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Arbeitsrecht
09.06.2022
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Vertragsstrafe: einseitige Sanktionierung zu Lasten des Arbeitnehmers kann zur Unwirksamkeit führen

Sächsisches LAG, Urteil vom 24.1.2022 – 1 Sa 345/21

Volltext: BB-Online BBL2022-1406-1

Leitsatz Der Redaktion

Vertragsstrafen sind als AGB grundsätzlich wirksam, wenn für gleichartige Verstöße sowohl auf Seiten des Arbeitnehmers als auch auf Seiten des Arbeitgebers eine jeweils entsprechende Sanktionierung vorgesehen ist.

BGB §§ 305 c Abs. 2, 306, 307, 308, 31

Sachverhalt

Der Beklagte wendet sich im Berufungsrechtszug gegen die Abweisung seiner auf die Zahlung von Vertragsstrafen gerichteten Widerklage.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit 07.08.2018 zunächst mit einer monatlichen Arbeitszeit von 30 Stunden für ein Bruttoarbeitsentgelt von 450,00 € monatlich als examinierter Altenpfleger tätig. In dem am 17.12.2018 unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:

§ 2 Arbeitsbeginn, Dauer, Befristung, Probezeit

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 07.12.2018 und wird zunächst auf 2 Jahre befristet. Es endet somit am 06.12.2020, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

(...)

(3) Der Arbeitsvertrag wird zunächst auf die Dauer von 6 Monaten zur Probe abgeschlossen. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 3 Wochen von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden.

(...)

§ 17 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund der Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

(2) Nach Ablauf der Probezeit kann das befristete Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer Frist von 1 Monat zum Quartalsende gekündigt werden, soweit keine längeren gesetzlichen Kündigungsfristen bestehen.

(...)

(5) Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug einer ungekürzten Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat.

(...)

§ 18 Vertragsstrafe bei Vertragsbruch

(1) Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung erhalten hätte, maximal jedoch ein Bruttomonatsgehalt.

(...)

§ 19 Herausgabe von Arbeitsmitteln und Unterlagen

(1) Der Arbeitnehmer hat auf Verlangen des Arbeitgebers – aber auch bei längerer Abwesenheit im Unternehmen wie im Falle von Kündigung, Freistellung o. ä. – sämtliche Arbeitsunterlagen, -mittel und -ergebnisse, insbesondere auch Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien, gleichgültig auf welchem Datenträger, an den Arbeitgeber zurück- bzw. herauszugeben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er dies unaufgefordert zu tun.

(2) Dieselbe Verpflichtung gilt hinsichtlich sämtlicher weiterer Sachen und Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, wie beispielsweise Firmenfahrzeug, Berechtigungskarten, Schlüssel, Mobiltelefon, Laptop o. ä. (...)

§ 20 Vertragsstrafe bei Herausgabeverweigerung

(1) Verstößt der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Herausgabepflicht von Arbeitsmitteln und Unterlagen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 19, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.“

Am 01.03.2019 unterzeichneten die Parteien einen Änderungsvertrag in dem u. a. Folgendes festgehalten ist:

Vorbemerkung:

(...) Unter Aufrechterhaltung des ursprünglichen Arbeitsvertrages gilt zur Erprobung folgender – für den Erprobungszeitraum von 6 Monaten vom 01.04.2019 bis 30.09.2019 – befristeter Änderungsvertrag:

zu § 1 Aufgabengebiet

(1) Der Arbeitnehmer wird ab 01.04.2019 befristet zur Erprobung bis 30.09.2019 als Pflegedienstleiter (PDL) tätig. (...)

zu § 4 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ausschließlich der Pausen. (...)

zu § 5 Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt in Höhe von 3.200,00 € brutto, das bis zum 15. des Folgemonats unter Beachtung der gesetzlichen Steuern und Abgaben auf ein vom Arbeitnehmer zu benennendes Konto überwiesen wird.“

