LAG Berlin-Brand.: Wann eine vorübergehende Kürzung Arbeitszeit vorliegt
LAG Berlin-Brand., Urteil vom 9.8.2019 – 9 SA 1874/18
ECLI: ECLI:DE:LAGBEBB:2019:0809.9SA1874.18.00
Volltext: BB-Online BBL2019-2484-3
Leitsätze
1. Eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG liegt vor, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von dem allgemein geltenden Zeitvolumen abgewichen wird, um anschließend zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit zurückzukehren (BAG, Beschluss vom 01. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 –, BAGE 107, 9-18, Rn. 31). Dies ist bei einer durchgehenden Reduzierung der Arbeitszeit von 2,5 Stunden wöchentlich für einen Zeitraum von 30 Monaten nicht mehr der Fall.
2. Bei mehreren Tarifverträgen unterschiedlicher Gewerkschaften, die für denselben räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich tarifliche Regelungen bzw. Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG begründen, reicht eine Öffnungsklausel in einem dieser Tarifverträge nicht aus, um für den gesamten potentiellen Geltungsbereich ergänzende Betriebsvereinbarungen zuzulassen.
§ 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG, § 77 Abs 3 BetrVG
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Verkürzung der Arbeitszeit.
Die Klägerin war zunächst seit 1. Januar 1989 bei der Berliner V. (Ost) beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1991 übernahm die Berliner V. eG das Arbeitsverhältnis. Hierzu wandte sich die Berliner V. eG mit Schreiben vom 10. Januar 1991 an die Klägerin und führte zu den Arbeitsbedingungen u.a. aus:
„Der Tarifvertrag für die V.. und R. sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken und die Betriebsvereinbarungen für den Betrieb der Berliner V. eG, K. 86, 1000 Berlin 19, sind Bestandteil dieses Vertrags.“
Das seitens der Berliner V. eG unterzeichnete Schreiben endet mit dem Passus:
„Ich bestätige, vorstehendes Schreiben erhalten zu haben und erkläre mich mit dessen Inhalt sowie mit den Regelungen des Handbuchs für Mitarbeiter inkl. aller Betriebsvereinbarungen für den Betrieb der Berliner V. eG, K. 86, 1000 Berlin 19, in allen Teilen einverstanden.“
Der von der Klägerin unterzeichnet ist.
Der Arbeitgeberverband der Deutschen V. und R e.V. (AVR) schloss mit den Gewerkschaften HBV, DAG, DBV und DHV lange Zeit gleichlautende Tarifverträge, so der Manteltarifvertrag für die V. und R sowie die Genossenschaftlichen Zentralbanken vom 18. April 1979, der im Folgenden fortlaufend durch weitere Tarifverträge geändert wurde. Der letzte gleichlautende Tarifvertrag zur Änderung des Manteltarifvertrages, dann mit der Gewerkschaft ver.di anstelle HBV und DAG abgeschlossen, wurde am 8. Juli 2004 vereinbart. Dieser Manteltarifvertrag wurde als enthält - insoweit entsprechend bereits vorheriger, hinsichtlich des Befristungsablaufs mehrfach angepasster Vereinbarungen - u.a. folgende Regelung:
„Öffnungsklausel zur Beschäftigungssicherung
Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die wöchentliche Arbeitszeit für Arbeitnehmergruppen, einzelne Abteilungen oder ganze Betriebsteile auf bis zu 31 Stunden in der Woche gekürzt werden; die Bezüge und sonstigen Leistungen werden grundsätzlich entsprechend gekürzt. Für die gekürzte Zeit wird ab dem 1. Januar 2004 ein finanzieller Ausgleich von 20 % des zugehörigen Stundensatzes geleistet. Zuvor sollen in dem betreffenden Bereich die Möglichkeiten zum Abbau von Mehrarbeit und zur Förderung von Teilzeitarbeitsverhältnissen genutzt werden. Während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung dürfen gegenüber den von ihr erfassten Angestellten keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgesprochen werden.
Auszubildende werden von dieser Regelung nicht erfasst.
Diese Regelung ist befristet bis zum 31. Dezember 2008.“
Die Berliner V. eG ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes. 2009 ging das Arbeitsverhältnis auf die maßgebend von der Berliner V. eG neu gegründete Beklagte über. Die Berliner V. eG ist Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten. Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes.
