LAG Nürnberg: Vergütungspflicht für Zeiten des Umkleidens, der Körperreinigung und für Zeiten innerbetrieblicher Wege
LAG Nürnberg, Urteil vom 6.6.2023 – 7 Sa 275/22
Volltext: BB-Online BBL2023-2228-5
Amtliche Leitsätze
1. § 8 MTV für die Arbeitnehmer des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern regelt die Vergütung für erforderliche Zeiten des Umkleidens und des Waschens nicht.
2. Steht fest, dass Umkleidezeit vor und nach der Arbeit und Körperreinigungszeit nach der Arbeit erforderlich sind, kann das Gericht die dafür notwendige Zeit schätzen bei Vorliegen entsprechender Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO.
Revision wurde beim BAG am 24.08.2023 unter dem Aktenzeichen: 5 AZR 212/23 eingelegt.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Vergütung für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten.
Der 1982 geborene Kläger ist seit 01.02.2008 bei der Beklagten beschäftigt als Containermechaniker in Vollzeit mit Arbeitsvertrag vom 01.02.2009 (Bl. 45 ff der Akte). Für das Arbeitsverhältnis gelten nach § 2 des Arbeitsvertrages die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Reinigungsgewerbes in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung. Dieser enthält in § 24 MTV zweistufige Ausschlussfristen, die in der 1. Stufe vorsehen, dass „Lohn-/Gehaltsansprüche und sonstige Ansprüche“ erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Entstehung schriftlich geltend gemacht werden.
Es besteht ferner eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 22.01.2008 (Bl. 48 f der Akte), die in Ziffer 5 Abs. 3 vorsieht:
„Die Mitarbeiter müssen sich zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden.“
Die Betriebsvereinbarung zur Regelung der betrieblichen Arbeitszeiten vom 31.03.2004 (Bl. 50 ff der Akte) sieht in Ziffer 5 Abs. 5 vor:
„Die tägliche Arbeitszeit endet mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten.“
Der Ablauf eines Arbeitstages des Klägers als Containermechaniker beginnt mit dem Betreten des Geländes. Von dort begibt er sich zu dem Gebäude, in dem sich die Umkleide, der Zeiterfassungsterminal und sein Arbeitsplatz befindet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob er auf dem kürzesten Weg zum Gebäude gehen kann oder aus Gründen der Arbeitssicherheit einen Umweg gehen muss, den der Kläger mit 300 m bemisst.
Vor dem Betreten des Gebäudes mit der Umkleide wird die Anwesenheit des Klägers elektronisch erfasst. Dann begibt er sich in den ersten Stock in die Umkleide. Dort holt er seine Arbeitskleidung, bestehend aus Sicherheitsschuhen, Latzhose, T-Shirt und langärmelige Jacke, zieht sich um und verstaut seine private Wäsche im Spind. Dann geht er wieder die Treppe ins Erdgeschoß hinunter. Wenige Meter vom Fuß der Treppe entfernt befindet sich das Zeiterfassungsterminal. Dort loggt sich der Kläger jetzt oder zu einem späteren von ihm selbst gewählten Zeitpunkt ein und gibt den Beginn seines Arbeitstages ein. Er ist gehalten, hier nicht den Zeitpunkt des Betretens des Betriebes oder des Betretens der Umkleide einzugeben, sondern den in den Schichtplänen vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtbeginns. Nunmehr begibt sich der Kläger an seinen 30 bis 40 m entfernten Arbeitsplatz und nimmt die Arbeit auf.
Dabei bringt er Container, die auf Wechselbrücken geladen werden, in Ordnung. Dazu gehört bei Erforderlichkeit auch das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung mit Pinsel und/oder Spritzpistolen. Bei solchen Arbeiten kann der Kläger von der Beklagten gestellte Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske tragen. Im Laufe des Tages wird der Kläger bei dieser Arbeit schmutzig.
Nach der Arbeit geht er wieder zurück zur Umkleide. Dort wäscht und/oder duscht er sich. Weisungsgemäß lässt er die verunreinigte Arbeitskleidung zur Reinigung im Betrieb. Dann verlässt er den Betrieb. Am Zeiterfassungsterminal gibt er wieder selbst das Ende seiner Arbeitszeit ein. Auch hier ist er gehalten, das geplante Schichtende einzutragen und nicht den Zeitpunkt des Verlassens der Umkleide.
Die vorgelegten Ausdrucke der vom Kläger im Zeiterfassungsterminal eingegebenen Arbeitszeiten für die Monate Juni und August 2020 (Bl. 56 f der Akte) zeigen, dass der Kläger bei den Früh- und Spätschichten regelmäßig Beginn und Ende der Arbeitszeit so einpflegt, dass sich im Ergebnis eine tägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden ergibt. Dies entspricht der täglichen tariflichen Arbeitszeit von 7,7 Stunden eines Vollzeitbeschäftigten in der 5-Tage-Woche. Bei den Nachtschichten ergeben sich Arbeitszeiten von Montag bis Donnerstag von 8,20 bis 8,28 Stunden und am Freitag von 5,70 bis 6,22 Stunden.
Mit Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg vom 30.09.2020 begehrte der Kläger Zahlung von 18.242,56 € brutto und verlangte damit zusätzliche Vergütung für die tatsächlichen Arbeitstage von Januar 2017 bis August 2020. Er machte geltend, über die Arbeitszeit am Arbeitsplatz hinaus seien von der Beklagten zu bezahlen die Zeit für den Weg von der Pforte zur Umkleide mit 10 Minuten, für das Umkleiden mit 10 Minuten, für den Weg von der Umkleide an den Arbeitsplatz mit 5 Minuten, vom Arbeitsplatz zur Umkleide mit 5 Minuten, für das Reinigen, Duschen und Umziehen mit 15 Minuten und für den Weg von der Umkleide zur Pforte mit 10 Minuten, in Summe 55 Minuten arbeitstäglich. Dies ergebe einen Anspruch auf Nachzahlung von 55/60 des jeweils gültigen Stundenlohnes zuzüglich eines Zuschlages von 25%.
Nach mehreren Klageerweiterungen beantragte der Kläger erstinstanzlich zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.242,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 941,79 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 834,76 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 770,55 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38,23 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 261,62 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 784,74 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,93 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 937,33 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10. Es wird festgestellt, dass die anfallenden Umkleidezeiten und Duschzeiten des Klägers Arbeitszeiten sind und als solche dem Kläger durch die Beklagte zu bezahlen sind, zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
11. Es wird festgestellt, dass die vom Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zurückgelegten Wege zwischen Pforte und Umkleideraum und Umkleideraum und Arbeitsstätte und zurück Arbeitszeiten sind und von der Beklagten an den Kläger zu vergüten sind, zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 675,75 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 544,96 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 650,23 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte machte erstinstanzlich geltend:
Die geltend gemachten Zeiten seien keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten. Der Tarifvertrag regele dazu nichts. Gesamtbetriebsvereinbarung und Betriebsvereinbarung zeigten, dass die Arbeitszeit am Arbeitsplatz beginne und ende, die geltend gemachten Zeiten daher nicht zur Arbeitszeit gehörten.
Abgesehen davon seien die behaupteten Zeiten zu bestreiten. Das Vorbringen zu den behaupteten Wege-, Umkleide- und Waschzeiten sei zu unbestimmt. Die Wegezeit nach der Bedienung des Zeiterfassungsterminals werde schon als Arbeitszeit erfasst und bezahlt.
Krankheits- und Urlaubstage würde der Kläger nicht berücksichtigen.
Es bestehe kein Anspruch auf Zuschläge.
Die Ansprüche seien im Wesentlichen verfallen nach § 24 MTV.
