LAG Nürnberg: : Verhaltensbedingte Kündigung - beharrliche Arbeitsverweigerung
LAG Nürnberg, Urteil vom 1.6.2021 – 7 Sa 473/20
Volltext: BB-Online BBL2021-2291-4
Orientierungssatz
Eine Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer in der unzutreffenden Annahme eines Zurückbehaltungsrechtes an seiner Arbeitsleistung deren Erbringung über einen längeren Zeitraum verweigert.
Sachverhalt
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die 1976 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war bei der Beklagten seit 10.07.2004 auf Geringverdienerbasis beschäftigt, seit 01.02.2008 sozialversicherungspflichtig als Kinderbetreuung zu den Bedingungen des Formulararbeitsvertrages vom 18.10.2007 (Bl. 11 ff d.A.). Mit Zusatzvereinbarung vom gleichen Tag (Bl. 14 d.A.) vereinbarten die Parteien eine monatliche Arbeitszeit von durchschnittlich 90 Stunden, geführt in einem Jahresnettostundenkonto bei einem Gehalt von 758,00 € brutto monatlich.
Die Beklagte betreibt ein Möbelhaus und bietet Kinderbetreuung für die Kundschaft von Montag bis Freitag von 13:00 Uhr bis 18:30 Uhr sowie am Samstag für die gesamte Öffnungszeit von 09:30 bis 18:00 Uhr an. Die Klägerin arbeitete als Kinderbetreuung regelhaft am Donnerstag und Freitag von 13:30 Uhr bis 18:30 Uhr und am Samstag von 09:30 bis 18:00 Uhr. Die restlichen Stunden arbeitete sie nicht regelhaft.
Im Jahr 2002 gebar sie ihren ersten Sohn. Dieser ist behindert mit einem GdB von 80.
Nach Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten gebar sie im Jahr 2011 ihren zweiten Sohn. Im Anschluss daran war sie durchgängig in Elternzeit für diesen und einen dritten Sohn sowie in Pflegezeit für den Erstgeborenen und zuletzt in Pflegezeit für ihre Mutter vom 16.01.2018 bis 16.07.2018.
Am 15.06.2018 telefonierte die Klägerin mit der Personalleiterin der Beklagten wegen der Wiederaufnahme der Beschäftigung und teilte mit, dass sie wegen der Pflegesituation möglichst vormittags zwischen 09:00 Uhr und 12:00 Uhr arbeiten wolle. Dies lehnte die Personalleiterin telefonisch ab.
Mit E-Mail vom 26.06.2018 (Bl. 54 d.A.) teilte die Klägerin mit,
„dass es mir momentan leider nicht möglich ist (nach Beendigung der Pflegezeit), meine Arbeit wieder aufzunehmen.
Gerne würde ich, wenn es meine persönliche Situation wieder zulässt, auf Ihr Angebot zurückgreifen.“
Mit E-Mail vom 27.06.2018 (Bl. 55 d.A.) äußerte die Personalleiterin ihr Bedauern über diese Entscheidung der Klägerin und erbat noch eine schriftliche Kündigung durch die Klägerin. Daraufhin entstand unter Einschaltung der späteren Prozessbevollmächtigten Streit um einen Anspruch der Klägerin auf Teilzeitbeschäftigung, der bis zum Ende der Pflegezeit am 16.07.2018 nicht der Klärung zugeführt werden konnte.
Die Klägerin nahm weder am ersten Tag nach Ende der Pflegezeit, dem 17.07.2018, noch am Donnerstag, dem 19.07.2018 die Arbeit auf. Sie erkrankte ab 17.07.2018 bis 19.08.2018 arbeitsunfähig an einer Lungenentzündung und legte entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für diesen Zeitraum mit Datum vom 24.07.2018 (Bl. 162 d.A.), 03.08.2018 (Bl. 163 d.A.) und vom 10.08.2018 (Bl.164 d.A.) jeweils der gleichen Arztpraxis vor. Die weitere Fortdauer der Erkrankung zeigte sie nicht an.
