LAG Berlin-Brandenburg: Umfang des Konsultationsverfahrens vor der Abgabe einer Massenentlassungsanzeige
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.4.2016 – 21 Sa 1544/15
Leitsätze
1. Nach § 17 Abs. 2 KSchG muss die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine beabsichtige Massenentlassung vor deren Durchführung ernsthaft und ergebnisoffen beraten, zumindest aber derartige Beratungen anbieten.
Dabei reicht es nicht aus, wenn sich das Beratungsangebot auf die Milderung der Auswirkungen der Entlassungen beschränkt. Es muss sich auch auf die Möglichkeiten der Vermeidung oder Beschänkung der Entlassungen beziehen (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2015 - 9 Sa 1397/15 - und vom 20.01.2016 - 24 Sa 1261/15 u. 24 Sa 1667/15).
2. Die endgültige Entscheidung, eine beabsichtigte Massenentlassung durchzuführen und die Kündigungen auszusprechen, darf die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber erst treffen, wenn das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG abgeschlossen ist (vgl. EuGH vom 10.09.2009 - C-44/08 - Keskusliitto).
3. Berät die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber eine beabsichtigte Massenentlassung mit einer Verhandlungskommission des Betriebsrats oder einzelnen
Betriebsratsmitgliedern, ist das Konsultationsverfahren frühestens abgeschlossen, wenn der Betriebsrat nach den Beratungen als Gremium Gelegenheit hatte, eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Hierfür ist dem Betriebsrat eine angemessene Frist einzuräumen.
4. Hat der Betriebsrat keine abschließende Stellungnahme abgegeben, sondern gerügt, die ihm gegebenen Informationen seien für eine Stellungnahme nicht ausreichend, hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber dies der Agentur für Arbeit im Rahmen der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG mitzuteilen (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg vom 20.01.2016 - 24 Sa 1261/15 und 24 Sa 1667/15).
5. Zu den Abweichungsmöglichkeiten durch Tarifvertrag vom Entgeltausfallprinzip nach § 4 Abs. 1 EFZG (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg vom 12.12.2014 – 3 Sa 1427/14)
§ 17 Abs. 2 und 3 KSchG, § 4 Abs. 1 und 4 EFZG
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung der der Klägerin zustehenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie über die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter arbeitgeberseitiger Kündigungen, hilfsweise über einen Anspruch auf Nachteilsausgleich.
Die am …. 1968 geborene Klägerin war seit dem 1. Dezember 1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern im Bereich Passagierabfertigung am Flughafen T. in Berlin gegen eine monatliche Vergütung von rund 1.800,00 Euro brutto beschäftigt.
Unter dem 25. Februar 2013 schlossen der Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e. V. (AWB) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: MTV BVD) und den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (im Folgenden: VTV BVD). Die Tarifverträge sind jeweils mit Wirkung vom 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärt worden und mit der Allgemeinverbindlichkeit in Kraft getreten.
Der MTV BVD enthält, soweit hier von Relevanz, auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 13
Allgemeines
Der Beschäftigte hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf Vergütung.
(1) Die Vergütung besteht aus
(a) dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14,
(b) etwaigen Überstundenzuschlägen gemäß § 15 Abs. 3,
(c) etwaigen Zuschlägen gemäß § 16,
(d) etwaigen weiteren in einem VTV geregelten Entgeltbestandteilen,
(e) etwaigen Zulagen.
…
§ 14
Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)
(1) Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.
…
§ 17
Zahlung der Vergütung
(1) Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.
(2) Überstunden und Zuschläge werden im folgenden Monat gezahlt. …
§ 22
Arbeitsunfähigkeit
…
(6) Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. …
…
(8) Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg etwas anderes vereinbart wird, ist als Grundvergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind die jeweils letzten 3 vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit.“
Die „Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg“ enthält folgende Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV:
„Als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen.“
Der VTV BVD enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 2
Monatsgrundentgelt
Die Beschäftigten haben Anspruch auf ein monatliches Grundentgelt (Monatsgrundentgelt). Das Monatsgrundentgelt eines Vollzeitbeschäftigten ergibt sich aus seiner Tätigkeit, den Tätigkeitsmerkmalen in Anlage 1 und den Vergütungstabellen in den Anlagen 3a und b. Soweit mit einem Beschäftigten im Arbeitsvertrag eine andere wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wird, verändert sich das Monatsgrundentgelt entsprechend.“
Ebenfalls unter dem 25. Februar 2013 schloss die Beklagte mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Überleitungstarifvertrag zum Vergütungstarifvertrag (ÜTV VTV), der auszugsweise folgenden Regelungen enthält:
„Präambel
Am 25. Februar 2013 haben ver.di und der Arbeitgeberverband AWB den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (nachfolgend: „VTV BDV“) abgeschlossen, der den momentan geltenden Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der G. Berlin GmbH (heute G. Berlin GmbH & Co. KG) und ver.di („VTV GGB“) nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Vergütungsregelungen sowie den Anerkenntnistarifvertrag vom 10. Mai 2012 zwischen der A. P. Service Berlin GmbH & Co. KG und ver.di ablöst. Im Hinblick darauf schließen die Parteien den folgenden Überleitungstarifvertrag, der den Mitarbeitern bestimmte Besitzstände sichern soll.
A. Aufhebung des bisherigen Verfügungsvertrages Nr. 10 und des Anerkenntnistarifvertrages
…
B. Besitzstandsregelungen
Ungeachtet der Regelung in Punkt A vereinbaren die Parteien für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der A. P. Service Berlin GmbH & Co. KG stehen (nachfolgend Beschäftigte), nachfolgende Besitzstandsregelungen.
Teil 1: Sicherung der 36-Stunden-Woche
…
Teil 2: Vorschriften zur Entgeltsicherung
I.
(1) Beschäftigte erhalten eine Besitzstandszulage, wenn das Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des VTV BVD höher ist als das Monatsgrundentgelt der jeweils gültigen Anlage 3 zum VTV BVD zzgl. der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 VTV BVD zum Zeitpunkt des Inkrafttretens und zwar in Höhe der Differenz.
…
II.
Abweichend von § 15 Abs. 3 MTV BVD sowie § 16 Abs. 2 MTV BVD wird für die Zuschlagsberechnung neben dem anteiligen Monatsgrundentgelt die anteilige Besitzstandszulage zugrunde gelegt.
V.
Tariflich vereinbarte und individuelle Erhöhungen des Monatsgrundentgelts (Anlage 3a/3b des VTV BVD) sowie der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 VTV BVD gelten auch für Beschäftigte mit Besitzstandszulage, wobei von dieser Erhöhung 35% auf die Besitzstandszulage angerechnet werden.“
Auf der Grundlage des ÜTV VTV zahlte die Beklagte ihren Beschäftigten eine Besitzstandszulage zwischen 400,00 und 1.000,00 Euro brutto monatlich, vereinzelt bis zu 1.200,00 Euro brutto und durchschnittlich etwa 500,00 Euro brutto. Im Oktober 2014, Dezember 2014 und Januar 2015 war die Klägerin jeweils mehrere Tage arbeitsunfähig krank. Für die Arbeitsunfähigkeitszeiten kürzte die Beklagte die Besitzstandszulage im Wege der Rückrechnung im jeweils folgenden Monat für Oktober 2014 um 75,16 Euro brutto, für Dezember 2014 um 240,38 Euro brutto und für Januar 2015 um 152,47 Euro brutto.