Der Kläger wurde über die Dauer des befristeten Änderungsvertrages vom 01.03.2019 und über die Dauer der Befristung aus dem Arbeitsvertrag vom 17.12.2018 hinaus als Pflegedienstleiter weiter beschäftigt. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 3.306,50 € pro Monat. Ihm war zur dienstlichen Nutzung ein Tablet „IPad“ samt Software überlassen. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.01.2021, das dem Beklagten am 29.01.2021 zuging, zum 28.02.2021. Am 23.02.2021 rief der Kläger bei der Sekretärin des Beklagten an, um einen Übergabetermin für das Tablet zu vereinbaren. Der Inhalt des Telefongesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Mit Anwaltsschreiben vom 23.03.2021 forderte der Beklagte den Kläger zur Herausgabe auf. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 05.03.2021 machte der Beklagte die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend. Am 16.03.2021 gab der Kläger das Tablet zurück.

Der Beklagte hat in seiner in erster Instanz erhobenen, dem Kläger am 27.05.2021 zugestellten Widerklage die Auffassung vertreten, der Kläger schulde ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.306,50 € als Vertragsstrafe, weil er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende nicht eingehalten habe.

Ein weiteres Bruttomonatsgehalt von 3.306,50 € habe der Kläger als Vertragsstrafe verwirkt, weil er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Tablet nicht herausgegeben habe.

Der Beklagte hat neben seinem Klageabweisungsantrag vor dem Arbeitsgericht widerklagend beantragt:

1. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten 3.306,50 € nebst fünf Prozent Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten weitere 3.306,50 € nebst fünf Prozent Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten weitere 56,50 € nebst fünf Prozent Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten weitere 338,26 € brutto nebst fünf Prozent Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat über seinen Klageantrag hinaus in erster Instanz beantragt

die Widerklage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Vertragsstrafenregelung in § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 sei intransparent, weil nicht klar sei, was die Angabe „schuldhaft ohne Rechtsgrund“ bedeute. Auch die Vertragsstrafenregelung in § 20 des Arbeitsvertrages sei intransparent, weil nicht klar sei, ob sie sich auf das Monatsgehalt aus dem Arbeitsvertrag vom 17.12.2018 oder aus dem Änderungsvertrag vom 01.03.2019 beziehe. Im Übrigen habe der Kläger das Tablet weder fahrlässig noch vorsätzlich erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses herausgegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 05.07.2021 der Klage stattgegeben und die auf Zahlung der Vertragsstrafen abzielenden Widerklageanträge zu 1 und 2 abgewiesen.

Zur Begründung der Abweisung dieser Widerklageanträge hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe das Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist beendet. Die in § 17 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 geregelte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende gelte nur für das befristete Arbeitsverhältnis. Für das nach Fristablauf fortgesetzte Arbeitsverhältnis sei diese Kündigungsfrist nicht vereinbart. Der Kläger habe auch im Zusammenhang mit der Herausgabe des Tablets keine Vertragsstrafe verwirkt, weil die Herausgabe am 16.03.2021 im Hinblick auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28.02.2021 jedenfalls noch „bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ i. S. von § 20 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 erfolgt sei.

Gegen das ihm am 22.07.2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am Montag, den 23.08.2021 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.10.2021 an diesem Tag begründet hat.

Der Beklagte verfolgt mit seiner Berufung die auf Zahlung von zwei Vertragsstrafen in Höhe von je 3.306,50 € gerichteten Widerklageanträge zu 1 und 2 weiter. Er greift mit Rechtsausführungen die Auffassung des Erstgerichts an, der Kläger habe die für seine Kündigung vom 28.01.2021 geltende Kündigungsfrist eingehalten, weil die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende nur für den befristeten Arbeitsvertrag, nicht aber für das unbefristete fortgesetzte Arbeitsverhältnis gelte. Der Kläger habe das ihm überlassene Tablet auch nicht „bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses am 28.02.2021 herausgegeben, sondern erst am 16.03.2021.