Der AVR und die Gewerkschaften DBV und DHV vereinbarten einen Manteltarifvertrag, der in der Fassung vom 6. Februar 2016 u.a. folgende Regelung enthält:
„5. Öffnungsklausel zur Beschäftigungssicherung
Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die wöchentliche Arbeitszeit für Mitarbeitergruppen, einzelne Abteilungen oder ganze Betriebsteile um bis zu 20 % verkürzt werden; die Bezüge und sonstigen Leistungen werden grundsätzlich entsprechend gekürzt. Die sich ergebende Kürzung der Bezüge wird vom Arbeitgeber zu 20 % ausgeglichen. Die Arbeitszeitverkürzung darf höchstens bis zur Grenze des § 8 Abs. 1 SGB IV vorgenommen werden. Zuvor sollen in dem betreffenden Bereich die Möglichkeiten zum Abbau von Mehrarbeit und zur Förderung von Teilzeitarbeitsverhältnissen genutzt werden. Während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung dürfen gegenüber den von ihr erfassten Mitarbeitern keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgesprochen werden.
Auszubildende werden von dieser Regelung nicht erfasst.
Diese Regelung ist befristet bis zum 31. Dezember 2019. Nach dem Ende der Befristung wirkt die Regelung nach.“
Die Beklagte und der im Betrieb der Beklagten bestehende Betriebsrat schlossen am 1. Februar 2017 eine Betriebsvereinbarung, bezeichnet als Betriebsvereinbarung Demografie (im Folgenden: BV Demografie) die neben Angeboten zum Vorruhestand, einer Aufhebung von Arbeitsverträgen gegen Zahlung einer Abfindung und unterschiedlichen Teilzeitmodellen folgende Regelungen enthält:
„Präambel
Die Banken, auch die Berliner V. eG, müssen auf ein geändertes Kundenverhalten, die Ausweitung der Regulatorik und das Anhalten der Niedrigzinsphase reagieren. Die damit einhergehende mehrjährige Transformation hat Auswirkungen auf die Prozesse (z.B. durch Projekt Optimierung Produktionsbank) und das Personal der VR FDL.
Es wird erwartet, dass sich altersbedingt, aber auch durch zusätzliche Kosteneinsparmaßnahmen in den nächsten Jahren die Anzahl der Beschäftigten reduziert. Trotz aller Veränderungen dürfen Qualität und Service der Dienstleistung für die Kunden durch Wissensverlust nicht negativ beeinträchtigt werden.
Diese Betriebsvereinbarung schafft den Rahmen für sozialverträgliche Lösungen. Grundlage für die Ausgestaltung ist eine konstruktive Zusammenarbeit von Arbeitgeber, Betriebsrat und allen Beschäftigten. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen wird angestrebt, dass einerseits jüngere Beschäftigte eine längerfristige Entwicklungsperspektive erkennen und andererseits erfahrene Kollegen auf Wunsch über Teilzeit- und Vorruhestandslösungen vorzeitig das Unternehmen verlassen können.
Dazu wird die nachstehende Betriebsvereinbarung geschlossen.
…
Teil 3
§ 15
Kollektive Arbeitszeitverkürzung mit Teillohnausgleich
(1) In der Zeit vom 01.07.2017 bis 31.12.2019 wird zur Sicherung der Arbeitsplätze die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für alle Vollzeitbeschäftigten um 2,5 Stunden wöchentlich auf 36,5 Stunden reduziert (kollektive Arbeitszeitverkürzung). Bei Teilzeitbeschäftigten verkürzt sich die individuelle wöchentliche Arbeitszeit anteilig auf 36,5/39.
(2) Für die gekürzte Arbeitszeit wird ein Teillohnausgleich in Höhe von 20 % geleistet. Dies entspricht bei einer Arbeitszeitabsenkung um 2,5 Stunden einem Teillohnausgleich in Höhe von 0,5 Stunden wöchentlich. Das Bruttoentgelt eines Vollzeitbeschäftigten wird damit in dem in Absatz 1 genannten Zeitraum auf Basis von 37,0 Stunden berechnet.“
§ 16 der Betriebsvereinbarung sieht die Herausnahme bestimmter Beschäftigtengruppen von der Arbeitszeitreduzierung als Härtefälle vor, § 17 eine Überprüfung der weiteren Notwendigkeit der Arbeitszeitverkürzung falls sich die Umsetzung bestimmter Projekte verzögert. Gemäß § 22 ist die Betriebsvereinbarung erstmals zum 30. November 2020 kündbar (s. i.E. Bl. 12-22 d.A.).
