LAG Nürnberg: Versetzung – Arbeitsort
LAG Nürnberg, Beschluss vom 10.5.2021 – 1 TaBV 3/21
Volltext:BB-ONLINE BBL2021-2931-3
Leitsätze
1. Allein die Zuweisung von Arbeit an einem 12 km entfernten Betriebsteil innerhalb derselben politischen Gemeinde stellt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar, die bei Überschreitung von einem Monat die Zustimmungspflicht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG auslöst.
2. Dies gilt selbst dann, wenn sich weder die Arbeitsaufgabe noch die Verantwortung noch die Eingliederung in die Organisation ändern.
BetrVG § 95 Abs. 3
Aus den Gründen
I. Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Arbeitgeber eines gemeinsamen Betriebs, mehrere Umsetzungen von Mitarbeitern aufzuheben.
Die Beteiligten zu 2.) und 3.) betreiben einen gemeinsamen Betrieb hinsichtlich der im Service für die Kliniken N…-Nord und N…-Süd beschäftigten Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter stehen zum Teil im Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 2.), zum Teil im Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 3.). Der Beteiligte zu 1.) ist der für diesen Servicebetrieb gewählte 15-köpfige Betriebsrat.
Für den Servicebetrieb werden jeweils Rahmendienstpläne für drei Monate abgeschlossen, und zwar einheitlich für sämtliche Beschäftigten des Servicebetriebes. Die Beschäftigten W., C. und H. sind in diesem Betrieb im Bereich des Kranken- und Warentransportes beschäftigt, die Beschäftigten W… und C… bisher mit Tätigkeiten im Klinikum N. Süd, der Beschäftigte H. mit Tätigkeiten im Klinikum N. Nord. In Ausfüllung dieser Rahmendienstpläne werden Einzeldienstpläne vom Abteilungsleiter bzw. den jeweiligen Vorgesetzten erstellt, die der Betriebsrat einsehen kann. Eine gesonderte Genehmigung dieser Einzeldienstpläne erfolgt dann nicht mehr.
Der Abteilungsleiter K. teilte die Beschäftigten W. und C. ab dem Zeitraum 01.03.2020 zu Tätigkeiten im Klinikum N. Nord, den Beschäftigten H. zu Tätigkeiten im Klinikum Süd ein.
Der Beteiligte zu 1.) rügte diese Neueinteilungen und erklärte, seiner Auffassung nach handle es sich beim Wechsel der Kliniken in N… um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Dies folge bereits daraus, dass sich der räumliche Einsatzort ändere. Im Übrigen seien auch die Standorte unterschiedlich aufgebaut. Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben die Auffassung vertreten, es lägen keine Versetzungen im Sinne des § 99 BetrVG vor, so dass eine Beteiligung des Betriebsrats nicht erforderlich sei.
Mit Antrag vom 06.04.2020, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tag, hat der Beteiligte zu 1.) Aufhebung der „Versetzungen“ der drei Mitarbeiter begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, es handle sich um nach § 95 Abs. 3, § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahmen. Dies hätten auch die Beteiligten zu 2.) und 3.) früher so gehandhabt. Der Arbeitsbereich werde durch den Wechsel des Einsatzortes geändert; die Änderung sei für mehr als einen Monat geplant.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1.) hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung der Frau W… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuheben.
2. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung des Herrn C… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuheben.
3. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung des Herrn H… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuhebe.
