LAG Berlin-Brandenburg: Verwirkung des Rechts aus § 613a BGB
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.4.2016 – 2 Sa 2118/15
Leitsätze
Das Recht, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer zu berufen, verwirkt, wenn 4 Jahre nach dem Betriebsübergang und der Akzeptanz dieses Betriebsübergangs in einem rechtskräftigen Kündigungsschutzverfahren mit dem Betriebserwerber erstmals der Betriebsübergang angezweifelt wird.
§ 613 a BGB; § 256 Abs. 1 ZPO
Sachverhalt
Die Parteien streiten im Rahmen einer beim Arbeitsgericht Berlin am 19.06.2015 anhängig gemachten Klage um die Feststellung, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis über den 31.03.2011 nicht bestanden hat und nicht besteht.
Die Klägerin betrieb in Deutschland drei Produktionsstandorte in Oberstenfeld, in Niederorschel und in Berlin, in welchen Industrieprodukte, insbesondere Holz- und Kunststoffprodukte, hergestellt wurden. Im Werk Berlin wurden durchgehend Fassaden- und Balkonprofile produziert. Der Beklagte war bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin an dem in Berlin gelegenen Produktionsstandort, in welchem ein eigener Betriebsrat gebildet worden war und eine eigene Werksleitung bestand, als Mitarbeiter beschäftigt. Im Oktober 2010 vereinbarten die Klägerin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der die Übernahme aller Arbeitnehmer durch eine neu zu gründende Gesellschaft zum Gegenstand hatte. Im März 2011 schloss die Klägerin mit der neu gegründeten Industriewerke W. GmbH & Co. KG, welche am 20.06.2011 in das Handelsregister beim Amtsgericht Stuttgart eingetragen wurde, eine „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsfortführung“, welche im Abschnitt A Regelungen über die Lohnfertigung und im Abschnitt B Regelungen über die Betriebsführung im Übrigen enthält. Im Abschnitt A ist unter § 1 der Vereinbarung geregelt, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. die komplette Produktion der W.produkte an allen drei inländischen Standorten ab dem 1. April 2011 in Lohnfertigung weiterführt und dass die Vergütung der erbrachten Leistungen anhand der nachgewiesenen Lohnkosten zuzüglich eines Aufschlags zu den Bruttolohnsummen von 3 % erfolgt. Im Abschnitt B ist unter § 6 geregelt, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. KG darüber hinaus für die Klägerin ab dem 1. April 2011 die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebes an allen drei inländischen Standorten nach den Vorgaben der Klägerin mittels Geschäftsbesorgungsvertrag übernimmt. Unter § 7 ist vereinbart, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. KG bei ihrer Tätigkeit gemäß § 6 ausschließlich für Rechnung und im Namen der Klägerin handelt, sofern die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für welche die Klägerin Patentrechte und das Knowhow besitzt. Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die als Anlage K 7 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.09.2015 eingereichte Kopie verwiesen (vgl. Bl. 112 ff. d. A.).
Zum 31. Dezember 2010 bzw. 31. März 2011 waren in Berlin insgesamt 34 Mitarbeiter beschäftigt, davon 27 gewerblich und 7 im Angestelltenverhältnis. Mit Schreiben vom 1. März 2011 setzte die Klägerin den Beklagten sowie die weiteren am Berliner Produktionsstandort beschäftigten und von der genannten Vereinbarung betroffenen Arbeitnehmer über den „Übergang“ ihrer Arbeitsverhältnisse in Kenntnis. Dort heißt es auszugsweise wie folgt:
„Sehr geehrter …
Wir wollen sie heute darüber informieren, dass Ihr Arbeitsverhältnis von der Firma W. GmbH & Co. KG … auf die Firma Industriewerke W. GmbH & Co. KG übergehen wird.
…
Über diesen Betriebsübergang informieren wir Sie hiermit, wie das Gesetz gemäß § 613 a Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch uns verpflichtet:
Es ist geplant, dass die Firma Industriewerke W. … ab dem 01.04.2011 die Fertigungsaktivitäten der Firma W. GmbH & Co. KG im Sinne entsprechend des Unternehmenszwecks im Sinne einer Lohnfertigung sämtlicher Fertigungsaktivitäten übernimmt, ferner übernimmt sie die administrativen Funktionen, insbesondere Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung für die W. GmbH & Co. KG. Bei der Firma W. GmbH & Co. KG verbleiben das Immobilien-, Anlage-, und Umlaufvermögen sowie die Patente und Lizenzverträge. Diese Vermögenswerte werden der neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
Zum geplanten Stichtag 01.04.2011 gehen sämtliche Arbeitsverhältnisse auf die neue Gesellschaft über. …
Sämtliche Arbeitsverhältnisse gehen unverändert mit vollem unveränderten Besitzstand auf die Industriewerke W. GmbH & Co. KG über. Sie können wegen des Betriebsübergangs vor Ablauf eines Jahres nach dem Übergang nicht einseitig durch den Arbeitgeber zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.
