sich eine Gesamtzahl von 687.148 unter den persönlichen Geltungsbereich des VTV fallenden Beschäftigten ergeben. Der prozentuale Anteil der in den tarifgebundenen Betrieben Beschäftigten beträgt dann 62,77 %.

Die Beteiligten zu 1), 7) bis 15) und 17) – 27) machen mit jeweils eigenen Anträgen die Rechtsunwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und der Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013 geltend.

Die von der ULAK in Anspruch genommenen Betriebe sind der Auffassung, ihre Befugnis zur Antragsstellung nach § 98 Abs. 1 ArbGG bestehe auch dann, wenn sie selbst in Abrede stellen, dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV zu unterfallen. Der ZVEH macht geltend, durch die Allgemeinverbindlicherklärungen in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG berührt zu sein. Da dem Wirtschaftszweig nach dem Elektrofach zugehörige Unternehmen iSd. des VTV auch Bauunternehmen sein können, gelten unterschiedliche Urlaubs- und Altersversorgungsregeln im Tarifrecht aufgrund bestehender Tarifkonkurrenz in den mittelbaren Mitgliedsbetrieben des ZVEH. Da aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sich die Tarifverträge des Baugewerbes durchsetzten, sei der tarifpolitische Bewegungsspielraum des ZVEH eingeschränkt. Die Grundlage für die Inanspruchnahme der mittelbaren Mitglieder des ZVEH durch die Sozialkassen des Baugewerbes sei gerade die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV. Die Beteiligte zu 11) ist ebenfalls der Auffassung, sie könne iSd. § 98 Abs. 1 ArbGG geltend machen, durch die Allgemeinverbindlicherklärungen oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Antragsteller sind einheitlich der Auffassung,  die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und vom 25. Oktober 2013 seien unwirksam. Sie behaupten, bei keiner der Allgemeinverbindlicherklärungen hätten die im ZDB oder HDB organisierten Betriebe mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Arbeitnehmer beschäftigt. Seitens des BMAS sei weder die „Große Zahl“ noch die „Kleine Zahl“ ausreichend ermittelt worden. Für die Ermittlung des Quorums bedürfe es neben den Nachweisen der antragstellenden Koalitionen weiterer statistischer Materialien, Auskünfte der Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, der Bundesagentur für Arbeit, des statistischen Bundesamtes und – wenn alles nichts helfe – sorgfältiger Schätzung. Hinsichtlich der „Großen Zahl“ könne sich das BMAS nicht auf die von der ULAK mitgeteilten Zahlen stützen. Die Zahlen der ULAK seien nur kritisch wenn überhaupt zu verwerten, da die ULAK als gemeinsame Einrichtung iSd. VTV ein Eigeninteresse an den Allgemeinverbindlicherklärungen habe. Auch komme es bei der Ermittlung des Quorums allein auf die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer an und nicht nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden. Deswegen seien die Zahlen der ULAK schlechterdings unbrauchbar, weil sie nicht wissen könne, welche Betriebe und Betriebsabteilungen zwar vom VTV nicht aber von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden. Des Weiteren sei nicht bekannt, wie viele Betriebe und Betriebsabteilungen, die von dem für allgemeinverbindlich erklärten Teil des VTV erfasst werden, sich der Beitragspflicht entziehen, weil sie angesichts der Konturlosigkeit des VTV gar nicht wüssten, dass sie einer Beitragspflicht unterliegen. Die Zahlen der Bundesagentur seien nicht gewichtet und gewürdigt worden. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamts wiesen eine höhere „Große Zahl“ aus. Die Diskrepanz zwischen den ermittelten Zahlen des Statistischen Bundesamts und der ULAK wiesen bereits darauf hin, dass die Zahlen der ULAK unzutreffend seien. Diese Diskrepanz vergrößere sich noch, wenn das  Statistische Bundesamt bei der Ermittlung der Zahlen auf den Anwendungsbereich des § 1 VTV abgestellt und des Weiteren die Kleinbetriebe mit einbezogen hätte. Auch habe das BMAS die in Deutschland arbeitenden ausländischen Arbeitnehmer sowie Scheinselbständige und Schwarzarbeiter nicht berücksichtigte und weitere Erkenntnisquellen, wie den Deutschen Handwerkskammertag, Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Minijob-Zentrale, die Krankenkassen und die Zahlen der Bauberufsgenossenschaft nicht berücksichtigt. Im Übrigen fehle den Antragstellern der Allgemeinverbindlicherklärungen zumindest teilweise die Tarifzuständigkeit.

Hinsichtlich der „Kleinen Zahl“ reiche eine Mitgliederbefragung durch HDB und ZDB nicht aus. Die erhobene „Kleine Zahl“ sei zu hoch, da sie nicht einmal Doppelmitgliedschaften ausschließe, obwohl solche vorkämen. Auch bestehe bei HDB und ZDB  die Möglichkeit von OT-Mitgliedschaften, was bei der Befragung nicht berücksichtig worden sei.

Im Übrigen sei auch kein öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV gegeben. Das Sozialkassenverfahren sei überflüssig. Eine Fluktuation der Arbeitnehmer sei überhaupt nicht belegbar und auch nicht gravierender als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Allgemeinverbindlicherklärung verstoße auch gegen höherrangiges Recht, namentlich Art. 11 EMRK, Art. 70-75 GG und Art. 3 GG.

Die Beteiligten zu 1), die Beteiligten zu 7) – 15), die Beteiligten zu 17) – 20) und die Beteiligten zu 23) – 27) beantragen,

festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 2) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 29.05.2013 (Bundesanzeiger vom 07.06.2013) des Tarifvertrags  über das Sozialkassenverfahren in den Fassung vom 17.12.2012 und die Allgemeinverbindlicherklärung vom 25.10.2013 (Bundesanzeiger vom 04.11.2013 mit Berichtigung Bundesanzeiger vom 14.03.2014) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren in der Fassung vom 03.05.2013 unwirksam sind.

Die Beteiligten  zu 21) und 22) beantragen,

festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 2) bekannt gemachten Allgemeinverbindlicherklärung vom 29.05.2013 (Bundesanzeiger vom 07.06.2013) des Tarifvertrags  über das Sozialkassenverfahren in der Fassung vom 17.12.2012 unwirksam ist.

Die Beteiligten zu 2) – 6) beantragen,

die Anträge der Beteiligten zu 1), 7) – 15) und 17) – 27) zurückzuweisen und festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 2) bekannt gemachten Allgemeinverbindlicherklärung vom 29.05.2013 (Bundesanzeiger vom 07.06.2013) des Tarifvertrags  über das Sozialkassenverfahren in den Fassung vom 17.12.2012 und die Allgemeinverbindlicherklärung vom 25.10.2013 (Bundesanzeiger vom 04.11.2013 mit Berichtigung Bundesanzeiger vom 14.03.2014) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren in den Fassung vom 03.05.2013 wirksam sind.