Neben anderen Dienstleistungen wurden die Passagierabfertigungsdienstleistungen an den Flughäfen T. und Schönefeld jahrelang von der G. Berlin GmbH & Co. KG (im Folgenden: GGB) erbracht. Die Gesellschaftsanteile an diesem Unternehmen wurden 2008 durch ein oder mehrere Unternehmen der W.-GR.e übernommen. Seitdem kam es zu diversen gesellschaftsrechtlichen Umorganisationen, u. a. zu einer Trennung der GGB in vier Geschäftsbereiche und deren teilweise Ausgliederung auf andere Gesellschaften. Der Bereich „Passage“ wurde auf die Beklagte ausgegliedert. Komplementärin der Beklagten ist die P. S. Berlin Beteiligungs-GmbH, einzige Kommanditistin die GGB. Deren Kommanditanteile werden von einem Unternehmen der W.-GR.e gehalten.
Die Arbeitsverhältnisse der im Bereich „Passage“ tätigen Beschäftigten gingen im Jahr 2012 auf die Beklagte über. Hinsichtlich der Passagierabfertigungsdienstleistungen am Flughafen Sch. ging ein Großteil der Arbeitsverhältnisse im Juli 2014 auf ein anderes Unternehmen, die P. S. Sch. GmbH & Co. KG, über. Die Arbeitsverhältnisse der am Flughafen T. beschäftigten Arbeitnehmer verblieben überwiegend bei der Beklagten. Ein Teil der Passagierabfertigungsdienstleistungen am Flughafen T. wird seit Juli 2013 von der Ai. P. Service GmbH & Co. KG erbracht.
Im September 2014 kündigte die GGB als einzige Auftraggeberin der Beklagten sämtliche noch vorhandenen Aufträge der Beklagten aus dem Bereich Check-in zu Anfang November 2014, die übrigen Aufträge zum 31. März 2015. Am 22. September 2014 erklärte die GGB als allein stimmberechtigte Gesellschafterin der Beklagten die Absicht, den Betrieb der Beklagten zum 31. März 2015 stillzulegen und die dem Betriebszweck dienende Organisation zu diesem Termin vollständig aufzulösen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des entsprechenden Gesellschafterbeschluss (Bl. 66 d. A.) verwiesen. Der Geschäftsführer der Beklagten wurde von der GGB angewiesen, die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen und mit dem Betriebsrat Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs aufzunehmen.
Nach zwei Sitzungen mit dem Betriebsrat am 25. September 2014 und 9. Oktober 2014 erklärte die Beklagte die Verhandlungen über einen Interessenausgleich für gescheitert. In der daraufhin eingerichteten Einigungsstelle wurde am 28. November 2014, 2., 4. und 18. Dezember 2014 verhandelt. In der Sitzung vom 18. Dezember 2014 erklärten die Beisitzer der Beklagten für diese das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen. Danach verhandelten die Betriebsparteien in der Einigungsstelle über einen Sozialplan. In der 7. Sitzung der Einigungsstelle am 21. Januar 2015 wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan aufgestellt, der insbesondere die Errichtung einer Transfergesellschaft sowie Abfindungspauschalen vorsah. Auf Betreiben des Betriebsrats stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle fest. Die hiergegen von der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht eingelegte Beschwerde (9 TaBV 1519/15) hatte keinen Erfolg.
Die Beklagte übermittelte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 2. Januar 2015 die „Information gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ mit näheren Ausführungen. Wegen des genauen Inhalts des dreiseitigen Schreibens nebst Anlagen wird auf die Ablichtung (Bl. 107 ff. d. A.) verwiesen. Darauf reagierte der Betriebsrat mit Schreiben vom 14. Januar 2015 mit dem Betreff: „Ihre Massenentlassungsanzeige vom 02.01.2015“ (Bl. 183 d. A.) wie folgt:
„…
die Folgen für die Belegschaft werden noch in der Einigungsstelle beraten, so dass wir Sie bitten, von der Massenentlassungsanzeige zunächst abzusehen. Außerdem verweisen wir auf die Stellungnahme von RA K. vom 15.12.2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden, die wir vorsorglich nochmals beifügen.
Sollten Sie gleichwohl Ihre Anzeige an die Arbeitsagentur absenden, senden Sie uns bitte eine Abschrift derselben, nebst Anlagen zu.“
In der in Bezug genommenen „Stellungnahme von RA K. vom 15. Dezember 2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden“ heißt es auszugsweise:
„…
Bisher hat die Arbeitgeberseite weder mit unserer Seite über das „Ob“ („Alternativen zur geplanten Betriebsänderung“…) noch das „Wie“ … beraten, erst recht nicht mit dem „ernsthaften Willen zur Einigung“, noch konnte die Betriebsratsseite konkrete Alternativen oder Modifikationen vorschlagen.
Grundlage hierfür wäre die schon im ersten Anschreiben erwähnte, von uns vermisste Darlegung der konkreten Gründe für die jetzigen Planungen, nachvollziehbar unterlegt mit den in solchen Fällen üblichen betriebswirtschaftlichen Berechnungen und Zahlen. Nur auf dieser Basis könnte unsere Seite sich mit diesen arbeitgeberseitigen Überlegungen auseinandersetzen und versuchen, Alternativen zu der geplanten Betriebsänderung selbst oder Modifikationen zu entwickeln und hierüber eine Verständigung mit der Arbeitgeberseite herbeizuführen. …
…
Gemessen an diesen Anforderungen ist die Informationslage äußerst dürftig. Sie besteht lediglich aus der Vorlage der Vertragskündigungen durch die Muttergesellschaft und pauschalen Hinweisen des Geschäftsführers Herrn A. über nicht konkurrenzfähige Personalkosten. … Die Entscheidung über die Kündigung der Verträge wurde von der Leitung dieses Konzerns bzw. der Leitung der einschlägigen Sparte, zu der die Erbringung von Bodenverkehrsdienstleistungen gehören, getroffen. Das hiesige Unternehmen besitzt außer der formalen juristischen keine eigene wirtschaftliche Selbständigkeit. Herr A. war gegenüber der GGB verpflichtet, deren Auftragsangebote ohne Rücksicht darauf anzunehmen, ob die Vergütung für die APSB auskömmlich ist. Eigene Verträge durfte er nicht akquirieren. Für den Produktionsbereich verwendet man in derartigen Fällen den - nicht juristischen - Begriff der „verlängerten Werkbank“. Auch die GGB ist offensichtlich ohne eine weitere Konzernanbindung wirtschaftlich nicht lebensfähig und … auch nur Unterauftragnehmerin. Sie erhält je nach den unternehmerischen Überlegungen, die im W.-Konzern für ihre Sparte getroffen werden, die Weisung, Verträge mit der APSB aufzukündigen. Zudem wird ihr ab und an unter taktischen Erwägungen - je nach dem Stand von Einigungsstellenverfahren - Geld zur Verfügung gestellt, das sie kurzfristig der APSB zur Verfügung stellen darf und soll.