Mit Schreiben vom 04.09.2018 (Bl. 30 d.A. des Parallelverfahrens) wurde sie abgemahnt, „weil sie jedenfalls seit dem 20.08.2018 unentschuldigt einer Beschäftigung nicht“ nachkommt. In der Folgezeit legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 14.09.2018 derselben Arztpraxis (Bl. 165 d.A.) vor, in der ausgeführt wird, dass sie „auch in der Zeit vom 20.8.18 bis 2.9.18 nicht arbeitsfähig“ war. Nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen war sie im Anschluss daran weitere vier Wochen aus psychischen Belastungsgründen arbeitsunfähig krank, nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen litt sie ab dem 03.09.2018 an Durchfall. Dazu legte sie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor für die Zeit vom 03.09.2018 bis Montag, den 10.09.2018 als Erstbescheinigung vom 06.09.2018 einer anderen Arztpraxis (Bl. 166 d.A.) und weiter bis Samstag, den 22.09.2018 mit Folgebescheinigung vom 10.09.2018 der ursprünglichen Arztpraxis (Bl. 167 d.A.).
Mit Schreiben vom 26.09.2018 (Bl. 15 d.A.) teilte ihr Prozessbevollmächtigter mit, dass die Klägerin bezüglich ihrer Arbeitskraft von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache wegen nicht gewährter Entgeltfortzahlung im Juli und August 2018 sowie nicht ausgezahltem Urlaubsgeld 2018. Die Arbeit nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht auf.
Mit Schreiben vom 28.01.2019 (Bl. 41 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin.
Mit Klageerweiterung vom 06.02.2018 zu einer anhängigen Zahlungsklage, eingegangen beim Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - am gleichen Tag, machte die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend.
Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - gab im Parallelverfahren der Parteien der Klage hinsichtlich des Anspruches auf Entfernung der Abmahnung vom 14.09.2018 aus der Personalakte statt. Das LAG Nürnberg bestätigte dies mit rechtskräftigem Urteil vom 12.02.2019.
Im vorliegenden Verfahren gab das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - der Kündigungsschutzklage statt, wies weiter geltend gemachte Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.09. bis 22.09.2018, Ansprüche auf Lohn für die Zeit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes vom 23.09. bis 31.12.2018 und Ansprüche auf die Gewährung von Erholungsurlaub für die Jahre 2012 bis 2017 ab. Zugesprochen wurden anteilige Urlaubsgewährungsansprüche für das Jahr 2018 im Umfang von neun Arbeitstagen sowie Weihnachtsgeld 2018 in Höhe von 414,00 € brutto.
Das Arbeitsgericht wies zur Begründung darauf hin, dass der Kündigung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls eine Abmahnung hätte vorausgehen müssen. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bestünden nicht nach Ablauf des Zeitraumes von sechs Wochen nach § 3 EFZG ab dem 17.07.2018 nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Einheit des Verhinderungsfalles. Ansprüche auf Annahmeverzugslohn nach § 611a BGB i.V.m. § 615 BGB für die Zeit danach bestünden ebenfalls nicht, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestanden habe. Die Urlaubsansprüche für die Jahre 2012 bis 2017 seien bereits verfallen jeweils zum 31.03. des Folgejahres. Im Hinblick auf die mehrjährige Abwesenheit der Klägerin vom Betrieb habe die Beklagte auch nicht ihre Mitwirkungsobliegenheit verletzen können. Wo eine Urlaubsnahme nicht möglich sei, sei auch eine Aufforderung zur Urlaubsnahme nicht erforderlich.
Das Urteil wurde der Klägerin am 31.05.2019 zugestellt, der Beklagten am 03.06.2019.
Die Beklagte legte gegen das Urteil am 25.06.2019 Berufung ein und begründete diese am 03.09.2019 nach entsprechender Fristverlängerung. Die Klägerin legte gegen das Urteil am 26.06.2019 Berufung ein und begründete diese am 14.08.2019 ebenfalls nach entsprechender Fristverlängerung.