In der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 27.05.2022 stellten die Parteien die Zahl der Arbeitstage des Klägers für die Zeit von Juni 2020 bis April 2022 unstreitig.
Das Arbeitsgericht sprach dem Kläger mit Urteil vom 21.06.2022 Vergütungsansprüche zu für die Zeit von Juni 2020 bis April 2022 in Höhe eines arbeitstäglichen Differenzbetrages, den es mit dem jeweiligen Stundenlohn x 20/60 ohne Zuschläge berechnete. Es führte zur Begründung aus, dass dem Kläger zusätzliche Vergütung für die fremdnützige Tätigkeit des Umkleidens zu Schichtbeginn mit 5 Minuten und zu Schichtende mit 5 Minuten und des Reinigens mit 10 Minuten zustehe.
Im Übrigen wies es die Klage ab. Wegezeiten von der Pforte bis zur Umkleide seien als Weg zur Arbeit nicht vergütungspflichtig. Der Weg von der Umkleide bis zum Arbeitsplatz werde schon bezahlt, weil dieser Weg mit der Stempeluhr an der Umkleide schon als Arbeitszeit erfasst werde. Die Ansprüche des Klägers bis einschließlich Mai 2020 seien nicht fristgerecht geltend gemacht worden und deshalb verfallen. Das Vorbringen zu den Zuschlägen und deren Rechtsgrundlage sei trotz Hinweis des Gerichtes nicht konkretisiert worden. Den Feststellungsanträgen fehle das Feststellungsinteresse. Mangels Konkretisierung des Umfanges der zu vergütenden Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten seien die Feststellungsanträge nicht geeignet, Rechtsfrieden zu schaffen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 27.07.2022 zugestellt. Er legte dagegen am 10.08.2022 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 27.10.2022 am 26.10.2022.
Der Beklagten wurde das Urteil am 29.07.2022 zugestellt. Sie legte dagegen am 09.08.2022 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 31.10.2022 am 25.10.2022.
Der Kläger trägt in der Berufung vor:
Das Feststellungsinteresse sei für die begehrte Feststellung gegeben nach der Rechtsprechung des BAG zur Elementenklage.
Die Arbeitszeit beginne mit dem Betreten des Betriebsgeländes. Einen genaueren Arbeitsort habe die Beklagte nicht bestimmt. Willkürliches Positionieren des Zeiterfassungssystems könne daran nichts ändern.
Die Wegezeit von der Pforte bis zur Umkleide betrage 10 Minuten, da der Kläger aus Sicherheitsgründen angehalten worden sei, den langen Weg durch die Halle zu gehen und den Weg über das Betriebsgelände zu vermeiden wegen der Gefährdung durch Rangiermaschinen und LKWs.
Die Umkleide- und Duschzeiten dürften beim „Stempeln“ nicht erfasst werden. Die Umkleide- und Reinigungszeit sei vom Arbeitsgericht jedoch dem Grunde nach zutreffend als Arbeitszeit beurteilt worden, im Umfang allerdings verfehlt zu knapp festgestellt. Der Zeitaufwand für das Duschen betrage 15 Minuten und seit Beginn der pandemischen Lage 30 Minuten. Nunmehr sei die mittlere von drei Duschen gesperrt, was zu Wartezeiten bei den Arbeitnehmern führe. Das Duschen sei auch erforderlich im Hinblick auf die Verschmutzung des Klägers durch die Arbeit. Die Umkleidezeiten betrügen jeweils 10 Minuten. Arbeitstäglich stünden dem Kläger deshalb 50 Minuten zusätzlich zu vergütende Zeit zu.
Ausschlussfristen stünden dem Anspruch nicht entgegen. Sie ermangelten der notwendigen Transparenz nach §§ 307 ff BGB. Der Kläger sei bei Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht über die in Bezug genommenen Klauseln aufgeklärt worden. Als Containermechaniker und nicht als „Fahrer bei U…“ falle er nicht in den fachlichen Geltungsbereich. Die Verfallfrist sei mithin nicht Vertragsgegenstand geworden. Außerdem beziehe sich die Ausschlussfrist nur auf Arbeitnehmer, die ausgeschieden seien. Jedenfalls könne die Ausschlussfrist nicht den Anspruch auf den Mindestlohn erfassen, sondern nur den übersteigenden Betrag.
Es bestünde auch ein Anspruch auf Zuschläge. Diese fielen an jedem getätigten Arbeitstag an.
Der Kläger erweitert in der Berufung die Klage um weitere Feststellungsanträge.
Der Kläger, Berufungsbeklagte und Berufungskläger stellt folgende Anträge:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.6.2022, Az.: 9 Ca 5217/20 wird abgeändert und die Beklagte wie folgt verurteilt:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.197,74 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über den jeweiligen Basisdiskontzinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 428,09 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 813,36 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 727,74 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38,23 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 261,58 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
VIII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 719,35 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
IX. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 828,14 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
X. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 850,14 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
XI. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 653,95 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
XII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 523,16 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
XIII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 605,39 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
XIV. Es wird festgestellt, dass die anfallenden Umkleidezeiten und Duschzeiten des Klägers Arbeitszeiten sind und als solche dem Kläger durch die Beklagte zu bezahlen sind, zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
XV. Es wird festgestellt, dass die vom Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zurückgelegten Wege zwischen Pforte und Umkleideraum und Umkleideraum und Arbeitsstätte und zurück Arbeitszeiten sind und von der Beklagten an den Kläger zu vergüten sind zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
sowie Hilfsantrag
XVI. Hilfsweise zu XIV: Es wird festgestellt, dass die Zeit im Betrieb für den Kläger in welcher er sich umkleidet und duscht Arbeitszeiten sind, wobei für das Duschen 30 Minuten und jeweils 10 Minuten für das Anziehen, mithin gesamt 20 Minuten, als Arbeitszeit zu vergüten sind zuzüglich dem jeweilig gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
XVII. Hilfsweise zu XVI: Es wird festgestellt, dass der durch den Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zurückgelegte Weg zwischen Pforte und Umkleideraum und Umkleideraum und Arbeitsstätte und zurück den gleichen Weg, jeweils mit zehn Minuten pro Weg, mithin insgesamt 20 Minuten, Arbeitszeiten sind und von der Beklagten an den Kläger zu vergüten sind zuzüglich dem jeweilig gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
sowie weiterer Hilfsantrag:
XVIII. hilfsweise zu XVI.: Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönlichen Schutz- und Arbeitskleider nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen, sowie vor dem Ausstempeln berechtigt ist zu duschen und die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß dem Arbeitsvertrag zu vergüten.
Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte stellt folgende Anträge:
I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Die Klage wird bezüglich der Klageerweiterungen abgewiesen.
III. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.06.2022, Az. 9 Ca 5217/20, wird geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.
IV. Die Klage wird abgewiesen.
V. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger, Berufungsbeklagte und Berufungskläger beantragt hinsichtlich der Berufung der Beklagten:
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte trägt in der Berufung vor:
Schon aus dem Tarifvertrag ergebe sich, dass die Umkleide- und Reinigungszeiten nicht zu vergüten seien. Der Wortlaut des Tarifvertrages regele dies in § 8 MTV nicht ausdrücklich. In § 8a MTV sei die Arbeitszeit der Kraftfahrer mit der Funktion/Tätigkeit des Fahrers näher bestimmt. Umkleide- und Reinigungszeiten würden dort nicht erwähnt. In § 13 MTV fänden sich die für alle Arbeitnehmer geltenden einheitlichen Vorschriften zur Schutzkleidung. Damit müsse der Ausschluss der Umkleide- und Reinigungszeiten von der Arbeitszeit für die Kraftfahrer auch für die anderen Arbeitnehmer gelten.