…
Zu alldem gab es bisher in der vorherigen Einigungsstelle - genauso wie in der hiesigen - keinerlei Auskünfte. Der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft APSB kann sich hinsichtlich der Planungen auf den nächsten Unternehmens- und Konzernebenen jedenfalls nicht hinter seiner relativen Unkenntnis „verstecken“. Eine umfassende Information ist nur gegeben, wenn auch die auf höherer Konzernebene vorhandenen Planungen dem Betriebsrat bzw. der Einigungsstelle mitgeteilt und erläutert werden. …“
Wegen des weiteren Inhalts der Stellungnahme wird auf deren Ablichtung (Bl. 184 ff. d. A.) verwiesen.
Am 20. Januar 2015 beschloss die allein stimmberechtigte Gesellschafterin GGB, den Betrieb der Beklagten zum 31. März 2015 stillzulegen und die dem Betriebszweck dienende Organisation zu diesem Datum vollständig aufzulösen. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf dessen Ablichtung (Bl. 67 d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben von demselben Tag (Bl. 91 ff. d. A) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an. Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 (Bl. 101 ff. d. A.) widersprach der Betriebsrat den Kündigungen.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2015 erstattete die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit C. die „Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG“. Das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 und die darin in Bezug genommene Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt K. vom 15. Dezember 2014 fügte sie nicht bei. In der Anzeige heißt es unter „6. Beteiligung des Betriebsrates“ wie folgt:
„Mit dem bei der APSB gebildeten Betriebsrat wurden Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen geführt. Weiterhin wurde der Betriebsrat noch einmal gesondert mit dem beigefügten Schreiben vom 2. Januar 2015 gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet. Ich - Bernhard A., … - versichere hiermit an Eides statt, dass ich das beigefügte Unterrichtungsschreiben dem Betriebsrat am 2. Januar 2015 per Fax und E-Mail gegen 13:40 Uhr übersandt habe. Das Faxprotokoll ist ebenfalls als Anlage beigefügt.
Eine gesonderte Stellungnahme hat der Betriebsrat nicht abgegeben. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen wurden jedoch mit dem Betriebsrat am 13., 16. und 21. Januar 2015 über die Einrichtung einer Transfergesellschaft i.S.d. § 111 SGB III verhandelt. Das Einigungsstellenverfahren wurde am 21. Januar 2015 beendet (siehe Protokoll). Weitere, gesonderte Beratungen hat der Betriebsrat nicht verlangt.“
Wegen des weiteren Inhalts Schreibens vom 28. Januar 2015 wird auf dessen Ablichtung (Bl. 118 f. d. A.) verwiesen. Dem Schreiben war u. a. als Anlage ein ausgefüllter Vordruck der Bundesagentur für Arbeit beigefügt, in welchem die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer mit 223, die Zahl der Beschäftigten, denen gekündigt werden soll, mit 188 und der Zeitpunkt, an dem die Kündigungen erfolgen sollen für 161 Beschäftigte mit „29.-31.01.15“ und für 27 Beschäftigte mit „29.1.-27.2.15“ angegeben war (Bl. 120 ff. d. A.). Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 (Bl. 134 d. A.) teilte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Cottbus - der Beklagten u. a. mit, die Anzeige am 28. Januar 2015 sei rechtswirksam erstattet worden.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse mit allen Beschäftigten mit Ausnahme derer mit Sonderkündigungsschutz wegen der Schließung des Betriebes am 31. März 2015 ordentlich. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte sie unter dem 29. Januar 2015 zum 31. August 2015. Gegenüber den Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz erklärte sie die Kündigung nach Erteilung der erforderlichen behördlichen Zustimmung.
Mit der am 28. Januar 2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin die Einbeziehung der Besitzstandszulage in die Berechnung der Entgeltfortzahlung und die Zahlung der Beträge verlangt, um die die Beklagte die Besitzstandszulage für die Monate Oktober und Dezember 2014 sowie Januar 2015 nachträglich gekürzt hatte. Mit am 13. Februar 2015 eingegangenem Schriftsatz, der der Beklagten am 19. Februar 2015 zugestellt worden ist, hat sie die Klage hinsichtlich der Kündigung vom 29. Januar 2015 erweitert und mit einer weiteren Klageerweiterung hilfsweise die Zahlung eines Nachteilsausgleichs begehrt.
Nachdem in Parallelverfahren verschiedene Kammern des Arbeitsgerichts Bedenken gegen die Wirksamkeit der ersten Massenentlassungsanzeige geäußert hatten, entschloss sich die Beklagte, vorsorglich das Verfahren nach § 17 KSchG nochmals durchzuführen. Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 informierte sie den Betriebsrat erneut über eine geplante weitere Massenentlassung und schlug einen Beratungstermin vor. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf dessen Ablichtung (Bl. 316 ff. d. A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 17. Juni 2015 nahm der Betriebsrat das Beratungsangebot an und unterbreitete Vorschläge zur Abwendung der Massenentlassung, wobei diesbezüglich noch weitere Informationen und Unterlagen erforderlich seien. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung (Bl. 331 f. d. A.) verwiesen.
Nach Schwierigkeiten, einen gemeinsamen Termin zu finden, fand die Beratung am 24. Juni 2015 von etwa 12.50 Uhr bis 18.50 Uhr statt. Anwesend waren für den Betriebsrat dessen Vorsitzende und ein weiteres Betriebsratsmitglied, Herr Rechtsanwalt K. und Herr G. als Sachverständiger und für die Beklagte der Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin Herr A. und Frau Rechtsanwältin R.. Auf der Grundlage einer mehrseitigen Präsentation der Beklagten (Bl. 338 ff. d. A.) wurden u. a. Möglichkeiten einer Neueröffnung des Betriebes erörtert, wobei der Betriebsrat weitere Informationen und Unterlagen forderte. Frau Rechtsanwältin R. wies darauf hin, dass das Schreiben des Betriebsrats vom 17. Juni 2015 an die GGB weitergeleitet worden sei, erste Gespräche stattgefunden hätten, aber noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden sei. Über die Beratungen erstellte die Beklagte ein Protokoll, auf dessen Seite 6 auszugsweise Folgendes protokolliert ist:
„CH - Frage, ob man die Präsentation bis Montag haben könne, da man am Dienstag mit dem Betriebsrat zusammensitzen werde.
UR - Wir werden die Unterlagen sehr kurzfristig zukommen lassen. Ergänzung durch BA, dass dies wahrscheinlich noch heute abend, spätestens morgen früh möglich sei.
…
BA - Bis 12 Uhr morgen noch Möglichkeit Ergänzungen zu heutigem Gespräch und Schreiben vom mitzuteilen, da wir morgen Nachmittag mit GGB über das weitere Vorgehen sprechen werden.“
„CH“ steht für die Betriebsratsvorsitzende, „UR“ für Frau Rechtanwältin R. und „BA“ für den Geschäftsführer. Wegen des weiteren Inhalts des Protokolls wird auf dessen Ablichtung (Bl. 335 ff. d. A.) verwiesen.