Der Betriebsübergang beruht auf einem Vertrag zwischen der Firma … Und der Firma …, mit welchem die neue Firma künftig die Lohnfertigung und Veredelung sämtlicher Produkte übernimmt, sowie die im Abs. 2 dieses Schreibens genannten Aufgaben. Die neue Firma erhält neben einer auskömmlichen finanziellen Ausstattung im Rahmen der Vereinbarung … die volle Kostenerstattung hinsichtlich der Lohn- und Gehaltskosten, sofern sie für die Wertschöpfung erforderlich sind … und einen angemessenen Zuschlag hierauf …
…
Sie haben nach § 613 Abs. 6 BGB das Recht, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Industriewerke W. GmbH & Co. KG innerhalb von einem Monat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber der W. GmbH & Co. KG als Ihrem bisherigen Arbeitgeber oder gegenüber der Industriewerke W. GmbH & Co. KG erklärt werden. Äußern Sie sich innerhalb dieser Frist nicht, werten wir das als Zustimmung zum Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die die Industriewerke W. GmbH & Co.KG. Wir weisen ergänzend noch darauf hin, dass der Widerspruch keiner Begründung bedarf. Falls Sie das Widerspruchsrecht ausüben, geht Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die Industriewerke … über, sondern sie haben weiterhin einen Arbeitsvertrag mit der W. GmbH & Co. KG. Allerdings besteht die Gefahr, dass die W. GmbH & Co. KG Ihnen betriebsbedingt kündigt, da die W. GmbH & Co. KG ab 01.04.2011 keine Produktion mehr betreibt, ihnen also keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellen kann.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des an die betroffenen Arbeitnehmer gerichteten Informationsschreibens wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift gereichte Kopie Bl. 8 – 12 d. A. verwiesen. Der Beklagte machte von dem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch. Sein Arbeitsverhältnis wurde fortan – wie auch die Arbeitsverhältnisse der weiteren am Berliner Standort beschäftigten Arbeitnehmer – auf Arbeitgeberseite von der Industriewerke W. GmbH & Co. KG, welche später zur FHK Fertigungsgesellschaft H.-K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: FHK) umfirmierte, fortgeführt und abgerechnet. Die Entgeltabrechnungen für den Beklagten erfolgten in Umschlägen mit dem Firmenlogo „W.“. Der Berliner Betrieb übte seine Arbeitgeberfunktion auch gegenüber den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung und gegenüber den sonstigen Stellen, z. B. im Rahmen des SGB IX, in sämtlichen Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit und im Rahmen der Arbeitsförderung aus. Schließlich wurde der Berliner Betrieb bzw. die FHK Niederlassung Berlin selbst Mitglied des Arbeitgeberverbands Holz-Kunststoff Nord-Ost e.V. Der Marktauftritt zum Vertrieb der W.produkte erfolgte im Internet weiterhin über die Internetseite der Klägerin.
Nach dem – nunmehr hier streitigen – Betriebsübergang beantragten die neuen Betriebsparten bei den Tarifparteien die Anwendung der tariflichen Öffnungsklausel zur Verschiebung der zuletzt vereinbarten Tariferhöhungen, welcher stattgegeben wurde. Unter dem 22.09.2011 schlossen die neuen Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit. Im Jahr 2012 schloss die FHK mit dem für Berlin gebildeten Betriebsrat einen bis zum 31.12.2014 befristeten Interessenausgleich zur Einschränkung der Produktion durch befristete Produktionsstillstände und zu einem befristeten Einsatz der Beschäftigten an den anderen beiden Standorten sowie einen Sozialplan zur Begleitung dieser Maßnahme. Die von der FHK im Zusammenhang ausgesprochenen Änderungskündigungen gegenüber den in Berlin beschäftigten Arbeitnehmern erwiesen sich in den nachfolgend geführten Verfahren als sozial ungerechtfertigt. Am 23. Januar 2014 schloss die FHK mit dem Berliner Betriebsrat einen Interessenausgleich, dessen Gegenstand die beabsichtigte Schließung des Standorts Berlin zum 30. September 2014 war, sowie ein Sozialplan. Die FHK kündigte das Arbeitsverhältnis des Beklagten unter Berufung auf die Betriebsstilllegung. Die allein gegen die FHK gerichtete Kündigungsschutzklage des Beklagten wurde mit inzwischen rechtskräftigem Urteil abgewiesen. In dem Kündigungsschutzverfahren hatte der Beklagte zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass ein Betriebsübergang auf die seinerzeitige Industriewerke W. GmbH & Co. KG im Sinne von § 613 a BGB nicht stattgefunden hätte.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2015 forderte der Beklagte die Klägerin auf, „verbindlich anzuerkennen, dass über den 31.03.2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht“. Weiter heißt es in dem Schreiben:
„… Weiterhin biete ich hiermit meine Arbeitskraft an und fordere Sie auf, mich in den Grenzen des Weisungsrechts auch tatsächlich zu beschäftigen; insoweit mache ich meinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch geltend.
Letztlich fordere ich Sie schon jetzt auf, mir seit dem 01.04.2011 eine etwaige Differenzvergütung (nach Verrechnung mit anderen Einkünften/Zahlungen) auszubezahlen.