Dieses Ergebnis ergebe auch die Auslegung der GBV. Hier ergebe sich schon aus dem Wortlaut, dass Umkleide- und Reinigungszeit keine Arbeitszeit sei. Hier sei ausdrücklich geregelt, dass die Arbeitnehmer „zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz“ sein müssten. Daraus ergebe sich, dass das Ankleiden gerade nicht der Arbeitsbeginn sei. Eine entsprechende Regelung zur Wertung der Umkleidezeit als Arbeitszeit finde sich auch nicht in den Reglungen zur Schutzausrüstung in Ziffer 11 Abs. 3 der GBV. Dort sei nur geregelt, dass sie vom Arbeitgeber unentgeltlich gestellt werde und vom Arbeitnehmer zu nutzen und sorgfältig zu behandeln sei. Ginge man also davon aus, dass der MTV diese Frage nicht regele, so stünde dieser Regelung auch nicht der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Dies gelte auch für die Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“. Schon der Wortlaut der Ziffer 5 der BV ergebe, dass die tägliche Arbeitszeit „mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit“ ende. Eine Weisung zum Duschen bestehe unstreitig nicht. Nichts anderes leite sich aus Sinn und Zweck der Regelung oder aus systematischen Gesichtspunkten ab.
Jedenfalls lasse sich eine Vergütungspflicht nicht aus § 611a Abs. 2 BGB ableiten. Das Duschen sei weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich. Die vorgelegten Bilder zeigten schon nicht den Kläger. Der Verschmutzungsgrad des Klägers sei von diesem auch nicht konkret vorgetragen. Von einer Kontamination rede der Kläger selbst nicht. Es sei zu bestreiten, dass die Verschmutzung nach der Arbeit unzumutbar sei. Schleif- und Lackierarbeiten mit einer entsprechenden Verschmutzung fielen auch nicht arbeitstäglich an. Der Kläger müsse zu 70% seiner Arbeitszeit mechanische Tätigkeiten verrichten wie Austausch und Reparatur von Bauteilen an den Containern, den Stützbeinen, den Querstreben, den Rolltoren, Leitern, Gurtnetzen und Schienen. Ferner führe er Schweißarbeiten aller Couleur, Abdichtarbeiten und Innenreinigungen durch. Nur zu 30% seiner Arbeitszeit erledige er Abschleif- und Lackierarbeiten. Nur an zwei bis drei Tagen in der Woche fielen demzufolge im Durchschnitt Schleif- und Lackierarbeiten an. Tägliches Duschen des Klägers sei deshalb zu bestreiten. Die Beklagte stelle auch keine besonderen Reinigungsmittel zur Verfügung, sondern Handwaschpaste und flüssigen Handreiniger.
Jedenfalls sei die Schätzung des Arbeitsgerichtes mit 20 Minuten erforderliche arbeitstägliche Umkleide- und Reinigungszeit verfehlt. Der Kläger habe ins Blaue hinein vorgetragen, nicht aber hinreichend greifbare Anhaltspunkte für eine gerichtliche Schätzung. Er trage selbst schon widersprüchlich vor einmal mit 15 Minuten Duschzeit, an anderer Stelle mit 18 bis 21 Minuten inklusive An- und Ausziehen. In der Klage sei noch die Rede von 15 Minuten für Reinigen, Duschen und Umziehen gewesen. Das LAG Nürnberg sei an anderer Stelle von 2 Minuten erforderlicher Zeit für Umziehen inklusive Wegezeit ausgegangen.
Die Berufung des Klägers sei zurückzuweisen. Sie sei schon unzulässig, weil sich der Kläger mit den Gründen des Ersturteiles nicht hinreichend auseinandersetze. Die Berufung sei auch eine Klageerweiterung, die nicht sachdienlich sei und der auch nicht zugestimmt werde. Zu den Wegezeiten habe das Erstgericht zutreffend entschieden. Die in der Berufung behaupteten Dusch- und Umkleidezeiten würden ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein vorgetragen.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2023 nehmen die Parteien Bezug auf ihre Erläuterungen zum Sachverhalt in den mündlichen Verhandlungen vor der 4. Kammer des LAG Nürnberg in einem Parallelverfahren und erklären, diese könnten auch im vorliegenden Verfahren verwendet werden.
Der Kläger erklärt ferner, dass er seine Ansprüche im Hinblick auf die Erläuterungen vor der 4. Kammer nicht mehr auf den rechtlichen Gesichtspunkt der betrieblichen Übung stützt.
Die Parteien stellen unstreitig, dass der Kläger seine Arbeitszeit selbst am Zeiterfassungsterminal eingibt und er dabei die Umkleide- und Reinigungszeiten nicht erfassen soll.
Der Kläger übergibt dazu einen Aushang der Beklagten im Betrieb in Kopie, in dem unter anderem ausgeführt wird: „Das Umkleiden/Duschen während der Arbeitszeit ist – nach wie vor – nicht statthaft und wird in keiner Art und Weise toleriert.“ Dort führt der Betriebsleiter weiter aus: „Wir arbeiten im Moment an einer Verschiebung der Startzeiten so dass der angeratene Sicherheitsabstand auch in unseren Umkleideräumen zu jeder Zeit gewährleistet werden kann.“
In der mündlichen Verhandlung vor der 4. Kammer vom 25.01.2023 im Parallelverfahren hatten die Parteien unstreitig gestellt, „dass ein Einstechen vor Schichtbeginn vergütungsrelevant erfasst wird, aber nicht gewünscht ist“, dass die Arbeitskleidung vom Arbeitgeber gestellt wird und insbesondere „Sicherheitsschuhe S3, Latzhose, Hemd, T-Shirt, Pullover, Jacke sowie Winterjacke“ umfasst und „diese nicht mit nach Hause genommen werden soll“.
In der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer vom 06.06.2023 macht das Gericht mit der vom Arbeitgeber mitgebrachten Arbeitskleidung in einer Sitzungspause einen Selbstversuch. Dabei wird die Arbeitskleidung im Schrank im Dienstzimmer des Vorsitzenden aufgehängt und die Sicherheitsschuhe dort abgestellt. Anschließend werden die ehrenamtlichen Richter gebeten, die Umziehzeit des Vorsitzenden zu stoppen. Für das Umziehen (Ablegen von Jackett, Hemd, Unterhemd, Schuhe und Hose, Aufhängen im Schrank, Entnehmen der Arbeitskleidung aus dem Schrank, Anlegen von Arbeitsshirt, Latzhose, Arbeitsjacke und Sicherheitsschuhe mit Schaft bis über die Knöchel) werden nach übereinstimmend gestoppter Zeit 4 Minuten gebraucht. Das Ergebnis des Selbstversuches wird den Parteien nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mitgeteilt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 24.10.2022 und seine weiteren Schriftsätze vom 21.12.2022 und vom 13.03.2023 sowie die Berufungsbegründung der Beklagten vom 25.10.2022 und ihre weiteren Schriftsätze vom 21.12.2022 und vom 23.05.2023.
Aus den Gründen
I. Die Berufungen sind zulässig.
1. Sie sind statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2b ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO. Sie sind auch form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden nach § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
2. Die Berufungsbegründungen genügen den Anforderungen des § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG.
a. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen.
b. Die Berufungsbegründung des Klägers genügt diesen Anforderungen. Die Berufung macht geltend, die Frage der erforderlichen Zeiten für die innerbetrieblichen Wege, das Umkleiden und das Reinigen und Duschen seien vom Erstgericht unzutreffend im Wege der Schätzung zu gering angenommen worden. Dazu sei der angebotene Beweis zu erheben. Dies genügt für die Berufungsbegründung. Ob dies der Klage zum gewünschten Erfolg über das Urteil des Erstgerichtes hinaus verhilft, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung.
3. Für die zur Entscheidung gestellten Feststellungsanträge ist ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, BAG, Urteil vom 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 –, Rn. 20.