Um 19.34 Uhr desselben Tages übermittelte der Geschäftsführer dem Betriebsrat die Präsentation per E-Mail (Bl. 345 d. A.) und teilte mit, das Gespräch mit der GGB fände erst am Abend statt. Ergänzungen zum Gespräch vom 24. Juni 2015 und zum Schreiben vom 17. Juni 2015 sowie vom 24. Juni 2015 bzw. eine abschließende Stellungnahme seien noch bis 18:00 Uhr möglich. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die GBB am Folgetag eine endgültige Entscheidung treffen werde. Dazu erklärte die Betriebsratsvorsitzende am 25. Juni 2015 um 16.40 Uhr per Faxschreiben (Bl. 346 d. A.), nach der Beratung am 24. Juni 2015 seien sie so verblieben, dass der Geschäftsführer nach der Besprechung mit der GGB dem Betriebsrat seine Sicht der Dinge so rechtzeitig mitteilen werde, dass das gesamte Betriebsratsgremium darüber in seiner Sitzung am nächsten Dienstag beraten könne. Auf der Grundlage der Erörterungen und Beschlussfassung des Gremiums werde der Betriebsrat dann unverzüglich und abschließend Stellung nehmen. Die Mitglieder der gestrigen Verhandlungskommission hofften, auf der Basis der auf dem Flipchart niedergeschriebenen Informationswünsche in einem weiteren Termin inhaltlich weiterzukommen. Darauf antworte der Geschäftsführer mit Schreiben vom 26. Juni. 2015 (Bl. 347 d. A.), man habe nicht vereinbart, bis zur nächsten Sitzung des Betriebsrats am Dienstag zu warten. Ohne eine deutliche kurzfristige Senkung der Personalkosten sei eine Wiedereröffnung nicht möglich. Darauf habe sich der Betriebsrat noch nicht einmal im Ansatz eingelassen. Bei dem in der E-Mail des Geschäftsführers vom 24. Juni 2015 erwähnten Schreiben des Betriebsrats vom 24. Juni 2015 handelt es sich vermutlich um ein Schreiben des Betriebsrats, indem dieser umfassende Informationen zu Aktivitäten der Beklagten bezüglich Arbeitsangeboten bei „Airlink“ verlangt (Bl. 358 d. A.).
Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 erstattete die Beklagte bei der Arbeitsagentur Cottbus eine Massenentlassungsanzeige, welche bei dieser an demselben Tag einging. In dem dem Schreiben beigefügten ausgefüllten Vordruck der Bundesagentur für Arbeit war die Zahl der in der Regel Beschäftigten mit 223, die Zahl der Beschäftigten, denen gekündigt werden soll, mit 128 und der Zeitpunkt, an dem die Kündigungen erfolgen sollen für 101 Beschäftigte mit „27.-30.06.15“ und für 27 Beschäftigte mit „26.6.-31.7.15“ angegeben. Wegen des Inhalts des Schreibens vom 26. Juni 2015, der Einzelheiten des ausgefüllten Vordruck sowie der weiteren Anlagen wird auf deren Ablichtungen Bezug genommen (Bl. 348 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 27. Juni 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorsorglich erneut zum 31. Januar 2016, nachdem sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Juni 2015 (Bl. 360 ff. d. A.) zu der Kündigung angehört und der Betriebsrat der Kündigung mit Schreiben vom 27. Juni 2015 (Bl. 368 f. d. A.) widersprochen hatte. Gegenüber den weiteren 127 Beschäftigten sprach sie - ggf. nach Einholung der behördlichen Zustimmung - ebenfalls eine erneute vorsorgliche Kündigung aus.
Diese Kündigung vom 27. Juni 2015 hat die Klägerin mit beim Arbeitsgericht am 2. Juli 2015 eingegangener, der Beklagten am 10. Juli 2015 zugestellter Klagerweiterung angegriffen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die anteilige Kürzung der Besitzstandszulage für Zeiten, für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten sei, sei unrechtmäßig. Die Vorschriften des Manteltarifvertrages könnten nicht dazu führen, dass die Beklagte die Besitzstandszulage für Zeiten der Krankheit nicht gewähren müsse, da dies eine vom Entgeltfortzahlungsgesetz nicht zugelassene Abweichung vom Grundsatz der vollen Lohnfortzahlung darstellen würde. Die angegriffenen Kündigungen seien unwirksam. Sie seien nicht sozial gerechtfertigt. Die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung sei rechtsmissbräuchlich. Aufgrund besonderer Umstände sei ein konzernbezogener Kündigungsschutz zu bejahen. Die Kündigungen seien auch wegen eines verdeckten Betriebsübergangs analog § 613a BGB unzulässig. Der Betriebsrat sei zu den Kündigungen nicht ordnungsgemäß angehört und zu der Massenentlassung nicht ordnungsgemäß konsultiert worden. Die Massenentlassungsanzeige sei ebenfalls nicht wirksam erstattet. Zumindest aber stehe ihr nach § 113 Abs. 3 BetrVG ein Nachteilsausgleich zu, da die Beklagte einen Interessenausgleich nicht hinreichend versucht habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 75,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Dezember 2014 sowie weitere 240,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Februar 2015 Dezember 2014 zu zahlen sowie weitere 152,47 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. März 2015 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, in die Berechnung der für die Klägerin zu leistenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage gemäß dem Überleitungstarifvertrag zum Vergütungstarifvertrag Bodenverkehrsdienstleistungen für die APSB einzubeziehen;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungen vom 29. Januar 2015 und vom 27. Juni 2015 enden wird;
4. hilfsweise für den Fall der Klageabweisung mit dem Antrag zu 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch mindestens 18.000,00 Euro brutto betragen sollt, zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. September 2015.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise, für den Fall, dass die Beklagte zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG verurteilt wird, die vorläufige Vollstreckbarkeit auszuschließen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Hilfsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte hat die Ausfassung vertreten, die Kürzung der Besitzstandszulage für Arbeitsunfähigkeitszeiten sei zu Recht erfolgt. Dies entspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien. Die Regelung stehe auch mit § 4 Abs. 4 EFZG im Einklang. Die Kündigung vom 29. Januar 2015 sei rechtswirksam, jedenfalls aber die Kündigung vom 27. Juni 2015. Die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, sei nicht willkürlich. Es habe auch kein Betriebsübergang stattgefunden. Ein konzernweiter Kündigungsschutz scheide schon deshalb aus, weil die W. GR.e kein Konzern sei. Der Betriebsrat sei vor beiden Kündigungen ordnungsgemäß gehört worden. Auch die Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG im Januar 2015 und die Massenentlassungsanzeige vom 28. Januar 2015 seien nicht zu beanstanden. Eine Veranlassung, der Massenentlassungsanzeige das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 beizufügen, habe nicht bestanden, da es sich bei dem Schreiben offenkundig um keine abschließende Stellungnahme gehandelt habe. Jedenfalls aber sei das vor der Kündigung vom 26. Juni 2015 erneut durchgeführte Massenentlassungsverfahren ordnungsgemäß. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Nachteilausgleich. Den Anspruch des Betriebsrats auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich habe sie erfüllt. Den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit habe der Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt um Vermittlung ersucht. Der Vollstreckungsschutzantrag sei begründet, da sie im Fall der drohenden Vollstreckung von Nachteilsausgleichsansprüchen Insolvenz anmelden müsse.