Ich erwarte innerhalb von 14 Tagen Ihre Erklärung zum Bestehen des Arbeitsverhältnisses und zur Übernahme der Differenzvergütung.“
Mit der am 19.06.2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen negativen Feststellungsklage hat sich die Klägerin gegen die erhobenen Ansprüche gewendet und geltend gemacht, dass ein Arbeitsverhältnis über den 31.03.2011 hinaus nicht mehr bestanden hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass seinerzeit das Arbeitsverhältnis des Beklagten aufgrund eines tatsächlichen Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die Erwerberin übergegangen sei. Sie behauptet, nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen zu A der Vereinbarung über Lohnfertigung sei die komplette Produktion auf die Übernehmerin übertragen, wofür diese auch die Haftung übernommen habe. Ihr seien die Nutzungsrechte am Anlagevermögen eingeräumt, ferner diejenigen an den für die Produktion erforderlichen immateriellen Vermögenswerten. Nur die Übernahme produktionsunabhängiger Leistungen sei im Geschäftsversorgungsvertrag unter B der Vereinbarung geregelt. Die Industriewerke W. GmbH & Co. KG habe zum 01.04.2011 insbesondere den Betrieb Berlin unter voller Wahrung der Identität und unter Wahrung aller Besitzstände der Arbeitnehmer übernommen und die Betriebstätigkeit unverändert fortgesetzt. Jedenfalls könne sich der Beklagte ihr gegenüber auf ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis nicht mehr berufen. Etwaige diesbezügliche Rechte seien verwirkt, weil der Beklagte über vier Jahre mit der Inanspruchnahme der Klägerin zugewartet habe, das Arbeitsverhältnis zur Übernehmerin aktiv gelebt und dieser gegenüber auch verteidigt habe, so dass die Klägerin, welche keinen Arbeitsplatz für den Beklagten vorhalte, nicht mehr mit einer Inanspruchnahme habe rechnen können.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 31.03.2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat und nicht besteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat an seiner Auffassung festgehalten, dass zwischen ihm und der Klägerin über den 31. März 2011 hinaus das Arbeitsverhältnis fortbestanden habe, weil ein Betriebsübergang auf die potentielle Erwerberin aufgrund der eingereichten Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Industriewerke W. GmbH & Co. KG nicht stattgefunden hätte. Vielmehr habe die FHK lediglich das Personal eines betriebsmittelgeprägten Betriebes getrennt von den Betriebsmitteln übernommen. Dem Vortrag der Klägerin könne nicht entnommen werden, dass die vermeintliche Rechtsnachfolgerin im Rahmen der übertragenen Betriebsführung nach außen als Vollrechtsinhaberin aufgetreten sei. Aus der zwischen der Klägerin und der Industriewerke W. GmbH & Co. KG getroffenen Vereinbarung und der tatsächlichen Praktizierung der Betriebsführung sei vielmehr zu entnehmen, dass die Klägerin weiterhin für den Betrieb verantwortlich geblieben sei. Die Rechtsnachfolgerinnen hätten den Betrieb nach außen nicht im eigenen Namen geführt und seien nie als Betriebsinhaber aufgetreten. Hierbei beruft sich der Beklagte im Wesentlichen auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.05.2015 zum Aktenzeichen 26 Ca 1875/14.
Der Beklagte meint, die Voraussetzungen einer Verwirkung lägen nicht vor. Das Arbeitsverhältnis als solches könne nicht verwirken. Auch die materielle Rechtskraft des die Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils gegen die FHK stehe dem Klageabweisungsantrag nicht entgegen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 05.11.2015 festgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht besteht. Im Übrigen (für die Vergangenheit) hat es die Klage als unzulässig abgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klage sei hinsichtlich der Vergangenheit unzulässig, da kein Feststellungsinteresse bestünde. Es sei nicht ersichtlich, welche Rechtsfolgen oder Rechtsansprüche der beklagten Partei jedenfalls bis zur Geltendmachung vom 08./09.06.2015 daraus würden erwachsen können. Insbesondere könnten ab dem 01.04.2011 keine Annahmeverzugsansprüche mangels rechtzeitiger Geltendmachung bestehen.
Im Übrigen sei der Feststellungsantrag aber zulässig und begründet. Zwischen den Parteien bestehe kein Arbeitsverhältnis mehr. Dies sei spätestens seit der Rechtskraft des klageabweisenden Urteils im Kündigungsschutzverfahren der Fall, also spätestens mit der Rücknahme der Berufung bzw. des Beschlusses des LAG Berlin-Brandenburg, mit dem der Beklagte und damalige dortige Berufungsklägers des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt und die Rechtsbeschwerde zum BAG nicht zugelassen worden sei.
Zwar bestehe gegenüber der Klägerin keine Rechtskraft durch das rechtskräftige Urteil im Kündigungsschutzverfahren, da die hiesige Klägerin weder Partei noch Streitverkündete im damaligen Kündigungsschutzprozess gewesen sei. Dennoch bleibe der rechtskräftige Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens nicht ohne Auswirkung auf das Verhältnis des dortigen mit seiner Klage abgewiesenen Arbeitnehmers und zugleich hiesigen Beklagten im Verhältnis zur hiesigen Klägerin als der früheren Arbeitgeberin desselben Arbeitsverhältnisses.