Mit ihrer am 1. Juni 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 14. Juni 2017 zugestellten Klage hat die Klägerin eine Arbeitszeit von 39 Stunden auch für die Zeit ab 1. Juli 2017 geltend gemacht. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, aus der BV Demografie ergebe sich keine Reduzierung der Arbeitszeit, da diese unwirksam sei. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ermögliche nur eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit, die nicht vorliege. Auf die Öffnungsklausel in dem mit der DHV und DBV abgeschlossenen Manteltarifvertrag vom 6. Dezember 2016 könne sich die Beklagte mangels Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht berufen. Dieser Manteltarifvertrag komme auch aufgrund ihrer seit 2008 bestehenden Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di auf sie nicht zur Anwendung, darüber hinaus fehle es der DHV und DBV an der sozialen Mächtigkeit. Dem Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung stehe die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Im Verhältnis zum Arbeitsvertrag sei die arbeitsvertragliche Regelung günstiger.
Für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 17. Juli 2017 stehe ihr ein Differenzbetrag zwischen der Vergütung für 39 Stunden wöchentlich und der gezahlten Vergütung für 37 Stunden in Höhe von 87,50 Euro zu. Insoweit bestehe aufgrund Arbeitsunfähigkeit seit 6. Juni 2017 Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zum Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums am 17. Juli 2017 (s. zur Berechnung Bl. 47, 48 d.A).
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Weisung der Beklagten gemäß deren Schreiben vom 27.04.2017, wonach sich in dem Zeitraum vom 01.07.2017 bis 31.12.2019 die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin von 39 Stunden auf 36,5 Stunden reduziert, unwirksam ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in dem Zeitraum vom 01.07.2017 bis 31.12.2019 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden zu im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin im Auslandsverkehr zu beschäftigten und auf Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden zu vergüten;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 87,50 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 sowie einen pauschalen Schadensersatz von 320,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 40,00 € seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11.,01.12.2017 sowie 01.01.,01.02. und 01.03.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, die Arbeitszeit der Klägerin betrage nach der BV Demografie ab 1.Juli 2017 36,5 Stunden wöchentlich. Diese Betriebsvereinbarung sei geschlossen worden, um in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Es handle sich um eine Regelung gemäß der Öffnungsklausel im Manteltarifvertrag, der gemäß der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finde. Die Betriebsparteien hätten nicht § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als Grundlage für die Verkürzung der Arbeitszeit herangezogen, was auch nicht möglich wäre, sondern einen auf die Klägerin anwendbaren Tarifvertrag. Es bestehe auch keine individuelle Vereinbarung einer Arbeitszeit von 39 Stunden, vielmehr ergebe sich die Arbeitszeit aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme erst aus dem Tarifvertrag. Die Klägerin habe die Verweisungsklausel ihrerseits dynamisch verstanden und ausdrücklich eine Einmalzahlung gestützt auf einen Tarifabschluss mit der DBV und DHV gefordert und erhalten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage durch Urteil vom 16. Mai 2018 stattgegeben und zur Begründung unter Bezug auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Februar 2018, 15 Sa 1415/17 im Wesentlichen ausgeführt: Die BV Demografie sei unwirksam, da die Regelung mit einer Verkürzung der Arbeitszeit für 30 Monate nicht von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt sei und § 77 Abs. 3 BetrVG einer freiwilligen Betriebsvereinbarung entgegenstehe. Diese Regelungssperre greife ein, wenn Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt seien. Beschäftigungssicherungstarifverträge seien für entsprechende Dienstleistungsunternehmen üblich. Die Sperrwirkung entfalle auch nicht aufgrund der Öffnungsklausel in § 19 Abs. 5 des vom AVR einerseits und der DBV und DHV andererseits abgeschlossenen Manteltarifvertrag. § 77 Abs. 3 BetrVG schütze die Tarifautonomie aller in Betracht kommenden Tarifvertragsparteien. Diese könne nicht durch eine Öffnungsklausel einzelner Tarifpartner ausgehebelt werden.
Gegen dieses ihr am 16. Oktober 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Oktober 2018 Berufung eingelegt, diese am 17. Dezember 2018 begründet und hierzu ausgeführt: Sie wende auf ihre Beschäftigten die jeweils aktuell vom AVR abgeschlossenen Tarifverträge an. Es sei von einer dynamischen arbeitsvertraglichen Bezugnahme der jeweils geltenden Tarifverträge auszugehen, wie sie auch die Klägerin ausdrücklich gefordert habe, soweit dies für sie günstig war. Es gehe nicht um eine Abänderung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Vollzeit, sondern um die Festlegung des Umfangs der Vollzeit in einer Betriebsvereinbarung. Die arbeitsvertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit seien betriebsvereinbarungsoffen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit vor. Unabhängig hiervon stehe § 77 Abs. 3 BetrVG der Betriebsvereinbarung als freiwilliger Betriebsvereinbarung nicht entgegen. Auf das Arbeitsverhältnis fänden nicht mehrere Tarifverträge, sondern ausschließlich das zwischen AVR und DBV und DHV abgeschlossene Tarifwerk Anwendung. Auch nach den Ausführungen der Klägerin seien die Tarifverhandlungen zwischen dem AVR und ver.di gescheitert, der letzte abgeschlossene Tarifvertrag datiere damit vom 8. Juli 2004. Darüber hinaus sei auch in diesem Tarifvertrag eine solche Öffnungsklausel enthalten, entsprechend liege üblicherweise keine abschließende Regelung der Arbeitszeit vor.