Die Klägerin macht mit der Berufungsbegründung vom 13.08.2019 geltend:
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestünde wegen des Grundsatzes der Einheit des Verhinderungsfalles nicht, sei unzutreffend. Wegen der Lungenentzündung habe Arbeitsunfähigkeit bis 02.09.2018 bestanden. Am 03.09.2018 sei die Klägerin arbeitsfähig gewesen. Vom 03.09.2018 bis 22.09.2018 habe Arbeitsunfähigkeit wegen Durchfall bestanden. Auch eine Fortsetzungserkrankung liege nicht vor.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem 22.09.2018 bestünde nicht, sei ebenfalls unzutreffend. Nachdem die Beklagte mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle sowie mit dem arbeitsvertraglich geschuldeten Urlaubsgeld in Zahlungsverzug gewesen sei, habe sie in berechtigter Weise von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Urlaub für die Jahre 2012 bis 2017 sei durch Ablauf des Übertragungszeitraumes verfallen, entspreche nicht der Rechtsprechung des BAG.
Die Klägerin beantragte daher:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 28.05.2019, Az 2 Ca 781/18, wird dergestalt abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin weitere € 3.182,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 108 Tage Erholungsurlaub aus den Jahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 bei Dreitagewoche zu gewähren.
Die Beklagte beantragte,
die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Würzburg, Az. 2 Ca 1336/18 vom 28.05.2019 zurückzuweisen sowie auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des am 28.052019 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, Az. 2 Ca 1336/18, die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragte,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte macht geltend:
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Kündigung sei rechtsunwirksam, sei unzutreffend. Im Parallelverfahren habe das Arbeitsgericht Würzburg selbst festgestellt, dass die Klägerin zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht gewillt und nicht in der Lage gewesen sei. Mit ihrer E-Mail vom 26.06.2018 habe die Klägerin selbst erklärt, dass sie nicht für die Beklagte arbeiten kann. Die Klägerin sei - ohne dass es darauf ankäme - auch einschlägig abgemahnt worden.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Klägerin habe Anspruch auf Weihnachtsgeld 2018, sei ebenfalls unzutreffend. Der Anspruch sei von der Erbringung einer Arbeitsleistung abhängig. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Zahlung vom Erreichen bestimmter Ziele abhängig sei.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Klägerin habe Anspruch auf Urlaub für das Jahr 2018, sei ebenfalls unzutreffend. Im Hinblick auf ihre Weigerung zu arbeiten, sei die Geltendmachung von Urlaub treuwidrig.
Zur Berufung der Klägerin macht die Beklagte geltend:
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der Klägerin stünde keine Entgeltfortzahlung zu, sei zutreffend im Hinblick auf den Ablauf des Zeitraumes von sechs Wochen. Die Krankschreibung beziehe den 02.09.2018 ausdrücklich mit ein. Abgesehen davon sei die Klägerin gar nicht arbeitswillig gewesen. Ferner sei die Tatsache der Erkrankung zu bestreiten. In der ersten Instanz habe die Klägerin eine psychische Belastung als Krankheitsursache geltend gemacht, in der Berufung dagegen eine Durchfallerkrankung.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem 22.09.2018 bestünde nicht, sei ebenfalls zutreffend. Der Klägerin habe kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Urlaub für die Jahre 2012 bis 2017 bestehe nicht, sei ebenfalls zutreffend. Die Beklagte habe die Erklärung abgegeben, den Urlaub zu kürzen. Abgesehen davon seien diese Ansprüche verfallen und ihrer Geltendmachung stehe der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, nachdem die Klägerin nicht leistungsfähig und nicht leistungswillig gewesen sei.