Wenn im Verhältnis des Beschäftigten gegenüber der kündigenden FAK feststehe, dass die Kündigung wirksam und daher das Arbeitsverhältnis beendet sei, könne nunmehr gegenüber der W. GmbH & Co. KG, der hiesigen Klägerin, nichts anderes gelten, da es sich unabhängig von der Frage, wer die Arbeitgeberstellung innehatte, um dasselbe und nunmehr beendete Arbeitsverhältnis des Beklagen handele. Indem § 613 a BGB mit seinen Einzelregelungen an einen Betriebsübergang den Wechsel der Arbeitgeberstellung vom Betriebsveräußerer auf den Betriebserwerber knüpfe, bleibe es in Ansehung dieses Regelungsmechanismus bei ein und demselben durchgängig fortbestehenden Arbeitsverhältnis je Beschäftigten. Weder also komme es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem „Veräußerer“ und Neubegründung mit dem „Erwerber“, noch etwa komme es, falls sich dies zu einem späteren Zeitpunkt herausstelle, dass in Wahrheit ein rechtserheblicher Betriebsübergang überhaupt nicht stattgefunden hätte, zum Entstehen eines zweiten parallelen Arbeitsverhältnisses mit dem fortan als Arbeitgeber agierenden angeblichen Betriebserwerber. Hätte seinerzeit ein Betriebsübergang im Sinne von 613 a BGB zwischen der Klägerin und der FHK infolge der praktischen Durchführung und Umsetzung der Vereinbarung tatsächlich stattgefunden, hätte die Klägerin damit ihre Arbeitgeberstellung unzweifelhaft verloren. Sollte es in Wahrheit nicht zu einem Betriebsübergang gekommen und die W. GmbH & Co. KG in der Arbeitgeberstellung verblieben gewesen sein, wäre auf Arbeitgeberseite mit der Industriewerke W. GmbH & Co. KG bzw. mit der FHK eine außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehende Dritte und daher auch nicht kündigungsberechtigte Person aufgetreten. Eine etwaige mangelnde Berechtigung, arbeitgeberseitig im eigenen Namen die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu erklären, weil die Stellung als Vertragspartei fehle, bleibe zwar grundsätzlich ohne rechtliche Auswirkungen. Anders sei nach dem Vorstehen jedoch noch die Situation zu beurteilen, in welcher der kündigende Dritte nach außen hin seine Arbeitgebereigenschaft ausdrücklich aus einem Betriebsübergang nach § 613 a BGB ableite und fortan an die Arbeitgeberfunktion tatsächlich ausfülle. Kündige dieser sodann das Arbeitsverhältnis, sei der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gehalten, eine etwaige fehlende Kündigungsberechtigung wegen fehlender Arbeitgeberstellung, weil nämlich ein Betriebsübergang zuvor tatsächlich nicht stattgefunden habe, gegen die Wirksamkeit der Kündigung einzuwenden. Infolge eines solchen Einwandes könne unbeschadet einer etwaigen Verwirkung (§ 242 BGB) im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens noch zu überprüfen sein, ob ein Betriebsübergang in der Vergangenheit auch wirklich stattgefunden hätte. Unterlasse der Arbeitnehmer den Einwand jedoch und werde die Kündigungsschutzlage rechtskräftig abgewiesen und stehe damit weiter die Beendigung des Arbeitsverhältnisses fest, müsse dies auch im Verhältnis zu der Vertragspartei gelten, die gegenüber dem Arbeitnehmer ausdrücklich die Aufgabe der Arbeitgeberstellung aufgrund desselben (tatsächlichen oder auch nur angeblichen) Betriebsübergangs verlautbart hatte. In prozessualer Hinsicht sei der Arbeitnehmer deshalb gehalten, im Kündigungsschutzverfahren neben dem Kündigungsschutzantrag auch den früheren Arbeitgeber als weiteren Beklagen auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit ihm in Anspruch zu nehmen, wenn er das Risiko vermeiden wolle, mit einem Unterleigen im Kündigungsschutzverfahren auch diesen gegenüber seine Rechtsstellung endgültig zu verlieren.
Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der erster Instanz wird auf das Urteil vom 05.11.2015 (Bl. 216 – 228 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihm am 25.01.2015 und dem Beklagten am 30.11.2015 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 27.11.2015 eingegangene und am 24.02.2016 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.02.2016 begründete Berufung des Klägers sowie die am 22.12.2015 eingegangene und am 22.02.2016 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.02.2016 begründete Berufung des Beklagten.
Die Klägerin meint, dass das Feststellungsinteresse für ihre negative Feststellungsklage auch für die Vergangenheit bestehe, da der Kläger „schon jetzt“ verlange, ihm seit dem 01.04.2011 eine etwaige Differenzvergütung zu zahlen. Für diese Ansprüche habe sie finanzielle Vorsorgemaßnahmen ins Auge zu fassen. Schon allein daraus entstehe ihr Feststellungsinteresse.
Der Beklagte bestreitet, dass ein Betriebsübergang am 01.04.2011 stattgefunden habe. Das Berufen darauf sei im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht verwirkt. Weder durfte die Klägerin aufgrund ihrer positiven Kenntnis darauf vertrauen, dass der Beklagte sein Recht nicht geltend machen würde, noch sei ein solches Vertrauen schutzwürdig. Die Rechtskraft aus dem Kündigungsschutzprozess stehe dem nicht entgegen, da die Rechtskraft nur inter partes gelte, nicht aber gegenüber einem Dritten. Es sei auch nicht zu einem Betriebsübergang zwischen der Klägerin und der Firma Industriewerke W. GmbH & Co. KG gekommen, welche später in die FHK umfirmiert worden sei. Dies ergebe sich bereits aus der Vereinbarung über Lohnfertigung, Geschäftsbesorgung und Betriebsfortführung zwischen der Klägerin und der späteren FHK. Dieser sei als echter Betriebsführungsvertrag zu werten, der bereits infolge des nicht erfolgten Betriebsinhaberwechsels einen Betriebsübergang ausschließe.
Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 24.02.2016 (Bl. 273 ff. d. A.) und 07.04.2016 (Bl. 297 ff. d. A.) sowie des Beklagten vom 19.02.2016 (Bl. 254 ff. d. A.) und 05.04.2016 (Bl. 295 f. d. A.) verwiesen.
Aus den Gründen
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässigen Berufungen der Klägerin und des Beklagten sind insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache hat die Berufung der Klägerin Erfolg, die Berufung des Beklagten war zurückzuweisen. Die Klägerin hat auch ein Feststellungsinteresse daran, für die Vergangenheit ab dem Zeitpunkt des streitigen Betriebsübergangs bis heute feststellen zu lassen, dass ein Arbeitsverhältnis über den 31.03.2011 hinaus zwischen den Parteien nicht besteht. Diese negative Feststellungsklage ist auch begründet. Denn ab dem 01.04.2011 ist der Betrieb der Klägerin in Berlin auf die Industriewerke W. GmbH & Co. KG gemäß § 613 a BGB übergegangen. Im Übrigen kann sich der Beklagte auch gegenüber der Klägerin gemäß § 242 BGB nicht mehr darauf berufen, dass ein Betriebsübergang nicht stattgefunden hat.
1. Die negative Feststellungsklage der Klägerin ist gemäß § 256 ZPO auch für die Vergangenheit zulässig.
Nach der gesetzlichen Regelung kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Vorliegend richtet sich die negative Feststellungsklage auf das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses als Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte behauptet gegenüber der Klägerin das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2011 hinaus. Zwischen den Parteien besteht also Streit über die Arbeitgeberstellung der Klägerin seit jenem Zeitpunkt. Bei einer negativen Feststellungsklage muss der Kläger darlegen, dass die beklagte Partei aus einem bestimmten Lebenssachverhalt Rechte, insbesondere Ansprüche geltend machen will. Der Kläger muss deshalb die tatsächlichen Vorgänge angeben, aus denen der Beklagte einen Anspruch herleiten will. Er muss behaupten und im Bestreitensfall auch beweisen, dass der Beklagte sich eines Anspruchs aufgrund dieses dargelegten bestimmten Sachverhalts berühmt (vgl. dazu nur die zutreffenden Erwägungen im Urteil der Kammer 42 des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.12.2015 – 42 Ca 8643/15 – sowie die dieses Urteil zitierenden Gründe der Kammer 37 des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.01.2016 – 37 Ca 8630/15 -, S. 9 des Urteils mit weiteren Nachweisen [Bl. 328 d. A.]).
Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, das Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen, weil sich der Beklagte eines solchen sowohl für die Gegenwart als auch für die Vergangenheit berühmt und insbesondere mit der Geltendmachung ausdrücklich die Weiterbeschäftigung eingefordert hat. Dies kann von der Klägerin im Sinne der §§ 294, 295 BGB als Angebot der Erbringung der Arbeitsleistung verstanden werden, so dass sie sich bei Nichtbefolgung Vergütungsansprüchen aufgrund Annahmeverzugs gemäß § 615 BGB ausgesetzt sehen könnte. Für die Vergangenheit macht der Beklagte insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Tariflöhne Differenzlohnansprüche geltend. Ob derartige Ansprüche bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis tatsächlich gegeben wären, braucht entgegen der Auffassung der hiesigen ersten Instanz für die Frage des Feststellungsinteresses nicht vertieft zu werden, denn für das Interesse an alsbaldiger Feststellung reicht es aus, dass sich der andere Teil eines Anspruchs berühmt. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, kann erst Gegenstand des Folgeprozesses sein, der dann von dem hier zu klärenden Rechtsverhältnis abhängt. Das Feststellungsinteresse für das hiesige Verfahren ist daher – auch soweit es sich auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses für die Vergangenheit bezieht – schon aus Gründen der Prozessökonomie gegeben.
2. Die negative Feststellungsklage ist auch begründet.
a)
Zu Recht haben die beiden zitierten Kammern des Arbeitsgerichts Berlin in ihren Urteilen ausgeführt, dass der für das Bestehen des Rechtsverhältnisses im Rahmen einer negativen Feststellungsklage darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht ausreichend unter Beweisantritt dargelegt hat, dass zum 31.03.2011 kein Wechsel der Arbeitgeberstellung im Wege des Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB vorgelegen hat.
Für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass jede Partei diejenigen Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, aus denen sie ihren Anspruch herleitet. Den Gläubiger trifft daher die Beweislast für alle rechtsbegründenden Tatsachen, wobei es gleichgültig ist, in welcher Parteirolle er sich dabei befindet. Bei der negativen Feststellungsklage muss der Feststellungskläger deshalb lediglich beweisen, dass sich der Beklagte eines Anspruchs aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhaltes berühmt. Demgegenüber obliegt dem Gläubiger in der Rolle des Feststellungsbeklagten der Beweis derjenigen Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleitet, denn auch bei der leugnenden Feststellungsklage ist – wenn auch mit umgekehrten Parteirollen – Streitgegenstand der materielle Anspruch, um dessen Nichtbestehen gestritten wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und des BAG ist deshalb die Umkehr der Parteirollen bei der negativen Feststellungsklage auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung ohne Einfluss (vgl. BGH NJW 2012, 3294; 2001, 2096; 1993, 1716; BAG 18.09.2014 – 6 AZR 145/13 – Rz. 59, zitiert nach juris).