Da die Verkürzung der Arbeitszeit durch die Betriebsparteien zwischenzeitlich zum 30. Juni 2019 beendet wurde, haben die Parteien im Termin am 9. August 2019 den Antrag zu 1) für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis 31. Dezember 2019 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Mai 2018, zugegangen am 16. Oktober 2018, Az. 20 Ca 6862/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin
hat den erstinstanzlich gestellten Antrag zu 2) und den Antrag zu 3), soweit dieser die Zahlung einer Verzugspauschale betrifft mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen
und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
mit der Maßgabe, dass der Antrag zu 1) lautet:
festzustellen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin in dem Zeitraum vom 01. Juli 2017 bis 30. Juni 2019 39 Stunden beträgt.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Selbst wenn man annehme, dass die Öffnungsklausel im Manteltarifvertrag vom 6. Dezember 2016 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, lägen die Voraussetzungen dieser Öffnungsklausel nicht vor. Eine Änderung der für sie maßgeblichen Arbeitszeit von 39 Stunden sei nur durch Änderungskündigung möglich.
Einer freiwilligen Betriebsvereinbarung stehe die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Es gehe um Regelungen, wie sie üblicherweise in Tarifverträgen getroffen würden. Es habe nach Kündigung des mit ver.di geschlossenen Manteltarifvertrages durch den Arbeitgeberverband zum 28. Februar 2013 unter dem Stichwort „Reform Tarifvertrag“ erhebliche Bemühungen zu einem Neuabschluss gegeben, wie auch gegenüber den ver.di Mitgliedern fortlaufend kommuniziert worden sei. Nach einer bereits zuvor besprochenen, im Februar 2017 geschlossenen Verhandlungsvereinbarung habe es zwei Veranstaltungen zwischen ver.di und dem AVR gegeben. Mitte November 2018 habe der AVR die Sondierung einer Tarifreform für gescheitert erklärt. Ver.di strebe weiterhin den Abschluss eines Tarifvertrags unter Einbeziehung der Fragen Arbeitszeit / Beschäftigungssicherung an und habe sich hierzu auch weiterhin an den AVR gewandt. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG werde durch die Öffnungsklausel in dem mit der DBV/DHV abgeschlossenen Manteltarifvertrag nicht aufgehoben, zumal diese Gewerkschaften falls überhaupt jedenfalls gegenüber zuletzt ca. 120-150 ver.di-Mitgliedern allenfalls mit einem erheblich geringeren Organisationsgrad im Betrieb vertreten seien.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
A. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).
B. Die Berufung, soweit sie sich nicht durch Klagerücknahme bzw. übereinstimmende Erledigungserklärung erledigt hat, ist nicht begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Dies gilt ohne weiteres für den Zahlungsantrag, der nach der teilweisen Klagerücknahme auf Zahlung von 87,50 Euro brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2017 gerichtet ist.
2. Der Feststellungsantrag wurde auf Anregung des Gerichts klarstellend formuliert. Die Klägerin hat erstinstanzlich eine maßgebliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden geltend gemacht, dies ist auch Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Hinsichtlich dieses Feststellungsantrages liegt das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Zwischen den Parteien ist die für die Klägerin maßgebliche Arbeitszeit streitig. Die mit dem Zahlungsantrag erhobene Leistungsklage steht dem nicht entgegen, da diese nur die Vergütung für einen Teilzeitraum und hier den Sonderfall der Entgeltfortzahlung betrifft. Dass es sich nach den Erklärungen in der letzten mündlichen Verhandlung aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung des Zeitraums der Arbeitszeitverkürzung nunmehr um einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum handelt, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Aus prozessökonomischen Gründen werden Feststellungsanträge als zulässig angesehen, wenn mit diesen die Grundlage der Berechnung der Vergütung geklärt wird (vgl. BAG, Urteil vom 27. März 2014 – 6 AZR 571/12 –, BAGE 148, 1-9, Rn. 11). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Vergütungsansprüche der Klägerin bestanden auch weiterhin, es lag keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit dem 6. Juni 2017 vor.