Die Klägerin trägt zur Berufung der Beklagten vor:
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Kündigung sei rechtsunwirksam, sei zutreffend. Nachdem geltend gemacht werde, die Klägerin sei zur Arbeitsleistung nicht in der Lage gewesen, könne die Kündigung nur als personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Klägerin sei zur Erbringung der Arbeitsleistung in der Lage gewesen. Der E-Mail vom 26.06.2018 lasse sich eine Arbeitsverweigerung nicht entnehmen. Deshalb sei auch eine verhaltensbedingte Kündigung nicht rechtswirksam. Abgesehen davon ermangele es der vorgängigen Abmahnung.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Klägerin habe Anspruch auf Weihnachtsgeld 2018, sei ebenfalls zutreffend. Der Anspruch sei nicht von der Erbringung einer Arbeitsleistung abhängig. Es gebe weder Zielvorgaben noch eine Zielvereinbarung. Das Weihnachtsgeld diene schon seiner Bezeichnung nach zur Deckung der erhöhten Ausgaben des Arbeitnehmers zu Weihnachten.
Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Klägerin habe Anspruch auf Urlaub für das Jahr 2018, sei ebenfalls zutreffend. Der Anspruch auf Urlaub sei unabhängig von einer tatsächlichen Beschäftigung oder einer erbrachten Arbeitsleistung.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.09.2020 auf die zulässigen Berufungen hin das Ersturteil teilweise abgeändert und die Kündigungsschutzklage hinsichtlich der hilfsweisen ordentlichen Kündigung vom 28.01.2019 abgewiesen, Urlaubsabgeltung zugesprochen und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Kündigung ermangele des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Einer vorgängigen Abmahnung habe es nicht bedurft. Urlaubsabgeltung sei für 2018, soweit nicht gekürzt wegen der Pflegezeit, zuzusprechen.
Gegen dieses der Klägerin am 11.09.2020 zugestellte Urteil hat diese Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 10.12.2020 - 2 AZN 887/20 - hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichtes unter Verwerfung der Beschwerde im Übrigen als unzulässig insoweit aufgehoben, als es die Kündigungsschutzklage und die Klage auf Gewährung von Urlaub in Natur für das Jahr 2018 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgelegen habe, da das Landesarbeitsgericht vor seiner Entscheidung nicht auf seine Rechtsauffassung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Rüge eines Verfahrensfehlers bei der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG hingewiesen habe.
Mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes steht nunmehr fest, dass die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen wurde, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.01.2019 nicht aufgelöst worden ist.
Es steht nunmehr ferner fest, dass die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen wurde, soweit das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin auf Gewährung von Urlaub für die Jahre 2011 bis 2017 und auf Zahlung von Vergütung für die Monate September bis Dezember 2018 zurückgewiesen hat.
Insoweit ist das Urteil des Landesarbeitsgerichtes vom 08.09.2020, das jetzt ein Teilurteil ist, rechtskräftig.
In dem nunmehr noch teilweise fortzusetzenden Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht den Parteien Gelegenheit gegeben, zur Frage des Bestehens eines Betriebsrates und eines ordnungsgemäßen Verfahrens der Beteiligung des Betriebsrates bei der Kündigung der Klägerin ergänzend vorzutragen.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei gewillt und in der Lage gewesen, ihre Arbeit zu erbringen. Die Beklagte habe nicht zur Arbeit aufgefordert. Zur zeitlichen Einteilung der Klägerin sei die Beklagte verpflichtet gewesen. Es ermangele auch der einschlägigen Abmahnung. Sie bestreite weiterhin die Anhörung des Betriebsrates mit Nichtwissen. Sie habe keine Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Betriebsrates bei der Beklagten. Das Vorbringen der Beklagten sei verspätet. Es hätte schon in der ersten Instanz erfolgen müssen. Es sei nach § 67 Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen. Es habe zu einer Verzögerung geführt, was schon der Umstand belege, dass das Bundesarbeitsgericht der Nichtzulassungsbeschwerde habe stattgeben müssen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.06.2021 legten die Parteien ihren Streit um die Zahl der für 2018 noch zustehenden Urlaubstage durch Teilvergleich bei.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Würzburg, Az. 2 Ca 1336/18, vom 26. Juni 2019 zurückzuweisen mit der Maßgabe, die Klage auch insoweit abzuweisen als noch nicht rechtskräftig über sie entschieden ist im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 08.09.2020.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte stellte folgenden Antrag:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, die Berufung noch insoweit zurückzuweisen, als noch nicht rechtskräftig im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 08.09.2020 darüber entschieden wurde.