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Arbeitsrecht
11.09.2014
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Unternehmensübergreifende Matrixstrukturen - betriebliche Eingliederung der Vorgesetzten - Unternehmensbezug bei Einordnung als Leitende Angestellte

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.5.2014 – 4 TaBV 7/13

Amtliche Leitsätze

1. Bei unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen kann allein die organisatorische Maßnahme der Bestellung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten zur Eingliederung des Vorgesetzten in den Betrieb führen, dem die Mitarbeiter zugeordnet sind, die dieser Vorgesetzte zu führen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Vorgesetzten eine Arbeitsaufgabe im Konzern zugewiesen ist, die zumindest teilweise dem arbeitstechnischen Zweck, der in diesem Betrieb verfolgt wird, zu dienen bestimmt ist.

2. Ob ein solcher Vorgesetzter leitender Angestellter ist, ist unternehmensbezogen zu ermitteln und nicht konzernbezogen.

Sachverhalt

A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Aufhebung einer Einstellung.

Der Beteiligte Ziff. 1 ist der im Betrieb S. der Beteiligten Ziff. 2 gebildete Betriebsrat.

Bei der Beteiligten Ziff. 2 handelt es sich um eine der deutschen Gesellschaften des A.-Konzerns, deren Hauptanteilseignerin die französische A. SE ist. Der A.-Konzern ist ein internationaler Anbieter von IT-Dienstleistungen. Der Konzernjahresumsatz beträgt fast 9 Milliarden Euro. Im Konzern werden weltweit über 76 000 Mitarbeiter beschäftigt, davon allein 10 000 Mitarbeiter in Deutschland. Als weiteres größeres deutsches Unternehmen des A.-Konzerns existiert neben der Beteiligten Ziff. 2 die 2011 übernommene und aus der vormaligen S. GmbH entstandene AIS GmbH (nachfolgend: AIS). Sowohl die Beteiligte Ziff. 2 als auch die AIS unterhalten in Deutschland mehrere Betriebe unter anderem jeweils in M. und in S.. Die M. Betriebe der Beteiligten Ziff. 2 und der AIS befinden sich am selben Standort. Die S. Betriebe haben unterschiedliche Standorte. Die Beteiligte Ziff. 2 beschäftigt in Deutschland ca. 4 000 Mitarbeiter, davon wiederum 98 Mitarbeiter im Betrieb S.. Die AIS beschäftigt deutschlandweit ca. 2 000 Mitarbeiter. In beiden Unternehmen ist jeweils ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Es war geplant, die Beteiligte Ziff. 2 mit der AIS bereits mit Wirkung zum 1.1.2014 miteinander zu verschmelzen. Aus steuerlichen Gründen wurde die Verschmelzung jedoch verschoben und soll nun voraussichtlich 2016 erfolgen. Im Vorgriff auf diese Planung treten die Beteiligte Ziff. 2 und die AIS aber bereits seit 1.7.2011 auf dem Markt gegenüber ihren Kunden nur noch unter einer einheitlichen Marke (A.) auf. Die beiden obersten Führungsebenen in beiden Unternehmen (nach dem internem Sprachgebrauch: Führungsebenen N-1 und N-2) sind von denselben Personen besetzt und nehmen die jeweiligen Managementaufgaben in beiden Unternehmen wahr. Wegen der engen Verzahnung der Aktivitäten der beiden rechtlich verschiedenen, inhaltlich aber eng verbundenen Unternehmen nehmen auch zahlreiche weitere Führungskräfte des unteren und mittleren Managements Aufgaben für beide Gesellschaften wahr. Das gemeinsame Auftreten erfolgt über eine Group Business Unit (GBU-GER) genannte virtuelle Organisationseinheit, die jedoch die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der beiden beteiligten Unternehmen unverändert lässt. Innerhalb dieser GBU-GER wurden für die einzelnen Dienstleistungszweige diverse (ebenfalls virtuelle) sogenannte Service Lines gebildet. Ca. 6 500 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Betrieben beider Unternehmen sind über solche Service Lines unternehmensübergreifend tätig. Sie arbeiten in Teams an gemeinsamen Projekten. Sie bleiben jedoch ihren jeweiligen Betrieben zugehörig. Die bedeutendsten Service Lines sind die Service Line System Integration (SI) und die Service Line Managed Services (MS).

Die Leitung der Beteiligten Ziff. 2 und auch der AIS in unternehmerischer Hinsicht erfolgt durch den (personenidentischen) Geschäftsführer und CEO Herrn H., sowie durch ein sogenanntes „Operational Board“, welches einmal wöchentlich zusammentritt und die strategischen Entscheidungen für das Unternehmen trifft. Diesem gehören neben dem Geschäftsführer einzelne Führungskräfte diverser Service Lines an, die der Hierarchieebene N-2 zugeordnet sind. Unterstützt wird dieses „Operational Board“ durch ein sogenanntes „Management Board“, welchem auch die übrigen Führungskräfte der Hierarchieebene N-2 angehören. Dieses tritt einmal im Quartal zusammen.