Die Beteiligte zu 2.) und 3.) haben dagegen beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben geltend gemacht, mitbestimmungspflichtige Versetzungen lägen nicht vor. Die Mitarbeiter seien innerhalb des Betriebes an den nur zwölf Kilometer entfernten Standort in derselben politischen Gemeinde umgesetzt worden. Sie bekämen dort dieselben Tätigkeiten zugewiesen wie zuvor. Die Beschäftigten seien im Transportdienst, vornehmlich im Patiententransport tätig. Die zu erbringenden Leistungen seien identisch bis auf den Umstand, dass Leichen im Klinikum N… Nord mit einem Leichentransporter gefahren würden, dass verstorbene Patienten im Klinikum Süd direkt in ihrem Bett zur Pathologie verbracht würden. Dies sei den unterschiedlichen Räumlichkeiten geschuldet; beim Klinikum Süd handle es sich um ein einziges großes Gebäude, beim Klinikum Nord um mehrere, teilweise nicht miteinander verbundene Gebäude. Am konkreten Arbeitseinsatz des Transportdienstes ändere sich nichts, weder die konkrete Tätigkeit noch die Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer oder organisatorischer Hinsicht. Die Beschäftigten arbeiteten mit demselben TESS-System, mit dem die Tätigkeiten zugewiesen würden. Sie hätten denselben Vorgesetzten, sie seien in dieselbe Organisation eingegliedert. Auch das Reisekostenrecht mit dem Abstellen auf eine Veränderung um 30 km zeige, dass bei einer Entfernung von 12 km zwischen den Betriebsstätten nicht von einer maßgeblichen Entfernung des jeweiligen Einsatzortes auszugehen sei. Grund für die konkret vorgenommenen Veränderungen sei die unternehmerische Entscheidung, dass die Beschäftigten durch wechselseitige Einsätze größtmöglich flexibel seien und dass Störungen von betrieblichen Abläufen bei kurzfristiger Aushilfe aufgrund personeller Engpässe vermieden werden sollten.
Der Beteiligte zu 1.) meint, schon die Tätigkeiten in den beiden Betriebsstätten seien unterschiedlich, weil sich die Mitarbeiter im Klinikum Süd innerhalb eines Gebäudes bewegten, beim Klinikum Nord jedoch über mehrere Gebäude hinweg. Außerdem sei nach der Rechtsprechung auch die bloße Veränderung des Arbeitsorts als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob mit dieser Zuweisung eine Eingliederung in eine andere organisatorische Einheit erfolge. Schon durch diese Änderung des Arbeitsortes könne eine Änderung der Umstände eintreten, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Eine Entfernung der Standorte von 12 km sei auch nicht als Bagatellfall anzusehen. Im Gegensatz zum Personalvertretungsrecht enthalte § 95 Abs. 3 BetrVG keine Bezugnahme auf das Reise- oder Umzugskostenrecht.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 30.11.2020 wie folgt entschieden:
1. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung der Frau W… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuheben.
2. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung des Herrn C… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuheben.
3. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die Versetzung des Herrn H… ab dem 01.03.2020 vom Standort Süd zum Standort Nord aufzuheben.
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die streitigen Arbeitszuweisungen stellten mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar. Da der Beteiligte zu 1.) die Zustimmung hierzu nicht erteilt habe, seien die Maßnahmen nach § 101 BetrVG aufzuheben. Der Begriff des Arbeitsbereichs werde entsprechend § 81 Abs. 1 S. 1 BetrVG durch Aufgabe und Verantwortung sowie Art der Tätigkeit und deren Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Arbeitsbereich sei danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Eine solche geänderte Zuweisung liege auch vor, wenn der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen zugeordnet werde. Darauf, ob auch ein Wechsel der politischen Gemeinde erfolge, komme es nicht an. Die Veränderung müsse allerdings so erheblich sein, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändere. Vorliegend habe sich das Gesamtbild der Tätigkeit allein dadurch maßgebend verändert, dass die Mitarbeiter aus ihrer bestehenden Organisationseinheit herausgenommen und an einem anderen Ort beschäftigt würden. Es liege kein Bagatellfall vor, der als unerheblich angesehen werden könne. Ohne Bedeutung sei, dass die Tätigkeit nicht in einem anderen betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb oder einem anderen selbständigen Betriebsteil erfolge. Ob vorliegend der Wechsel des unmittelbaren Vorgesetzten oder die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung darüber hinaus von Bedeutung seien, bedürfe keiner Entscheidung.
