LAG Nürnberg: Weiterbeschäftigung und Freistellung bei Kündigung
LAG Nürnberg, Urteil vom 18.9.2007 - 4 Sa 586/07
Leitsätze:
§§ 935, 940 ZPO, 102 BetrVG
1. Bei einem gem. § 102 Abs. 5 BetrVG begründeten Weiterbeschäftigungsverhältnis besteht das gekündigte Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen über den Entlassungstermin fort.
2. Eine von der Arbeitgeberin bereits während der Kündigungsfrist ausgesprochene und danach aufrechterhaltene Freistellung des Arbeitnehmers kann bewirken, dass auch während des Weiterbeschäftigungsverhältnisses eine tatsächliche Arbeitstätigkeit unterbleibt und dem Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. § 615 BGB zusteht.
3. Soll der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Weiterbeschäftigungsverhältnis durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden, bedarf es hierzu wie bei der Durchsetzung der tatsächlichen Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis oder im kündigten Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist eines besonderen Verfügungsgrundes.
sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die tatsächliche Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits der Parteien. Die am 17.06.1953 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.09.1979 als Sachbearbeiterin zuletzt in der Abteilung Qualitätsmanagement gegen ein Bruttomonatsgehalt von EUR 2.900,-- beschäftigt. Die Antragsgegnerin, in deren Betrieb etwa 560 Arbeitnehmer beschäftigt sind, schloss im Monat August 2006 mit der Gewerkschaft IG Metall einen Restrukturierungstarifvertrag zur Sicherung des Existenz des Unternehmens, der u.a. den Abbau von 60 Arbeitsplätzen vorsieht.
Mit dem bei der Antragsgegnerin bestehenden Betriebsrat wurde am 22.03.2007 ein Sozialplan abgeschlossen.
Die Antragsgegnerin kündigte das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit Schreiben vom 29.12.2006 (Kopie Bl. 13 d.A.) zum 31.07.2007 und stellte die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge von der Arbeitsverpflichtung frei.
Der Anspruch der Antragstellerin aus dem Sozialplan beträgt EUR 59.558,98 brutto. Gegen dies ausgesprochene Kündigung hat die Antragstellerin zum Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - Kündigungsschutzklage erhoben (Az.: 4 Ca 78/07 C).
Im dortigen Rechtsstreit ist Termin zur Durchführung der Kammerverhandlung bestimmt auf Dienstag, den 02.10.2007.
Aufgrund des Widerspruchs des Betriebsrats vom 28.12.2006 (Kopie Bl. 18-20 d.A.) begehrte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.07.2007 (Kopie Bl. 26 d.A.) die vorläufige Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits. Die Antragstellerin hat Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung beim Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - erhoben (Az.: 4 Ca 797/07 C) und diesen Anspruch gleichzeitig im Wege der hier streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung verfolgt.
Die Antragsgegnerin ihrerseits betreibt ebenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht (Az.: 4 Ga 9/07 C).
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Endurteil vom 21.08.2007 dem Antrag entsprochen und die Antragsgegnerin zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung verpflichtet.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 30.08.2007 zugestellte Urteil haben diese mit Telefax vom 05.09.2007 Berufung eingelegt und sie gleichzeitig begründet.
Die Antragsgegnerin meint, der Antragstellerin stehe kein Verfügungsanspruch zu, denn ihr Arbeitsplatz sei bereits seit dem 01.01.2007 dauerhaft und ersatzlos weggefallen. Aus diesem Grund sei sie bereits während der Kündigungsfrist freigestellt worden. Die betriebsorganisatorische Maßnahme und die daraus resultierende Freistellung könnten nicht rückgängig gemacht werden.
Es fehle auch an einem erforderlichen Verfügungsgrund, an den im Falle einer vorliegenden Befriedigungsverfügung ein besonders strenger Maßstab anzulegen sei. Dies gelte auch für den hier streitgegenständlichen Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsrechtsstreits. Da die Antragstellerin ihre tatsächliche Beschäftigung erst mehr als sechs Monate nach der wirksamen Freistellung von der Arbeitspflicht geltend gemacht habe, habe sie die Dringlichkeit für eine Weiterbeschäftigungsverfügung selbst widerlegt. Auf wirtschaftliche Überlegungen könne die Weiterbeschäftigungsverfügung nicht gestützt werden. Da es ihr aus organisatorischen Gründen unmöglich sei, die Antragstellerin tatsächlich zu beschäftigen, genieße ihr Nichtbeschäftigungsinteresse im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung den Vorrang.
Die Antragsgegnerin und Berufungsklägerin beantragt:
1. Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg/Kammer Coburg vom 21.08.2007, zugestellt am 29.08.2007, (Az.: 4 Ca 8/07 C) die Anträge der Verfügungsklägerin aus dem Schriftsatz vom 13.08.2007 zurückzuweisen.