Mit Urteil vom 30. Juni 2015, auf dessen Tatbestand (Bl. 377 - 387 d. A.) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht den Klageanträgen zu 1. und 2. bezüglich der Einbeziehung der Besitzstandszulage in die Entgeltfortzahlung stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Besitzstandszulage um die Arbeitsunfähigkeitszeiten zu kürzen und die Kürzungsbeträge mit der Vergütung für den folgenden Monat zu verrechnen. Die Klägerin habe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Besitzstandszulage einzubeziehen sei.
Die Kündigung vom 29. Januar 2015 sei hingegen wirksam und habe das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. August 2015 beendet, weshalb die vorsorgliche Kündigung vom 27. Juni 2015 in Leere gehe. Die Kündigung vom 29. Januar 2015 sei sozial gerechtfertigt. Aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung sei die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich gewesen. Es hätten auch keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden. Anhaltspunkte für einen konzernweiten Kündigungsschutz seien nicht gegeben. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Kündigung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam. Das Konsultationsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat über ihren unternehmerischen Entschluss, den Betrieb stillzulegen, informiert und ihm auch die anderen in § 17 Abs. 2 KSchG geforderten Informationen mitgeteilt. Auch die Massenentlassungsanzeige sei nicht fehlerhaft. Der Betriebsrat habe weder mit Schreiben vom 14. Januar 2015 noch sonst eine abschließende Stellungnahme zu der geplanten Massenentlassung abgegeben, welche die Beklagte der Anzeige hätte beifügen können. Sie habe auch mindestens zwei Wochen zugewartet und in der Anzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat dargestellt.
Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich sei nicht gegeben. Die Beklagte habe den Abschluss eines Interessensausgleichs mit dem Betriebsrat hinreichend versucht. Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten sei daher nicht zur Entscheidung angefallen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 388 - 395 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 14. August 2015 und der Beklagten am 11. August 2015 zugestellte Urteil haben die Klägerin mit am 2. September 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz und die Beklagte mit am 7. September 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Berufung mit am 17. und 29. September 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen begründet. Die Beklagte hat die Berufung mit am Montag, den 12. Oktober 2015, beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Klägerin setzt sich, soweit die Klage abgewiesen worden ist, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Sie hält daran fest, dass die Kündigungen unter Konzerngesichtspunkten sozial ungerechtfertigt und rechtsmissbräuchlich sowie nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam seien. Außerdem sei der Betriebsrat weder im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen, noch im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG, noch im Rahmen der Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG ausreichend über die Gründe für die Kündigungen informiert worden. Es hätten auch zu keinem Zeitpunkt ergebnisoffene Verhandlungen stattgefunden. Die Massenentlassungsanzeigen seien ebenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Anzeigen seien schon deshalb unwirksam, weil sie bei der falschen Agentur für Arbeit und nur per Fax erstattet worden seien. Zuständig sei nicht die Agentur für Arbeit in C., sondern die Agentur für Arbeit in Berlin. Die Übermittlung per Fax genüge nicht der in § 17 Abs. 3 geforderten Schriftform. Ferner bestreitet die Klägerin den vollständigen Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit in C. am 28. Januar 2015. Schließlich seien die Kündigungen zu unbestimmt, weil sie zum nächstzulässigen Termin ausgesprochen worden seien. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Juli 2015 - 58 Ca 1251/15 - teilweise abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 2015 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 2015 aufgelöst worden ist;
2. hilfsweise für den Fall, dass die Berufung hinsichtlich des Feststellungsantrages ganz oder teilweise zurückgewiesen wird,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung nach § 113 Abs. 1 und 3 BetrVG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 18.000,00 Euro betragen sollte.
Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen hat die Klägerin den Hilfsantrag mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Ferner beantragt die Beklagte,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Juli 2015 - 58 Ca 1251/15 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte setzt sich ihrerseits, soweit der Klage stattgegeben worden ist, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Im Übrigen verteidigt sie das Urteil. Ergänzend trägt sie vor, der Geschäftsführer Herr A. habe von der Agentur für Arbeit Berlin mehrfach die Auskunft erhalten, die Agentur für Arbeit C. sei zuständig, weil der Betrieb der Beklagten weiterhin in Schönefeld registriert sei. Jedoch habe sie sowohl am 28. Januar 2015 als auch am 26. Juni 2015 vorsorglich auch bei der für den Bezirk Berlin Reinickendorf zuständigen Agentur für Arbeit Berlin N. eine inhaltsgleiche Massenentlassungsanzeige eingereicht. Die Anzeigen seien von der Agentur für Arbeit Berlin N. zuständigkeitshalber an die Agentur für Arbeit C. weitergeleitet worden.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 16. September 2015 (Bl. 413 - 444 d. A.), vom 29. September 2015 (Bl. 460 f. d. A.), vom 26. Oktober 2015 (Bl. 488 - 506 d. A.), vom 26. November 2015 (Bl. 653 656 d. A.) und vom 6. April 2016 (Bl. 665 - 670 d. A.) und die Schriftsätze der Beklagten vom 12. Oktober 2015 (Bl. 473 - 482 d. A.), vom 26. Oktober 2015 (Bl. 565 - 592 d. A.), vom 6. November 2015 (Bl. 627 - 638 d. A.) und vom 13. April 2016 (Bl. 680 - 688 d. A.) Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
I. Die Berufung ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.
II. Die Berufung ist auch begründet. Der zulässige und jeweils rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 KSchG, § 167 ZPO angebrachte Kündigungsschutzantrag ist auch im Übrigen begründet. Insoweit war das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Kündigung vom 29. Januar 2015, noch durch die Kündigung vom 27. Juni 2015 aufgelöst worden. Die Kündigungen verstoßen gegen § 17 KSchG und sind daher nach § 134 BGB unwirksam. Der Hilfsantrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs fiel nicht zur Entscheidung an.
1. Die Kündigung vom 29. Januar 2015 ist nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG i. V. m § 134 BGB unwirksam.
a) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG sind erfüllt. Bei den von der Beklagten Anfang 2015 beabsichtigten Kündigungen handelte es sich um anzeigepflichtige Entlassungen i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG.
b) Die Kündigung verstößt gegen § 17 Abs. 2 KSchG. Die Beklagte hat den Betriebsrat zu der beabsichtigten Massenentlassung nicht ordnungsgemäß konsultiert.
aa) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber, die oder der beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, den Betriebsrat schriftlich über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Beschäftigten, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel Beschäftigten, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Beschäftigten sowie über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien zu unterrichten. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG muss die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen abzumildern. Die Pflicht zur Beratung i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG geht dabei über eine bloße Anhörung deutlich hinaus. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung ernstlich zu verhandeln. Sie oder er muss ihm dies zumindest anzubieten (vgl. BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 15 m. w. N., NZA 2015, 881).