Sie sind der Auffassung, dem Beteiligten zu 11) fehle bereits die Antragsbefugnis. Es müsse eine eigene Betroffenheit des Antragsstellers vorliegen, eine Berufung auf abgetretene Rechte Dritter reiche nicht aus. Im Übrigen seien die Abtretungsverträge – wie das Arbeitsgericht Wiesbaden in einem Rechtstreit zwischen der Beteiligten zu 11) und der ULAK bereits rechtskräftig entschieden habe – nach § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz iVm. § 134 BGB nichtig. Auch fehle eine Antragsbefugnis soweit die Antragssteller selbst nicht geltend machen, vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst zu werden.

Die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen seien auch wirksam. Die Gerichte für Arbeitssachen seien nur aufgrund substantiierten Vortrags, der Anlassung zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung gebe, zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung verpflichtet. Es sei regelmäßig davon auszugehen, dass der zuständige Minister, vorliegend das BMAS, die Allgemeinverbindlichkeit nur erklärt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Nur bei einem Parteivortrag, der geeignet sei, erhebliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, habe das Gericht die tatsächlichen Grundlagen der Allgemeinverbindlicherklärung zu überprüfen. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag der Antragsteller nicht. Die Ausführungen der Antragsteller seien nur allgemeiner Art und bezögen sich nicht auf die konkret angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen; für diese fehlten konkrete Darlegungen, dass das 50%-Quorum nicht erfüllt sei. Soweit die Antragsteller geltend machten, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei eine sorgfältige Schätzung nur zulässig, wenn alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft seien, suggeriere dies, dass die Schätzung nach der Rechtsprechung Hilfserwägung an letzter Stelle sei. Dies gebe die Rechtsprechung indes unzutreffend wieder. Vielmehr gehe das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass eine exakte Feststellung nahezu unmöglich sei und deshalb eine sorgfältige Schätzung ausreiche. Grundlage der Schätzung und damit Prüfungsmaßstab für die Erfüllung des 50 %-Quorums sei daher lediglich die möglichst genaue Auswertung des verwertbaren statistischen Materials. Auch aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folge nicht, dass die Gerichte verpflichtet seien, von sich aus die Erfüllung aller Erfordernisse der Allgemeinverbindlicherklärung festzustellen.

Die Ermittlung der Zahlen durch das BMAS sei auch nicht zu beanstanden. Soweit die Antragssteller die Auffassung vertreten, auf das Verfahren sei § 24 VwVfG anwendbar, sei dies unzutreffend. Das BMAS habe bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ auch auf alle bei ihm vorhandenen Datenquellen zugegriffen und sie unter dem erkenntnisleitenden Aspekt des Geltungsbereichs des VTV miteinander verglichen und ihre relative Tauglichkeit im Vergleich zueinander gründlich abgewogen. Es habe sich also nicht nur auf die Zahlen der ULAK verlassen, sondern alle in Betracht kommenden Datenquellen reflektiert und die für das Quorum relativ genauesten, den tariflichen Anforderungen relativ am besten gerecht werdenden Datenquellen miteinander verglichen und schließlich die Zahlen der ULAK als die „mit Abstand am genauesten“ beurteilt. Diese Beurteilung sei jedenfalls gut vertretbar in Anbetracht der Tatsache, dass der Geltungsbereich des VTV unter Berücksichtigung der großen Einschränkungsklausel keiner der vorhandenen Zahlensysteme passgenau entspreche. Das Zahlenwerk der ULAK sei insoweit die „geborene“ Erkenntnisquelle zur Ermittlung der „Großen Zahl“. Das BMAS sei zu Recht davon ausgehen, dass die Zahlen der ULAK vollständig waren. Die ULAK verließe sich nicht allein auf die Erfüllung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Meldepflichten, sondern werte kontinuierlich die im Bundesanzeiger veröffentlichen Unternehmensmeldungen und die Mitteilungen der Handwerkskammern und Berufsgenossenschaften aus. Sie erhalte des weiteren Hinweise aus der Prüftätigkeit der Arbeitsverwaltung, der Hauptzollämter, der Rentenversicherung Bund, und aus eigenen Betriebsprüfungen sowie von den Sozialkassen des Berliner Baugewerbes und der Gemeinnützigen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes. Berücksichtigt würden weiter Hinweise und Informationen von Wettbewerbern (Bauherren und Auftraggeber von Bauunternehmern), Arbeitnehmern, Tarifvertragsparteien, anderen Arbeitgeberorganisationen, Innungen und Kreishandwerkerschaften, gesetzliche Krankenkassen, Senatsverwaltung für St. Berlin, Präqualifizierungsstellen. Die ULAK geht dabei davon aus, dass im Jahr 2013 etwa die Hälfte der Erfassungsvorgänge aufgrund von Selbstanmeldungen und Statusanfragen der betroffenen Arbeitnehmer angelegt wurden, die andere Hälfte aufgrund von eigenen Recherchen der ULAK oder aufgrund von Informationen Dritter. Die Beschäftigtenzahl beruhe in erster Linie auf den abzugebenden Meldungen. Die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten müsse geschätzt werden. Soweit die Bruttolohnsumme des Betriebs bekannt sei, werde aufgrund der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne die Zahl der Arbeitnehmer errechnet. Soweit Meldungen aus der Vergangenheit vorlagen, wurde die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl der letzten 12 Monate zugrunde gelegt. Habe die zuletzt gemeldete Arbeitnehmerzahl über diesem Durchschnittswert gelegen, sei die höhere Arbeitnehmerzahl zugrunde gelegt worden. Habe keine dieser Möglichkeiten der Schätzung bestanden, sei auf weitere vorliegende Informationen zurückgegriffen worden, zB. Prüfberichte der Arbeitsverwaltung, Auskünfte der gesetzlichen Krankenkassen und Gewerbeämter. Die ULAK verweist darauf, dass nach ihrer Einschätzung der Anteil der Betriebe, die sich der Beitragspflicht tatsächlich entziehen, unter 5 % liege. Die Hauptformen der Schwarzarbeit seien die Nichtmeldung von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Diese wirke sich aber nicht auf die Zahl der gemeldeten Betriebe und der gemeldeten Beschäftigten aus. Soweit noch Rechtsstreitigkeiten über die Baubetriebseigenschaft iSd. Geltungsbereichs des VTV geführt werden, werden diese Betriebe erfasst. Der Anteil der Betriebe und der darin Beschäftigten liege bei 4 %.  Hinsichtlich der Einzelheiten zur Erhebung der „Großen Zahl“ durch die ULAK wird auf Bl. 991 – 1000 d. A. verwiesen.