Der Beklagte beantragt,

das Ersturteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05.07.2021, Az.: 11 Ca 366/21 abzuändern und den Kläger auf die Widerklage hin zu verurteilen, an den Beklagten 6.613,00 € nebst fünf Prozent Zinsen p.a. hieraus über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält an seiner Rechtsauffassung fest, beide Vertragsstrafenklauseln seien intransparent.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Berufungsbegründung vom 22.10.2021 sowie die Berufungserwiderung vom 12.11.2021 Bezug genommen. Das Gericht hat durch Beschluss vom Dezember 2021 mit Zustimmung beider Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, Schriftsatznachlass bis zum 03.01.2022 gewährt und Verkündungstermin auf den 24.01.2022 bestimmt.

Aus den Gründen

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung der Vertragsstrafen gerichteten zulässigen Widerklageanträge im Ergebnis zutreffend als unbegründet abgewiesen.

1. Die Vertragsstrafenregelungen der §§ 18 und 20 des Arbeitsvertrages vom 17.01.2018 sind an den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 305 c Abs. 2, 306 bis 309 BGB zu messen. Es handelt sich bei den genannten Vertragsbestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen in Form der Einmalbedingungen i. S. von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, denn Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber sind als Verbraucherverträge i. S. des § 310 Abs. 3 1. Hs BGB anzusehen (vgl. BAG, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16, Rn. 17). Auf die Frage, ob die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden (§ 305 Abs. 1 BGB) kommt es nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht an.

2. Die Vertragsstrafenregelung in §§ 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 trägt den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Bruttomonatsgehalts als Vertragsstrafe nicht.

a) Dies folgt im Gegensatz zur Ansicht des Arbeitsgerichts nicht bereits daraus, dass die Kündigung des Klägers vom 28.1.2021 zum 28.2.2021 die für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende Kündigungsfrist wahrte. Der Kläger hat vielmehr die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende nicht eingehalten.

aa) Nach § 15 Abs.5 TzBfG gilt ein zeitbefristetes Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es ohne Widerspruch des Arbeitgebers nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, fortgesetzt wird. In dem auf unbestimmte Zeit verlängerten Arbeitsverhältnis gelten die bisherigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien fort.

bb) Die vom Reichsarbeitsgericht (vgl. die Nachweise im Urteil des BAG vom 11.08.1988, 2 AZR 53/88, RdNr. 26) vertretene Auffassung, dies gelte nicht für die Kündigungsfristen, ist aus gutem Grund aufgegeben worden. Sie berücksichtigt nämlich den Parteiwillen nicht ausreichend. § 622 BGB regelt die Dauer der Kündigungsfrist nicht zwingend, sondern dispositiv. Die Parteien können jederzeit längere Kündigungsfristen vereinbaren, als in § 622 BGB geregelt. Tun sie das in einem befristeten Vertrag, spricht ohne Hinzutreten besonderer Umstände nichts dafür, dass sie ein Zurückfallen auf die kürzeren Kündigungsfristen des § 622 BGB wollen, wenn der Vertrag nach Fristablauf unbefristet fortgesetzt wird.

cc) Die Parteien haben im vorliegenden Fall die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Fristablauf schon bei Abschluss des befristeten Vertrages vom 17.12.2018 ins Auge gefasst. Das folgt aus § 17 Abs. 5 des Vertrages, der das Ausscheiden des Klägers spätestens bei Eintritt in die Altersrente vorsieht. Der Umstand, dass die Parteien schon bei Vertragsschluss über den Ablauf der Befristung hinausgeblickt haben, spricht dafür, dass sie keine Verkürzung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen nach Fristablauf wollten (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.1988, a.a.O. RdNr.37).