Die Beteiligte Ziff. 2 schloss mit ihrem Gesamtbetriebsrat und mit den 17 örtlichen Betriebsräten aus Anlass dieses virtuellen Zusammenführungsprozesses unter dem 19.12.2011 eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich“ genannte Vereinbarung (Bl. 7-18 d. ArbG-Akte). Insbesondere weil in den gemeinsamen virtuellen Organisationseinheiten sukzessive Vorgesetzte der Hierarchiestufen N-3 bis N-6 innerhalb der neu geschaffenen sogenannten Wanderungsmatrixstruktur implementiert werden sollten, wurden in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich Regelungen über Stellenausschreibungen und Stellenbesetzungen getroffen. In dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich heißt es auszugsweise:

„§ 4 Tätigkeitsänderungen/Versetzungen

7. Die Wanderungsmatrix wird sukzessive angepasst und der jeweilige Arbeitsstand dem GBR und den örtlichen Betriebsräten spätestens nach Unterzeichnung dieser GBV übergeben. Diese haben das Recht, sie für ihren Betrieb zu kontrollieren, korrigieren und ggfs. personelle Einzelmaßnahmen einzufordern. Alle Stellen der Ebenen N-3 bis N-max. FK werden konzernweit ausgeschrieben. Zudem werden alle Stellen, die in der Wanderungsmatrix mit N.N. gekennzeichnet sind, gemäß der GBV interne Stellenausschreibung ausgeschrieben. HR und der jeweils zuständige Betriebsrat legen einvernehmlich fest, ob weitere Stellen gem. der GBV „interne Stellenausschreibung“ ausgeschrieben werden. Die Parteien sind sich einig, dass die vorgenannte Regelung so lange gilt, bis eine entsprechende Vereinbarung zu einem unternehmensübergreifenden Stellenmarkt abgeschlossen worden ist. Die Beschäftigten der AIS, die eine der o.g. Positionen (N-3 bis N-max. FK) einnehmen sollen, um (auch) Beschäftigte der A… zu führen, werden in allen Betrieben, in denen sie Beschäftigte der A… führen sollen, zur Einstellung angehört.

Die Betriebsräte, die zu diesen Einstellungen angehört werden sollen, werden über die obigen Stellenausschreibungen zeitnah (mindestens während deren Laufzeit) informiert.

9. Versetzungen im Rahmen der Maßnahmen des § 2 Abs. 1, 2 und 3 des Interessenausgleichs bedürfen zwingend der Zustimmung des jeweils zuständigen BR. Gleiches gilt, wenn sich Änderungen bezüglich der in § 2 dieses Interessenausgleichs beschriebenen Maßnahmen ergeben. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so wird dies ausführlich vom BR begründet. Bevor im Falle von Zustimmungsverweigerung die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich ersetzen lässt, findest schnellstmöglich nach der Zustimmungsverweigerung ein Eskalationsgespräch zwischen Betriebsrat und einem entscheidungsberechtigten Vertreter der Arbeitgeberin mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung statt. Bis zum Abschluss des Eskalationsgesprächs verzichtet die Arbeitgeberin auch auf das Recht der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme nach § 100 Abs. 1 BetrVG. Über das Eskalationsgespräch wird ein Protokoll geführt.“

Sollen Führungsaufgaben innerhalb einer virtuellen Organisationseinheit unternehmensübergreifend wahrgenommen werden, ist nach den Regelungen des Interessenausgleichs ein Arbeitsvertrag mit beiden Unternehmen zu schließen.

Mit Schreiben vom 28.2.2013 (Bl. 148 d. ArbG-Akte) unterrichtete die AIS ihren Sprecherausschuss im Betrieb M. über die beabsichtigte Einstellung eines Herrn B. als Leiter des Segments Automotive innerhalb der Service Line SI. Die AIS schloss mit Herrn B. sodann am 1.3.2013 einen Arbeitsvertrag, wonach dieser mit Wirkung ab 1.4.2013 als „Director of Segment Automotive“ in M. in den Dienst der AIS eintreten solle.

Mit E-Mail vom 25.3.2013 (Bl. 19 d. ArbG-Akte) informierte die Beteiligte Ziff. 2 den Beteiligten Ziff. 1 nach § 105 BetrVG darüber, dass Herr B. mit Wirkung ab 1.4.2013 als „Director of Segment Automotive“ innerhalb des SI Verticals MRS Deutschland bei SI tätig werden soll. Unter dem 31.03.2014 schlossen die Beteiligte Ziff. 2 und Herr B. einen (weiteren) Arbeitsvertrag (Bl. 137-147 d. ArbG-Akte). In diesem Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:

„Präambel:

Herr B. steht bereits in einem Arbeitsverhältnis mit der AIS GmbH (nachfolgend: „AIS“ genannt). Die AIS und das Unternehmen haben seit 01.01.2012 begonnen, eine gemeinsame, betriebsübergreifende Organisation zu schaffen, die Group Business Unit Germany (nachfolgend: „GBU GER“ genannt), die ein gemeinsames Agieren von AIS und dem Unternehmen ermöglichen soll. Auf Grund seines Arbeitsvertrages mit AIS ist der Arbeitnehmer als Director of Segment Automotive Teil dieser GBU GER und nimmt eine unternehmensübergreifende Aufgabe wahr. Er wird als Teil der GBU GER nicht nur Arbeitnehmer der AIS, sondern künftig auch solchen Arbeitnehmern des Unternehmens gegenüber fachliche und disziplinarische Weisungen erteilen, die zu der von ihm geführten Teileinheit der GBU GER gehören. Um diese Doppelfunktion rechtssicher abzubilden und zugleich mögliche Konfliktfelder bzw. Verzahnungen zu regeln, wird nachfolgender, gesonderter Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen, der nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen neben dem Arbeitsvertrag mit AIS treten soll.

1. Vertragsbeginn und Aufgabenbereich

1.1. Der Arbeitnehmer tritt mit Wirkung vom 1. April 2013 als Director of Segment Automotive in M. befristet in den Dienst des Unternehmens ein.

2. Bezüge

2.1. Unter Berücksichtigung des in der Präambel beschriebenen Zwecks des Arbeitsverhältnisses besteht Einigkeit, dass für die Tätigkeit des Arbeitnehmers unter dem vorliegenden Arbeitsvertrag keine gesonderte Vergütung vereinbart, erwartet und geschuldet ist. Eine Vergütung erhält der Arbeitnehmer ausschließlich von der AIS und diese umfasst auch die Tätigkeit des Arbeitnehmers für das Unternehmen sowie in der GBU GER.“

Seit der Aufnahme der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Arbeitnehmers B. verantwortet dieser das Segment Automotive im Dienstleistungsbereich SI im A. Konzern. Er gehört dem Leitungskreis N-3 an. Das bedeutet, dass ihm nur noch der Geschäftsführer (N-1) der beiden deutschen A.-Konzerngesellschaft (Beteiligte Ziff. 2 und A.) und die weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung (Hierarchielevel N-2) vorgesetzt sind. Der Arbeitnehmer B. gehört weder dem Operational Board noch dem Management Board an. Seine Arbeitsaufgabe besteht im A.-Konzern im Auf- und Ausbau des Bereichs Automotive, in dem derzeit ein Jahresumsatz von etwa 70 Mio. Euro (= 10% des Umsatzes der Service Line SI) erwirtschaftet wird. Er hat Handlungsvollmacht. Sämtliche wesentlichen Investitionsentscheidungen (im Wert bis zu 5 Mio. Euro) trifft er allein/ohne Weisung der Geschäftsführung. Die Vergütung des Arbeitnehmers B. beträgt mehr als 210.000 Euro/Jahr. Er hat insoweit lediglich das Vier-Augen-Prinzip zu beachten, wonach rechtsverbindliche Unterschriften stets durch zwei bevollmächtigte Mitarbeiter zu erfolgen haben. Er trägt Personalverantwortung für derzeit 60 Arbeitnehmer, von denen 58 Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis bei der AIS stehen. Die beiden weiteren Arbeitnehmer sind bei der Beteiligten Ziff. 2 in deren Betrieb in S. beschäftigt und führen dort insgesamt 17 weitere Arbeitnehmer. Dieses Team führt der Arbeitnehmer B., indem er Arbeitsschritte telefonisch, per Internet oder via E-Mail mit den einzelnen Mitarbeitern abstimmt und die unterschiedlichen Projektarbeiten plant. Innerhalb dieses Teams trifft er Personalentscheidung und hat in der Vergangenheit 5 Mitarbeiter direkt eingestellt. Er ist in disziplinarischer Hinsicht unmittelbarer Vorgesetzter der teamangehörigen Arbeitnehmer. Er veranlasst die gesamte Arbeitseinteilung und ist für die Urlaubsgenehmigung innerhalb seines Teams sowie für die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts unmittelbar verantwortlich. Die Betriebsstätte in S. suchte er in den vergangenen Monaten nur wenige Male auf und arbeitete fast ausschließlich am Standort der AIS in M..

Auf seiner Sitzung am 2.4.2013 beschloss der Beteiligte Ziff. 1 wegen der Einstellung des Arbeitnehmers B. die Einleitung eines Beschlussverfahrens wegen Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte und beauftragte seinen Prozessbevollmächtigten mit der Einleitung des Beschlussverfahrens.

Der Beteiligte Ziff. 1 vertrat die Auffassung, die Beteiligte Ziff. 2 setze Herrn B. als Führungskraft gegenüber ihren S. Mitarbeitern ein und habe diesen auch in ihren S. Betrieb eingegliedert. Herr B. sei kein leitender Angestellter. Da er bei der Einstellung des Herrn B. nicht beteiligt wurde, habe die Beteiligte Ziff. 2 das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten Ziff. 1 gem. § 99 BetrVG verletzt. Er meinte, ihm sei im Übrigen auch gem. § 4 Nr. 7 der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen eingeräumt worden, welches verletzt worden sei.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Einstellung des Herrn B. aufzuheben, solange die Zustimmung des Antragstellers hierzu nicht vorliegt oder gerichtlich ersetzt wurde.