Die ULAK verweist ergänzend darauf, dass das BMAS bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ im Rahmen der Wertung der Zahlen des Statistischen Bundesamtes rechnerisch unberücksichtigt gelassen habe, dass die vom Statistischen Bundesamtes erfassten Beschäftigtenzahlen nicht der Personenzahl entspricht, die dem persönlichen Geltungsbereich des VTV entspreche, sondern weit darüber hinausgehe. Des Weiteren habe das BMAS auch die erkannte Kleinbetriebslücke bei den Betrieben des Ausbaugewerbes rechnerisch unberücksichtigt gelassen. Berücksichtige man diese Punkte berechne sich eine „Große Zahl“ von 768.968 Beschäftigten und damit ein Prozentsatz von 56. Die Abweichung zu der von der ULAK ermittelten Zahl von 62,8 % bei Berücksichtigung derjenigen Betrieben, für die bereits ein Beitragskonto eingerichtet und die Baubetriebseigenschaft noch streitig war, sei auf eine Veränderung der Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt zurückzuführen. Die im Hinblick auf den betrieblichen Geltungsbereich des VTV notwendige Differenzierung sei im Bereich des Ausbaugewerbes, deren Betriebe nur zum Teil vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden, nicht mehr möglich. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes hinsichtlich der „Großen Zahl“ seien deswegen überhöht, mit der Folge, dass das errechnete Quorum von 56,0 % zu niedrig sei.

Hinsichtlich der Ermittlung der „Kleinen Zahl“ verweisen der ZDB und der HDB auf die Angaben der Mitgliedsbetriebe gegenüber den angeschlossenen Mitgliedsverbänden. Angesichts der Fragestellung „organisiert und tarifgebunden“ werden nur Mitglieder gezählt, die unter den VTV fallen. OT-Mitgliedschaften werden nur vereinzelt angeboten. Soweit dies Fall sei, werden diese nicht mitgezählt. Der Anteil der Betriebe mit Doppelmitgliedschaften sei äußerst gering. Im Falle einer Doppelmitgliedschaft werde aber ein Teil der Beschäftigten für die Beitragsveranlagung dem Bauindustrieverband und ein Teil der Beschäftigten dem Baugewerbeverband gemeldet, so dass eine Doppelzählung der Arbeitnehmer ausgeschlossen sei.

Zu Recht habe das BMAS auch  das öffentliche Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV bejaht.

II.

Die Anträge der Beteiligten zu 1), 7) - 15) und 17) - 27) haben keinen Erfolgt. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2) – 6) waren die Anträge der Beteiligten zu 1), 7) - 15) und 17) - 27) nicht nur zurückzuweisen, sondern es war im Hinblick auf die nach § 98 Abs. 4  Satz 3 ArbGG im Bundesanzeiger zu veröffentlichende Entscheidungsformel die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen positiv festzustellen.

A.         Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nach § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG eröffnet. Das LAG Berlin-Brandenburg ist für das hiesige erstinstanzliche Verfahren gemäß § 98 Abs. 2 ArbGG örtlich und sachlich zuständig (vgl. GK-ArbGG-Ahrendt; § 98 Rdz.19). Beide Allgemeinverbindlicherklärungen sind durch das BMAS erklärt worden. Dieses hat seinen Dienstsitz in Berlin.

B.         Die Anträge sind überwiegend zulässig.

I.          Die Beteiligten zu 1), 7) – 10), 12) – 15) und 18) - 27) sind antragsbefugt.

             Gemäß § 98 Abs. 1 ArbGG kann das Verfahren auf Antrag jeder natürlichen oder juristischen Person eingeleitet werden, die nach Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung geltend macht, durch die Allgemeinverbindlicherklärung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Fassung an die Antragsfassung des § 47 Abs. 2 VwGO angelehnt (ErfK/Koch 15. Aufl. ArbGG 15. Aufl.; GK-ArbGG/Ahrendt Stand November 2014 § 98 Rn. 4). Für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 VWGO ist es ausreichend aber auch erforderlich, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. ua. BVerwG 30.08.2013 - 9 BN 2/13 - NVwZ-RR 2013, 1014 mwN). Übertragen auf das Verfahren nach § 98 ArbGG bedeutet dies, dass es ausreicht, dass die ULAK als Einzugsstelle für den VTV-Bau im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens von einer juristischen oder natürlichen Person Beiträge nach § 18 VTV-Bau fordert und zwar auch dann wenn die Unternehmen in diesen Verfahren vortragen, dass sie nicht dem Geltungsbereich des VTV aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit unterfallen. Es wäre widersprüchlich und würde unter Verletzung von Artikel 19 Abs. 4 GG eine Beschränkung des Prozessrechts bedeuten, wenn die in Anspruch genommenen Unternehmen nur auf das Individualverfahren verwiesen wären, aber nicht selbst  ein Verfahren nach § 98 Abs. 1 ArbGG einleiten dürften, um überprüfen zu lassen, ob die Allgemeinverbindlicherklärung als Grundlage ihrer Inanspruchnahme wirksam oder unwirksam ist (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Auch soweit die Antragsteller teilweise die Inanspruchnahme für einen Zeitraum vorgetragen haben, der vor den Zeiträumen liegt, für die der VTV aufgrund der vorliegend streitigen Allgemeinverbindlicherklärungen für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, ist die Antragsbefugnis nicht zu abzusprechen. Nach § 98 Abs. 1 ArbGG reicht es aus, wenn nach Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung  geltend macht wird, durch die Allgemeinverbindlicherklärung oder deren Anwendung in absehbarer Zeit in eigenen Rechten verletzt zu werden. Insoweit sind die Antragsteller nicht verpflichtet abzuwarten, bis sie auch für die Zeiträumen der vorliegend streitigen Allgemeinverbindlicherklärungen in Anspruch genommen werden. Sie können vielmehr in Erwartung der Inanspruchnahme bereits jetzt die Allgemeinverbindlicherklärungen im Rahmen des Verfahrens nach § 98 ArbGG angreifen.

II.         Die Beteiligtenfähigkeit und Antragsbefugnis der ULAK ergibt sich aus § 98 Abs. 6 Satz 2 iVm. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG. Die Befugnis zur Antragsstellung iSd. § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG bezieht nicht allein auf einen Antrag, mit dem die Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung geltend gemacht wird. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG betrifft Verfahren über „die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung“. Dies setzt auch die Möglichkeit voraus, in einem Verfahren die Feststellung der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung zu begehren. Andernfalls hätte die ULAK in ausgesetzten Verfahren keine Möglichkeit, ihrerseits zu agieren, um dem Verfahren Fortgang zu geben.

III.         Das BMAS war nach § 98 Abs. 3 Satz 3 ArbGG zu beteiligen.

IV.        Zu beteiligen waren auch die Beteiligten zu 4) – 6) als tarifschließende Parteien des VTV und Antragsteller für die Allgemeinverbindlicherklärungen.

V.         Der Beteiligte zu 17) ist ebenfalls antragsbefugt nach § 98 Abs. 1 ArbGG. Er kann eine Verletzung seiner durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Rechtsposition geltend machen, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung wie vorliegend seine Rechtsposition als Verband, der zumindest teilweise im Geltungsbereich des insoweit für allgemeinverbindlich erklärten VTV tätig wird, tangiert (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -).