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin mit ihrer Email vom 26.02.2018 erklärt habe, nach Beendigung der Pflegezeit für eine Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht zur Verfügung zu stehen. Fehlende Leistungsfähigkeit und fehlende Leistungswilligkeit sei damit dokumentiert. Dies ergebe sich auch aus der unterbliebenen Aufnahme der Tätigkeit nach Ende der Arbeitsunfähigkeit. Einer Abmahnung habe es vor diesem Hintergrund nicht bedurft. Ein Betriebsrat habe in der Zeit der Beschäftigung der Klägerin bei der Beklagten nicht bestanden und es bestehe weiterhin kein Betriebsrat bei der Beklagten, eine Anhörung habe deshalb nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2021 verwiesen, § 64 Abs. 7 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Aus den Gründen
A.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die Stattgabe der Kündigungsschutzklage gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.01.2019 wendet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien findet sein Ende mit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 28.01.2019 unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 30.06.2019.
1. Die Kündigung vom 28.01.2019 ist als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG.
a. Eine Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.
b. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, in jüngerer Zeit mit Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 30, zitiert nach juris, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist, BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -, Rn. 28, zitiert nach juris.
c. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach der Rechtsprechung des BAG dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruches zurückzuhalten. Dies folgt aus einer Analogie zu § 320 Abs. 2 BGB, BAG, Urteil vom 25.10.1984 - 2 AZR 417/83 -, Rn. 29, zitiert nach juris. Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten, BAG, Urteil vom 25.10.1984, a.a.O.; BAG, Urteil vom 25.10.2007 - 8 AZR 917/06 -, Rn. 52, zitiert nach juris.
Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist, BAG, Urteil vom 22.10.2015 - 2 AZR 569/14 -, Rn. 37, zitiert nach juris und BAG, Urteil vom 14.12.2017 - 2 AZR 86/17 -, Rn. 29, zitiert nach juris.
2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung nach dem Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 22.09.2018 bis zum Ausspruch der Kündigung vom 28.01.2019 nicht erbracht.
a. Dies war ein Verstoß gegen die ihr obliegende vertragliche Hauptleistungspflicht zur Arbeit nach § 611 BGB. Der Verstoß war auch beharrlich, da er über Monate hinweg fortgesetzt wurde bis zum Ausspruch der Kündigung. Der Vertragsverstoß war schließlich rechtswidrig und schuldhaft. Der Klägerin stand kein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft zur Seite. Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes lagen Rückstände bei der Gehaltszahlung von mehr als einem Bruttomonatsentgelt nicht vor. Das Zurückbehaltungsrecht wurde ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.09.2018 ausgeübt wegen rückständiger Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 sowie nicht ausbezahlten Urlaubsgeldes 2018. Die Beklagte schuldete der Klägerin jedoch keine Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 nach dem rechtskräftigen Urteil des LAG Nürnberg vom 01.10.2019 - 7 Sa 105/19 -. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes war die Beklagte nur mit der Zahlung des Urlaubsgeldes 2018 in Höhe von 442,00 € brutto im Verzug. Dies war ein rückständiger Betrag von deutlich unter einem Bruttomonatsgehalt. Es handelt sich dabei um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag sowohl absolut als auch in Relation zum monatlichen Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin. Die Klägerin war daher nach Treu und Glauben nicht berechtigt, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten. Darüber hinaus wurde die Beklagte nicht vor der tatsächlichen Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes zum Ausgleich der rückständigen Vergütungsbestandteile unter Gewährung einer angemessenen Zahlungsfrist aufgefordert.
b. Ferner bedurfte es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht. Die Nichtaufnahme der Arbeit und die bewusste und gewollte Weigerung, die Hauptleistungspflicht der Klägerin aus dem bestehenden Arbeitsvertrag über vier Monate hinweg zu erbringen, stellt eine ganz erhebliche Pflichtverletzung der Klägerin dar. Der Klägerin musste deshalb klar sein, dass ein solches Verhalten von der Beklagten nicht toleriert werden wird.
c. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles führt dazu, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse der Klägerin an der Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses überwiegt.
