BAG: Unionsrechtliche Überprüfung der Befristungskontrolle
BAG , Beschluss vom 17.11.2010 - Aktenzeichen 7 AZR 443/09 (A) (Vorinstanz: LAG Köln vom 15.05.2009 - Aktenzeichen 4 Sa 877/08; ) (Vorinstanz: ArbG Köln vom 28.05.2008 - Aktenzeichen 12 Ca 571/08; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: 1. Der Senat bittet den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV um Beantwortung der Frage, ob es mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG dahin auszulegen und anzuwenden, dass ein die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigender sachlicher Grund auch im Falle eines ständigen Vertretungsbedarfs gegeben ist, obwohl dieser Vertretungsbedarf auch durch eine unbefristete Einstellung des Arbeitnehmers gedeckt werden könnte, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, jeweils neu zu entscheiden, wie er auf den konkreten Ausfall von Arbeitnehmern reagiert. 2. Sollte der EuGH die erste Frage verneinen, möchte der Senat ferner klären, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, einen ständigen Vertretungsbedarf dann durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu decken, wenn der nationale Gesetzgeber mit einer Regelung wie derjenigen des § 21 Abs. 1 BEEG jedenfalls auch das sozialpolitische Ziel verfolgt, Arbeitgebern die Bewilligung sowie Arbeitnehmern die Inanspruchnahme von Sonderurlaub, etwa aus Gründen des Mutterschutzes oder der Erziehung, zu erleichtern. Orientierungssätze: 1. Der Senat möchte im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV klären, ob er unionsrechtlich gehindert ist, uneingeschränkt an seiner Rechtsprechung zur wiederholten Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BEEG festzuhalten. 2. Der Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter besteht darin, dass der Arbeitgeber zu einem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und mit dessen Rückkehr rechnet. Die wiederholte Befristung aufeinanderfolgender Arbeitsverträge wegen der Verhinderung von Stammkräften steht dieser Prognose nicht entgegen. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist für die Rechtfertigung der allein zur Überprüfung stehenden Befristung des letzten Vertrags die Anzahl der aufeinanderfolgenden Verträge unbeachtlich, die mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossen wurden. Auch kommt es nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht darauf an, ob in Betrieb, Dienststelle oder Unternehmen ein ständiger Vertretungsbedarf besteht. 3. Nach Auffassung des Senats ist vom Gerichtshof der Europäischen Union nicht abschließend geklärt, ob es mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist, mit einem Arbeitnehmer wiederholt aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge abzuschließen, obwohl bei dem Arbeitgeber ein ständiger Vertretungsbedarf vorhanden ist, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, jeweils konkret zu entscheiden, wie er auf den erneuten Ausfall einer Stammkraft reagiert. Dem könnte die Rechtsprechung des EuGH entgegenstehen, wonach es dem mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verfolgten Ziel widerspricht, wenn eine nationale Regelung die Grundlage für die Verlängerung von Verträgen oder Verhältnissen bilden kann, obwohl in Wirklichkeit der damit gedeckte Bedarf faktisch kein zeitweiliger, sondern ein "ständiger und dauernder" ist (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 - [Angelidaki] Rn. 103 mwN, EAS Teil C RL 1999/70/EG § 5 Nr. 4). 4. Mit der ersten Vorlagefrage geht es dem Senat deshalb um eine Klärung, ob und inwieweit nach dem Verständnis des EuGH ein "ständiger und dauernder Bedarf" auch im Falle eines "ständigen Vertretungsbedarfs" vorliegt, der sich in größeren Betrieben oder Dienststellen regelmäßig insbesondere auch durch eine Bewilligung von Sonderurlaub ergibt und der statt durch den Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge durch eine Personalreserve aus unbefristet eingestellten Arbeitnehmern gedeckt werden könnte. 5. In diesem Zusammenhang bittet der Senat den EuGH außerdem um eine Klärung, ob und in welcher Weise im Rahmen der Sachgrundkontrolle die Anzahl und Dauer der bereits in der Vergangenheit mit demselben Arbeitnehmer geschlossenen befristeten Arbeitsverträge im Rahmen der Missbrauchskontrolle durch die nationalen Gerichte zu berücksichtigen sind. 6. Sollte der EuGH den wiederholten Abschluss aufeinanderfolgender, zum Zwecke der Vertretung befristeter Arbeitsverträge beim Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs für unvereinbar mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge erachten, möchte der Senat mit der zweiten Vorlagefrage klären, ob die mit § 21 Abs. 1 BEEG verfolgte sozialpolitische Zielsetzung dazu führen kann, auch wiederholte Befristungen zu rechtfertigen, die ohne die sozialpolitische Zielsetzung unionsrechtlich als missbräuchlich anzusehen wären. Dabei geht der Senat davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 21 Abs. 1 BEEG jedenfalls auch das Ziel verfolgt, Arbeitgebern die Gewährung sowie Arbeitnehmern die Inanspruchnahme von Sonderurlaub, insbesondere aus Gründen des Mutterschutzes oder der Erziehung, zu erleichtern. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Art. 267; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates (Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28. Juni 1999) § 5 Nr. 1; Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 3. Juni 1996) § 1; Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 3. Juni 1996) § 2; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; BEEG § 21 Abs. 1; Redaktionelle Normenkette: AUEV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) Art. 267; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates (Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28. Juni 1999) § 5 Nr. 1; Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 3. Juni 1996) § 1; Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 3. Juni 1996) § 2; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; BEEG § 21 Abs. 1;
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