VI.        Hinsichtlich der Beteiligten zu 11) erscheint eine Antragsbefugnis äußerst zweifelhaft (eine Antragsbefugnis ablehnend LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Bei  Beratungsunternehmen, die unstreitig nicht dem Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags unterfallen, dürfte eine allein aufgrund von Abtretungen von Ansprüchen begründete Antragsbefugnis nicht  vom Sinn und Zweck des § 98 Abs. 1 ArbGG umfasst sein. Insoweit fehlt es an einer Betroffenheit in eigenen Rechten. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Abtretungsverträge wegen Verstoßes gegen § 3RDG nach § 134 BGB unwirksam sind und damit die Beteiligte zu 11) bereits nicht Inhaber (vermeintlicher) Rückforderungsansprüche gegen die ULAK geworden ist. Die Frage kann aber letztlich offenbleiben, da mehrere zulässige Anträge vorliegen und damit die Möglichkeit einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen nach § 98 Abs. 4 ArbGG mit Wirkung „inter omnes“ unabhängig von einem zulässigen Antrag der Beteiligten zu 11) eröffnet ist.

B.         Die Anträge der Antragssteller sind unbegründet.  Die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen sind wirksam.

I.          Die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen unterliegen – wie sich aus den beigezogenen Akten des BMAS ergibt - keinen formellen Wirksamkeitsbedenken entsprechend den Verfahrensvorschriften gemäß § 11 TVG iVm. §§ 4 ff. der DVO-TVG. Das Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung hat eine entsprechende spezialgesetzliche Ausprägung erhalten; demgegenüber ist das Verwaltungsverfahrensgesetz insbesondere die §§ 22 ff. VwVfG nicht anwendbar (LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Die Allgemeinverbindlicherklärung ist nach ständiger Rechtsprechung kein Verwaltungsakt oder eine Rechtsverordnung, sondern ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 9 Abs. 3 GG findet und durch die Normen des § 5 TVG bzw. der §§ 4 ff. DVO-TVG ausgestaltet wird (BVerwG 28.01.2010 – 8 C 38/09 - NZA 2010, 1137; BVerfG 24.05.1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322 ff.).

II.         Die Allgemeinverbindlicherklärungen sind auch materiell wirksam erfolgt.

1.         Nach § 5 Abs. 1 Satz TVG in der bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung kann das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

2.         Es kann offenbleiben, ob die Kammer auch im Verfahren nach § 98 ArbGG eine Amtsermittlung zur Feststellung, ob das Quorum von 50 % erreicht ist, erst dann vorzunehmen hat, wenn entsprechende erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vorgetragen worden sind.

a.         Dafür spricht zwar, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nur unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen vornehmen. Hieran hat sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz nichts geändert (BAG 07. Januar 2015 - 10 AZB 109/14 - EzA § 98 nF ArbGG 1979 Nr. 3). Der erste Anschein spricht deshalb auch weiterhin für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung (BAG 07. Januar 201510 – 10 AZB 109/14 - EzA § 98 nF ArbGG 1979 Nr. 3).  Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Rahmen eines durch § 5 TVG und die hierzu nach § 11 TVG ergangene Rechtsverordnung (DVO-TVG), vorgegebenen und ausgestalteten Verfahrens erfolgt. In diesem Verfahren besteht für die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffenen Kreise Gelegenheit, Stellung zu nehmen und eventuelle Bedenken gegen diese zu äußern. Insoweit entsteht eine Pflicht zur Amtsermittlung erst, wenn „ernsthaften Zweifel“ an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vorgetragen worden sind (BAG 07. Januar 201510 - AZB 109/14 - EzA § 98 nF ArbGG 1979 Nr. 3).

b.         Hieran ist für die Frage, ob eine Aussetzung eines Urteilsverfahrens nach § 98 Abs. 6 ArbGG zu erfolgen hat, festzuhalten.

c.         Allerdings lassen sich diese Grundsätze nach Auffassung der Kammer nicht ohne weiteres auf die Frage, wann eine Amtsermittlung im Rahmen des Beschlussverfahrens nach § 98 ArbGG ausgelöst wird, übertragen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren nach § 98 ArbGG über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG für und gegen jedermann wirkt. Angesichts dieser weitgehenden Rechtswirkungen spricht vieles dafür, die Auslösung der Pflicht zur Amtsermittlung nicht davon abhängig zu machen, ob der konkrete Antragssteller erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit vorgebracht hat. Andernfalls würde ggf. eine Entscheidung für und gegen jedermann getroffen, ohne dass das Gericht im Rahmen einer Amtsermittlung tatsächlich die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung überprüft hätte. Anders als bei der Rechtskraftwirkung lediglich inter partes im Urteilsverfahren kann eine Wirkung inter omnes nicht davon abhängen, ob der konkrete Antragssteller ausreichend Tatsachen vorgetragen hat, die zu erheblichen Zweifeln führen.

3.         Die Frage kann aber offenbleiben. Auch bei einer Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen von Amts wegen erweist sich, dass das Quorum von mindestens 50 % erreicht ist.

a.         Zur Bestimmung, ob das Quorum von mindestens 50 % erreicht ist, sind die Zahl der Arbeitnehmer, für die der VTV nach § 1 räumlich, betrieblich und persönlich anwendbar ist („Große Zahl“) und die Gesamtzahl derjenigen Arbeitnehmer, die von aufgrund Verbandsmitgliedschaft tarifgebundenen Arbeitgebern („Kleine Zahl“) beschäftigt werden, in Verhältnis zu setzen. Ist von Amts wegen zu überprüfen, ob das Quorum von 50% erreicht wurde, muss zunächst festgestellt werden, ob die oberste Bundesbehörde alle zumutbaren Nachforschungen unternommen und alle erreichbaren aussagekräftigen Unterlagen verwertet hat. Hat das Ministerium auf dieser Grundlage ein Ergebnis ermittelt oder auf ihnen aufbauend eine Schätzung vorgenommen, die nach den vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar ist, sind die Gerichte nicht befugt, dieses Ergebnis zu korrigieren oder eine andere Bewertung vorzunehmen (LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 –juris Rn. 67). Lässt sich jedoch nicht feststellen, ob diese Prüfung stattgefunden hat oder beruht die Berechnung oder Schätzung der Behörde auf erkennbar fehlerhaftem Zahlenmaterial, muss die mangelnde Aufklärung nachgeholt werden (LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 –juris Rn. 67). Im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung der erforderlichen Anzahl der Beschäftigten ist zu berücksichtigen, dass eine exakte Feststellung nahezu unmöglich ist und deshalb eine sorgfältige Schätzung ausreicht (BAG 22. Oktober 2003 - 10 AZR 13/03 - AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung  = EzA § 5 TVG Nr. 13;  BAG 28. März 1990- 4 AZR 536/89 - AP TVG § 5 Nr. 25 = EzA TVG § 5 Nr. 10, jeweils mwN). Erforderlich ist aber eine Ausschöpfung aller greifbaren Erkenntnismittel und eine möglichst genaue Auswertung des verwertbaren statistischen Materials (BAG 22. Oktober 2003 - 10 AZR 13/03 - AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung  = EzA § 5 TVG Nr. 13;  BAG 28. März 1990- 4 AZR 536/89 - AP TVG § 5 Nr. 25 = EzA TVG § 5 Nr. 10, jeweils mwN).