Ob diese Voraussetzungen nicht vorliegen, wie die Beklagte vorträgt, kann dahingestellt bleiben. Es handelt sich um eine Elementenfeststellungsklage, wie das Arbeitsgericht zutreffend feststellt. Diese Klage ist jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Zwischenfeststellungsklage trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst. Mit der Entscheidung über die Zahlungsklage ist der Anspruch nur für den in der Vergangenheit liegenden und durch Urteil geklärten Zeitraum geklärt, nicht aber für die Zukunft. Die begehrte Feststellung ist geeignet, weiterem Streit zwischen den Parteien vorzubeugen. Die Parteien streiten im Kern um die Frage, ob Wege-, Umkleide- und Waschzeiten zu bezahlen sind als vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Der Antrag Ziffer XV. ist dabei dahin zu verstehen, dass es darum geht, die erforderliche Zeit für die zurückgelegten Wege zu vergüten.
4. Die Klageerweiterungen in der Berufung mit den hilfsweise gestellten Feststellungsanträgen Ziffer XVI. und XVII. mit Schriftsatz vom 24.10.2022 und Ziffer XVIII. mit Schriftsatz vom 21.12.2022 sind zulässig.
a. Die Klageerweiterungen sind sachdienlich, § 533 ZPO.
b. Ein Feststellungsinteresse liegt vor. Auf Ziffer I.3. der Urteilsgründe wird verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Zahlungsurteil ist teilweise begründet, die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger waren für die Vergangenheit Ansprüche auf Zahlung zuzusprechen für die erforderlichen Zeiten des Weges von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück, die erforderlichen Zeiten für das Umkleiden vor der Arbeit und nach der Arbeit sowie für die erforderlichen Zeiten des Waschens nach der Arbeit, soweit diese Ansprüche nicht verfallen waren. Eine entsprechende Vergütungspflicht war für die Zukunft festzustellen.
1. Ein wesentlicher Teil der in Ziffer I der Klage erhobenen Ansprüche (Nachzahlungen für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.05.2020 in Höhe von 17.779,31 € brutto) ist verfallen.
Dies hat das Erstgericht mit sorgfältiger und zutreffender Begründung festgestellt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
§ 24 MTV findet kraft einzelarbeitsvertraglicher Bezugnahme des einschlägigen Tarifwerks der Branche in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Danach sind alle geltend gemachten Ansprüche des Klägers verfallen, die er nicht fristgerecht geltend gemacht hat. Eine fristgerechte Geltendmachung liegt erst vor mit der Zahlungsklage für die Nachzahlungsansprüche ab Juni 2020.
Die dagegen gerichteten Einwendungen des Klägers in der Berufung greifen nicht durch.
a. Soweit der Kläger geltend macht, die Regelungen des MTV seien nicht Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden, ist dies unzutreffend.
Nach § 305c BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, wenn diese nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen brauchte. Dies ist nicht der Fall. § 2 des Arbeitsvertrages ist drucktechnisch hervorgehoben durch Fettdruck und Unterstreichung. Nach § 2 des Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern in der jeweils gültigen Fassung. Überraschend und ungewöhnlich sind derartige Bezugnahmeklauseln nicht.
b. Soweit der Kläger geltend macht, er sei kein Fahrer bei U…, sondern Containermechaniker und falle damit nicht unter den fachlichen Geltungsbereich des MTV, ist dies unzutreffend. Auf diese Überlegung kommt es im Hinblick auf die einzelarbeitsvertragliche Vereinbarung dieses Tarifwerkes schon nicht an. Unstreitig handelt es sich ferner bei der Beklagten auch um ein Unternehmen dieser Branche. Unstreitig handelt es sich beim Kläger um einen „Arbeitnehmer“ iSd § 1 „Geltungsbereich, e) persönlich“ MTV.
c. Soweit der Kläger geltend macht, die Regelung der Ausschlussfristen in § 24 MTV sehe nur Verfallfristen für und gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer vor, ist dies unzutreffend.
§ 24 Ziffer 1 MTV lautet:
Lohn-/Gehalts- und sonstige Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Entstehung, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.
Die Norm regelt zwei unterschiedliche Fälle, die sprachlich in zwei Sätze gefasst werden können:
Lohn-/Gehalts- und sonstige Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Entstehung schriftlich geltend gemacht werden.
Lohn-/Gehalts- und sonstige Ansprüche von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.
Satz 1 ist auf den Kläger anwendbar.
d. Soweit der Kläger geltend macht, die fehlende Ausnahme der Ansprüche aus dem MiLoG führe zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist in Gänze, wird verwiesen auf das Ersturteil, III. 3. c) b. der Entscheidungsgründe.
e. Soweit der Kläger geltend macht, nach § 3 MiLoG könne nur der Anspruch auf Vergütung über den Mindestlohn hinaus verfallen sein im Hinblick auf die tarifliche Verfallfrist, nicht aber der Anspruch auf den Mindestlohn, ist das zutreffend, führt aber nicht weiter. Der Kläger trägt für kein einziges Monat vor, dass die abgerechnete und ausbezahlte Vergütung für die geleisteten Stunden hinter dem dafür geschuldeten Mindestlohn zurückgeblieben wäre.
2. Die für das Umkleiden vor und nach der Arbeit, für die Reinigung nach der Arbeit und für die Wege von der Umkleide an den Arbeitsplatz und vom Arbeitsplatz zur Umkleide erforderlichen Zeiten sind gemäß § 611a Abs. 2 BGB gesondert zu vergüten.
Auch dies hat das Erstgericht mit sorgfältiger und zutreffender Begründung hinsichtlich der Wasch- und Umkleidezeiten festgestellt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes, dort III., 1. a. bis c., und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
a. Die Umkleidezeiten vor und nach der Arbeit sind vergütungspflichtige Arbeitszeit.
aa. Das Arbeitsgericht hat dazu zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG ausgeführt:
„Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 611a Abs. 2 BGB knüpft an die Leistung weisungsgebundener Arbeit an. Zur Arbeitsleistung zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 22, juris mwN). Hierzu gehört grundsätzlich auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Falle macht der Arbeitgeber mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleidezur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 23, juris mwN). Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 23, juris mwN).“
Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vorschreibt, dass die Dienstkleidung im Betrieb angelegt und abgelegt werden muss. Es genügt für die Annahme fremdnütziger und damit grundsätzlich vergütungspflichtiger Tätigkeit, wenn der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber eingerichteten Umkleidemöglichkeiten nutzt und sich anschließend an seinen Arbeitsplatz begibt. Gleiches gilt entsprechend nach Erledigung der Arbeit, BAG, Urteil vom 06.09.2017 – 5 AZR 382/16 –, Rn. 13.
bb. Für die Umkleidezeit gilt nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen im vorliegenden Fall:
Die Beklagte stellt ihren Containermechanikern Schutzkleidung zur Verfügung, die diese bei der Arbeit tragen müssen und nach der Arbeit zur Reinigung wieder abgeben sollen. Die Containermechaniker müssen vor Arbeitsaufnahme die Umkleide aufsuchen, sich dort die bereitgestellte Schutzkleidung suchen und anziehen und sich danach an den Arbeitsplatz begeben. Am Ende des Arbeitstages sollen sie wiederum die Umkleide aufsuchen, sich dort reinigen und die Schutzkleidung zur Reinigung abgeben.
Die dafür notwendigen Zeiten sind Arbeitszeit und damit vergütungspflichtig.
b. Die innerbetrieblichen Wegezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit.
aa. Die streitige innerbetriebliche Wegezeit von der Umkleide zum Arbeitsplatz zu Beginn der Arbeit und zurück nach der Arbeit ist vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die Feststellungen des Erstgerichtes gelten auch für die innerbetrieblichen Wege von der Umkleide zum Arbeitsplatz zu Beginn des Arbeitstages und vom Arbeitsplatz zur Umkleide am Ende des Arbeitstages. BAG, Urteil vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 –, Rn. 23 stellt fest, dass die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit zählen, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss.
bb. Diese Wegezeiten sind von der Beklagten bisher nicht vergütet worden.
