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Arbeitsrecht
11.12.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Vergleichsmehrwert für Folgeansprüche

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.11.2015 – 17 Ta (Kost) 6094/15

Leitsatz

Regeln die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich Ansprüche, die von dem Ausgang der im gleichen Verfahren anhängigen Bestandsstreitigkeit abhingen, kommt die Festsetzung eines Vergleichmehrwerts nur in Betracht, wenn die Ansprüche unabhängig von der Bestandsstreitigkeit streitig oder ungewiss waren.

Aus den Gründen

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt. Bei Festsetzung des angestrebten Vergleichsmehrwerts könnten die Beschwerdeführer eine 1,5 Einigungsgebühr in Höhe von 225,00 EUR geltend machen (§ 13 Abs. 1, § 15 Abs. 3 RVG, Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG). Die Beschwerde wurde innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) eingelegt.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat es zu Recht abgelehnt, einen Vergleichsmehrwert festzusetzen.

a) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber – und nicht worauf – die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.04.2013 – 17 Ta (Kost) 6035/13). Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war. Dies entspricht den Empfehlungen der Streitwertkommission für die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 09.07.2014 (NZA 2014, 745), an denen sich die Beschwerde-kammer im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung orientiert.

b) Wendet sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und macht er im Wege der objektiven Klagehäufung Annahmeverzugsansprüche geltend, so besteht zwischen beiden Klagen eine wirtschaftliche Identität. Der Arbeitnehmer verfolgt mit beiden Streitigkeiten regelmäßig das gleiche Interesse; mit der Vergütungsklage wird lediglich die wirtschaftliche Folge aus der Bestandsstreitigkeit gezogen. Eine Wertaddition findet bei dieser Sachlage nicht statt; vielmehr ist der höhere Wert gemäß § 23 Abs. 1 RVG, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG maßgebend. Auch dies entspricht den genannten Empfehlungen der Streitwertkommission für die Arbeits-gerichtsbarkeit.

Werden in einem Vergleich Ansprüche geregelt, die von dem Ausgang einer im gleichen Rechtsstreit anhängigen Bestandsstreitigkeit abhängen, müssen diese unabhängig von der Bestandsstreitigkeit streitig oder ungewiss gewesen sein, um einen Vergleichsmehrwert festzusetzen. Denn eine Bestandsstreitigkeit begründet für sich genommen nicht einen Streit oder eine Ungewissheit über sämtliche Ansprüche, die von dem Bestehen oder dem Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.07.2014 – 17 Ta (Kost) 6040/14). Es ist vielmehr zunächst davon auszugehen, dass der Arbeitgeber derartige Ansprüche erfüllt, wenn das Bestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtlich festgestellt ist. 

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts nicht in Betracht.

aa) Mit der in Nr. 3 des Vergleichs getroffenen Regelung haben die Parteien lediglich eine Leistungsverpflichtung des Beklagten begründet, ohne dass vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass vor Abschluss des Vergleichs ein Streit oder eine Ungewissheit über den Anspruch des Klägers auf Erteilung und Übermittlung einer Insolvenzgeld-bescheinigung bestanden hatte. Da zudem nicht erkennbar ist, dass die Durchsetzung des genannten Anspruchs ungewiss war, kann auch ein zu bewertendes Titulierungsinteresse nicht in Ansatz gebracht werden.

bb) Soweit sich der Beklagte in Nr. 4 des Vergleichs verpflichtete, das Arbeitsverhältnis  bis zum 30.04.2015 abzurechnen, handelt es sich um einen Folgeanspruch, der ohne einen unabhängig von dem Ausgang der Bestandsstreitigkeit bestehenden Streit bzw. eine Ungewissheit nicht zu einem Vergleichsmehrwert führt. Dass der genannte Anspruch in diesem Sinn vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss war, ist nicht ersichtlich.

cc) Die in Nr. 6 und 7 des Vergleichs getroffenen Regelungen betreffen die Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 28.12.2014 bis zum 30.04.2015, die bei einer Klage grundsätzlich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist, zu bewerten sind (§ 182 InsO). Insoweit besteht eine wirtschaftliche Identität mit der Bestandsstreitigkeit, mit der Folge, dass nur der höhere Wert festzusetzen ist. Es handelt sich im vorliegenden Fall um den Wert der Bestandsstreitigkeit, der auch für die Berechnung der anwaltlichen Einigungsgebühr maßgebend ist. Bei dieser Sachlage ist auch die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für die Regelungen zur Anmeldung der Vergütungsforderungen nicht möglich. Hätte der Kläger die Vergütungsansprüche in dem vorliegenden Verfahren gerichtlich geltend gemacht, wären sie – wie ausgeführt – nicht zu bewerten gewesen; nichts anderes kann gelten, wenn sie lediglich zum Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs gemacht werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

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