b.         Dass das BMAS bei der Allgemeinverbindlicherklärung davon ausging, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen, ist nicht zu beanstanden.

aa.       Unter Zugrundelegung der ermittelten Zahlen ergibt sich folgendes: Das BMAS ist bei der „Großen Zahl“ von 660.195 Beschäftigten ausgegangen. Nicht berücksichtigt waren dabei allerdings die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten in denjenigen Betrieben, für die bereits ein Beitragskonto eingerichtet und die Baubetriebseigenschaft noch streitig war. Wären diese berücksichtigt worden, hätte sich eine Gesamtzahl von 687.148 unter den persönlichen Geltungsbereich des VTV fallenden Beschäftigten ergeben Daraus ergibt sich eine „Große Zahl“ von 687.148. Bei einer „Kleinen Zahl“ von 431.332 beträgt die Quote dann 62,77 %.

bb.       Dass das BMAS die von der ULAK mitgeteilten Zahlen zur Ermittlung der „Großen Zahl“ zugrunde gelegt hat, unterliegt keinen Bedenken.

(1)        Die von der ULAK mitgeteilten Zahlen sind zur Bestimmung der „Großen Zahl“ besser geeignet als anderen Erkenntnisquellen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die anderen dem BMAS vorliegenden Erkenntnisquellen und Statistiken im Grundsatz lediglich auf die Anzahl der Arbeitnehmer im Baugewerbe abstellen, ohne die Einschränkung des Geltungsbereichs durch den VTV selbst sowie die Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung zu berücksichtigen. Diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse von § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV oder den AVE-Einschränkungen erfasst werden, sind bei der „Großen Zahl“ indes nicht zu berücksichtigen. Sie unterfallen iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF nicht dem Geltungsbereich des VTV (ebenso LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris Rn. 73).

(a)        § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG aF. setzt für die Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung voraus, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % „der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen“. Nach § 1 Abs. 2 Eingangssatz VTV fallen nur Betriebe und Betriebsabteilungen unter den Tarifvertrag, welche die in den Abschn. I bis IV genannten (baulichen) Leistungen überwiegend erbringen. § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV stellt mit der Formulierung „Nicht erfasst werden Betriebe (…)“ ausdrücklich klar, dass bestimmte Unternehmen des Ausbaugewerbes nicht unter den Anwendungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese betriebsbezogenen, d.h. arbeitgeberbezogenen, Ausnahmen von dem Anwendungsbereich sind nur erfüllt, wenn mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit einem der Ausnahmetatbestände zuzuordnen sind. Der VTV beansprucht insoweit bereits keine Geltung für die entsprechenden Arbeitsverhältnisse, sondern stellt vielmehr klar, dass eine solche Geltung von vorneherein nicht in Betracht kommt (ebenso LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris Rn. 77).

(b)        Auch soweit die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung durch die „Großen Einschränkungsklausel“ eingeschränkt wurde, sind die Arbeitsverhältnisse, die insoweit von der Allgemeinverbindlicherklärung nicht erfasst werden, nicht zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung insbesondere der Beteiligten zu 1) und 8) steht der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF diesem Verständnis nicht entgegen. Zwar spricht § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF. von den „unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer(n)“. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien regelmäßig die Vorstellung haben, dass auch nur diejenigen Arbeitnehmer „unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags“ fallen, die iSd. § 3 Abs. 1 TVG normativ an den Tarifvertrag gebunden sind. Die entsprechende normative Bindung aufgrund Verbandsmitgliedschaft entspricht der gesetzgeberischen Grundvorstellung. Die entsprechende normative Bindung – von der die Tarifvertragsparteien ausgehen – wird im Rahmen des § 5 TVG durch die Allgemeinverbindlicherklärung ersetzt. Insoweit kann es auch nur auf deren Geltungsbereich ankommen.

Dies wird auch durch Sinn und Zweck des Quorums nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG aF bestätigt. Mit dem 50-Prozent-Quorum wird dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen (vgl. im Einzelnen Löwisch/Rieble TVG 3. Auflage § 5 Rn. 120). Durch die Allgemeinverbindlicherklärung soll nicht von einer Minderheit einer Mehrheit, die den Tarifvertrag nicht anwendet, die Normen des Tarifvertrags oktroyiert werden. Das entsprechende Verhältnis von Mehrheit und Minderheit kann sich nach diesem Sinn und Zweck aber nur im Hinblick auf den Bereich ergeben, der tatsächlich von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst wird. Arbeitsverhältnissen, die von der Allgemeinverbindlicherklärung nicht erfasst werden, werden die Normen des Tarifvertrags nicht aufgezwungen.

Im Übrigen handelt es sich bei der Definition des betrieblichen Geltungsbereichs und dem beantragten Umfang der Allgemeinverbindlicherklärung in der Sache beides Mal um eine Definition des Geltungsbereichs im Sinne einer normativen Bindung. Ob die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags durch Ausnahmen innerhalb des Tarifwerks oder durch Ausnahmen von seiner Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag erfolgt, macht insoweit rechtlich keinen Unterschied. Die Einschränkungen erfolgen autonom durch die Tarifvertragsparteien selbst. Es liegt keine Steuerung des Bezugsrahmens für eine Allgemeinverbindlicherklärung durch das Bundesministerium vor. Nur die Tarifvertragsparteien „optimieren“ durch die Festlegung und Beschränkung des Geltungsbereichs des jeweiligen Tarifvertrages dessen Tauglichkeit für eine Allgemeinverbindlicherklärung (vgl. im Einzelnen LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris Rn.78- 81 mwN).

(2)        Kommt es bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ aber allein auf den für allgemeinverbindlich erklärten betrieblichen Geltungsbereich des VTV an, sind die von der ULAK ermittelten Zahlen schon deswegen allein valide, weil allein die ULAK die Zahlen nach dieser Maßgabe ermittelt.

(a)        Das BMAS hat auch die Zahlen der ULAK nicht als alleinige Quelle herangezogen. Es hat weiterhin die Daten der Bundesagentur für Arbeit, die Daten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und die Daten des Statistischen Bundesamts (StBa) herangezogen und die Datenquellen miteinander verglichen und schließlich die Zahlen der ULAK als die „mit Abstand am genauesten“ beurteilt. Diese Beurteilung ist sachgerecht, weil allein die Zahlen der ULAK auch die große Einschränkungsklausel berücksichtigen, was zur Ermittlung der „Großen Zahl“ – wie oben ausgeführt – erforderlich ist. Alle anderen von den Beteiligten genannten Zahlen und Statistiken anderer Organisationen sind nicht auf den für allgemeinverbindlich erklärten Geltungsbereich des VTV-Bau abgestimmt.