Bei der Beklagten sind die Containermechaniker gehalten, die Umkleidezeiten wie diese innerbetrieblichen Wegezeiten nicht am Zeiterfassungsterminal zu erfassen, sondern nur die geplante Schichtzeit zu erfassen. Deutlich wird dies aus den Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung und dem während des gerichtlichen Verfahrens erfolgten Aushangs der Beklagten. Das Erstgericht ist auf Grund des ungenauen Sachvortrages der Parteien in der 1. Instanz davon ausgegangen, die Stempeluhr befinde sich an der Umkleide und deshalb seien die Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück als Arbeitszeit erfasst und bereits bezahlt. Dies war zu korrigieren. Zum einen wird bei der Beklagten nicht gestempelt, sondern die Arbeitnehmer geben den Zeitpunkt von Arbeitsbeginn und Arbeitsende selber zu einem selbst gewählten Zeitpunkt am Zeiterfassungsterminal ein. Zum anderen sind die Arbeitnehmer gehalten, nur die Arbeitszeit am Arbeitsplatz entsprechend dem Schichtplan mit Beginn und Ende am Zeiterfassungsterminal einzugeben, nicht dagegen die Zeit des innerbetrieblichen Weges von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück.
c. Die zur Körperreinigung nach der Arbeit erforderliche Zeit ist vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die Feststellungen des Erstgerichtes gelten auch für die Körperreinigungszeiten.
aa. Ob Körperreinigungszeiten auch als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen sind, ist höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Im Sinne der Rechtsprechung des BAG zu den Umkleidezeiten kommt es darauf an, ob die Zeit zum – gegebenenfalls auch nur teilweisen – Reinigen des Körpers überwiegend oder ausschließlich fremdnützig ist und nicht nur dazu dient, dass der Arbeitnehmer sauber nach Hause kommt. Die Fremdnützigkeit ist zu verneinen, wenn es um Körperreinigungszeit geht, die üblicherweise im Privatleben dazu dient, die übliche Entwicklung von Verunreinigung, Schweiß und Körpergeruch im Laufe eines Tages zu beseitigen. Sie ist dagegen zu bejahen, wenn es um Körperreinigungszeit geht, die aufgewendet werden muss, weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt. Es kommt hier nicht darauf an, wie die Berufung meint, dass die Verschmutzung des Körpers es unzumutbar macht, den Betrieb ohne Duschen zu verlassen.
bb. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer sich aus Gründen des Gesundheitsschutzes waschen muss, um drohenden Kontaminationen durch die Verunreinigungen vorzubeugen. Aus dieser Sachlage heraus sind die erforderlichen Körperreinigungszeiten jedenfalls geschützte Arbeitszeit iSd § 2 ArbZG. Zwingende Folgerungen für die Frage, ob es sich auch um vergütete Arbeitszeit iSd § 611a Abs. 2 BGB iVm dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag handelt oder nicht, ergeben sich daraus nicht, BAG, Urteil vom 17.10.2018 – 5 AZR 553/17 –, Rn. 16.
Aus Sicht des Gerichtes ist die Fremdnützigkeit der Körperreinigung zu bejahen, wenn die Körperreinigungszeit aufgewendet werden muss, weil entsprechende Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz dies fordern. Aus der Feststellung der geschützten Zeit folgt in diesem Fall auch die Feststellung der vergütungspflichtigen Zeit, wobei hier nach BAG andere Vergütungsvereinbarungen getroffen werden können als für die produktive Arbeitszeit am Arbeitsplatz.
Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Waschen oder Duschen weder gesetzlich, tariflich oder aus Gründen der Kontamination erforderlich sei. Dies ist zutreffend, was den gesetzlichen Arbeitsschutz betrifft. Eine Pflicht zur Körperreinigung nach der Arbeit, wie sie der Kläger zu erbringen hat, lässt sich dem ArbSchG nicht entnehmen. Es kann auch als zutreffend unterstellt werden, dass Aspekte des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz und dazu bestehende öffentlich-rechtliche Regelwerke wie Arbeitsstättenverordnung und ASR dazu Waschen und Duschen im vorliegenden Fall nicht gebieten. Der Kläger behauptet dies selbst nicht. Dies ist auch zutreffend, was das Tarifwerk betrifft. Dort sind weder Waschzeiten für Arbeiten bestimmter Art aus gesundheitlichen Gründen vorgeschrieben noch ist eine etwaige Vergütungspflicht dafür geregelt. Gleiches gilt für Regelwerke auf betrieblicher Ebene. Weder die GBV Arbeitsordnung – soweit vorgelegt – noch die BV Arbeitszeit treffen dazu Aussagen, dass die Körperreinigung nach der Arbeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes zwingend wäre.
cc. Ob Körperreinigungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a BGB anzusehen sind, hängt deshalb davon ab, ob diese Zeiten fremdnützig sind iSd Rechtsprechung des BAG dazu.
Dies ist dem Grunde nach zu bejahen. Unstreitig erledigt der Kläger an der überwiegenden Zahl seiner Arbeitstage auf Weisung der Beklagten Arbeiten, die mit einer erheblichen Verschmutzung seines Körpers einhergehen, soweit dieser nicht durch Bekleidung abgedeckt ist. Dies gilt in den warmen Jahreszeiten, wenn er kurzärmelig arbeitet, für Unterarme und Oberarme bis zum Ärmel, den Schulter- und Halsbereich sowie den gesamten Kopf- und Gesichtsbereich. In der kälteren Jahreszeit fällt mit dem Tragen langärmeliger Bekleidung nur die Verschmutzung von Ober- und Unterarm weg. Diese Verschmutzung geht deutlich über die Verschmutzung hinaus, die mit dem täglichen Leben verbunden ist. Ein Wechsel von der Arbeitskleidung in die private Kleidung am Ende des Arbeitstages und eine anschließende Teilnahme am gesellschaftlichen oder privaten Leben ohne Körperreinigung ist mit diesem Grad der Verschmutzung nicht zumutbar. Der Grad der Verschmutzung ist ohne weiteres auf den vorgelegten Fotos zu erkennen mit erheblichen Schmutz- und Staubansammlungen auf Wimpern, Brauen und sonstiger Behaarung im Gesicht und am Kopf. Hinzu kommt bei Schleifarbeiten der dabei entstehende Schleifstaub, der sich auf Kleidung und Körper niederschlägt. Weiter kommt hinzu bei Lackierarbeiten, dass Farbtropfen bei Lackierarbeiten mit dem Pinsel und Farbnebel bei Lackierarbeiten mit der Pistole auf Kleidung und Körper des Klägers gelangen. Dies geht über die übliche Verschmutzung im Verlaufe eines Tages weit hinaus. Es mag in der Vergangenheit sozial adäquat gewesen sein, so verschmutzt die Arbeit zu verlassen und nach Hause zu gehen. Heute ist auch nicht zumutbar, dass der gewerbliche Arbeitnehmer in diesem Verunreinigungszustand seine private Kleidung anzieht und so sein Privatleben nach der Arbeit aufnimmt. Die Körperreinigung ist damit notwendiger Bestandteil der vom Kläger geschuldeten Arbeit und ist daher fremdnützig. Damit ist sie dem Grunde nach auch vergütungspflichtig als Arbeitszeit iSd § 611a BGB.
dd. Die Vergütungspflicht ist nicht ausgeschlossen, wie es die Beklagte in der Berufung geltend macht.