Dieser Auffassung, der sich die beiden zitierten Kammern 37 und 42 des Arbeitsgerichts Berlin angeschlossen haben, schließt sich auch die erkennende Kammer für die hier zu entscheidende negative Feststellungsklage an. Zwar geht es vorliegend nicht um die Leugnung eines bestimmten Anspruchs, sondern um die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, welches vor dem streitigen Zeitpunkt in der Vergangenheit bestanden hat. Daraus kann sich jedoch nach Auffassung der Kammer lediglich eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast ergeben. Dabei sind an den Vortrag des Beklagten erhöhte Anforderungen zu stellen, da dieser sich erstmals nach über vier Jahren auf ein vermeintliches Rechtsverhältnis beruft, dessen Beendigung er zuvor – insbesondere im Rahmen der ausschließlich gegenüber der Arbeitgeberin gerichteten Kündigungsschutzklage – nicht in Frage gestellt hat.
b)
Die Klägerin hat die einen Betriebsübergang begründenden Tatsachen ausreichend dargelegt. Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich nicht, dass über den 31.03.2011 hinaus noch ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bestanden hat.
aa)
Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel wie bewegliche Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva und Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit (vgl. EuGH 20.01.2011 – C – 463/09 – [CLECE] Rz. 34, zitiert nach juris; EuGH 26.11.2015 – C – 509/14 – [Aira Pascual] Rz. 33 ff.; zitiert nach juris). Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung vgl. nur BAG 10.05.2012 – 8 AZR 434/11 – Rz. 24, NZA 2012, 1161).
Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebes ein. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen, der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als Inhaber „verantwortlich“ ist. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Es kommt dabei nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen. Der Wechsel der Inhaberschaft tritt hingegen nicht ein, wenn der neue „Inhaber“ den Betrieb gar nicht führt (vgl. die umfangreiche Rechtsprechung in den Urteilen der zitierten Kammern 37 und 42 des Arbeitsgerichts Berlin, z. B. Seite 13 des Urteils 37 Ca 8630/15, Bl. 332 der hiesigen Akte).
bb)
Unstreitig hat die Industriewerke W. GmbH & Co. KG (später FHK) sämtliche Arbeitnehmer des hier streitgegenständlichen Berliner Betriebs oder Betriebsteils übernommen, welcher bereits zuvor unstreitig einen eigenständigen wirtschaftlichen Betriebszweck – die Herstellung von Fassaden- und Balkonprofilen – verfolgte. Die Übernehmerin erhielt auch die Nutzungsrechte und somit die tatsächliche – wenn auch nicht die rechtliche – Verfügungsgewalt über die weiteren materiellen und immateriellen Produktionsmittel, welche sie zur Herstellung im Wege der Lohnfertigung der Fassaden- und Balkonprofile benötigte im Wege der geschlossenen Vereinbarung und somit durch Rechtsgeschäft im Sinne des § 613 a BGB.
Die Übernehmerin hat die Produktionstätigkeit tatsächlich fortgeführt. Auf die Eigentümerstellung über die Produktionsmittel kommt es insoweit nicht an, denn die eigenwirtschaftliche Nutzung der Betriebsmittel ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Voraussetzung eines Betriebsübergangs (vgl. zum einen BAG 06.04.2006 – 8 AZR 220/04 – BAGE 117, 349 sowie zum anderen EuGH 26.11.2015, a. a. O., Rz. 39 mit weiteren Nachweisen). Auch der Beklagte behauptet nicht, dass die Übernehmerin den wesentlichen Betriebszweck, welcher in der Herstellung von Fassaden- und Balkonprofilen bestanden hat, nicht weitergeführt habe. Streitig ist vielmehr zwischen den Parteien die Frage, ob die „Übernehmerin“ Betriebsinhaberin des zuvor von der Klägerin geführten Produktionsbetriebs bzw. Teilbetriebs geworden ist. Hierfür hätte sie allein die Leitung eines organisatorisch abgrenzbaren Betriebsteils übernehmen und diesen auch tatsächlich führen müssen, wie es die Klägerin auch behauptet hat. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht, dass die Klägerin nach dem hier streitigen Betriebsübergang weiterhin den Produktionsbetrieb, d. h. die Lohnfertigung in der Berliner Betriebsstätte allein oder im Wege eines gemeinsamen Betriebs mit der potentiellen Übernehmerin geführt hat. Die wirtschaftliche Einflussnahme der Veräußerin erstreckte sich vielmehr auf die Veräußerung der hergestellten Produkte am Markt und auf die Betriebsführung im Übrigen im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages. Nach dem Vortrag der Klägerin ist die Industriewerke W. GmbH & Co. KG bzw. die spätere FHK nicht nur gegenüber den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat, sondern auch gegenüber den Sozialversicherungsträgern und der Tarifvertragspartnerin im eigenen Namen aufgetreten. Lediglich am Markt hat sie bei der Betriebsführung außerhalb der originären Lohnfertigung ausweislich der streitgegenständlichen Vereinbarung aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages im Namen der Klägerin gehandelt, zu welcher sie die eigentliche Geschäftsbeziehung vergleichbar einem Werkunternehmer oder Dienstleister unterhielt. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich der Lohnfertigung als eigentlichen Betriebszweck des Produktionsstandortes in Berlin hatte die Klägerin auch eingestellt, auch wenn sie am Markt den alleinigen wirtschaftlichen Nutzen der von den Industriewerken hergestellten Produkte davon trug. Dass die Übernehmerin die tatsächliche Leitungsmacht über die Produktion als dem wesentlichen Betriebszweck nicht inne hatte, obwohl sie auch im eigenen Namen gegenüber den Arbeitnehmern, den Sozialversicherungsträgern, den Tarifvertragsparteien und den Behörden agierte, lässt sich dem Vortrag des Beklagten nicht entnehmen.