Die Konsultationspflicht wird der Sache nach regelmäßig erfüllt, wenn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG, soweit mit ihr ein anzeigepflichtiger Personalabbau verbunden ist oder sie allein in einem solchen besteht, einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt. Soweit die der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber diese gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat allerdings klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen (vgl. BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 17 m w. N., a. a. O.).
bb) Danach hat die Beklagte das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Massenentlassung ausreichend i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG unterrichtet und ihm insbesondere die Gründe für die geplanten Entlassungen hinreichend mitgeteilt hat (verneinend u. a. LAG Berlin-Brandenburg vom 26.11.2015 - 10 Sa 1700/15 - und vom 24.02.2016 - 15 Sa 1953/15 -). Denn jedenfalls hat die Beklagte die beabsichtigte Massenentlassung nicht mit dem Betriebsrat i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten.
In einem Parallelverfahren hat dazu die Kammer 24 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 20. Januar 2016 - 24 Sa 1261/15 und 24 Sa 1667/15 - Folgendes ausgeführt:
„aa) Die Betriebsparteien haben keinen Interessenausgleich abgeschlossen. Die Beklagte hat auch allein durch die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan nicht mit dem Betriebsrat beraten i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Eine dem Betriebsrat gegenüber erklärte Absicht, mit Aufnahme der Verhandlungen über einen Interessenausgleich auch das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG durchzuführen, behauptet die Beklagte nicht. Vielmehr macht sie geltend, das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG sei mit Schreiben vom 2. Januar 2015 eingeleitet worden.
bb) Beratungen i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG hat die Beklagte dem Betriebsrat auch in dem Schreiben vom 2. Januar 2015 nicht angeboten.
(1) Das mit den Worten „Information gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ überschriebene Schreiben wird mit dem Satz: „Wir möchten Sie noch einmal formal gemäß § 17 Abs. 2 KSchG wie folgt unterrichten:“ eingeleitet; im Folgenden wird die beabsichtigte Betriebsschließung nebst Anzahl der zu entlassenden Beschäftigten genannt. Bereits nach dem Wortlaut des Schreibens mit den Schlüsselworten „Information“, „Unterrichtung“ geht es hier allein um die in § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG vorgesehene Unterrichtung des Betriebsrats.
(2) Angesichts dieser Einleitung des Schreibens mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Unterrichtung hätte eine etwa darüber hinausgehende Aufforderung, Verhandlungen aufzunehmen, deutlich formuliert werden müssen. Eine solche findet sich in dem Schreiben nicht. Der in dem Schreiben vom 2.1.2015 enthaltene Hinweis auf „weitere Beratungen“ in der am 13.1.2015 anstehenden Einigungsstellensitzung genügt nicht den Anforderungen des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG.
(a) Der Konsultationsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/59/EG und damit nach § 17 KSchG ist nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt bzw. Verhandlungen angeboten hat (APS/Moll KSchG § 17 Rn. 74b). Dabei muss sich das Beratungsangebot des Arbeitgebers an den Betriebsrat (auch) darauf beziehen, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken, und nicht nur darauf, solche in ihren Auswirkungen zu mildern.
(b) Der Satz am Ende des Schreibens, man habe ja bereits im Rahmen der Einigungsstelle über die Möglichkeit zur Vermeidung von Entlassungen, insbesondere über die Errichtung einer Transfergesellschaft, beraten, und freue sich, die Beratungen über die Vermeidung von Entlassungen an dieser Stelle fortsetzen zu können, nimmt Bezug auf die laufenden Einigungsstellenverhandlungen und steht im Widerspruch dazu, dass die Beklagte die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und damit über die Frage, ob und ggf. wie die geplante Betriebsänderung durchgeführt werden solle, bereits im Dezember 2014 für gescheitert erklärt hatte. Durch die Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen in der Einigungsstelle über einen Interessenausgleich hat die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber deutlich gemacht, dass sie nicht mehr bereit sei, über die Vermeidung oder Einschränkung der geplanten bzw. von der Gesellschafterin beschlossenen Entlassungen zu verhandeln. Jedenfalls lässt sich dem Schreiben nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Beklagte entgegen ihren früheren Erklärungen das zusätzlich erforderliche Konsultationsverfahren einleiten wollte. „Ob und Wie“ der Massenentlassung, die hier identisch ist mit der in der Einigungsstelle über einen Interessenausgleich verhandelten Betriebsänderung, waren mit dem Abbruch der Verhandlungen durch die Beklagte aus Sicht des Betriebsrats nicht mehr Gegenstand der angebotenen Beratungen; vielmehr ging es in der fortgeführten Einigungsstelle nur noch Folgenminderungen in Gestalt eines Sozialplans. Es gab auch keine Aufforderung zu einer Reaktion des Betriebsrats. Ohne diese Klarstellung können die dann im Rahmen der weiteren Sozialplanverhandlungen geführten Gespräche nicht als Durchführung des Konsultationsverfahrens angesehen werden. Für den Betriebsrat ist erheblich, ob der Arbeitgeber (nur) seinen Verpflichtungen gem. § 112 BetrVG (Versuch eines Interessenausgleichs) nachkommen, zugleich oder ausschließlich den Anspruch des Betriebsrats auf Abschluss eines Sozialplans erfüllen und/oder mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG beraten will. Denn für die Willensbildung des Betriebsrats ist es von Bedeutung, ob es Sinn hat, über Alternativen für die vom Arbeitgeber vorgelegte Planung bzw. Beschlusslage nachzudenken, ggf. entsprechende Vorschläge zu unterbreiten und insbesondere auch Beiträge der Arbeitnehmer zur Kostensenkung anzubieten, oder ob es allein um die Dotierung eines Sozialplanes und die damit im Falle der Beklagten zusammenhängenden Rechtsfragen eines Konzerndurchgriffs geht.
Der Betriebsrat musste das Schreiben vom 2.1.2015 daher so verstehen, dass es in den bevorstehenden Verhandlungen der Einigungsstelle - wie auch tatsächlich geschehen - nur noch um den Inhalt, insbesondere die Dotierung eines Sozialplans gehen solle. Zu ergebnisoffenen Verhandlungen darüber, ob und ggf. wie Entlassungen vermieden werden könnten, war die Beklagte im Januar 2015 ersichtlich nicht (mehr) bereit.
Dies folgt schließlich auch daraus, dass die Beklagte den Betriebsrat nicht gefragt, geschweige denn mit ihm vereinbart hat, ob bzw. dass der Verfahrensgegenstand der laufenden Einigungsstelle um das Thema Konsultation zu Massenentlassungen erweitert werde. Auch aus den Protokollen der Einigungsstellenverhandlungen im Januar 2015 ergibt sich nicht, dass eine Verständigung darüber, im Rahmen der Einigungsstelle nunmehr das Konsultationsverfahren durchzuführen, erzielt worden wäre. Es ist auch nicht erkennbar, ob und ggf. wann und wie eine solche Erweiterung des Verfahrensgegenstandes dem Einigungsstellenvorsitzenden mitgeteilt wurde.