II. Die Klage ist begründet, wie das Arbeitsgericht betreffend die jetzt noch rechtshängigen Anträge zutreffend festgestellt hat.
Die Arbeitszeit der Klägerin betrug am 30. Juni 2017 39 Stunden wöchentlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich diese Arbeitszeit aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme des zuletzt mit ver.di abgeschlossenen Manteltarifvertrages in der Fassung vom 8. Juli 2004 ergibt oder aus der Bezugnahme des zwischenzeitlich mit der DHV und DBV abgeschlossenen Tarifvertrages vom 6. Dezember 2016, da beide Tarifverträge gleichermaßen eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden vorsehen.
Diese Arbeitszeit wurde durch die Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 2017 nicht wirksam verkürzt. Die in der Betriebsvereinbarung getroffene Vereinbarung einer Verkürzung der Arbeitszeit ist unwirksam (1., 2.). Eine sonstige Vereinbarung zur Kürzung der Arbeitszeit liegt nicht vor. Entsprechend ist wie mit dem Antrag zu 1) gefordert eine Arbeitszeit von 39 Stunden festzustellen. Weiter besteht Anspruch auf die mit dem Zahlungsantrag geforderte Zahlung von 87,50 Euro brutto (3.).
1. Es handelt bei der Vereinbarung einer Arbeitszeit von 36,5 Stunden wöchentlich in der BV Demografie um keine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, die als solche nicht der Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG unterliegen würde (s. zum Vorrang zwingender Mitbestimmung BAG, Beschluss vom 03. Dezember 1991 – GS 2/90 –, BAGE 69, 134-171; BAG, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 ABR 75/16 –, BAGE 162, 379-386, Rn. 17; ErfK/Kania, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 77 Rn. 53 m.w.N.).
a) Ob eine Verkürzung der Arbeitszeit in diesem Sinne vorliegt, hängt nicht davon ab, welche Gegenleistungen ggf. in einer Betriebsvereinbarung zur Verkürzung der Arbeitszeit vorgesehen sind. Entsprechend kommt es für die Prüfung nicht darauf an, dass es sich bei der hier vorliegenden Betriebsvereinbarung insbesondere im Hinblick auf den Kündigungsschutz in einer Branche mit schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen, die Herausnahme Beschäftigter aus der Arbeitszeitverkürzung mit einem monatlichen Bruttoentgelt von unter 2.500,00 Euro als Härtefälle und Möglichkeiten des Vorruhestandes mit einer erheblichen arbeitgeberseitigen Förderung in vielerlei Hinsicht um eine durchaus ausgewogene Regelung handelt.
b) Eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG liegt vor, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von dem allgemein geltenden Zeitvolumen abgewichen wird, um anschließend zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit zurückzukehren (BAG, Beschluss vom 01. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 –, BAGE 107, 9-18, Rn. 31). Ob eine Verkürzung oder Verlängerung nur vorübergehend oder dauerhaft erfolgt, hängt davon ab, ob sie die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit in ihrer Regelhaftigkeit und als die "normale" betriebliche Arbeitszeit der betreffenden Arbeitnehmer unverändert lässt oder gerade diese Norm ändert und zu einer neuen regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit führt. Maßgeblich ist damit, ob die bisherige betriebsübliche Arbeitszeit die "übliche" bleibt und die Arbeitszeitverteilung bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer weiterhin prägt (BAG, Urteil vom 03. Juni 2003 – 1 AZR 349/02 –, BAGE 106, 204-217- ausdrücklich zur Verlängerung, aber in Bezug genommen von der o.g. Entscheidung vom 01. Juli 2003). Als nicht mehr vorübergehend angesehen wird im Hinblick auf den Ausnahmecharakter eine Verkürzung oder Verlängerung, die von vornherein für mehrere Jahre festgeschrieben wird, soweit es nicht lediglich um eine Regelung auf Dauer geht, die aber ihrerseits nur kurze Zeiträume der Verkürzung oder Verlängerung betrifft (ErfK/Kania, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 87 Rn. 33). Der Mitbestimmungstatbestand spiegelt wider, dass Arbeitgeber und Betriebsrat keine Befugnis haben, den zeitlichen Umfang der regelmäßig geschuldeten Arbeitsleistung festzulegen, weshalb nur eine vorübergehende Herabsetzung oder Erhöhung ermöglicht wird (Richardi BetrVG/Richardi, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 355).