(b)        Das BMAS hat die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur in ihre Überlegungen einbezogen, es hat indes die Statistik als nur eingeschränkt geeignet bewertet, um die Zahl der unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Beschäftigten zu ermitteln. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Zuordnung auf Grundlage der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008) des Statistischen Bundesamts erfolgt, Anknüpfungspunkt für die Systematik der WZ 2008 jedoch internationale Systeme von Wirtschaftsklassifikationen, nicht aber nationale Tarifverträge sind (vgl. S. 7 – 8 des Vermerks vom 20.08.2013 = Bl. 247 – 248 Beiakte II für die Allgemeinverbindlicherklärung vom. 25.10.2013 sowie S. 7 und 8 des Vermerks vom 19.03.2013 = Bl. 145 – 145 Rü Beiakte I für die Allgemeinverbindlicherklärung vom. 29.05.2013). Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt generell nicht  die tarifrechtlichen Abgrenzungsaspekte der jeweiligen Geltungsbereiche der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge. In der Beschäftigten-Statistik der Bundesagentur wird daher die Anzahl der Beschäftigten durch die nichtdeckungsgleiche Zuordnung Wirtschaftsbereich – Tarifgeltungsbereich vermengt, so dass eine tarifspezifische, trennscharfe Abbildung, nicht möglich ist.

(c)        Gleiches gilt für die Daten des Statistischen Bundesamts. Zwar gibt es bei der Fachserie 4 Reihe 5.1 durchaus große Überscheidungen mit dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, der betriebliche Geltungsbereich wird aber nicht kongruent abgebildet. Des Weiteren erfasst die Statistik des Statistischen Bundesamts grundsätzlich „Tätige Personen“, zu denen nach der Definition des Statistischen Bundesamts auch Selbständige und Familienmitglieder gehören können. Des Weiteren werden im Bereich des Ausbaugewerbes nur Betriebe mit im Allgemeinen 10 oder mehr tätigen Personen erfasst, wobei allerdings die Antragsteller insoweit zutreffend darauf hinweisen, dass die „Große Zahl“ bei Erfassung von Betrieben mit unter 10 tätigen Personen wohl tendenziell steigen würde.

(d)        Die Daten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) sind zur Ermittlung der „Großen Zahl“ nicht geeignet. Die Eintragung in die Handwerksrolle oder die Mitgliedschaft in einer Innung hat keinerlei Aussagekraft für die Frage, ob ein Betrieb unter den Anwendungsbereich des VTV fällt (vgl. a. LAG Hessen 19.07.2004 – 16 Sa 2167/03 - zitiert nach juris Rn. 31).

(e)        Die von  den Antragsstellern insbesondere gewünschte Ermittlung durch Nachfrage bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft würde keine validen Zahlen ergeben. Insoweit hat die BG Bau bereits in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Geschäftszeichen VG 4 A 83.07 mit Schreiben vom 12. September 2011 Stellung bezogen und ausgeführt:

„…Zu unseren Aufgaben zählt nicht die Beachtung von tarifrechtlichen Regelungen der Bauwirtschaft und unsere Tätigkeit orientiert sich auch nicht nach Merkmalen eines Tarifvertrags.

Aus diesen Grundsätzen sind wir unter Anderem nicht in der Lage, zu den von Ihnen genannten Stichtagen Angaben über die Anzahl von Arbeitnehmern, die in den Geltungsbereich eines jeweiligen Tarifvertrags fallen könnten, zu machen.

…“

Hinsichtlich des weiteren Wortlauts des Schreibens vom 12. September 2011 wird auf Bl. 1455 - 1457 d. A. verwiesen.

(3)        Es bestehen auch keine begründeten Zweifel, dass die ULAK selbst die Zahlen nicht ausreichend oder nicht ordnungsgemäß ermittelt hätte.

(a)        Die ULAK verlässt sich nicht allein auf die Erfüllung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Meldepflichten, sondern wertet kontinuierlich die im Bundesanzeiger veröffentlichen Unternehmensmeldungen und die Mitteilungen der Handwerkskammern und Berufsgenossenschaften aus. Sie erhält weiterhin Hinweise aus der Prüftätigkeit der Arbeitsverwaltung, der Hauptzollämter, der Rentenversicherung Bund, und aus eigenen Betriebsprüfungen sowie von den Sozialkassen des Berliner Baugewerbes und der Gemeinnützigen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes. Sie berücksichtigt weiter Hinweise und Informationen von Wettbewerbern (Bauherren und Auftraggeber von Bauunternehmern), Arbeitnehmern, Tarifvertragsparteien, anderen Arbeitgeberorganisationen, Innungen und Kreishandwerkerschaften, gesetzliche Krankenkassen und der Senatsverwaltung für St. Berlin. Angesichts dieser engmaschigen Prüfung und Kontrolle ist davon auszugehen, dass die Summe der von der ULAK erfassten Arbeitsverhältnisse den tatsächlichen Stand unter Berücksichtigung des eingeschränkten betrieblichen Geltungsbereichs des VTV und der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärungen am genauesten widergibt.

(b)        Auch die konkrete Ermittlung der Beschäftigungsverhältnisse bei den jeweilig erfassten Arbeitgebern unterliegt keinen Bedenken. Die Beschäftigtenzahl beruhe in erster Linie auf den abzugebenden Meldungen. Die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten wird nach sachgerechten Kriterien geschätzt. Soweit die Bruttolohnsumme des Betriebs bekannt ist, wird aufgrund der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne die Zahl der Arbeitnehmer errechnet. Soweit Meldungen aus der Vergangenheit vorlagen, wurde die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl der letzten 12 Monate zugrunde gelegt. Hat die zuletzt gemeldete Arbeitnehmerzahl über diesem Durchschnittswert gelegen, ist die höhere Arbeitnehmerzahl zugrunde gelegt worden. Haben keine dieser Möglichkeiten der Schätzung bestanden, wird auf weitere vorliegende Informationen zurückgegriffen, zB. Prüfberichte der Arbeitsverwaltung, Auskünfte der gesetzlichen Krankenkassen und Gewerbeämter. Dies ermöglicht eine weitgehend zutreffende Ermittlung.

(4)        Auch die Einwände der Antragssteller begründen keinen Grund zur Annahme, dass die Ermittlung der „Großen Zahl“ durch Übernahme der Zahlen der ULAK in einer Weise fehlerhaft vorgenommen wurde, dass das Quorum von 50 % tatsächlich nicht erreicht ist.

(a)        Soweit die Antragssteller der Auffassung sind, die Zahlen der ULAK seien nicht oder nur eingeschränkt verwertbar, weil die ULAK als gemeinsame Einrichtung iSd. VTV ein Eigeninteresse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV habe, erschließt sich der Einwand der Kammer nicht. Das Eigeninteresse vermag als solches nicht zu begründen, dass die Zahlen nicht oder nur eingeschränkt verwertbar sind. Dies wäre nur der Fall, wenn das Eigeninteresse dazu führte, dass die ULAK die Zahlen falsch meldet oder falsch ermittelt. Hierfür gibt es nicht auch nur den entferntesten Anhaltspunkt. Das Interesse der ULAK besteht im Übrigen vor allem in einer weitestgehenden Erfassung aller Arbeitsverhältnisse, die unter den für allgemeinverbindlich erklärten Geltungsbereich des VTV fallen. Dies führt gerade zu einer entsprechend hohen „Großen Zahl“.