cc) Der Betriebsrat hat auf die Durchführung des Konsultationsverfahrens weder verzichtet noch ein solches abschließend abgelehnt. Aus dem Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 ergibt sich nicht, der Betriebsrat meinte, ihm stünden weitere Rechte zu, auf deren Ausübung er aber verzichten wolle.“
Diesen überzeugenden Ausführungen (ähnlich auch schon LAG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2015 - 9 Sa 1397/15) schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an (im Ergebnis ebenso LAG Berlin-Brandenburg vom 26.11.2015 - 10 Sa 1700/15 -; vom 15.12.2015 - 26 Sa 1263/15 u. 26 Sa 1668/15 -; a. A. u. a. LAG Berlin-Brandenburg vom 01.12.2015 - 7 Sa 1288/15 -; vom 11.12.2015 - 2 Sa 1267/15 u. 2 Sa 1671/15).
c) Die Kündigung verstößt außerdem gegen § 17 Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat keine den Anforderungen dieser Vorschrift genügende Massenentlassungsanzeige erstattet.
aa) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber, die oder der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam, wenn zwar eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt, die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass sie oder er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt. Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats bzw. das Vorbringen des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 32 ff. m. w. N., a. a. O.).
bb) Vorliegend lag zwar keine Stellungnahme des Betriebsrats vor, welche die Beklagte der Anzeige vom 28. Januar 2015 hätte beifügen können. Jedoch hat die Beklagte in der Anzeige den Stand der Beratungen nicht genügend dargelegt.
Dazu hat die Kammer 24 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 20. Januar 2016 - 24 Sa 1261/15 und 24 Sa 1667/15 - Folgendes ausgeführt:
„b) Eine Stellungnahme i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG kann in dem Schreiben des Betriebsrats vom 14. 1. 2015 freilich nicht gesehen werden.
aa) Die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beizufügende Stellungnahme muss sich auf das Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erforderlichen Beratungen über die Möglichkeiten beziehen, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Obwohl § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats trifft und der Arbeitgeber diesen Inhalt nicht beeinflussen kann, genügt nicht jede Äußerung des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen. Um der Agentur für Arbeit Auskunft darüber geben zu können, ob und welche Möglichkeiten er sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und zugleich zu belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihm beraten und ggf. getroffen worden sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, BAGE 140, 261), muss sich der Betriebsrat in einer Weise äußern, die erkennen lässt, dass er seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und dass es sich um eine abschließende Erklärung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen handelt (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 33). Dafür reicht auch die eindeutige Mitteilung aus, keine Stellung nehmen zu wollen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 53, BAGE 142, 202).
bb) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben des Betriebsrats vom 14. 1. 2015 nicht. Der Betriebsrat hat dort darum gebeten, von der Massenentlassungsanzeige zunächst abzusehen, und auf die Stellungnahme von RA K. vom 15.12.2014 verwiesen. Dies kann in der Zusammenschau nur dahin verstanden werden, dass der Betriebsrat noch weiteren Informations- und Beratungsbedarf sah und deshalb meinte, eine abschließende Stellungnahme noch nicht abgeben zu können. Aus seinen Ausführungen ergibt sich damit nicht, dass sie das Ergebnis bereits abgeschlossener Beratungen iSv. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG gewesen wären (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 37, BAGE 144, 366). Der Betriebsrat hat gerade nicht kundgetan, dass er seinen Verhandlungsanspruch als erfüllt betrachte, sondern das genaue Gegenteil.
c) Daraus folgt jedoch nicht, dass die Äußerung des Betriebsrats unbeachtlich gewesen wäre bzw. der Arbeitgeber frei darüber entscheiden durfte, ob er die Stellungnahme des Betriebsrats der Massenentlassungsanzeige beifüge, sie bei der Darlegung des Standes der Beratungen wenigstens inhaltlich darstelle oder sie nicht erwähne. Auch wenn nicht jede Äußerung des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt (BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - NZA 2015, 881, Rn. 38), folgt hieraus nicht, dass eine inhaltliche Stellungnahme des Betriebsrats, die ausdrücklich auf die angekündigte Massenentlassungsanzeige Bezug nimmt und sich zum Stand der Beratungen äußert, nicht beizufügen wäre.
aa) Nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG kann der Arbeitgeber auch dann, wenn eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt, die Anzeige wirksam erstatten, wenn er glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat und er den Stand der Beratungen darlegt. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfasst nicht nur den Fall des gänzlichen Fehlens der Stellungnahme des Betriebsrats, sondern auch den einer ungenügenden Stellungnahme. Der Arbeitgeber kann auch in letzterem Fall die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige verhindern, indem er ihr nicht nur die unzureichende Stellungnahme des Betriebsrats beifügt, sondern zusätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfährt (BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - BAGE 142, 202, Rn. 58). Die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung soll belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber eine ihm ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Arbeitsverwaltung nicht verschweigen kann (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, ZIP 2012, 1259; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - BAGE 142, 202, Rn. 53). Die Beifügung der Stellungnahme dient der Beurteilung der Arbeitsverwaltung, ob die Betriebsparteien auf der Grundlage hinreichender Informationen des Betriebsrats tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten haben.
bb) Dieser Gesetzeszweck spricht im Entscheidungsfall für eine Pflicht zur Vorlage der vom Betriebsrat ausweislich der Bezugnahme „Ihre Massenentlassungsanzeige“ ausdrücklich hierzu erfolgten (im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG unzureichenden) Stellungnahme oder wenigstens zur inhaltlichen Widergabe in der Darlegung des Standes der Beratungen nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG. Dem Gesetzeszweck widerspräche dagegen die Zubilligung eines Rechts des Arbeitgebers, vorweg zu bewerten, ob eine vom Betriebsrat abgegebene Äußerung als hinreichend relevant für die Prüfung der Arbeitsverwaltung anzusehen sei.
cc) Zudem ist die Darstellung der Beklagten in der Anzeige, der Betriebsrat habe keine gesonderte Stellungnahme abgegeben und keine weiteren, gesonderten Beratungen verlangt, objektiv unzutreffend oder mindestens irreführend.
(1) Mit seinem Schreiben vom 14.1.2015 nimmt der Betriebsrat Stellung zu „Ihrer Massenentlassungsanzeige vom 02.01.2015“, indem er auf die als Anlage beigefügte Stellungnahme von Rechtsanwalt K. vom 15. Dezember 2014 verweist. In dieser wird eine unzureichende Information geltend gemacht; zudem wird ausführlich dargelegt, dass die Arbeitgeberseite aus Sicht des Betriebsrats weder über das „Ob“ im Sinne von Alternativen zur geplanten Betriebsänderung noch über das „Wie“ im Sinne von Modifikationen beraten habe, wobei der Betriebsrat mangels hinreichender Informationen keine konkreten Alternativen vorschlagen könne. Mit seinem Anschreiben und seiner Bezugnahme erklärt der Betriebsrat, dass er dieses nach wie vor als Sachstand für aktuell halte. Der Betriebsrat damit geltend gemacht, er könne mangels hinreichender Information keine konkreten Vorschläge zur Vermeidung der Entlassungen unterbreiten und ausgeführt, weshalb die Beklagte sich aufgrund der Zusammenarbeit, die innerhalb eines bestehenden Konzernzusammenhangs erfolge, nicht allein auf eine Kündigung von Aufträgen eines übergeordneten Unternehmens berufen könne. Am Ende wird angeregt, ergebnisoffene Verhandlungen unter Beteiligung der vom Betriebsrat als maßgebliche Entscheidungsträger angesehenen Herren C. oder M. Wisser durchzuführen. Dies konnte die Beklagte nur so verstehen, dass der Betriebsrat meinte, er könne und werde geeignete Vorschläge zur Vermeidung von Entlassungen unterbreiten, falls und wenn er im Besitz der von ihm geforderten Informationen sei.