D.h. auch wenn jede befristete Verkürzung der Arbeitszeit im Wortsinne „vorübergehend“ ist, reicht allein dies nicht aus. Die gewählte Dauer einer befristeten Verkürzung der Arbeitszeit muss dem Ausnahmecharakter der Regelung gerecht werden, damit die Frage der Höhe der Arbeitszeit nicht entgegen dem gesetzlichen Zweck letztlich den Betriebsparteien überantwortet wird.
c) Ausgehend hiervon ist eine durchgehende Reduzierung der Arbeitszeit von 2,5 Stunden wöchentlich für einen Zeitraum von 30 Monaten keine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit für einen überschaubaren. Eine Regelung der Arbeitszeit für über zwei Jahre macht diese Arbeitszeit zur prägenden üblichen Arbeitszeit. Wer für die nächsten 30 Monate 36,5 Stunden pro Woche arbeiten soll, wird regelmäßig diese Arbeitszeit als die „normale“ Arbeitszeit sowohl der längerfristigen Planung verfügbarer Freizeit als auch finanzieller Möglichkeiten zugrunde legen. Es geht dann nicht mehr um eine Überbrückung einer Ausnahmesituation. Sozialversicherungsrechtliche Regelungen, die an eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit anknüpfen und diese abfedern sehen Zeiträume von maximal einem Jahr vor (§ 104 SGB III, s. zu diesem Aspekt LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Februar 2018 – 15 Sa 1415/17 –, juris). Auch wenn § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht zwingend an diese Zeiträume anknüpft, wird in der Zusammenschau mit den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen deutlich, was als Überbrückungszeitraum und damit als überschaubare Ausnahme angesehen wird. Dieser Zeitraum wird hier erheblich überschritten.
d) Maßstab für die Überprüfung ist der Zeitpunkt der Abschluss der Vereinbarung und die zu diesem vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit. Die vereinbarte Möglichkeit einer Überprüfung unter bestimmten Bedingungen, ob diese Verkürzung der Arbeitszeit weiterhin erforderlich ist ändert nichts an einer bei daran, dass diese für einen Zeitraum von 30 Monaten und damit für einen nicht mehr im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorübergehenden Zeitraum vorgesehen war. Fest vereinbart war darüber hinaus auch nur die Überprüfung als solche und nicht bereits ein Wegfall der Arbeitszeitverkürzung unter bestimmten Bedingungen.
2. Die Regelung konnte aufgrund der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht als freiwillige Betriebsvereinbarung getroffen werden.
Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Eine gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam (BAG 23. Januar 2018 - 1 AZR 65/17 - Rn. 16 mwN, BAGE 161, 305; BAG, Urteil vom 15. Januar 2019 – 1 AZR 64/18 –, Rn. 13, juris).
a) Bei der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit handelt es sich um sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden.
aa) Die Arbeitszeit ist durch den zwischen dem AVR und der DHV/DBV abgeschlossenen Manteltarifvertrag in der Fassung vom 6. Dezember 2016 geregelt, § 2 Nr. 1 dieses Tarifvertrages sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden vor. Dieser Tarifvertrag gilt gemäß § 1 räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, fachlich für Kreditgenossenschaften mit mehr als vier Mitarbeitern im Bankbetrieb und Dienstleistungsunternehmen, die Leistungen ausschließlich für Kreditgenossenschaften erbringen und persönlich für alle überwiegend im Bankgeschäft tätigen Mitarbeiter.
bb) Auch unabhängig von diesem Tarifvertrag handelt es sich bei der Regelung der Arbeitszeit um Arbeitsbedingungen, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden.
Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln (BAG, Urteil vom 05. März 2013 – 1 AZR 417/12 –, Rn. 19, juris). Auch der einmalige Abschluss eines TV kann die Tarifüblichkeit begründen, wenn er lange genug gilt. Das Fehlen einer bestehenden tariflichen Regelung über einen längeren Zeitraum schließt die Annahme der Tarifüblichkeit nicht grundsätzlich aus, beispielsweise wenn bei einer schwierigen Regelungsmaterie oder wenn zur Zeit keine Einigung erzielt werden kann. Von einem Wegfall der Tarifüblichkeit ist erst auszugehen, wenn die Tarifvertragsparteien zu erkennen geben, dass sie zur Neuregelung des betr. Gegenstandes nicht mehr willens oder in der Lage sind (ErfK/Kania, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 77 Rn. 48 m.w.N.).