Zudem haben die Parteien den Arbeitsvertrag vom 17.12.2018 durch den Änderungsvertrag vom 1.3.2019 wesentlich verändert. Der Kläger wurde nicht mehr als geringfügig beschäftigter Krankenpfleger, sondern als vollbeschäftigter Pflegedienstleiter tätig. Sein Stundenlohn stieg rechnerisch von 15,00 € auf 18,50 € brutto. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde durch den Änderungsvertrag nicht nur im zeitlichen Umfang ausgedehnt, sondern in einer beförderungsähnlichen Art und Weise intensiviert. Dies ist ein weiteres Indiz für den Willen der Parteien, bei unbefristeter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die kurzen gesetzlichen Kündigungsfristen zurückzufallen, sondern es bei den längeren vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen zu belassen.

Für den Parteiwillen, das Arbeitsverhältnis nach Fristablauf nicht mit der kurzen gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, spricht schließlich auch § 17 Abs.2 Satz 1 zweiter Halbsatz des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018. Hier haben die Parteien die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass „keine längeren gesetzlichen Kündigungsfristen bestehen“. Das zeigt, dass die Parteien bei Vertragsschluss sogar an eine mit Zeitablauf eintretende Verlängerung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist gedacht haben, nicht aber an das Gegenteil einer Verkürzung.

b) Der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel aus § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 steht auch nicht § 309 Nr. 6 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine Klausel unwirksam, die eine Vertragsstrafe für den Fall verspricht, dass sich der andere Teil vom Vertrag löst. Jedoch ist § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden, mit denen die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist sanktioniert wird, nicht anwendbar. Dies folgt aus § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, wonach bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind.

Der Arbeitgeber ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht in der Lage, seinen Anspruch auf Arbeitsleistung durchzusetzen. Er kann zwar einen entsprechenden Titel erwirken, diesen aber wegen § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstrecken. Diese im Arbeitsvertragsrecht geltende Besonderheit der Zwangsvollstreckung gebietet es, das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB nicht anzuwenden. Ohne eine vertragliche Regelung wäre der Arbeitgeber nicht in der Lage, seinen Primäranspruch auf Leistung von Arbeit während der Kündigungsfrist zu sichern. Vertragsstrafenregelungen, mit denen die Erbringung der Arbeit während der Kündigungsfrist gesichert wird, müssen zulässig sein, um den Arbeitgeber nicht schutzlos zu stellen (grundlegend hierzu BAG, Urteil vom 04.03.2004, 8 AZR 196/03 Rn. 48 ff, seither ständige Rechtsprechung).

c) § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 ist jedoch aus mehreren anderen Gründen unwirksam.

aa) Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt sein, dass der Vertragspartner des Verwenders schon bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt. Eine Klausel verletzt das Transparenzgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume für die Interpretation eröffnet (BAG, Urteil vom 24.08.2017, 8 AZR 378/16, Rn. 18 m. w. N.).

Den Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit entspricht die in § 18 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 getroffene Vertragsstrafenregelung nicht. Sie knüpft daran, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ löst. Damit lässt sie so weite Spielräume für Interpretationen, dass das Transparenzgebot verletzt ist.

(1) Die Formulierung „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ lässt sich so verstehen, dass damit nur das Lösen des Arbeitsverhältnisses durch unentschuldigtes Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit gemeint ist. Denn nur bei unentschuldigtem Fernbleiben löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „ohne Rechtsgrund“. Eine Kündigung ist als Gestaltungserklärung dagegen stets ein „Rechtsgrund“, der zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses führt. Zudem ist es nur bei einem unentschuldigten Fernbleiben des Arbeitnehmers möglich, die Tatbestandsvoraussetzungen der Klausel wie gefordert kumulativ zu erfüllen (schuldhaft ohne Rechtsgrund „und“ ohne Einhaltung der Kündigungsfrist)

(2) Die Formulierung könnte auch so zu verstehen sein, dass sie die unberechtigte außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitnehmers i.S.d. § 626 BGB meint.