(1) Die Beklagte leitet dies aus der systematischen Auslegung des MTV ab. Daraus ergebe sich, dass nach § 8 MTV die Umkleidezeit keine Arbeitszeit sei. Der Wortlaut der Tarifnorm sei insoweit unergiebig. Aus der Sondervorschrift des § 8a MTV für die Arbeitszeit der Kraftfahrer ergebe sich, dass für die Kraftfahrer die Umkleidezeiten keine Arbeitszeiten seien. Da § 13 MTV für alle Arbeitnehmer Regelungenzur Schutzkleidung treffe, sei auch die detaillierte Regelung der Arbeitszeit für die Kraftfahrer auf alle Arbeitnehmer anzuwenden.
Der MTV trifft keine Regelungen dazu, ob und welche Umkleide-, Reinigungs- und innerbetrieblichen Wegezeiten nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln sind.
Richtig ist, dass § 8 MTV nach seinem Wortlaut nicht klärt, ob diese Zeiten keine vergütungspflichtige Arbeitszeit sind. Systematische Überlegungen ergeben kein anderes Bild. Die Regelungen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit der Kraftfahrer in § 8a MTV als Sonderreglungen für diese Gruppe von Arbeitnehmern lassen sich aus systematischen Gründen gerade nicht auf alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des MTV fallen, erstrecken. Abgesehen davon hat das Gericht erhebliche Zweifel, dass sich die Tarifvertragsparteien in § 8a MTV überhaupt mit der Thematik der Vergütungspflicht von Umkleide- und Reinigungszeiten bei Kraftfahrern beschäftigt haben. Anhaltspunkte dafür sind aus dem Tariftext nicht ersichtlich.
Auch die Regelungen zur Schutzkleidung in § 13 MTV entbehren jeglicher Bezüge zur Arbeitszeit, egal, ob „geschützte“, „vergütete“ oder „mitbestimmte“ Arbeitszeit. § 13 MTV regelt nur, dass die Schutzkleidung, falls deren Tragen vorgeschrieben, vom Arbeitgeber unentgeltlich zu stellen ist und in dessen Eigentum verbleibt.
(2) Die Beklagte macht in der Berufung ferner geltend, nach Ziffer 5 der GBV Arbeitsordnung seien die streitigen Körperreinigungszeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen.
Ziffer 5 Abs. 3 GBV sieht vor:
„Die Mitarbeiter müssen sich zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden.“
Mit der GBV Arbeitsordnung wurden Fragen des Verhaltens der Arbeitnehmer im Unternehmen einvernehmlich geregelt im Unterschied zum Arbeitsverhalten, das der Arbeitgeber alleine regelt. Dies ist der gesetzliche Regelungsauftrag des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Wollte man annehmen, die Parteien der GBV hätten damit auch Fragen der Vergütung unter dem Aspekt der vergütungspflichtigen Arbeitszeit regeln wollen, entweder als nicht mitbestimmter und damit freiwilliger Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zum Ordnungsverhalten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG oder als Regelung von Entlohnungsgrundsätzen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, so müssen sich für eine solche Annahme deutliche Anhaltspunkte in der Betriebsvereinbarung ergeben.
Dies ist nicht der Fall. Unter der Überschrift „5. Arbeitszeit/Pausen“ findet sich in Abs. 1 Satz 1 die Aussage:
„Die Dauer der Arbeitszeit richtet sich nach den gesetzlichen, tariflichen und einzelvertraglichen Bestimmungen sowie Betriebsvereinbarungen.“
Dies zeigt schon im Wortlaut, dass es den Parteien der GBV nicht darum ging, selbst Fragen der Dauer der Arbeitszeit zur regeln.
Nichts anderes ergibt sich aus Ziffer 5 Abs. 2 der GBV, der lautet:
„Beginn und Ende der Arbeitszeit werden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt.“
Der örtliche Betriebsrat regelt mit dem Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG die mitbestimmte Zeit, nicht aber die vergütete Zeit. Weder hier noch in Ziffer 5 Abs. 3 GBV finden sich im Wortlaut Hinweise, dass die Partner der GBV über den Regelungsauftrag des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hinaus auch Fragen der Vergütung unter dem Aspekt der vergütungspflichtigen Arbeitszeit regeln wollten. Auch in systematischer Hinsicht spricht nichts dafür, dass die Partner der GBV mit den Regelungen zur Arbeitszeit auch Vergütungsfragen regeln wollten.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob hier überhaupt eine Regelungsbefugnis bestand und ob die GBV überhaupt auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
(3) Die Beklagte macht in der Berufung weiter geltend, nach Ziffer 5 Abs. 7 BV „Arbeitszeit“ seien die streitigen Zeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen.
Diese lautet: „Die tägliche Arbeitszeit endet mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten.“
Auf die Ausführungen zur GBV wird verwiesen. Wortlaut, Systematik und Zweck der BV Arbeitszeit machen deutlich, dass die Betriebsparteien damit eine Arbeitszeitregelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen haben. Die Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit bleibt hiervon unberührt.
3. Der Weg des Klägers von der Pforte über das Betriebsgelände und durch das Betriebsgebäude bis zur Garderobe zu Beginn seines Arbeitstages und zurück nach Ende seines Arbeitstages ist keine Arbeitszeit und damit nicht vergütungspflichtig. Dies hat das Erstgericht zutreffend erkannt.
Der Kläger macht in der Berufung geltend, auch der Weg von der Pforte am Eingang des Betriebsgeländes bis zur Umkleide sei prinzipiell, jedenfalls aber wegen der aus Gründen der Arbeitssicherheit erforderlichen Umwege, vergütungspflichtig. Dies ist unzutreffend. Auf die Ausführungen dazu weiter oben wird verwiesen. Es handelt sich hierbei um den Weg zur Arbeit und nicht um einen innerbetrieblichen Weg. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte dem Kläger auf ihrem Betriebsgelände den kürzest möglichen Weg von der Pforte zur Umkleide verwehrt und ihn aus Gründen des Arbeitsschutzes auf einen längeren Weg verweist.
4. Die vergütungspflichtigen Zeiten für Umkleiden, Körperreinigen und Wege zwischen der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück betragen nach Schätzung des Gerichtes arbeitstäglich 21 Minuten.
a. Die Umkleidezeit beträgt nach Schätzung des Gerichtes arbeitstäglich jeweils 5 Minuten vor und nach der Arbeit.
aa. Zur Ermittlung der erforderlichen Umkleidezeit ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist daher nur die Zeit, die er für das Umkleiden im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt, BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28.
bb. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO liegen vor.
Auch dies hat das Erstgericht mit sorgfältiger und zutreffender Begründung festgestellt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes, dort III., 2. b. und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG: „Steht fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung der Beklagten entstanden sind, kann aber der Kläger seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 40, juris; 06.09.2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 28, juris mwN). Voraussetzung für eine Schätzung ist demnach, dass die klagende Partei dem Gericht eine tatsächliche Grundlage für die Schätzung geliefert und sich in einem den Umständen nach zumutbaren Maß um eine Substanziierung bemüht hat (vgl. BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 53, juris mwN).“
cc. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze liegen die Voraussetzungen einer Schätzung für die Umkleidezeit vor.