Ausgehend hiervon sind Regelungen zur regelmäßigen Arbeitszeit unabhängig von dem mit der DBV und DHV abgeschlossenen Tarifvertrag vom 6. Dezember 2016 jedenfalls tarifüblich. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit war über lange Zeiträume in der Vergangenheit stets Gegenstand tarifvertraglicher Regelungen. Der zuletzt von ver.di, der DBV und der DHV mit dem AVR abgeschlossene Manteltarifvertrag gilt gemäß § 1 ebenfalls räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, fachlich für Kreditgenossenschaften mit mehr als vier Mitarbeitern im Bankbetrieb und Dienstleistungsunternehmen, die Leistungen ausschließlich für Kreditgenossenschaften erbringen und persönlich für alle überwiegend im Bankgeschäft tätigen Mitarbeiter. Dieser seitens des AVR zum 28. Februar 2013 gekündigte Manteltarifvertrag sieht in § 2 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden vor. Auch wenn in der Zwischenzeit mit ver.di kein neuer Manteltarifvertrag und damit insbesondere keine neue Regelung betreffend die regelmäßige Arbeitszeit abgeschlossen wurde, steht dies der Tarifüblichkeit nicht entgegen. Es handelt sich bei einem Manteltarifvertrag um eine komplexe Regelungsmaterie. Dies gilt erst Recht, wenn wie hier in der Vergangenheit seit 1979 stets nur einzelne Regelungen abgeändert wurden und sich die Frage eines insgesamt neuen moderneren Tarifvertrags stellt. Ein Neuabschluss wurde jedenfalls Stand Februar 2017 nicht ausgeschlossen, wie sich aus der von ver.di und dem AVR abgeschlossenen Verhandlungsvereinbarung ergibt. Dass diese bisher zu keinem Ergebnis geführt hat und der AVR zwischenzeitlich im November 2018 die Sondierung einer Tarifreform für gescheitert erklärt hat, schließt eine bestehende Verhandlungsbereitschaft in der Zeit davor nicht aus. Unabhängig hiervon kann nicht aus jeder Erklärung, man werde ohne weiteres Entgegenkommen der Gegenseite die Verhandlungen nicht fortführen geschlossen werden, Tarifvertragsparteien seien zu entsprechenden Regelungen generell nicht mehr willens oder in der Lage.
b) Da die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht davon abhängt, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, kommt es auf die nicht gegebene Mitgliedschaft der Beklagten im AVR nicht an.
c) Die Sperrwirkung ist nicht durch eine Öffnungsklausel im Sinne des § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG aufgehoben. Hiernach können durch Tarifvertrag geregelte bzw. üblicherweise geregelte Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, wenn ein Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
aa) Allein die Regelung im Manteltarifvertrag vom 6. Dezember 2016 reicht nicht aus, um die Sperrwirkung aufzuheben.
(1) Zwar enthält der Manteltarifvertrag vom 6. Dezember 2016 eine Öffnungsklausel. Diese lässt ergänzende Betriebsvereinbarungen zu einer Verkürzung der Arbeitszeit zu. Die mit der Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 2017 vereinbarte Verkürzung erfüllt diese Voraussetzungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin wurden die hier getroffenen Regelungen ersichtlich zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung getroffen, auch wenn die Betriebsvereinbarung als „BV Demografie“ bezeichnet wird.
(2) Bei mehreren Tarifverträgen unterschiedlicher Gewerkschaften, die für denselben räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich tarifliche Regelungen bzw. Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG begründen, reicht eine Öffnungsklausel in einem dieser Tarifverträge jedoch nicht aus, um für den gesamten potentiellen Geltungsbereich ergänzende Betriebsvereinbarungen zuzulassen. Dies gilt jedenfalls, soweit mangels arbeitgeberseitiger Tarifbindung keiner dieser Tarifverträge unmittelbare Anwendung findet.
Gibt es mehrere den Betrieb räumlich und fachlich erfassende Tarifverträge, entfaltet grundsätzlich jeder von ihnen Sperrwirkung (ErfK/Kania, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 77 Rn. 49; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 77 Rn. 81). Hieraus folgt, dass eine Öffnungsklausel in nur einem dieser Tarifverträge nicht ausreicht, um Betriebsvereinbarungen zuzulassen. Dies wäre mit einer Sperrwirkung eines jeden dieser Tarifverträge nicht vereinbar (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 77 Rn. 81). Soweit erwogen wird, bei Tarifbindung des Arbeitgebers nur an einen Tarifvertrag mit Öffnungsklausel diesem den Vorrang einzuräumen (so Franzen, RdA 2008, 193ff, 200), kommt es hierauf im vorliegenden Fall mangels Tarifbindung der Beklagten nicht an. Soweit erörtert wird, die Öffnungsklausel auf die jeweils tarifgebundenen Arbeitnehmer zu beschränken, wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine begrenzte Zuständigkeit des Betriebsrats für eine bestimmte tarifgebundene Arbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich nicht hinnehmbar wäre (s. Richardi BetrVG/Richardi, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 77 Rn. 317). Im Übrigen würde dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen, da die Klägerin kein Mitglieder der DBV oder DHV ist.