Der arbeitsgerichtliche Beschluss ist den Beteiligten zu 2.) und 3.) ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihrer Prozessvertreterin am 05.01.2021 zugestellt worden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2.) und 3.) haben namens und im Auftrag der Beteiligten zu 2.) und 3.) mit Schriftsatz vom 02.02.2021, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am selben Tag, Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Sie haben die Beschwerde mit Schriftsatz vom 16.02.2021, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 02.03.2021, begründet.
Zur Begründung der Beschwerde haben die Beteiligten zu 2.) und 3.) vortragen lassen, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG ausgegangen. Die betroffenen Beschäftigten gehörten nach wie vor zum bisherigen Betrieb. Der Service werde einheitlich für die Standorte des Klinikums N… Nord und N… Süd erbracht. Eine Änderung des Aufgabenbereichs der Mitarbeiter sei nicht erfolgt. Die Mitarbeiter würden einheitlich für die beiden Standorte koordiniert. Sie erbrächten ihre Tätigkeit unter Inanspruchnahme des TESS-Systems, mit dem sie ihre Aufträge erhielten. Die Tätigkeit sei nicht durch eine Zusammenarbeit mit anderen Kollegen geprägt, die praktisch nicht vorkomme. Auch die Führungskräftestruktur ändere sich nicht, da die gesamte Abteilung durch den Abteilungsleiter K… geleitet werde. Die Leistungen seien vollständig vergleichbar mit Ausnahme des Umstands, dass Leichentransporte im Klinikum Süd nicht mit dem Transporter durchgeführt würden. Es handle sich um einen unwesentlichen Unterschied. Die Mitarbeiter würden nicht aus ihrer bestehenden Organisationseinheit herausgenommen, beim Standortwechsel handle es sich um eine geringfügige und unwesentliche Änderung, die nicht als Wechsel des Arbeitsortes angesehen werden könne.
Die Beteiligten zu 2.) und 3.) und Beschwerdeführer stellen im Beschwerdeverfahren folgende Anträge:
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.11.2020, Az. 3 BV 19/20, wird aufgehoben.
II. Die Anträge werden zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1.) und Beschwerdegegner beantragt,
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1.) schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handle es sich bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsortes um eine „Versetzung“. Auch die Vorschrift des § 95 Abs. 3 S. 2 BetrVG zeige, dass der Wechsel eines bestimmten Arbeitsplatzes nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann nicht als Versetzung angesehen werden solle, wenn der Beschäftigte von vornherein nicht durchgehend am selben Arbeitsplatz beschäftigt sei. Der konkrete Arbeitsplatz sei für den Beschäftigten von erheblicher Bedeutung; dort verbringe dieser einen Großteil des Tages. Er finde sich dort in Strukturen, Gegebenheiten und Umstände ein, die Teil des alltäglichen Arbeitslebens würden. Hierdurch entständen zwangsläufig Bindungen zu Kollegen, Patienten, Kunden, aber auch zu örtlichen Gegebenheiten an sich wie zum Beispiel Arbeitswegen oder der Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr. Durch die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes werde schon der Weg dahin und zurück ein anderer. Der Weg könne länger sein und erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen; damit könne die Freizeit des Arbeitnehmers verkürzt werden. Vorliegend unterschieden sich darüber hinaus die Tätigkeiten, die die Beschäftigten zu erbringen hätten. Auf dem Gelände des Klinikums Nord seien sie der unterschiedlichen Witterung ausgesetzt. Dazu gebe es eine Veränderung in Bezug auf die Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie zusammenarbeiteten. So sei Teamarbeit bei Schichten mit wenig Personal von Bedeutung, etwa beim Leichentransport, bei der Bestuhlung von Konferenzräumen und bei Möbeltransporten, besonders wenn kein Vorgesetzter vor Ort sei wie bei Spät- und Wochenenddiensten. Dann werde das Telefon auf einen anderen Mitarbeiter umgestellt. Dazu seien die Sachgebietsleiter verschieden, die als unmittelbare Ansprechpartner fungierten. Darauf, ob ein Wechsel in eine eigenständige Betriebsorganisation erfolge, komme es nicht an. Durch den Schutzzweck des § 99 BetrVG seien das gesamte Verhältnis und die gesamte Situation des Beschäftigten in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und somit auch in Bezug auf seine Beziehungen zu Kollegen und Mitarbeitern im Allgemeinen erfasst. Dazu zählten auch der soziale, kollegiale Austausch sowie das Miteinander in Pausen- und sonstigen Anwesenheitszeiten. Selbst wenn die Arbeit selbst kein Teamwork verlange, seien diese sozialen Bindungen nicht zu vernachlässigen. Aus dem Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes lasse sich nichts anderes ableiten.
Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben eine Bindung zwischen den Beschäftigten und Patienten bei Krankentransporten bezweifelt. Dem stehe schon die Fluktuation der Patienten entgegen. Zudem würden die Aufträge zu 95% durch das System TESS und damit automatisiert vermittelt.
Auf Fragen des Gerichts haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, der Beschäftigte C… sei vielleicht zu 70% im Warentransport - dieser finde nur hinsichtlich der Labor- und Lkw-Fahrer auch zwischen den Kliniken statt - im Klinikum N… Süd beschäftigt, zu 30% im Patienten- bzw. Leichentransport. Die Beschäftigten W… und H… seien nur im Patienten-/Leichentransport tätig. Die Patiententransporte würden automatisch über das System TESS vergeben; ein angemeldeter Mitarbeiter bekomme den Auftrag auf sein Empfangsgerät übermittelt, bestätige Abholung und Verbringung des Patienten jeweils auf diesem Gerät. Der jeweils standortnächste freie Mitarbeiter erhalte vom System den jeweils nächsten Auftrag. Die Leichentransporte würden in der Regel händisch vergeben, weil sie im Hinblick auf die zu gewährende Zulage möglichst gerecht auf die etwa 33 Mitarbeiter in Nord und 26 Mitarbeiter im Klinikum Süd in den jeweiligen Schichten verteilt würden. Es fänden geschätzt etwa 10 bzw. 7 bis 8 Leichentransporte täglich in den beiden Kliniken statt.
Zwischen den Beteiligten ist streitig geblieben, ob bei einem erstmaligen Einsatz im anderen Klinikum eine nur eintägige oder eine längere Einarbeitung nötig sei, insbesondere wegen der notwendigen Kenntnis der Lage der einzelnen Kliniken und der entsprechenden Wege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung von Sachverhalt und Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, die Niederschrift über die Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 10.05.2021 (Bl. 147 ff. d.A.) sowie auf die von den Beteiligten eingereichten und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingereichte und auch begründete Beschwerde der Beteiligten zu 2.) und 3.) ist in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Umsetzung der betroffenen Mitarbeiter vom Klinikum Nord ins Klinikum Süd bzw. umgekehrt eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG darstellt, so dass die Maßnahmen, an denen der Beteiligte zu 1.) nicht beteiligt worden ist, aufzuheben sind. Die Beschwerdekammer folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann. Im Hinblick auf die in der Beschwerdeinstanz vorgetragenen Angriffe und Argumente ist folgendes hinzuzufügen:
1. Der Beteiligte zu 1.) hat seinen Anspruch auf Anregung der Beschwerdekammer zur Klarstellung umgestellt. Der Erfolg des Antrags hängt davon ab, ob eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorliegt - es verbietet sich, diesen Begriff schon zur Umschreibung der durchgeführten Maßnahme aufzuführen. Eine Änderung des Inhalts des Antrags ist damit nicht verbunden.