2. Für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro angedroht.

Die Beteiligte Ziff. 2 hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie meinte, der Beteiligte Ziff. 1 sei nicht gem. § 99 BetrVG zu beteiligen gewesen, da Herr B. schon gar nicht in den S. Betrieb eingegliedert worden sei. Herr B. erbringe nach seinem eigenen Verständnis und dem Verständnis der Beteiligten Ziff. 2 Arbeitsleistungen nur für den Konzern und unterstütze deshalb den arbeitstechnischen Zweck des S. Betriebs der Beteiligten Ziff. 2 nicht. Allenfalls sei er in den M. Betrieb eingegliedert. Außerdem handele es sich bei Herrn B. um einen leitenden Angestellten.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Beteiligten Ziff. 1 mit Beschluss vom 20.11.2013 vollumfänglich entsprochen. Es führte aus, Herr B. sei in dem Betrieb S. eingegliedert. Er sei tätig zusammen mit den Arbeitnehmern der Beteiligten Ziff. 2 des Betriebes S.. Auch in einer Leitungsfunktion unterliege er dem Weisungsrecht der Geschäftsführung der Beteiligten Ziff. 2. Unmaßgeblich sei, von wo aus die fachlichen und disziplinarischen Weisungen ausgeübt werden. Arbeitnehmer können auch mehreren Betrieben zugehörig sein. Die Tätigkeiten müssten auch nicht auf dem Betriebsgelände erbracht werden. Ebensowenig komme es auf den zeitlichen Umfang der Tätigkeit in S. an. Dass das Tätigwerden des Herrn B. dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs S. diene, ergebe sich allein schon daraus, dass er unmittelbar zwei Arbeitnehmer und mittelbar weitere 17 Arbeitnehmer von insgesamt 98 Mitarbeitern des Betriebes S. zu führen habe. Herr B. sei jedenfalls bezogen auf die Beteiligte Ziff. 2 nicht leitender Angestellter. Er habe weder Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, noch Prokura oder Generalvollmacht. Das Führen von lediglich zwei Mitarbeitern unmittelbar und 17 Mitarbeitern mittelbar sei auch keine Aufgabenwahrnehmung, die für die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sei. Bedeutende Führungsaufgaben nehme er allenfalls für die AIS wahr. Die Qualifizierung als leitender Angestellter habe für jedes Unternehmen getrennt und nicht einheitlich erfolgen müssen.

Dieser Beschluss wurde der Beteiligten Ziff. 2 am 20.11.2013 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2, die am 28.11.2013 beim Landesarbeitsgericht einging und die innerhalb der bis 31.1.2014 verlängerten Begründungsfrist am 31.1.2014 begründet wurde.

Die Beteiligte Ziff. 2 rügt insbesondere die Verletzung materiellen Rechts.

Sie meint, für eine Eingliederung sei maßgeblich, von wo aus der Mitarbeiter geführt werde. Es müsse insoweit dasselbe gelten wie für Außendienstmitarbeiter. Herr B. erhalte seine Weisungen aber von der in M. ansässigen Geschäftsleitung der Beteiligten Ziff. 2 und der AIS. Herr B. müsse schließlich auch in M. Urlaubsanträge und Krankmeldungen abgeben. Eine nennenswerte Beschäftigung gebe es in S. nicht. Die Tätigkeit des Herrn B. habe auch keine kollektivrechtlichen Auswirkungen auf Mitarbeiter des Betriebs S.. Herr B. nutze die Sozialeinrichtung in S. nicht. Er werde auch nicht von den betrieblichen Regelungen wie zB zur Arbeitszeit oder betrieblichen Ordnung des Betriebs S. erfasst. Sie meint außerdem unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass Herr B. leitender Angestellter auch der Beteiligten Ziff. 2 sei.

Die Beteiligte Ziff. 2 beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12.11.2013, Az: 7 BV 80/13 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte Ziff. 1 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt den dazugehörenden Anlagen verwiesen.

Aus den Gründen

B. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

II a. Das Arbeitsgericht hat der Beteiligten Ziff. 2 zu Recht aufgegeben, die Einstellung des Herrn B. aufzuheben, solange die Zustimmung des Beteiligten Ziff. 1 hierzu nicht vorliegt oder gerichtlich ersetzt wurde. Der Anspruch des Beteiligten Ziff. 1 ergibt sich aus § 101 S. 1 BetrVG.

1. Entgegen der Auffassung des Beteiligten Ziff. 1 ergibt sich aber sein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung nicht schon aus § 4 Nr. 7 der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich.