Die Tatsache, dass sich der Kläger vor und nach der Arbeit umziehen muss, ist unstreitig. In der mündlichen Verhandlung wurde auch unstreitig, was der Kläger an Arbeitskleidung anzulegen hat. Die Beklagte hat selbst eine Latzhose als notwendigen Bestandteil der Arbeitskleidung nach entsprechender Verfügung des Gerichtes zum Termin zur mündlichen Verhandlung mitgebracht. Damit haben sich die Einwendungen der Beklagten zum fehlenden Vortrag des Klägers zum Tragen einer Latzhose bei der Arbeit erledigt. Die Notwendigkeit des Tragens einer Latzhose ist damit unstreitig. Der Kläger ist umgekehrt dem Vorbringen der Beklagten nicht mehr entgegengetreten, dass er Schutzbrille, Atemschutzmaske und Handschuhe nicht schon in der Garderobe und vor dem Zeiterfassungsterminal anlegt, sondern erst anlassbezogen am Arbeitsplatz. Damit ist unstreitig, dass das Anlegen von Schutzbrille, Atemschutzmaske und Handschuhen während der Arbeit erfolgt und bei der Feststellung der Umkleidezeit nicht zu berücksichtigen ist.
Für die erforderlichen Umkleidezeiten liegen mit den anzulegenden Kleidungsstücken und Sicherheitsschuhen und dem Selbstversuch seitens des Gerichtes ausreichende Schätzgrundlagen vor. Die im Selbstversuch ermittelte Umkleidezeit betrug 4 Minuten. Im Hinblick darauf, dass in den kühlen Monaten, die in Bayern überwiegen, regelmäßig über dem Hemd oder dem T-Shirt noch weitere beim Selbstversuch weggelassene Bekleidung getragen werden muss, um sich vor Auskühlung zu schützen, schätzt das Gericht die durchschnittliche Umkleidezeit vor Beginn der Arbeit auf 5 Minuten. Den gleichen Wert legt das Gericht für die Umkleidezeit nach Ende der Arbeit zugrunde eingedenk der Tatsache, dass der Kläger schwere körperliche Arbeit leistet und nach einem ganzen Arbeitstag erschöpft ist.
b. Die innerbetriebliche Wegezeit von der Garderobe zum Arbeitsplatz und entsprechend nach der Arbeit zurück beträgt nach Schätzung des Gerichtes arbeitstäglich insgesamt eine Minute.
aa. Zur Ermittlung der erforderlichen innerbetrieblichen Wegezeit ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist daher nur die Zeit, die er für den innerbetrieblichen Weg im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt, BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28.
bb. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung liegen vor. Ausreichende Schätzgrundlagen liegen nach den Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor.
Unstreitig ist nunmehr der Weg zwischen der Umkleide und dem Arbeitsplatz. Zu diesem innerbetrieblichen Weg wurde in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass sich Umkleide und Arbeitsplatz im gleichen Gebäude befinden – auf dem zur Akte gereichten Lageplan (Bl. 54 der Akte) mit „Automotive“ bezeichnet – und der Weg von der Umkleide im 1. Stock die Treppe hinunterführt ins Erdgeschoß. Dort kommt der Kläger auf dem Weg zum Arbeitsplatz nach wenigen Metern am Zeiterfassungsterminal vorbei, bis er den Arbeitsplatz nach 30 bis 40 m Wegstrecke im Erdgeschoß erreicht.
Der Kläger muss damit eine Treppe hinuntergehen und noch eine Wegstrecke von insgesamt ca. 30 Meter vom Fuße der Treppe bis zum Arbeitsplatz einfach zurücklegen. Bei einer normalen Schrittgeschwindigkeit von 4,5 km/h benötigt der Kläger dafür zu Beginn des Arbeitstages 24 Sekunden und zum Ende des Arbeitstages noch einmal 24 Sekunden zuzüglich der Zeit für die Treppe. Das Gericht schätzt den Zeitaufwand damit insgesamt auf eine Minute arbeitstäglich.
c. Die Waschzeit beträgt nach Schätzung des Gerichtes arbeitstäglich 10 Minuten nach der Arbeit.
aa. Auch zur Ermittlung der erforderlichen Waschzeiten ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist daher nur die Zeit, die er für die Körperreinigung im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt, BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28.
bb. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung liegen vor.
Für die Reinigung liegen mit den zur Akte gereichten Fotos eines Kollegen (Bl. 122 ff der Akte) und der Schilderung der Tätigkeiten des Klägers auch ohne Selbstversuch des Gerichtes ausreichende Schätzgrundlagen vor.
Der Hinweis der Beklagten darauf, dass es sich bei dem abgebildeten Arbeitnehmer nicht um den Kläger handelt, ist im Hinblick auf das lesbare Namensschild und die Vollglatze des abgebildeten Kollegen richtig. Der Kläger hat volles Haar. Weiterführend ist dieser Hinweis nicht, nachdem die Beklagte nicht geltend macht, es handele sich dabei nicht um einen Containermechaniker wie den Kläger und es handele sich dabei um einen übertriebenen Verschmutzungsgrad, der der üblichen Verschmutzung bei der Arbeit als Containermechaniker nicht entspräche. Das entsprechende Vorbringen des Klägers zu seiner arbeitstäglichen Verschmutzung während der Arbeit ist damit unstreitig, da zugestanden.
Zudem waren auf der zum Termin mitgebrachten Arbeitskleidung Farbspritzer vorhanden, die sich jedenfalls bei dem mindestens einmaligen Waschvorgang dieser Arbeitskleidung vor dem Mitbringen nicht entfernen ließen. Solche Farbspritzer erfordern, sobald auf der Haut eingetrocknet, einen erheblichen Aufwand, um sie zu beseitigen. Dieser Aufwand kann im Einsatz von Aceton, Terpentin, Terpentinersatz oder Waschbenzin als Lösungsmittel zur Körperreinigung liegen, je nachdem, auf welcher Basis die bei der Beklagten verwendeten Lacke hergestellt wurden. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes ist der Einsatz dieser Art von Reinigungsmitteln fernliegend, weil mit dem Einsatz dieser Mittel der Säureschutzmantel der Haut erheblich angegriffen wird. Der Aufwand kann im Einsatz von Fett oder Öl liegen, das ebenfalls Farbpartikel auf der Haut lösen kann mit entsprechender Einwirkzeit. Der Aufwand kann schließlich im Einsatz von Zeit und Kraft liegen, indem die Haut abgeschrubbt und die Farbpartikel mechanisch gelöst werden. Die Beklagte trägt diesen verschiedenen Ansätzen zur notwendigen Körperreinigung nach der Arbeit dadurch Rechnung, dass sie in der Umkleide Waschpaste zur Verfügung stellt. Diese enthält regelmäßig lösende Bestandteile wie Fett und Tenside und mechanisch wirkende Bestandteile wie Sand, Plastikpartikel oder Holzmehl. Dies zeigt schon, dass es nach der Arbeit mit ein wenig Wasser und Seife nicht getan ist, die üblicherweise bei der Beklagten während der Arbeit anfallende Verschmutzung des Körpers zu beseitigen. Der Einsatz der Waschpaste bedingt als zusätzlichen und aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Vorgang bei der Körperreinigung auch das Auftragen entsprechender Creme auf die Haut zur Rückfettung mit dem entsprechenden Zeitaufwand.