cc)
Auch der Abschluss der Vereinbarung zwischen altem und neuem Arbeitgeber steht dem Betriebsübergang insoweit nicht entgegen als es sich um einen sogenannten „unechten Betriebsführungsvertrag“ handelt. Ist der Betriebsführer gegenüber dem Eigentümer des Betriebs zur Betriebsführung im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet (sogenannter unechter Betriebsführungsvertrag), tritt mit Wirksamwerden des Betriebsführungsvertrags ein Betriebsinhaberwechsel gemäß § 613 a BGB ein. Entscheidend für den Tatbestand des Betriebsinhaberwechsels ist allein, wer im Außenverhältnis gegenüber dem Personal die originären Arbeitgeberrechte und –pflichten übernimmt. Dass er dabei gemäß dem bestehenden Betriebsführungsvertrag typischerweise Bindungen im Innenverhältnis unterworfen ist, steht einem Betriebsübergang auf den Betriebsführer für die Dauer des Betriebsführungsvertrages - von Fällen des Gestaltungsmissbrauchs abgesehen - nicht entgegen (vgl. nur Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011, Rz. 78). Entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 20.11.1984 – 3 AZR 584/83 – NZA 1985, 393 ausgeführt, dass auch die treuhänderische Bindung des Betriebsführers im Innenverhältnis – wie sie bei einem unechten Betriebsführungsvertrag vorliegt – einem Betriebsübergang nicht entgegensteht, wenn der Übernehmer nach außen als Vollrechtsinhaber auftrete. Die Arbeitnehmer, die die interne Beschränkung des Erwerbers nicht kennen könnten, dürften den Betriebserwerber als neuen Arbeitgeber und Haftungsschuldner betrachten. Wollte man anders entscheiden, wäre die Rechtssicherheit nicht gewahrt und § 613 a BGB ließe sich mühelos umgehen. Der Schutzzweck der Vorschrift könne dann nicht verwirklicht werden. Betriebsinhaber ist deshalb im Zweifel derjenige, der tatsächlich betriebliche Leitungs- und Organisationskompetenz ausübt und zumindest den Arbeitnehmern gegenüber als Betriebsinhaber auftritt, also den Betrieb ihnen gegenüber im eigenen Namen führt (vgl. dazu die in dem Urteil der Kammer 37 auf Seite 15 zitierten Urteile des BAG sowie ausdrücklich die Entscheidung des EuGH vom 06.03.2014 – C – 458/12 – [Amatori], zitiert nach juris, Rz. 29: „Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/23 in allen Fällen anwendbar ist, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen [Hervorhebung durch das Gericht] gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt“).
Gegenüber den Arbeitnehmern hat die Industriewerke W. GmbH & Co. KG und in der Folge die FHK den Berliner Betrieb nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin geführt. Dass es sich insoweit um einen Gestaltungsmissbrauch gehandelt haben könnte, hat der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargelegt.
3. Selbst wenn die Frage eines Betriebsübergangs auf die Erwerberin vorliegend im Hinblick auf den Geschäftsbesorgungsvertrag anders zu beurteilen wäre bzw. von einem echten Betriebsführungsvertrag auszugehen wäre, wäre der Beklagte daran gehindert, Rechte aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis geltend zu machen, da diesbezügliche Rechte des Beklagten verwirkt sind. Dabei kann dahinstehen, ob das Recht, sich auf den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, der Verwirkung unterliegt (so BAG 30.01.1991 – 7 AZR 239/90 – Rz. 28, zitiert nach juris; offengelassen von BAG 10.10.2007 – 7 AZR 448/06 – Rz. 25, zitiert nach juris). Jedenfalls unterliegen Rechte aus einem Arbeitsverhältnis der Verwirkung mit der Folge, dass bei Bejahung des Verwirkungstatbestandes auch das Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt werden kann, denn kennzeichnend für ein Rechtsverhältnis sind die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Können diese in ihrer Gesamtheit nicht mehr durchgesetzt werden, besteht auch das Rechtsverhältnis im engeren Sinne nicht mehr. Dies beruht auf dem Rechtscharakter der Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, denn hierbei handelt es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung.
a)
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde, so dass ihm insgesamt deshalb dessen Befriedigung nicht zuzumuten ist (sogenanntes Umstandsmoment, vgl. BAG 12.12.2006 – 9 AZR 747/06 – zitiert nach juris). Zum Zeitablauf müssen deshalb besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts mit Treu und Glauben als unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung. Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände sind, und umgekehrt sind an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist.
b)
Sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment liegen vor.
aa)
Der Beklagte hat über vier Jahre zugewartet, bevor er etwaige Ansprüche aus einem vermeintlich noch bestehenden Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin erhoben hat. Damit ist das Zeitmoment unzweifelhaft erfüllt.
bb)
Aber auch das Umstandsmoment ist hier gegeben.