Aus dieser Regelung ergibt sich zwar, dass die Beteiligte Ziff. 2 verpflichtet sein soll, den Beteiligten Ziff. 1 zu Einstellungen „anzuhören“, wenn Beschäftigte der AIS Positionen einnehmen sollen, um (auch) Beschäftigte der Beteiligten Ziff. 2 zu führen. Dahinstehen kann, ob dieses „Anhörungsrecht“ auch ein Zustimmungsverweigerungsrecht entsprechend § 99 Abs. 2 BetrVG beinhalten soll. Denn auch wenn mit der Gesamtbetriebsvereinbarung grundsätzlich Mitbestimmungsrechte des Beteiligten Ziff. 1 haben erweitert werden dürfen, geht dies nicht soweit, dass auch der Personenkreis, für den der Beteiligte Ziff. 1 zuständig ist, durch Gesamtbetriebsvereinbarung hätte erweitert werden dürfen.

2. Die Einstellung des Herrn B. stellte jedoch eine mitbestimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG dar.

a) Eine Einstellung setzt eine betriebliche Eingliederung des einzustellenden Arbeitnehmers in den Betrieb voraus, für den der Betriebsrat zuständig ist. Eine Eingliederung setzt wiederum nach der sogenannten „Zweikomponentenlehre“ (BAG 5.12.2012 – 7 ABR 48/11 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 81) voraus, dass ein Arbeitsverhältnis des einzustellenden Arbeitnehmers zum Betriebsinhaber besteht und dass der Arbeitnehmer innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringt (BAG 10.3.2004 – 7 ABR 36/03 - juris). Maßgeblich für eine Eingliederung ist eine weisungsgebundene Tätigkeit, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes zu dienen bestimmt ist und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muss (BAG 10.3.2004 a. a. O.; BAG 30.8.1994 – 1 ABR 3/94 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 6; Thüringer LAG 20.10.2011 - 6 TaBV 8/10 - juris).

Eine Eingliederung in eine Betriebsorganisation setzt jedoch nicht voraus, dass die geschuldeten Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet werden. Der Betriebsbegriff ist nicht in dem Sinne räumlich zu verstehen, dass mit der Grenze des Betriebsgrundstücks oder der Betriebsräume der Betriebsbereich endet. Vielmehr sind betriebsangehörig auch die einem Betrieb zugeordneten Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit außerhalb der Betriebsräume verrichten. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber mit Hilfe der Arbeitnehmer den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebes verfolgt (BAG 5.12.2012 a. a. O.; BAG 10.3.2004 a. a. O.; Thüringer LAG 20.10.2011 a. a. O.).

Bei Außendienstmitarbeitern von Arbeitgeberunternehmen mit mehreren Betrieben stellt das BAG darauf ab, von welchem Betrieb aus die Leitungsmacht und die Entscheidungen über den Einsatz des Arbeitnehmers ausgehen, insbesondere von wo aus das Direktionsrecht ausgeübt wird (BAG 10.3.2004 a. a. O.; LAG Baden-Württemberg 1.9.2010 – 13 TaBV 4/10 - juris).

Eine Eingliederung in einen Betrieb setzt auch keine Mindestanwesenheitszeiten in diesem Betrieb voraus. Aus rechtlichen Gründen ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer zum Beispiel zwei Betrieben zugehörig ist und deshalb in zwei Betrieben desselben Unternehmens bei der Wahl des Betriebsrats wahlberechtigt ist (LAG Köln 22.10.2013 – 12 TaBV 64/13 - juris).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend von einer Eingliederung des Herrn B. in den Betrieb S. der Beteiligten Ziff. 2 auszugehen.

aa) Denn Herr B. wird zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs S. von der Beteiligten Ziff. 2 organisatorisch eingeplant. Der arbeitstechnische Zweck liegt nämlich vorliegend unter anderem in der Mitwirkung und in der Beteiligung am gemeinsamen Projekt, über die „virtuelle Wolke“ GBU-GER und deren Service Line SI IT-Dienstleistung unter der einheitlichen Marke A. im Bereich Automotive am Markt zu platzieren. Zur Verwirklichung dieses arbeitstechnischen Zwecks stellt der Betrieb S. 19 Mitarbeiter ab. Die Beteiligte Ziff. 2 organisiert die Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks so, dass sie für die virtuelle Organisationseinheit Herrn B. als Vorgesetzten einsetzt, dem das fachliche und das disziplinarische Weisungsrecht übertragen ist zur Steuerung des Arbeitseinsatzes auch gegenüber zwei Mitarbeitern des S. Betriebs als unmittelbarer Vorgesetzter und gegenüber 17 Mitarbeitern des S. Betriebs als mittelbarer Vorgesetzter. Anders ausgedrückt: Die Beteiligte Ziff. 2 muss zur Verwirklichung ihres arbeitstechnischen Zwecks auch die Weisungen gegenüber den Mitarbeitern ihres S. Betriebs organisieren. Sie bedient sich hierfür (wiederum kraft ihres eigenen Weisungsrechts) des Vorgesetzten Herrn B., der damit organisatorisch zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks betrieblich integriert wird.