2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg/Kammer Coburg vom 21.08.2007 (Az.: 4 Ga 8/07 C) vorläufig einzustellen.
3. Der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin und Berufungsbeklagte beantragt:
1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 21.08.2007, Az.: 4 Ga 8/07, wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist zurückzuweisen.
3. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Zur Begründung trägt sie vor, das Erstgericht habe zu Recht einen Verfügungsanspruch bejaht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG bedürfe die Durchsetzung der vorläufigen Weiterbeschäftigung im Kündigungsrechtsstreit wegen des ansonsten eintretenden tatsächlichen Rechtsverlustes keines besonderen Verfügungsgrundes. Ihre mehrmonatige Freistellung während der Kündigungsfrist habe sie zwar nicht gerichtlich angegriffen, jedoch könne jetzt mit der Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht länger zugewartet werden. Da mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zeitnah zu rechnen sei, drohe nämlich der Bezug zu ihrem Tätigkeitsbereich verloren zu gehen. Bezüglich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
aus den gründen:
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II. Die Berufung ist sachlich begründet.
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, die Antragstellerin derzeit tatsächlich zu beschäftigen. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache überwiegt im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das Nichtbeschäftigungsinteresse der Antragsgegnerin.
1. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO ist das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs.
Ob ein solcher tatsächlich vorliegt, wie vom Erstgericht vertreten , erscheint mehr als fraglich, kann aber letztlich dahingestellt bleiben.
Das Erstgericht hat den Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gemäß § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG bejaht und hierbei darauf abgestellt, dass der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 102 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Ziffer 1 BetrVG frist- und ordnungsgemäß widersprochen, die Antragstellerin gegen die ausgesprochene Kündigung gemäß § 4 S. 1 KSchG rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und noch vor Ablauf der Kündigungsfrist ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG begehrt hat. Des Weiteren hat die Antragsgegnerin noch keine gerichtliche Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG erwirkt.
Insoweit kann mit dem Erstgericht zugunsten der Antragstellerin aber lediglich davon ausgegangen werden, dass ihr zum 31.07.2007 gekündigtes Arbeitsverhältnis bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzusetzen ist.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 BetrVG bewirkt, dass das gekündigte bisherige Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes über den Entlassungstermin hinaus fortzusetzen ist und zwar auflösend bedingt bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage (so BAG vom 09.07.2003 - 5 AZR 305/02 - BAGE 107,66-71; vom17.06.1999 - 2 AZR 608/98 - AP Nr. 11 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung; vom 12.09.1985 - 2 AZR 324/84 - AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung; LAG München vom 08.10.2003 - 5 Sa 946/03 - in Juris; Richardi-Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 102 Rz. 225; KREtzel, 8. Aufl., § 102 BetrVG Rz. 215; jeweils m.w.N.).
Dementsprechend bestehen bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage die beiderseitigen Hauptpflichten auf der Basis des bisher bestandenen Arbeitsverhältnisses fort, so dass der Arbeitgeber weiterhin Gläubiger der Arbeitsleistung bleibt und in Annahmeverzug gerät, wenn er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, selbst wenn die Kündigungsschutzklage später rechtskräftig abgewiesen wird (so das BAG, a.a.O.).
Insoweit bestehet für den Arbeitgeber wie im ungekündigten oder gekündigten Arbeitsverhältnis die rechtliche Möglichkeit, den Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen.
Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Rahmen des gemäß § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG fortzusetzenden Arbeitsverhältnisses geht nämlich nicht weiter als in dem bisher bestandenen Arbeitsverhältnis, das durch die Kündigung der Arbeitgeberin beendet werden sollte. Während des so genannten Weiterbeschäftigungsverhältnisses gelten dieselben arbeitsvertraglichen Bedingungen, die auch bis zu dem Entlassungstermin gegolten haben. Der Arbeitnehmer kann gegenüber dem Arbeitgeber dieselben Rechte herleiten wie in dem gekündigten Arbeitsverhältnis und dem Arbeitgeber stehen auf der anderen Seite dieselben rechtlichen Befugnisse zu (vgl. hierzu KR-Etzel, a.a.O., Rz. 218).