2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Beteiligten zu 2.) und 3.) zur Aufhebung der genannten Umsetzungen nach § 101 BetrVG verpflichtet. Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben in Ausübung ihres gemeinsamen Weisungsrechts eine Maßnahme gegenüber den Mitarbeitern verfügt, für die sie den Beteiligten zu 1.) nach § 99 Abs. 1 BetrVG um Zustimmung hätten bitten müssen. Da sie diese Zustimmung nicht erbeten haben - und sie auch nicht erteilt worden ist -, sind die drei Maßnahmen aufzuheben.
3. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2.) und 3.) handelt es sich bei den Zuweisungen der Arbeitsplätze im jeweils anderen, 12 km entfernten Klinikumsbereich, um Versetzungen im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG.
a. Unzweifelhaft ist die Zuweisung für mehr als einen Monat erfolgt. Nach Auskunft der Beteiligten dauert die Maßnahme weiterhin an, haben die Beteiligten zu 2.) und 3.) von der Maßnahme für die Zukunft nicht abgesehen.
b. Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben mit ihrer Anweisung, die Arbeit im jeweils anderen Klinikum aufzunehmen, einen „anderen Arbeitsbereich“ im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG zugewiesen. Dabei ist das Arbeitsgericht zutreffend von denjenigen Eckpunkten ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht in Auslegung dieses Begriffes in ständiger Rechtsprechung zugrunde legt. „Arbeitsbereich“ sind danach die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines „anderen“ Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist. Dies kann sich auch aus einer Änderung des Arbeitsortes ergeben, kann mit einer Änderung der Stellung des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (vgl. zuletzt BAG v. 29.09.2020, 1 ABR 21/19, Rn. 24 der Gründe, zitiert nach juris).
c. Vorliegend liegt keine relevante Änderung der Aufgabe, auch nicht eine solche der Verantwortung vor. Die Beschäftigten werden mit denselben Tätigkeiten betraut, nur eben auf einem anderen Gelände. Der Umstand, dass die Transporte insbesondere der verstorbenen Patienten im Nordklinikum teilweise zu verschiedenen getrennten Gebäuden und über Außenflächen mit entsprechenden Fahrzeugen zu erfolgen hat, lässt die Aufgaben nicht dergestalt in einem anderen Licht erscheinen, dass allein dies den Arbeitsbereich als „anderen“ erscheinen ließe. Zu beachten ist zudem, dass die betreffende Tätigkeit - bei nur etwa zehn Leichentransporten - relativ selten vorkommt, durchschnittlich nicht einmal täglich für jeden Mitarbeiter. Im Übrigen betrifft die Tätigkeit, die einen Weg im Transporter zwischen den Gebäuden über Außenflächen ausmacht, nach den Angaben der Beteiligten, an denen zu zweifeln die Kammer keinen Anlass hat, nur etwa 20%. Damit ist - die Tätigkeit als solche bleibt praktisch gleich - keine Situation entstanden, in denen diese Art der Aufgabenerfüllung dem Gesamtbild der Tätigkeit dergestalt ein anderes Gepräge geben würde, dass die nunmehr vorgesehene Tätigkeit als nicht nur verändert, sondern als „andere“ anzusehen wäre. Besondere Belastungsfaktoren für diesen Teil der Tätigkeit sind nicht erkennbar (vgl. BAG vom 29.02.2000, 1 ABR 5/99, Rn. 22, zitiert nach juris). Auf die Frage, ob eine Untergrenze für den Entzug oder die Änderung von Teiltätigkeiten anzusetzen ist und ob diese schon bei 20% greifen würde (vgl. hierzu BAG vom 02.04.1996, 1 AZR 743/95, Rn. 28, zitiert nach juris), kommt es daher nicht an. Es geht vorliegend nicht um den vollständigen Entzug einer Tätigkeit, sondern lediglich um eine Modifikation eines Teils der Tätigkeit, die für sich genommen das Gepräge der Tätigkeit nur unerheblich ändert.