(b)        Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass Arbeitnehmer ausländischer Arbeitgeber mit Sitz im Ausland nicht erfasst wurden, ist darauf zu verweisen, dass Arbeitnehmer solcher Betriebe nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG nicht unter den Geltungsbereich des VTV fallen, auch wenn sie in Deutschland arbeiten. Die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen des VTV trotz Geltung des jeweiligen nationalen Arbeitsrechts für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse folgt vielmehr aus §§ 3, 4 Nr. 1 AEntG (ebenso bereits LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris Rn. 149).

(c)        Soweit die Antragssteller darauf verweisen, dass bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ Schwarzarbeit nicht berücksichtigt sei, hat die ULAK darauf verwiesen, dass die Hauptformen der Schwarzarbeit die Nichtmeldung von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ist. Die insoweit bestehenden Stunden der Schwarzarbeit wirken sich aber nicht auf die Zahl der gemeldeten Betriebe und der gemeldeten Beschäftigten aus. Soweit die ULAK schätzt, dass der der Anteil der aufgrund Schwarzarbeit nicht erfassten Betriebe und der darin Beschäftigten bei unter 5 % liegt, haben die Antragssteller keine Tatsachen benannt, die der Einschätzung entgegenstehen. Auch wenn man die aufgrund der durch Schwarzarbeit möglicherweise nicht erfassten Betriebe und Arbeitsverhältnisses entsprechend im Rahmen einer Schätzung berücksichtigt, wäre das Quorum von mindestens 50 % weiterhin (über)erfüllt.

(d)        Soweit die Antragssteller davon ausgehen, es sei keine ausreichende Ermittlung der „Großen Zahl“ erfolgt, weil das BMAS weitere Quellen wie den Deutschen Handwerkskammertag, den Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Minijob-Zentrale, die Krankenkassen und die Zahlen der Bauberufsgenossenschaft nicht berücksichtigt habe, trifft dies nicht zu. Das BAMS hat mit den Zahlen der ULAK auf valide Zahlen zurückgegriffen. Eine Verpflichtung jede erdenkliche Quelle zu berücksichtigen, die sich anderes als die Zahlen der ULAK nicht auf den für allgemeinverbindlich erklärten Teil des VTV beziehen und damit nicht gleichermaßen geeignet waren, bestand nicht.

(5)        Insoweit war auch dem Beweisantrag des Beteiligten zu 19) „im Rahmen der Amtsermittlung die relevanten Daten der Bau-Berufsgenossenschaft für den Zeitraum der Allgemeinverbindlicherklärungen anzufordern, bzw. ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, wie viele Versicherte in der gesetzlichen Unfallversicherung tatsächlich bauberufliche Tätigkeit im Sinne des VTV im Jahr 2013 ausgeübt haben (vgl. S. 7 des Schriftsatzes vom 18.06.2015 = Bl. 1155 mit Berichtigung in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2015 = Bl. 1452 d. A.), nicht nachzugehen. Das BMAS hat die Zahlen für die Erfüllung des Quorums nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG aF. ausreichend ermittelt. Welche weiteren Erkenntnisse der gewünschte Sachverständige aus eigener Ansehung gewinnen sollte, ist nicht erkennbar. Im Übrigen würde die von dem Beteiligten zu 19) gewünschte Ermittlung durch Nachfrage bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – wie bereits dargelegt - keine validen Zahlen ergeben. Insoweit ist nicht einmal ersichtlich, was der Beteiligte zu 19) unter den Begriff der „relevanten Daten“ überhaupt subsumieren möchte.

cc.       Auch die Ermittlung der „Kleinen Zahl“ ist nicht zu beanstanden.

Der ZDB und der HDB führen jedes Jahr zu demselben Stichtag (30. September eines jeden Jahres) zur Ermittlung der „Kleinen Zahl“ eine Befragung bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden durch. Bei der Abfrage wird auf die Notwendigkeit „für den Nachweis, dass 50 % der unter die Bautarifverträge fallenden Arbeitnehmer bei den tarifgebundenen Arbeitgebers beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz)“, hingewiesen. Gleichzeitig wurde bei der Abfrage darum gebeten, dass „die Doppelverbände die Zahlen aufgeteilt nach Handwerks- und Industrieunternehmen“ mitteilen, um eine doppelte Erfassung beim ZDB und HDB auszuschließen.

Die Angaben der Mitgliedsbetriebe gegenüber den angeschlossenen Mitgliedsverbänden des ZDB und des HDB geben eine ausreichende und valide Grundlage für die Ermittlung der „Kleinen Zahl“. Angesichts der Fragestellung „organisiert und tarifgebunden“ werden nur Mitglieder gezählt, die unter den VTV fallen. OT-Mitgliedschaften werden nach Auskunft des ZDB und HDB ohnehin nur vereinzelt angeboten und soweit dies Fall ist, nicht mitgezählt. Weiterhin haben der ZDB und der HDB darauf hingewiesen, dass der Anteil der Betriebe mit Doppelmitgliedschaften äußerst gering ist und im Falle einer Doppelmitgliedschaft ein Teil der Beschäftigten für die Beitragsveranlagung dem ZDB und ein Teil der Beschäftigten dem HDB gemeldet werden, so dass eine Doppelzählung der Arbeitnehmer ausgeschlossen ist.

4.         Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, dass das BMAS davon ausging, dass die Allgemeinverbindlicherklärung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 TVG  aF. im öffentlichen Interesse geboten erschien. Das BMAS hat die Grenzen des ihm zustehenden normativen Ermessens nicht überschritten.

a.         § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 TVG aF. eröffnet der zuständigen Behörde einen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum (BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322, 344;  BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR - 13/03 - EzA § 5 TVG Nr. 13;  BAG  25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287). Eine gerichtliche Überprüfung kommt deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind. Dies folgt zum einen daraus, dass nach dem Gesetzeswortlaut ein öffentliches Interesse nur "geboten erscheinen" muss. Zum anderen bietet die verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung eine ausreichende Gewähr dafür, dass die für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Behörde ihren kraft Gesetzes weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutzt.

b.         Die Entscheidung des BMAS, einen Verfahrenstarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, der Zwangsbeiträge für das Ausbildungswesen und eine Zusatzrente anordnet, liegt innerhalb dieses Ermessens. Auch die Fortführung des besonderen tariflichen Urlaubsregimes nach § 8 BRTV Bau in Verbindung mit den VTV wird vom weiten Beurteilungsermessen gedeckt. Es kann offenbleiben, welchen Umfang unterjährige Beschäftigungsverhältnisse in der Baubranche noch haben (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -; LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 –juris Rn. 160).