Der Beklagte hat auch nach Erhalt des Widerspruchsschreibens keine Einwendungen gegen den von der Klägerin von ihr so verstandenen Betriebsübergang erhoben. Dabei hat die Klägerin den Beklagten wie auch die anderen vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer vollständig und ausführlich über den beabsichtigten Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 5 BGB informiert und auch die Tatsachen mitgeteilt, welche die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des beabsichtigten Übergangs betreffen. So hat sie mitgeteilt, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. KG die Fertigungsaktivitäten der bisherigen Arbeitgeberin dem Unternehmenszweck entsprechend im Sinne einer Lohnfertigung übernehmen werde und die administrativen Funktionen, insbesondere Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung für die bisherige Arbeitgeberin übernehme. Sie hat auch Auskunft darüber gegeben, dass bei der bisherigen Arbeitgeberin das Immobilien-, Anlage-, Umlaufvermögen sowie die Patente und Lizenzverträge verbleiben und dass diese Vermögenswerte der neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
Trotz dieser Darlegungen widersprach der Beklagte dem behaupteten Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Industriewerke W. GmbH & Co. KG nicht. Zwar wäre ein Widerspruch bei einem ohnehin nicht vorliegenden Betriebsübergang überflüssig, doch musste die Klägerin, welche alle wesentlichen Umstände der von ihr beabsichtigten Übergabe des Produktionsbetriebes im Informationsschreiben dargelegt hatte, nach über vier Jahren nicht mehr damit rechnen, dass sich der Beklagte weiterhin eines Arbeitsverhältnisses mit ihr berühmen und seine Weiterbeschäftigung verlangen würde, zumal sie für den Beklagten unstreitig keinen Arbeitsplatz mehr vorhält und die Produktionsstätte in Berlin mittlerweile im Gegensatz zu der Produktionsstätte in Oberstenfeld bei Stuttgart stillgelegt ist.
Der Beklagte machte nach Erhalt des Informationsschreibens in den folgenden Jahren zu keinem Zeitpunkt den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin geltend oder gab sonst in irgendeiner Weise zu erkennen, dass er von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin ausgehe. Er reagierte insbesondere nicht, nachdem die Erwerberin der Betriebsstätte mit dem Betriebsrat des Berliner Betriebes im September 2011 eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit und im Folgejahr ein bis zum 31.12.2014 befristeten Interessenausgleich zur Einschränkung der Produktion durch befristete Produktionsstillstände und zu einem befristeten Einsatz der Beschäftigten an den anderen beiden Standorten abgeschlossen hatte. Vielmehr führte er gegenüber der Erwerberin einen Rechtsstreit im Hinblick auf die von der FHK in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Änderungskündigungen.
Selbst nach Ausspruch der wegen einer Stilllegung des Berliner Betriebs Ende März 2014 von der nunmehr unter FHK firmierenden ehemaligen Industriewerke W. GmbH & Co. KG zum 30.09.2014 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung machte der Beklagte den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der hiesigen Klägerin nicht geltend. Während dieses Rechtsstreites gab er in keiner Weise zu erkennen, dass er von einem fehlenden Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die W. Industriewerke GmbH & Co. KG im Frühjahr 2011 ausgehe. Die Klage richtete er vielmehr allein gegen die FHK mit dem Klageziel, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit dieser Gesellschaft festzustellen zu lassen.
Auch hat der Beklagte durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Erwerberin deutlich gemacht, dass er nur diese als seine Arbeitgeberin ansieht, denn der Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 KSchG beinhaltete die begehrte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien des Kündigungsschutzverfahrens aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Mit der Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess steht deshalb fest, ob im Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen diesen Parteien bestanden hat oder nicht. Zwar war die hiesige Klägerin weder Partei noch Streitverkündete in dem Kündigungsschutzverfahren, so dass sich dessen Rechtskraft nicht auf sie erstreckt. Dennoch bleibt der rechtskräftige Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens nicht ohne Auswirkung auf das Verhältnis des dortigen mit seiner Klage abgewiesenen Arbeitnehmers und zugleich hiesigen Beklagten im Verhältnis zur hiesigen Klägerin als der früheren Arbeitgeberin desselben Arbeitsverhältnisses und kann nach Auffassung auch der Berufungskammer im Rahmen der Beurteilung eines Verwirkungstatbestandes bei einer Gesamtschau der für und gegen eine Verwirkung sprechenden Umständen unter Berücksichtigung der Umstände von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht außer Acht bleiben. So hat das Bundesarbeitsgericht zur Frage der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgeführt, dass es genüge, wenn einer der (aufgrund eines Betriebsübergangs) Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis habe. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sehe das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folge, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könne, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen könne (vgl. BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 – Rz. 34, zitiert nach juris).
Dieser von den zitierten Kammern 37 und 42 des Arbeitsgerichts Berlin zutreffend zitierten Auffassung schließt sich auch die Berufungskammer für den vorliegenden Fall an, in welchem das Vorliegen eines Betriebsübergangs zwischen den Parteien zwar streitig ist, die Veräußerin jedoch den Arbeitnehmer vollständig über den beabsichtigten Betriebsübergang informiert und ihn über alle wesentlichen Umstände in Kenntnis gesetzt hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1; 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.