d. Unabhängig hiervon wäre beim Beschäftigten C…, der weiterhin 70% seiner Tätigkeiten im Warentransport zu erbringen hat, eine solche Erheblichkeitsschwelle offenkundig nicht erreicht.
e. Ein anderer Arbeitsbereich ergibt sich auch nicht durch Einordnung in einen anderen Arbeitsablauf. Die Mitarbeiter sollen nicht einer anderen betrieblichen Organisation zugewiesen, in einen anderen Ablauf eingegliedert werden. Vielmehr ist der Servicebereich übergreifend für beide Klinikumsstandorte organisiert bis hin zum gemeinsamen Rahmendienstplan, der dann lediglich ausgefüllt wird. Stellung und Platz der Arbeitnehmer innerhalb der betrieblichen Organisation oder Einheit verändern sich nicht. Das Vorhandensein eigenständiger betrieblicher Einheiten ist nicht behauptet oder erkennbar. Der jeweilige Service-Bereich in den beiden Standorten des Klinikums ist nicht eigenständig organisiert, eine Zusammenarbeit mit anderen Vorgesetzten, anderen Kolleginnen und Kollegen und einer anderen Leitung - hierauf stellt BAG v. 29.02.2000, a.a.O., ab - sind nicht vorgetragen oder erkennbar. Relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung, die sie eigenverantwortlich wahrnehmen würden, besitzen die unmittelbaren Vorgesetzten nach den Darstellungen der Beteiligten nicht. Ihre Befugnisse gehen über bestimmte Kompetenzen zur Arbeitseinteilung nicht hinaus (vgl. BAG v. 17.06.2008, 1 ABR 38/07, zitiert nach juris). Auf Dauer angelegte eigenständige organisatorische Einheiten für die unterschiedlichen Standorte sind nicht erkennbar.
f. Letztlich bleibt die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes, 12 km entfernt vom bisherigen Einsatzort. Nach der Überzeugung der Beschwerdekammer gibt allein diese Zuweisung der Tätigkeit vorliegend ein anderes Gesamtgepräge, so dass allein dieser Umstand den zugewiesenen Arbeitsbereich als „anderen“ erscheinen lässt. Dies gilt unabhängig davon, dass beide Standorte des Klinikums in derselben politischen Gemeinde liegen. Zwar wird dies im Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2006 (1 ABR 35/05, zitiert nach juris) als ein Gesichtspunkt genannt. In der dortigen Konstellation ging es jedoch lediglich um eine Verlagerung der gesamten Betriebsabteilung in einer relativ kleinen Stadt um nur 3 Kilometer. Vorliegend handelt es sich um eine Änderung von 12 km. Zwar sind beide Standorte mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, die Verbindungen sind jedoch sehr unterschiedlich. Für die Mitarbeiter kann sich ein erheblich längerer Weg zwischen Wohnort und Einsatzort ergeben. Zudem handelt es sich nicht um den Sonderfall, dass die gesamte betriebliche Einheit den Einsatzort wechselt; in diesem Sonderfall werden sich kaum Widerspruchsmöglichkeiten des Betriebsrats etwa nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ergeben können. Bei der Zuweisung von Tätigkeiten an einzelne Arbeitnehmer am anderen Ort, während die Mehrzahl der Beschäftigten weiter am bisherigen Einsatzort eingeteilt ist, liegt dies wesentlich näher. Nach Auffassung der Kammer liegt daher kein „Bagatellfall“ vor, in dem der Arbeitsort wegen der entsprechenden Nähe als vernachlässigbar anzusehen wäre. Vielmehr ist bei der notwendigen Gesamtschau die Zuweisung der Arbeit am anderen Klinikumsstandort als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches anzusehen.
4. Nach alldem sind die Maßnahmen aufzuheben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung und möglicher Abweichung zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2006 (1 ABR 35/05).