bb) Unerheblich ist, ob dieser Arbeitseinsatz der nachgeordneten Mitarbeiter durch Herrn B. vor Ort gesteuert wird oder hauptsächlich von M. aus über elektronische Kommunikationsmittel. Jedenfalls wurde Herr B. (auch) von der Beteiligten Ziff. 2 eingestellt, um das Direktionsrecht gegenüber ihren Mitarbeitern verwirklichen zu können, wie sich deutlich aus dem Arbeitsvertrag des Herrn B. ergibt als auch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich. Zwar wurde Herr B. von der Beteiligten Ziff. 2 ausweislich des Arbeitsvertrags „in M.“ eingestellt. Unstreitig erfüllt Herr B. aber in M. für die Beteiligte Ziff. 2 keinerlei Aufgaben, die dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs M. der Beteiligten Ziff. 2 zu dienen bestimmt wären. Der Betrieb M. der Beteiligten Ziff. 2 ist nämlich im Segment Automotive der Service Line SI nicht beteiligt. Der Arbeitsplatz in M. ist somit im Wesentlichen dem Einsatz des Herrn B. für die AIS. geschuldet, die den Großteil der Mitarbeiter in der Service Line SI, Segment Automotive stellt. Im Bezug auf die Beteiligte Ziff. 2 liegt die einzige arbeitstechnische Beteiligung am Segment Automotive aber im Betrieb S., weshalb Herr B. trotz Arbeitsplatz in M. bezogen auf die Beteiligte Ziff. 2 in S. betrieblich eingegliedert ist. Auch wenn die Geschäftsführung der Beteiligten Ziff. 2 ebenfalls in M. sitzt, übt sie gegenüber Herrn B. bezogen auf den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs S. ihr Direktionsrecht gegenüber Herrn B. für den Betrieb S. aus. Es hilft der Beteiligten Ziff. 2 deshalb nichts, wenn sie meint, Herr B. müsse so gestellt werden wie Außendienstmitarbeiter, deren betriebliche Zuordnung davon abhängig ist, von wo aus die Weisungen ausgeübt werden. Denn die Weisungsausübung ist funktional bezogen auf den arbeitstechnischen Zweck zu betrachten und nicht örtlich.

cc) Dass dieses Ergebnis richtig ist, bestätigt auch die Gegenprobe anhand des Zwecks des § 99 BetrVG.

Zum Beispiel wird dem Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht eingeräumt, wenn eine durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde. Es wäre mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar, wenn die Beteiligte Ziff. 2 zum Beispiel gegenüber den Mitarbeitern ihres Betriebs S. einen fremdenfeindlichen Vorgesetzten (was Herr B. unbestritten nicht ist!) installieren könnte und diesem ein Weisungsrecht gegenüber den S. Mitarbeitern übertragen könnte, ohne dass der Beteiligte Ziff. 1 die Möglichkeit hätte, dies zu verhindern.

dd) Die Beteiligte Ziff. 2 kann auch nicht mit ihrem Befremden durchdringen, dass es nicht sein könne, dass in unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen allein die Übertragung einer Vorgesetztenfunktion zur einer betrieblichen Eingliederung führe.

Problemstelllungen in unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen werden in der Literatur bislang zumeist nur in umgekehrter Fragestellung bezogen auf das Direktionsrecht diskutiert und nicht bezogen auf eine betriebliche Eingliederung der Führungskraft, welche für den Vertragsarbeitgeber (ebenfalls weisungsgebunden) das Direktionsrecht gegenüber seinen nachgeordneten Mitarbeitern ausübt. Einigkeit besteht darin, dass das Direktionsrecht auf dem Arbeitsvertrag beruht und zum wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehört (Bauer/Herzberg NZA 2011, 713, 714; Dörfler/Heidemann AiB 2012, 196). Jedenfalls das fachliche Direktionsrecht kann vom Vertragsarbeitgeber auf Mitarbeiter eines anderen Unternehmens übertragen werden, während die Übertragung auch des disziplinarischen Direktionsrechts an Unternehmensfremde kritisch gesehen wird (Dörfler/Heidemann a. a. O. Seite 197 und 198). Um solche Probleme zu vermeiden, wird insbesondere eine Integration des Vorgesetzten in den Betrieb des Drittunternehmens durch Konzernleihe empfohlen (Dörfler/Heidemann a. a. O. Seite 199). Wird nämlich im Rahmen der Konzernleihe ein unternehmensfremder Vorgesetzter in den Betrieb integriert, unterliegt er auch dem Weisungsrecht des Einsatzunternehmens und dient dann auch deren arbeitstechnischem Zweck. Das gleiche Ergebnis lässt sich aber auch erreichen, wenn mit der Führungskraft nicht nur ein Arbeitsvertrag mit dem Fremdunternehmen geschlossen wird, sondern auch ein Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen wird, gegenüber deren Arbeitnehmer der Mitarbeiter das Weisungsrecht ausüben soll. Dies kann auch über ein sogenanntes einheitliches Arbeitsverhältnis mit mehreren konzernangehörigen Unternehmen erfolgen (Bauer/Herzberg a. a. O. Seite 714).