(3) Für die Frage dieser Sperrwirkung kommt es nicht darauf an, ob die jeweils in Betracht kommenden Tarifverträge bei Verbandsmitgliedschaft aktuell gelten oder lediglich nachwirken würden, solange und soweit Tarifüblichkeit vorliegt. Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG ist der Schutz der verfassungsrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie. Diese ist gleichermaßen betroffen, wenn einer noch verhandelnden Gewerkschaft der Schutz vor konkurrierenden Betriebsvereinbarungen aufgrund eines Tarifabschlusses anderer Gewerkschaften mit entsprechenden Öffnungsklauseln entzogen wird (s. auch LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Februar 2018 – 15 Sa 1415/17 –, Rn. 45, juris). Ob bei arbeitgeberseitiger Tarifbindung – ggf. auch ausgehend von den Regelungen des § 4a TVG - von einem Vorrang bestimmter Tarifverträge auszugehen wäre, kann dahingestellt bleiben, da keine arbeitgeberseitige Tarifbindung vorliegt.
bb) Es liegt keine Öffnungsklausel aller in Betracht kommenden Tarifverträge vor, die aktuell oder im Sinne der Tarifüblichkeit für den maßgeblichen Geltungsbereich Geltung beanspruchen.
Zwar enthält auch der Manteltarifvertrag in der Fassung vom 8. Juli 2004, abgeschlossen vom AVR und ver.di, DHV und DBV eine Öffnungsklausel. Diese ist aber ausdrücklich befristet bis 31. Dezember 2008.
cc) Öffnungsklauseln sind auch nicht über diese konkrete befristete Regelung hinaus sozusagen als Öffnungsklausel üblich, so dass letztlich von vornherein nur eine „Arbeitszeitvorgabe mit Öffnungsklausel“ als tarifüblich anzusehen wäre. Öffnungsklauseln werden ebenso wie andere Bedingungen jeweils in Abwägung eines Gesamtpaketes vereinbart. Zwar wurden hier hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit in der Vergangenheit seit 1996 mehrfach von allen Gewerkschaften vergleichbare Öffnungsklausen vereinbart. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um einen Baustein in einen Aspekt tarifvertraglicher Arbeitszeitregelungen handelt, der nicht unabhängig von den weiteren Regelungen insgesamt gesehen werden kann. Zudem wird an in der Vergangenheit stets vereinbarten Befristung solcher Regelungen, unter Ausnahme des mit der DHV / DBV vereinbarten Tarifvertrages vom 6. Dezember 2016 stets ohne Vereinbarung einer Nachwirkung, deutlich dass es sich hier nicht um eine fortlaufende übliche Arbeitszeitregelung handelt.
3. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der geforderten 87,50 € brutto. Da von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich auszugehen ist, besteht gem. § 4 Abs. 1 EGFZG Anspruch auf die hierfür maßgebliche Vergütung für die Zeit vom 1. bis 17. Juli 2017 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 87,50 Euro brutto. Der Anspruch auf Verzinsung ab dem 1. August 2017 ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97, 269 Abs. 3 ZPO, 91a Abs. 1 ZPO. Hiernach hat die Klägerin die anteiligen Kosten ihrer Klagerücknahme betreffend den Leistungsantrag und die Verzugspauschale zu tragen. Die Beklagte hat nach § 97 ZPO bzw. hinsichtlich der bis zur Erledigung aus denselben Gründen zulässigen und begründeten Klage gem. § 91a ZPO die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
D. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Anders als die vorliegende Entscheidung geht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Juli 2019, 10 Sa 82/19 davon aus, dass eine Arbeitszeitverkürzung wie die vorliegende von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt ist (§ 72 II Nr. 1 ArbGG). Darüber hinaus sind die Auswirkungen von Öffnungsklauseln konkurrierender Gewerkschaften auf die Grenzen möglicher Betriebsvereinbarungen gem. § 77 Abs. 3 BetrVG bisher höchstrichterlich nicht geklärt (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).