Rechtsgrund für den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung ist nicht § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG im Sinne einer Sonderregelung selbst, sondern das nach dieser Bestimmung kraft Gesetzes fortzusetzende Arbeitsverhältnis. Der gekündigte Arbeitnehmer hat aufgrund des Weiterbeschäftigungsverhältnisses keine andere Rechtsstellung als die anderen Arbeitnehmer, die sich in einem ungekündigten oder noch in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Wie diese hat er keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, wenn auf Arbeitgeberseite ein berechtigtes Interesse an einer Nichtbeschäftigung besteht. § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG gibt ihm keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung über die bisher anerkannten Schranken im bestehenden Arbeitsverhältnis hinaus, insbesondere will er den Arbeitnehmer im Rahmen des Weiterbeschäftigungsverhältnisses hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs nicht besserstellen als die sonstigen Arbeitnehmer. Insofern besteht im Weiterbeschäftigungsverhältnis kein weitergehender Beschäftigungsanspruch als in dem bis zum Entlassungstermin bestandenen Arbeitsverhältnis (so Richardi-Thüsing, a.a.O., Rz. 229).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze für das Weiterbeschäftigungsverhältnis, erscheint sehr fraglich, ob die Antragsgegnerin nicht an der vorgenommenen sofortigen Freistellung der Antragstellerin ab dem 01.01.2007 auch während des Kündigungsrechtsstreits festhalten kann.
Nach ihrem Sachvortrag haben bereits zu diesem Zeitpunkt organisatorische Maßnahmen zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit geführt und besteht über diesen Zeitpunkt hinaus keine Möglichkeit, die Antragstellerin sinnvoll einzusetzen und auszulasten. Die Antragsgegnerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf den mit der Gewerkschaft IG Metall Bayern abgeschlossenen Restrukturierungstarifvertrag (Kopie Bl. 218-229 d.A.). Nach dessen Präambel befand sich das Unternehmen in einer existenzgefährdenden Situation und sollten deshalb zur Erhaltung der restlichen Arbeitsplätze konkret beschriebene Kostensenkungsmaßnahmen greifen, zu denen auch ein Personalabbau im sogenannten „Overhead-Bereich" (d.h. indirekte Funktionen und Angestellte) bis maximal 60 Mitarbeiter gehörte (§ 15 des Restrukturierungstarifvertrags). Die Personalmaßnahme wird in dem Tarifvertrag ausdrücklich damit begründet, dass diese „aus betrieblichen Gründen dringend erforderlich ist und kurzfristig durchgeführt werden muss".
Wenn die Arbeitgeberin auf der Basis des abgeschlossenen Restrukturierungstarifvertrages die dort geregelten organisatorischen Maßnahmen so schnell wie möglich durchführt und aus diesem Grund schon vor dem Entlassungstermin die tatsächliche Freistellung gekündigter Mitarbeiter vorgenommen hat, handelte es sich diesbezüglich um unternehmerische Entscheidungen, die nur beschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Im vorliegenden Fall erscheinen sie nicht als sachfremd oder willkürlich. Sie sind geeignet, ein vorläufiges überwiegendes Nichtbeschäftigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht nur bis zum Entlassungstermin, sondern auch darüber hinaus während des Weiterbeschäftigungsverhältnisses zu begründen. Die Arbeitgeberin ist nämlich nicht verpflichtet, bereits durchgeführte betriebsorganisatorische Maßnahmen, für deren Beibehaltung sie letztlich im Kündigungsrechtstreit streitet, nur bis zum Entlassungstermin aufrecht zu erhalten aber nach dem Entlassungstermin für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits wieder vorübergehend rückgängig zu machen. Insoweit kann eine betriebsorganisatorisch veranlasste Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist auch die weitere Nichtbeschäftigung während des Weiterbeschäftigungsverhältnisses begründen.
2. Für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung fehlt es jedenfalls an dem für die Bejahung der Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit der Entscheidung erforderlichen Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO.
Bei einer Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO muss die objektive Gefahr bestehen, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Verfügungsklägers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Bei einer Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO ist ein Verfügungsgrund gegeben, sofern die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
In beiden Fällen sind an den Verfügungsgrund dann besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn durch die einstweilige Verfügung die Hauptsache ganz oder zumindest teilweise vorweggenommen wird und insoweit endgültige Verhältnisse geschaffen werden (sogen. Leistungs- (Befriedigungs-)Verfügung.
Voraussetzung für einen Verfügungsgrund bei einer Leistungsverfügung ist, dass der Gläubiger auf die sofortige Anspruchserfüllung angewiesen und die Leistung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im normalen Klageverfahren nicht möglich erscheint.
Anders als eine nur sichernde Maßnahme belastet eine Leistungsverfügung den Verfügungsbeklagten im besonderen Maße, da die Leistungsverfügung meist nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und trotz der Schadensersatzregelung in § 945 ZPO ein Ausgleich in Geld häufig nicht möglich oder realisierbar ist.