Genau dieses Problem hat vorliegend auch die Beteiligte Ziff. 2 erkannt. Aus dem Arbeitsvertrag der Beteiligten Ziff. 2 mit Herrn B. ist ersichtlich, dass dieser nur abgeschlossen wurde, um rechtlich sicherzustellen, dass Herr B. gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten Ziff. 2 das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht im Rahmen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ausüben kann. Genauso wie beim Einsatz unternehmensfremder Mitarbeiter als Vorgesetzte im Rahmen der Konzernleihe die Übertragung des Direktionsrechts auch bezogen auf Mitarbeiter des Entleiherunternehmens wesentlicher Bestandteil der betrieblichen Integration ist, muss die Übertragung des Direktionsrechts im Rahmen eines originären Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzunternehmen dieselbe Eingliederungswirkung haben. Es bleibt also dabei, dass es schlicht darauf ankommt, ob die Bestellung eines Mitarbeiters in die Funktion eines Vorgesetzten eine organisatorische Maßnahme darstellt, die dem arbeitstechnischen Zweck des jeweiligen Betriebes zu dienen bestimmt ist.

3. Ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten Ziff. 1 nach § 99 BetrVG scheidet auch nicht deshalb aus, weil Herr B. leitender Angestellter der Beteiligten Ziff. 2 wäre. Herr B. ist nicht leitender Angestellter.

a) Eine Stellung als leitender Angestellter ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG. Zwar ist Herr B. einstellungsberechtigt im Bereich des ihm zugewiesenen Segments Automotive. Dabei kann dahinstehen, ob sich diese Personalkompetenz auch auf eine nicht unbedeutende Anzahl von Arbeitnehmern bezieht (BAG 25.3.2009 – 7 ABR 2/08 - NZA 2009, 1296). Jedenfalls ist Herr B. nicht zugleich entlassungsbefugt. Um als leitender Angestellter qualifiziert zu werden, bedarf es aber einer Einstellungs- und Entlassungsbefugnis. Allein die Ermächtigung zur Einstellung oder Entlassung genügt nicht (BAG 17.11.1983 – 6 AZR 291/83 - juris).

b) Unbestritten wurde Herrn B. weder eine Generalvollmacht noch Prokura eingeräumt, sodass eine Stellung als leitender Angestellter auch über § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG ausscheidet.

c) Eine Stellung des Herrn B. als leitender Angestellter ergibt sich aber auch nicht aus § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG.

aa) Entgegen der Auffassung der Beteiligten Ziff. 2 muss die Frage, ob Herr B. leitender Angestellter ist, nicht unternehmensübergreifend und konzernbezogen einheitlich betrachtet werden.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben nicht in einem Betrieb leitender Angestellter sein könne und im anderen Betrieb nicht. Die Qualifizierung als leitender Angestellter habe für alle Betriebe einheitlich zu erfolgen (BAG 25.10.1989 – 7 ABR 60/88 - BAGE 63, 200, BB 1990, 1700). Dies wurde aber im Wesentlichen damit begründet, dass der Begriff des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG unternehmensbezogen ist (BAG 25.10.1989 a. a. O.). Dies kann aber nicht auf unternehmensübergreifende Sachverhalte übertragen werden. Gerade in Konzernstrukturen ist es möglich, dass ein Arbeitnehmer in einem Konzernunternehmen leitender Angestellter ist und im anderen Unternehmen nicht (BAG 20.4.2005 – 7 ABR 20/04 – BB 2006, 383, NZA 2005, 1006). Es ist strikt nach den Unternehmen getrennt zu überprüfen, ob ein Arbeitnehmer in den jeweiligen Unternehmen Aufgaben eines leitenden Angestellten ausübt (GK-BetrVG/Raab 10. Aufl. § 5 Rn. 149).

bb) Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrung und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidung im wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Dies erfordert die Wahrnehmung typischer unternehmerischer (Teil-)Aufgaben, sodass grundsätzlich Tätigkeiten aus dem Bereich der wirtschaftlichen, technischen, kaufmännischen, organisatorischen, personellen und wissenschaftlichen Leitung des Unternehmens in Betracht kommen. Um von einer unternehmerischen (Teil-) Aufgabe zu sprechen, muss dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener, erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung stehen, das heißt er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung im Rahmen seines Tätigkeitsbereiches versehen sein und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben. Der Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung schlechterdings nicht vorbeigehen kann. Denn aufgrund weitreichender technischer, wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen ist der eigentliche Arbeitgeber kaum mehr in der Lage, sämtliche Unternehmensfunktionen selbst auszuüben. Er bedarf der gezielten Vorbereitung durch besonders qualifizierte Personen, die Sachverhalte strukturieren, Probleme analysieren und darauf aufbauend Vorschläge unterbreiten und damit die unternehmerische Entscheidung maßgeblich bestimmen. Auf diese Weise erlangen sie einen erheblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens. Je tiefer die konkrete Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht wurden. Von welcher Delegationsstufe ab leitende Angestellte im Unternehmen nicht mehr beschäftigt werden, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall bestimmen (BAG 6.12.2001 – 2 AZR 733/00 - AP ZPO § 263 Nr. 3).

cc) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist Herr B. nicht als leitender Angestellter zu qualifizieren.