5.         § 5 TVG aF. bot auch eine wirksame Rechtsgrundlage für die Allgemeinverbindlicherklärungen. § 5 aF. TVG verstößt weder gegen das Grundgesetz, noch gegen die Grundrechte Charta der EU und gegen sonstiges höherrangiges Recht. Gleiches gilt für die Allgemeinverbindlicherklärung selbst.

a.         § 5 TVG aF. ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - AP Nr. 15 zu § 5 TVG; BVerfG 15. Juli 1980 -  1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 - AP Nr. 17 zu § 5 TVG; BVerfG 10. September 1991 -  1 BvR 561/89 - , NZA 1992, 125) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG  22. September 1993, 10 AZR 371/92, EzA § 5 TVG Nr. 11; BAG 15. November 1995 -  10 AZR 150/95 -   juris; BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 190/10 -  AP Nr. 333 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) verfassungskonform. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

b.         Es sind auch keine Verstöße gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere Europarecht ersichtlich.

aa.       Ein Verstoß gegen Art. 47 GRC oder gegen Art. 13 EMRK liegt nicht vor, wie das LAG Berlin-Brandenburg bereits zutreffend entschieden hat (LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Gerade das Verfahren nach § 98 ArbGG beinhalten ein Recht auf wirksame Beschwerde iSd. Art. 13 EMRK bzw. wirksamen Rechtsbehelf iSd. Art. 47 GRC.

bb.       Auch ein Verstoß gegen Art. 12 GRC (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) und Art. 28 GRC (Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen) und Art. 11 EMRK (Versammlung- und Vereinigungsfreiheit) ist nicht gegeben.

Art. 28 GRC ist gegenüber Art. 12 GRC lex specialis (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Es ist nicht erkennbar, dass Art. 28 GRC einen weiteren Schutzzweck als Art. 9 Abs. 3 GG haben könnte (LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Gleiches gilt für Art. 11 EMRK. Dass die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen die Außenseiter nicht in ihrer Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, hat das BVerfG bereits entschieden und ausführlich begründet (vgl. BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 -  AP Nr. 17 zu § 5 TVG zu Art. 9 Abs. 3 GG).

cc.       Auch die in Art. 16 GRC niedergelegte unternehmerische Freiheit ist durch § 5 TVG aF. und durch die auf diesem beruhenden Allgemeinverbindlicherklärungen nicht verletzt. Dies folgt entgegen der Ansicht der Antragssteller auch nicht aus der „Alemo-Herron-Entscheidung des EuGH (EuGH 18. Juli 2013 – C–426/11 – EzA Richtlinie 2001/23 EG-Vertrag 1999 Nr. 8 = AP Nr. 10 zu Richtlinie 2001/23/EG). Der EuGH hat in der zur Auslegung des Art. 3  RL 2001/23  ergangenen Entscheidung wesentlich darauf abgestellt, dass es im Sinne der Wertung des Grundrechts aus Artikel 16 GRC möglich sein muss, an den Verhandlungen des Tarifvertrags, an den der Erwerber eines Betriebes dynamisch gebunden sein soll, mitzuwirken (vgl. EuGH 18. Juli 2013 – C–426/11 – EzA Richtlinie 2001/23 EG-Vertrag 1999 Nr. 8, zu Rz. 34 – 35). Insoweit liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Erstreckung einer Norm auf Dritte nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine Möglichkeit der Beeinflussung besteht. Im Hinblick auf die Erstreckung der Normen eines Tarifvertrags auf Dritte durch eine Allgemeinverbindlicherklärung ist den beteiligten Unternehmen und Verbänden im Vorfeld einer Allgemeinverbindlicherklärung durch die §§ 4 ff. DVO-TVG ein Mitwirkungsrecht eingeräumt. Zwar können die nicht aufgrund Verbandsmitgliedschaft tarifgebundenen Unternehmen nicht den Inhalt des Tarifvertrags beeinflussen, sie könne aber durch ihre Stellungnahme auf die Allgemeinverbindlicherklärung selbst und damit auf Anwendbarkeit eines Tarifvertrags – egal welchen Inhalts – in ihrem Unternehmen potentiell Einfluss nehmen. § 6 Abs. 3 DVO-TVG regelt in Verbindung mit § 5 Abs. 2 TVG, dass vor der Entscheidung über den Antrag Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Insoweit haben die Unternehmen die Möglichkeit, auf ihre Erfassung durch den Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung Einfluss zu nehmen. Der in Art. 16 GRC niedergelegte unternehmerische Freiheit ist damit ausreichend Rechnung getragen.

6.         Ob der VTV selbst in Teilen rechtswidrig ist, spielt für den vorliegenden Verfahrensgegenstand keine Rolle. Verfahrensgegenstand ist die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung, nicht jedoch die Wirksamkeit des VTV. Das Verfahren nach § 98 ArbGG ist nicht darauf gerichtet, die einer Allgemeinverbindlicherklärung zugrunde liegenden Tarifverträge auf ihre Rechtswirksamkeit zu überprüfen. Auch die Rechtskraft eines Beschlusses im Verfahren nach § 98 ArbGG bezieht sich allein auf die Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung und hindert die Beteiligten nicht, sich in einem Urteilsverfahren auf die Unwirksamkeit des Tarifvertrags wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht zu berufen.

7.         Soweit die Antragsteller teilweise geltend machen, durch den VTV-Bau werde die Tarifzuständigkeit der Verbände überschritten, ist auch dies angesichts des Verfahrensgegenstands des Verfahrens nach § 98 ArbGG nicht rechtserheblich. In dem Verfahren nach § 98 ArbGG ist zu klären, ob die Allgemeinverbindlicherklärung rechtswirksam ist, nicht ob der zugrunde liegende Tarifvertrag ggf. aufgrund fehlender Tarifzuständigkeit nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Klärung der Frage der Tarifzuständigkeit ist allein dem Verfahren nach § 97 ArbGG vorbehalten. Die Vermengung der unterschiedlichen Verfahren durch eine Inzidentprüfung würde der gesetzlichen Vorgabe der Prüfung in unterschiedlichen Verfahren widersprechen. Deswegen rechtfertigte eine etwaig fehlende Tarifzuständigkeit der Verbände weder eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG noch ist eine Inzidentprüfung vorzunehmen (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Vielmehr sind die Beteiligten, soweit sie die fehlende Tarifzuständigkeit rügen, auf das Verfahren nach § 97 ArbGG zu verweisen.

C.         Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 ArbGG iVm. § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden. Dies begünstigt im Verfahren nach § 98 ArbGG die Antragsteller, die im Ergebnis allein wirtschaftliche Interessen verfolgen, zu Lasten der Staatkasse. Anders als in den Beschlussverfahren im Betriebsverfassungsrecht besteht dafür kein Anlass (so zutreffend bereits LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Die Kammer sieht jedoch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts des § 2 a Abs. 1 Ziff. 5 ArbGG und der fehlenden abweichenden Kostenregelung trotz des in der Gesetzesbegründung genannten Vorbilds des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 VwGO keine Möglichkeit einer – an sich sachgerechten - entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 3 VwGO.

D.         Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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