Die Leistungsverfügung ist in vielen Fällen gerade darauf angelegt, beim Verfügungsbeklagten genau zu solchen irreparablen Folgen zu führen, wie sie beim Verfügungskläger verhindert werden sollen. Insoweit stehen sich die Interessen der Parteien bei der Leistungsverfügung grundsätzlich gleichwertig gegenüber und ist erst unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles und der darauf aufbauenden konkreten Interessenabwägung zu entscheiden, welches Interesse im Einzelfall überwiegt (vgl. hierzu LAG Nürnberg vom 17.08.2004 - 6 Sa 439/04 - LAGE Nr. 2 zu § 102 BetrVG 2001 Beschäftigungspflicht; LAG München vom 14.09.2005 - 9 Sa 891/05 -; LAG Nürnberg vom 24.06.2003 - 6 Sa 181/03 - beide n.v.).
Da im Weiterbeschäftigungsverhältnis ebenso wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis unwiederbringlich der Verlust der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers eintritt, wenn die begehrte Leistungsverfügung zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs nicht erlassen wird, auf der anderen Seite aber die erzwungene tatsächliche Weiterbeschäftigung zu einer betrieblichen Situation führt, die ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, darf der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Weiterbeschäftigungsverhältnis ebenso wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis nur bei dem Vorhandensein besonderer Umstände, eben eines Verfügungsgrundes, im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Interessen des Arbeitnehmers die tatsächliche Beschäftigung bedingen, etwa bei drohendem Verlust von Kenntnissen oder Geschäftsbeziehungen, bei einer dauerhaften Entfremdung von der übrigen Belegschaft oder bei ähnlich gewichtigen Gründen, überwiegt das besondere Interesse des Arbeitnehmers an der Geltendmachung seines Anspruchs im Wege einer einstweiligen Verfügung (so LAG Nürnberg, a.a.O.).
An einem ausreichenden Verfügungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung fehlt es im konkreten Fall.
Mit dem „drohenden endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes der Antragstellerin", wie vom Erstgericht vertreten, kann der Verfügungsgrund nicht begründet werden. Ob das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin nämlich zum Entlassungszeitpunkt oder aufgrund eines wirksamen Weiterbeschäftigungsanspruchs erst mit rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsrechtsstreits endet, ist in den beiden laufenden Hauptsacheverfahren zu prüfen und zu entscheiden. Die Vertragsbeendigung selbst hat mit dem hier streitigen Anspruch auf vorläufige tatsächliche Beschäftigung keinerlei Bezug.
Ebenso wenig hat die Durchsetzung des tatsächlichen Beschäftigungsanspruches Auswirkung auf Vergütungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (so bereits das BAG im Urteil vom 12.09.1985, a.a.O.; vgl. auch LAG München a.a.O.).
Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob der Antragstellerin durch das Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Kündigungsschutzverfahren oder zumindest bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über ihren Weiterbeschäftigungsanspruch in der Hauptsache ein Nachteil droht, der durch den Erlass der einstweiligen Verfügung abgewendet werden müsste. Nachdem sie bereits ohne Anrufung der Gerichte während der Kündigungsfrist für die Dauer von sieben Monate freigestellt worden war, müsste der Nachteil gerade in der Beibehaltung der bisherigen Freistellung liegen.
In diesem Zusammenhang beruft sich die Antragsgegnerin auf einen Tätigkeitsnachweis der Antragstellerin vom 28.07.2003 (Kopie Bl. 275 d.A.), wonach der ganz überwiegende Anteil ihrer Tätigkeit in der Pflege, Aktualisierung und Archivierung von Arbeitsanweisungen, Arbeitssicherheitsdaten, Statistiken und Präsentationen sowie in der Korrespondenz mit Berufsgenossenschaften und der Bearbeitung von behördlichen Fragebögen bestand. Diesbezüglich hat die Antragstellerin weder konkret dargelegt noch glaubhaft gemacht, weshalb eine weitere Freistellung bis zu einer zu erwartenden Hauptsacheentscheidung innerhalb der nächsten drei bis fünf Monate zu einer nennenswerten Beeinträchtigung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten führen würde.
Hieran sind bereits deshalb besonders strenge Anforderungen zu stellen, da die Antragstellerin die bis zur Einreichung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits siebeneinhalb Monate dauernde Freistellung hingenommen und nicht gerichtlich angegriffen hat, was gegen die Dringlichkeit der Durchsetzung des Beschäftigungsanspruches spricht (vgl. hierzu LAG München a.a.O.). Selbst wenn man hierin nicht eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit sieht, wie vom Landesarbeitsgericht München vertreten, so hätte es doch der konkreten Darlegung der Nachteile bedurfte, die gerade infolge der Fortsetzung der vorgenommenen Freistellung zu erwarten sind. Diesbezüglich hat die Antragstellerin keine konkreten Umstände für drohende gewichtige Nachteile dargelegt und glaubhaft gemacht.
3. Wegen der Zurückweisung des Antrags ist über die von der Antragsgegnerin beantragte vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht mehr zu befinden.
III. Die unterlegene Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.