Festzustellen ist, dass Herr B. weder Mitglied des Operational Boards, noch des Management Boards ist, wo die wesentlichen strategischen Entscheidungen auch für die Beteiligte Ziff. 2 getroffen werden.

Herr B. gehört auch „nur“ der Hierarchieebene N-3 an, die ausweislich der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Interessenausgleich erst in einem zweiten Schritt in der GBU-GER installiert werden sollte, gewissermaßen als Ausfluss strategisch bereits getroffener unternehmerischer Entscheidungen der bereits zuvor zusammengeführten Hierarchieebenen N-1 und N-2. Auch daraus ergibt sich, dass die für die Entwicklung des Unternehmens eigentlich bedeutsamen strategischen Entscheidungen allenfalls auf den Hierarchieebenen N-1 und N-2 getroffen werden.

Es mag sein, dass das Segment Automotive innerhalb der Service Line SI einen bedeutenden Teilbereich ausmacht und auch einen Wachstumsbereich darstellt. Es mag auch sein, dass Herr B. diesen Teilbereich der virtuell unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit allein und im Wesentlichen weisungsfrei steuert und er einen Jahresumsatz von 70 Mio. Euro zu verantworten hat, wobei Letzteres zweifelhaft ist, da Herr B. in der Ermächtigungsliste BAF (Bid Authorisation Form) nicht gelistet ist. Dahinstehen kann, ob eine Verantwortung über 70 Mio. Euro Umsatz angesichts eines Gesamtumsatzes allein der Service Line SI von 700 Mio. Euro als ausreichend bedeutend angesehen werden müsste. Denn der von der Beteiligten Ziff. 2 herangezogene Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob Herr B. Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens wesentlich sind, ist der falsche. Hierauf wurde die Beteiligte Ziff. 2 in der mündlichen Anhörung auch ausdrücklich hingewiesen. Es sind die Unternehmen der Beteiligten Ziff. 2 und der AIS schlicht noch nicht zusammengeführt und deshalb getrennt zu behandeln. Es kann deshalb auch nicht die unternehmensübergreifende Bedeutung des Herrn B. für den Teilbereich Automotive und der Service Line SI innerhalb der „virtuellen Wolke“ maßgebend sein. Betriebsverfassungsrechtlich gibt es kein „virtuelles (Teil-) Gemeinschaftsunternehmen“ anhand dessen eine Stellung als leitender Angestellter überprüft werden könnte. Wenn es für die Beteiligte Ziff. 2 oder den A.-Konzern insgesamt steuerlich vorteilhafter ist, eine geplante Unternehmensverschmelzung noch nicht durchzuführen, muss sie als Kehrseite der Medaille auch die „Kröte“ schlucken, weiterhin als eigenständiges Unternehmen behandelt zu werden. Dass der Bereich Automotive innerhalb der Service Line SI für die Beteiligte Ziff. 2 einen wesentlichen und bedeutenden Unternehmensteil ausmacht, ist angesichts dessen, dass lediglich zwei Mitarbeiter direkt und weitere 17 Mitarbeiter indirekt in diesen Bereich abgestellt sind bei insgesamt unternehmens- und deutschlandweit 4.000 Mitarbeitern, nicht ersichtlich.

dd) Entgegen der Auffassung der Beteiligten Ziff. 2 kommt es auch nicht zu Verwerfungen, weil auf Herrn B. je nach Unternehmen und Betrieb, in denen er gerade tätig ist, Konzernbetriebsvereinbarungen gölten oder auch nicht. Denn dies wäre schlicht die logische Konsequenz der aus § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG abgeleiteten Unternehmensbezogenheit der Stellung eines leitenden Angestellten (BAG 20.4.2005 a. a. O.).

Auch wenn die Beteiligte Ziff. 2 erstinstanzlich vortrug, dass auf Konzernebene ein Konzernbetriebsrat gebildet sei, erscheint dies eher unwahrscheinlich, da ein solcher bei einer ausländischen Konzernspitze eigentlich nicht gebildet werden kann (ArbG S. 1.8.2003 – 26 BV 11/02 - NZA-RR 2004, 138), sich somit das Problem der unterschiedlichen Anwendung von Konzernbetriebsvereinbarungen jedenfalls bei der Beteiligten Ziff. 2 de facto nicht stellen dürfte. Hierauf kommt es aber letztlich nicht an.

d) Unmaßgeblich ist, dass Herr B. ein Jahresentgelt bezieht, dass das dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet. Denn die Zweifelsregelung des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG greift erst dann ein, wenn bei einer Zuordnung gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG noch Zweifel bestehen. Solche Zweifel bestehen jedoch vorliegend nicht.

IIb. Die Androhung eines Zwangsgeldes konnte auf Antrag des Beteiligten Ziff. 1 gemäß § 101 S. 2 BetrVG auch bereits im Erkenntnisverfahren erfolgen (Hessisches LAG 3.6.1988 – 12 TaBV 154/87 - DB 1989, 536).

III. Nebenentscheidungen

1. Eine Kostenentscheidung ist wegen der Gerichtskostenfreiheit gemäß § 2 Abs. 2 GKG nicht veranlasst.

2. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

 

 

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