Zugunsten der Klägerin waren ihre Unterhaltspflichten und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Zu ihren Lasten fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sie über Monate hinweg rechtswidrig und schuldhaft in der Form des Vorsatzes der Arbeit ferngeblieben ist. Die ordentliche Kündigung ist vor diesem Hintergrund angemessen. Eine dauerhafte Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 30.06.2019 hinaus ist der Beklagten nicht mehr zumutbar.
3. Die Kündigung scheitert nicht an einer fehlenden oder fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. Bei der Beklagten bestand im Kündigungszeitpunkt kein Betriebsrat, der anzuhören gewesen wäre.
a. Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist die Anhörung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung durch den Arbeitgeber. Anzuhören ist der Betriebsrat des Betriebs, dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung angehört. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates abgestuft. Im Prozess ist es Sache des Arbeitnehmers, die für ihn günstige Tatsache des Bestehens eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt darzulegen und ggf. zu beweisen, mit der Folge, dass § 102 BetrVG zur Anwendung kommt. Ist ihm dies gelungen, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 BetrVG erfolgt ist, BAG, Urteil vom 08.05.2014 - 2 AZR 1005/12 -, Rn. 31, 32, zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 62/11 -, Rn. 42, 43, zitiert nach juris; KR, 12. Auflage, § 102 BetrVG, Rdz. 252; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Auflage, § 102 BetrVG, Rn. 163.
b. Die Klägerin gehörte keinem Betrieb an, in dem im Kündigungszeitpunkt ein Betriebsrat bestanden hätte. Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Die Beklagte hat das Bestehen eines Betriebsrates im Zeitpunkt der Kündigung bestritten. Die Klägerin hat dies mit Nichtwissen bestritten. Damit wird die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast zum Bestehen eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt nicht gerecht.
c. Die Beklagte war nicht gehindert, in der Berufungsinstanz auf das Fehlen eines Betriebsrates in ihrem Betrieb im Kündigungszeitpunkt hinzuweisen.
aa) Das Berufungsgericht hat bei seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung zum einen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten nach § 529 Abs. 1 Nr.1 ZPO. Zum anderen ist neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen, soweit dies zulässig ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Zulässigkeit neuen Tatsachenvorbringens richtet sich im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nach § 67 ArbGG. Nach § 67 Abs. 1 ArbGG bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen wurden. Im Übrigen ist die Verwertung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur eingeschränkt zulässig, soweit es dadurch nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommt nach § 67 Abs. 2 bis 4 ArbGG.
bb) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier nicht nach § 67 Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen. Das Erstgericht hat zur Frage des Bestehens eines Betriebsrates weder im unstreitigen Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen Feststellungen getroffen. Das Erstgericht hat nach Aktenlage kein Vorbringen der Parteien als verspätet zurückgewiesen.