Wer ohne wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB fristlos kündigt, handelt nach diesem Verständnis „schuldhaft“, weil er die gesetzlichen Anforderungen an eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund verletzt.

(3) Will man die Klausel so verstehen, dass sie die ordentliche Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfasst, muss man sie über den Wortlaut hinaus auslegen. Ordentliche Kündigungen können nämlich nicht „schuldhaft“ sein, weil sie keines gesetzlich normierten Kündigungsgrundes bedürfen. Dafür, dass die Klausel die unter Verletzung der Kündigungsfrist ausgesprochene ordentliche Kündigung erfassen soll, könnte allerdings die Rechtsfolgenregelung sprechen. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich zur Zahlung einer Vertragsstrafe „in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erhalten hätte“ verpflichtet sein. Ein Bezug zur Kündigungsfrist wird dadurch hergestellt.

bb) Die Klausel ist - selbständig tragend - auch deshalb unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer i.S.d. § 307 Abs.1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Ungemessen ist nach der Rechtsprechung des BAG (zuletzt Urteil vom 17.03.2016, 8 AZR 665/14, Juris, RdNr. 22 m.w.N.) jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch geldwerte Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt.

Diese Grundsätze verbieten eine einseitige Belastung des Arbeitnehmers durch Vertragsstrafenklauseln. Der Arbeitgeber mag ein anerkennenswertes Interesse daran haben, sich die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist durch eine Vertragsstrafenregelung zu sichern. Vor dem Hintergrund, dass der vollbeschäftigte Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hat der Arbeitnehmer indes ein nicht minder zu bewertendes Interesse an der pünktlichen Zahlung des Entgelts. Bei Würdigung dieser beiderseitigen und gleichwertigen Interessen erscheint es unbillig, wenn in einem Arbeitsvertrag nur die unentschuldigte Arbeitsversäumnis des Arbeitnehmers, nicht aber die zu Unrecht verspätete oder unvollständige Lohnzahlung mit einer Vertragsstrafe belegt ist (so auch Zimmermann, Unangemessene Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch in Formulararbeitsverträgen einseitig vereinbarte Vertragsstrafen, ArbuR 2021, Seite 254 [256]). Dies führt zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung aus § 18 Abs. 1 des Arbeitsvertrages aus dem Gesichtspunkt unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers.

Diese Wertung wird auch dadurch gestützt, dass der Arbeitsvertrag vom 17.12.2018 über die Klausel des § 18 Abs.1 hinaus weitere den Kläger belastende Vertragsstrafenregelungen enthält. So wird eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalt für Nichtantritt (§ 2 Abs.1), für Verstöße gegen verschiedene Wettbewerbsverbote (§ 9 Abs.1 und § 11 Abs.1) und für die Herausgabeverweigerung (§ 20 Abs.1) geregelt. Der Beklagte unterliegt dagegen keiner einzigen Vertragsstrafenregelung. Diese Einseitigkeit der Strafbewehrung von Vertragspflichtverletzungen deutet auf die Absicht des Verwenders der Klauseln hin, die Rechtsposition des Arbeitnehmers weitgehend einzuschränken, was als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners i.S.d. § 307 Abs.1 Satz 1 BGB anzusehen ist.

cc) Die Unwirksamkeit des § 18 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 lässt nach § 306 Abs.1 BGB die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt. Die durch den Wegfall der Klausel entstehende Lücke kann dabei nicht durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Diese wäre nur denkbar, wenn der Wegfall der Klausel den Beklagten über Gebühr benachteiligen und den Kläger in einem Maße begünstigen würde, das durch seine schutzwürdigen Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.8.2016, 5 AZR 703/15, juris, RdNr. 31). Der Beklagte hat aber kein derart schutzwertes Interesse an der Aufrechterhaltung der Klausel mit einem transparenten, eindeutigen Inhalt. Dies folgt schon daraus, dass es der Beklagte als Verwender der Klausel selbst in der Hand gehabt hätte, für eine klare und zweifelsfrei verständliche Formulierung der Klausel zu sorgen.