Der Streit der Parteien um die Notwendigkeit des Duschens oder der hinreichenden Reinigung nur am Waschbecken ist aus Sicht des Gerichtes wenig zielführend. Die Reinigung der durch die Dienstkleidung unbedeckten Körperteile und des Haupthaares am Waschbecken oder in der Dusche ist gleichermaßen zeitaufwendig. Das völlige Entkleiden vor dem Duschen mit dem bei den Umkleidezeiten noch nicht berücksichtigten Ausziehen von Unterhose und Socken und das Anziehen entsprechender frischer Kleidungsstücke danach ist beim Duschen ein zusätzlicher Zeitaufwand. Dagegen ist bei der Reinigung von Händen, Armen, Schultern, Hals und Kopf mittels Waschlappen am Waschbecken in einem ersten Schritt das Einseifen und Abrubbeln erforderlich. In einem zweiten Schritt folgt das Abwaschen der Reinigungsmittel mittels Waschlappen und reinem Wasser zeitaufwendiger als das schnelle Abspülen mit fließendem Wasser unter der Dusche. Das Gericht nimmt daher von einer Differenzierung zwischen Oberkörperreinigung am Waschbecken und Körpereinigung in der Dusche Abstand. Das Gericht tritt der Schätzung des Erstgerichtes mit einem Zeitaufwand von arbeitstäglich 10 Minuten bei. Anhaltspunkte dafür liefern die geschätzten Zeitanteile im Bereich der Alten- und Krankenpflege mit 15 bis 20 Minuten für das Duschen, 8 bis 10 Minuten für die Oberkörperwäsche, 1 bis 2 Minuten für das Waschen von Hände und Gesicht, 1 bis 3 Minuten für das Haarewaschen und das Kämmen nach dem Waschen der Haare von 1 bis 3 Minuten. Der Zeitanteil für das Waschen der Arme ist im Hinblick auf das aufwendige Entfernen von Farbresten von der Haut mit abrasiven Mitteln zu verdoppeln. Dazu kommt noch der Zeitaufwand für das Reinigen der Fingernägel. Werden die so ermittelten Zeiten halbiert, weil die Zeitanteile für die Interaktion zwischen Pflegekraft und zu pflegender Person wegfallen, ergeben sich im Mittel Zeiten von knapp unter 10 Minuten. Insoweit ist es angemessen und ausreichend, für die Gesamtdauer der erforderlichen Körperreinigung von 10 Minuten arbeitstäglich auszugehen.
In dieser Einschätzung sieht das Gericht sich auch bestätigt durch die Regelungen des Tarifvertrages, um den es in der Entscheidung des BAG, Urteil vom 21.07.2021 – 5 AZR 110/21 – ging. Dort gingen die Tarifvertragsparteien für die Arbeitnehmer in Bereichen mit Härten, Lackspritzen und Schleifen von 10 Minuten Reinigungszeit arbeitstäglich aus und im Bereich des Gießens, also mit hohen Temperaturen, entsprechender Schweißentwicklung und starker Staubentwicklung, von 20 Minuten Reinigungszeit.
Vor dem Hintergrund einer Schätzung kommt es aus Sicht des Gerichtes auch nicht darauf an, dass der Kläger an einzelnen Tagen, wie es die Beklagte geltend macht, mangels Schleif- und Lackierarbeiten nicht den dadurch verursachten intensiven Verschmutzungsgrad erreicht. Das Waschen zumindest des Oberkörpers bleibt vor dem Anlegen der Privatkleidung auch ohne Verschmutzung mit Schleifstaub und Farbe erforderlich. Soweit hier zugunsten der Beklagten von geringeren Waschzeiten auszugehen wäre, wird dies aus Sicht des Gerichtes durch die Wartezeiten des Klägers in der Umkleide kompensiert. In der Zeit der streitgegenständlichen Ansprüche, soweit zugesprochen vom Herbst 2020 bis zum Frühsommer 2022, waren besondere Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie zu beachten. Dazu zählte nach dem Vortrag des Klägers die Sperrung einer von drei Duschen und die Wahrung von Sicherheitsabständen mit der Folge von Wartezeiten für die Arbeitnehmer bei gemeinsamen Schichtende. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aushang der Beklagten ergibt sich, dass sie dieser Problematik der Wartezeiten sogar Rechnung zu tragen versucht hat mit einer Verschiebung der Startzeiten innerhalb der Schichten, diese Wartezeiten dem Grunde nach also unstreitig sind.
5. Dem Kläger waren mithin bei den Zahlungsanträgen nicht, wie in der Berufung geltend gemacht, arbeitstäglich Vergütung für weitere 50 Minuten zuzusprechen, sondern nur für 21 Minuten.
a. Ein Zuschlag von 25% auf den Stundenlohn konnte dabei nicht in Ansatz kommen. Der Kläger hat insoweit nicht dargestellt, auf welcher Rechtsgrundlage er diese 25% geltend machen will. In § 11 MTV sind Zuschläge vorgesehen von 10% für Schichtarbeit, über 25% für Mehrarbeit, bis 50% für Nachtarbeit und 100% für Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Er verweist nach entsprechender Begründung des insoweit abweisenden Ersturteiles auch in der Berufung nur auf seine Gehaltsabrechnungen, die er im Verfahren schon gar nicht vorgelegt hat, und auf die durchgängige Beschäftigung in nur einer festen Schicht mit Zuschlag. Mit diesen Ausführungen wird nicht ersichtlich, warum der Kläger generell den geltend gemachten Zuschlag von 25% erhalten sollte. Nach den Zeitauswertungen für die Monate Juni 2020 und August 2020 arbeitet der Kläger in Wechselschicht mit Schichtbeginn um 05:00 Uhr morgens, 14:00 Uhr mittags und 21:00 Uhr abends. Dementsprechend verweist die Beklagte schon in der ersten Instanz und wiederholt in der Berufung darauf, dass sich der Stundenverdienst des Klägers unterschiedlich darstellt je nach Schichtlage.
b. Das Erstgericht hatte dem Kläger bei unstreitiger Zahl der tatsächlich gearbeiteten Tage für den jeweiligen Abrechnungszeitraum jeweils zusätzliche Vergütung für 20 Minuten zugesprochen. Die rechnerische Richtigkeit war zwischen den Parteien in der Berufung unstreitig. Der zugesprochene Betrag war daher jeweils zu erhöhen durch Multiplikation mit 21/20.
Zinsen waren jeweils ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.
III. Die Berufung des Klägers gegen das Feststellungsurteil ist teilweise begründet. Eine entsprechende Vergütungspflicht der Beklagten für die Zeiten des Umkleidens, des Weges von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück und die Duschzeiten war festzustellen.
Zur Leistung der versprochenen Dienste, an welche die Vergütungspflicht nach § 611a BGB anknüpft, zählt beim Kläger nicht alleine die eigentliche Arbeitsleistung, sondern wie oben näher dargestellt, auch die Zeit zum Umkleiden, zum Waschen und für den Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz.
Der Streit der Parteien geht vorrangig um die Vergütungspflicht dieser Zeiten dem Grunde nach und nur sekundär der Höhe nach. Insoweit ist die entsprechende Feststellung geeignet, künftigem Streit um die Vergütungspflicht dem Grunde nach vorzubeugen. Zur Höhe des Anspruches bleibt es den Parteien unbenommen, entsprechende Gutachten durch Refa-Sachverständige in Auftrag zu geben, um die Schätzungen des Gerichtes einer Überprüfung zuzuführen, soweit sie von einer Fehlerhaftigkeit der Schätzung und ihrer Grundlagen ausgehen.
Dagegen war die Berufung zurückweisen, soweit der Kläger auch die Feststellung begehrte, dass der Weg von der Pforte zur Umkleide vergütungspflichtig sei. Nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt, wie oben näher dargestellt, der Weg des Klägers von der Pforte zur Umkleide.
Die Berufung war auch zurückzuweisen, soweit der Kläger einen Zuschlag von 25% auf den Stundenlohn für die vergütungspflichten Zeiten des Umkleidens, des Waschens und des Weges von der Umkleide zum Arbeitsplatz begehrt. Das Vorbringen des Klägers dazu ist unsubstantiiert, wie oben näher dargestellt.
Die Hilfsanträge sind nicht mehr zur Entscheidung angefallen.
IV. Die Kosten des Verfahrens waren nach § 92 ZPO zu quoteln.
V. Die Revision war zuzulassen im Hinblick auf den Streit der Parteien um die Frage der Vergütungspflicht von Waschzeiten dem Grunde nach und um die zutreffende Auslegung des streitgegenständlichen MTV und einen etwaigen Ausschluss der Vergütungspflicht durch diesen.