cc) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen. Zur Kündigungsschutzklage waren keine Fristen gesetzt worden nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG oder nach § 61a Abs. 3 oder nach § 61a Abs. 4 ArbGG. Das Erstgericht hat in der ursprünglichen Zahlungsklage nach gescheiterter Güteverhandlung vom 22.01.2019 mit Beschluss in der Güteverhandlung Termin zur streitigen Verhandlung auf den 11.04.2019 bestimmt, der Beklagten aufgegeben, bis zum 12.02.2019 auf die Klage abschließend unter Beweisantritt zu erwidern und der Klägerin aufgegeben, zum Vorbringen der Beklagten bis zum 06.03.2019 Stellung zu nehmen und abweichenden Vortrag unter Beweis zu stellen. Mit Klageerweiterung vom 06.02.2019 wandte sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 28.01.2019. Binnen gesetzter Frist erwiderte die Beklagte auf die Zahlungsklage mit Schriftsatz vom 12.02.2019. Das Erstgericht hat in der Folgezeit nicht zur Erwiderung auf die Kündigungsschutzklage aufgefordert und insoweit auch keine Schriftsatzfrist gesetzt. Nach weiteren Klageerweiterungen nahm die Beklagte noch zu diesen Klageerweiterungen Stellung mit Schriftsatz vom 09.04.2019. In der streitigen Verhandlung vom 11.04.2019 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich. Nach Widerruf des Vergleiches verkündete das Erstgericht am 28.05.2019 sein Urteil.
dd) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 282 ZPO ausgeschlossen. Die Regelung des § 282 Abs. 1 ZPO betrifft die Prozessförderungspflicht in der mündlichen Verhandlung. Diese ist hier nicht betroffen. Die Regelung des § 282 Abs. 2 ZPO betrifft Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann. Diese sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Zur Kündigungsschutzklage im Wege der Klageerweiterung erfolgte seitens des Erstgerichtes kein Beschluss, der dazu unter Fristsetzung zu Klageerwiderung und Replik aufgefordert hätte. Eine Anordnung nach § 129 Abs. 2 ZPO, die Verhandlung mit wechselseitigen Schriftsätzen vorzubereiten, lag nicht vor.
ee) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 4 ArbGG ausgeschlossen. Eine Verzögerung des Rechtsstreites war nicht zu besorgen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es bei der Rüge der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG zur Schlüssigkeit der Kündigungsschutzklage gehört, das Bestehen eines Betriebsrates im Betrieb im Kündigungszeitpunkt geltend zu machen. Zählt das Bestehen eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt zur Behauptungslast des Arbeitnehmers wie auch bei der Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG und die notwendige Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG seitens des Arbeitnehmers vorzutragen ist, um die Darlegungslast des Arbeitgebers auszulösen, so war ein Hinweis des Landesarbeitsgerichtes an die Klägerin veranlasst, dass der Klagevortrag insoweit unschlüssig war. Zählt dies nicht zur Behauptungslast des Arbeitnehmers, weil in der Behauptung eines Verfahrensfehlers schon der erforderliche Tatsachenvortrag zu sehen ist, dass ein Betriebsrat besteht und das Verfahren nach § 102 BetrVG durchzuführen war, so war damit die Darlegungslast der Beklagten ausgelöst und diese darauf hinzuweisen, dass sie ihrer Darlegungslast nach Aktenlage nicht genügt hat.
Dahingestellt bleiben kann auch, ob das Landesarbeitsgericht in der ersten Berufungsverhandlung die Anhörung des Betriebsrates angesprochen hat. Ist die Beteiligung des Betriebsrates angesprochen worden, so war mit dem Bestreiten des Bestehens eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt durch die Beklagte und einem Bestreiten mit Nichtwissen oder einem Unstreitigstellen seitens der Klägerin die Angelegenheit entscheidungsreif. Ist die Beteiligung des Betriebsrates seitens des Landesarbeitsgerichtes nicht angesprochen worden, so haben sich die Parteien nach Aufhebung und Zurückverweisung dazu eingelassen. Die Beklagte hat wiederholt geltend gemacht, dass im Kündigungszeitpunkt ein Betriebsrat nicht bestand. Die Klägerin hat wiederholt nur geltend gemacht, dass sie dies mit Nichtwissen bestreitet, nicht aber zum Bestehen eines Betriebsrates unter Beweisantritt vorgetragen.
C.
Die Parteien tragen die Kosten des Rechtsstreites anteilig im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens, § 92 Abs. 1 ZPO.
D.
Für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Der Entscheidung des Gerichtes liegen die einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze und im Übrigen die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zugrunde.