3. Auch § 20 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 trägt den insoweit geltend gemachten Vertragsstrafenanspruch von einem Bruttomonatsgehalt nicht.

a) Zwar steht § 309 Nr. 5 BGB der Wirksamkeit der Klausel nicht entgegen, weil sie keine Pauschalierung von Schadensersatz regelt, sondern eine Vertragsstrafe, die das Beststehen eines Schadensersatzanspruchs des Verwenders gerade nicht voraussetzt.

b) Der Kläger hat im Gegensatz zur Ansicht des Arbeitsgerichts auch gegen die Herausgabepflicht aus § 19 Abs.1 Satz 2, Abs.2 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 verstoßen. Er war entsprechend § 667 BGB verpflichtet, das ihm zur dienstlichen Nutzung überlassene Tablet bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unaufgefordert zurückzugeben. Der Leistungsort der Rückgabe ergibt gem. § 269 Abs.1 BGB sich aus der Natur des Schuldverhältnisses. Der Kläger hätte das Tablet deshalb bis zu seinem Ausscheiden am 28.2.2021 in den Betrieb des Beklagten zurückbringen müssen. Von dieser Verpflichtung entband ihn auch der gescheiterte Versuch nicht, mit der Sekretärin des Beklagten einen Rückgabetermin zu vereinbaren, denn dadurch wurde die Rückgabe nicht wie geschuldet angeboten.

c) § 20 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 17.12.2018 ist allerdings ebenfalls nach § 307 Abs.1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus der Höhe der Vertragsstrafe folgen (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20.Aufl. 2020, BGB 230, §§ 339-345, RdNr. 10a). Eine Übersicherung des Verwenders der Klausel entspricht nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes steht.

Davon muss mit Blick auf die Reichweite der Vertragsstrafenregelung des § 20 Abs.1 des Arbeitsvertrages ausgegangen werden. Sie knüpft an die in § 19 Abs.1 und 2 des Arbeitsvertrages geregelte Herausgabepflicht an, welche nach § 19 Abs.1 „sämtliche Arbeitsunterlagen, -mittel und -ergebnisse, Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien“ erfasst sowie nach § 19 Abs.2 des Arbeitsvertrages „sämtliche weitere Sachen und Gegenstrände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen“. Wegen dieser weiten Fassung der Herausgabepflicht wäre die Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt auch bei Nichtherausgabe von gebrauchten Gummihandschuhen, eines Kugelschreibers, einer Kopie des letzten Dienstplanes oder anderer Gegenstände von geringstem Wert zu entrichten. Dies ist mit Blick auf die unstreitige Höhe des Bruttogehalts des Klägers von zuletzt 3.605,50 € monatlich unverhältnismäßig und führt zur Unwirksamkeit der Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers.

Einem einschränkenden Verständnis der in § 19 des Arbeitsvertrages geregelten Herausgabepflicht dergestalt, dass die daran anknüpfende Vertragsstrafe nur bei Nichtherausgabe werthaltiger Gegenstände verwirkt sein soll, steht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen.

Zu weit reichende Klauseln können nicht durch richterliche Umgestaltung auf einen noch zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, gegen Treu und Glauben verstoßende Allgemeine Geschäftsbedingungen auf das noch vertretbare Maß abzumildern und so eine dem Verwender der Klausel möglichst günstige, gerade noch zulässige Fassung zu finden. Das wäre eine einseitige Wahrung der Interessen des Klauselverwenders, die der Rechtsprechung verwehrt ist (BGH, Urteil vom 28.5.1984, III ZR 63/83, juris, RdNr. 24).

4. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung fallen dem Beklagten nach § 97 ZPO zur Last.

5. Anlass die Revision zuzulassen bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs.2 ArbGG nicht vorliegen.

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