(2) Diesen Stand der Beratungen hat die Beklagte nicht zutreffend wiedergegeben. Die Darstellung der Beklagten in Ziff. 6 der Massenentlassungsanzeige kann nur so verstanden werden, dass der Betriebsrat nicht mehr über das „Ob und Wie“ der Massenentlassung verhandeln wollte, sondern nur noch einen (Transfer-) Sozialplan verlangt habe, und dem mit der Entscheidung der Einigungsstelle Rechnung getragen sei. Dies wird dem sich aus dem Schreiben vom 14.1.2015 ergebenden Anliegen des Betriebsrats, nach dem Erhalt der aus seiner Sicht fehlenden Informationen mit den eigentlichen Entscheidungsträgern über Alternativen zur Massenentlassung zu verhandeln, nicht gerecht.
(3) Ob das Informationsverlangen des Betriebsrats sachlich berechtigt war und ob die Beklagte verpflichtet und in der Lage gewesen wäre, dem Ansinnen des Betriebsrats, Verhandlungen mit den Herren W. zu führen, nachzukommen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Beklagte hätte ihre Rechtsauffassung hierzu der Arbeitsverwaltung mitteilen und so sicherstellen können, dass diese auf der Grundlage vollständiger Informationen ihre Prüfung hätte vornehmen können.“
Auch diese Ausführungen sind überzeugend, weshalb sich die erkennende Kammer diesen ebenfalls vollumfänglich anschließt (im Ergebnis ebenso u. a. LAG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2105 - 9 Sa 1397/15 -; vom 15.12.2015 - 11 Sa 1506/15 -; vom 15.12.2015 - 26 Sa 1263/15 u. 26 Sa 1263/15 -; a. A. u. a. LAG Berlin-Brandenburg vom 01.12.2015 - 7 Sa 1288/15 - und vom 11.12.2015 - 2 Sa 1267/15 u. 2 Sa 1671/15).
d) Sowohl der Verstoß gegen die Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG als auch der Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3 KSchG haben wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens sowie die Erstattung einer wirksamen Massenentlassungsanzeige sind jeweils für sich gesehen Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung (vgl. BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 19 u. 42, AP Nr. 45 zu § 17 KSchG 1969). Allein diese Rechtsfolge verleiht den mit dem Konsultationsverfahren und dem Anzeigeerfordernis verfolgten Zielen des Arbeitnehmerschutzes - wie sie auch der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL), deren Umsetzung § 17 KSchG dient, zugrunde liegen - praktische Wirksamkeit und entspricht dem unionsrechtlichen Grundsatz des „effet utile“ (vgl. BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 26 u. 45, a. a. O.; KR-Weigand, § 17 KSchG Rn. 158).
e) Die Klägerin hat sich i. S. d. § 6 KSchG erstinstanzlich auch auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Durchführung des Konsultationsverfahrens sowie des Anzeigeverfahrens berufen (dazu BAG vom 20.01.2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 16, ZIP 2016, 633).
2. Die erneute vorsorgliche Kündigung vom 27. Juni 2015 ist ebenfalls nach § 17 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 134 BGB unwirksam.
a) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG liegen auch bezüglich dieser Kündigung vor. Bei den Ende Juni 2015 vorsorglich erneut ausgesprochenen Kündigungen handelt es sich um anzeigepflichtige Entlassungen i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG.
b) Die Kündigung verstößt gegen § 17 Abs. 2 KSchG, weil die Beklagte die endgültige Entscheidung über eine erneute Massenentlassung getroffen und die Kündigung ausgesprochen hat, bevor das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat abgeschlossen war. Dabei kann diesbezüglich offen bleiben, ob die Informationen, die der Betriebsrat von der Beklagten bezüglich der beabsichtigten Massenentlassung erhalten hat, den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG genügen. Denn jedenfalls konnte die Beklagte, als entweder sie oder die GGB die endgültige Entscheidung getroffen hat, die geplante Massenentlassung durchzuführen, und die Beklagte die erneuten Kündigungen ausgesprochen hat, nicht davon ausgehen, dass das Konsultationsverfahren bereits abgeschlossen ist.
aa) Nach § 17 Abs. 2 KSchG darf die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber eine Massenentlassung erst vornehmen, nachdem das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat abgeschlossen ist (BAG vom 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 26 u. 28, a. a. O.). Dies entspricht den Vorgaben der MERL. Nach der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 in der Rechtssache C-188/03 - Junk darf die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber Massenentlassungen erst nach Ende des Konsultationsverfahrens i. S. d. Art. 2 der Richtlinie und nach der Anzeige der beabsichtigen Massenentlassung i. S. d. Art. 3 und 4 der Richtlinie vornehmen (Rn. 54, AP Nr. 18 zu § 17 KSchG). Art 2 der Richtlinie begründe eine Verpflichtung zu Verhandlungen, um über die Möglichkeiten, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken und ihre Folgen zu mildern, zu einer Einigung zu gelangen (Rn. 42 f., a. a. O.). Die praktische Wirksamkeit einer solchen Verpflichtung werde beeinträchtigt, wenn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Arbeitsverträge während oder sogar schon zu Beginn des Verfahrens kündigen dürfte, weil es für die Arbeitnehmervertretung erheblich schwieriger wäre, die Rücknahme einer bereits getroffenen Entscheidung zu erreichen als den Verzicht auf eine beabsichtigte Entlassung (Rn. 44, a. a. O.). Die Kündigung des Arbeitsvertrags dürfe also erst nach Ende des Konsultationsverfahrens ausgesprochen werden, d. h. nachdem die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Verpflichtungen nach Art. 2 der Richtlinie erfüllt habe (Rn. 45, a. a. O.). In seiner Entscheidung vom 10. September 2009 in der Rechtssache C-44/08 - Keskusliitto hat der EuGH dies nochmals bekräftigt und ergänzend ausgeführt, das Konsultationsverfahren müsse abschlossen sein, bevor eine Entscheidung über die Kündigung der Arbeitsverträge getroffen werde (Rn. 70, AP Nr. 3 zu Richtlinie 98/59/EG). Bei einem Konzern könne eine Entscheidung der Muttergesellschaft, die eine ihrer Tochtergesellschaften unmittelbar zwinge, die Verträge der von Massenentlassungen betroffenen Beschäftigten zu kündigen, erst getroffen werden, wenn das Konsultationsverfahren innerhalb dieser Tochtergesellschaft abgeschlossen sei, andernfalls müsse diese als Arbeitgeberin die Folgen der Nichteinhaltung dieses Verfahrens tragen (Rn. 71, a. a. O.).
bb) Wann das Konsultationsverfahren zumindest, was das „Ob“, den Umfang und den Zeitpunkt der Massenentlassung betrifft, als abgeschlossen betrachtet werden kann, ist noch nicht im Einzelnen geklärt (vgl. dazu BVerfG vom 25.02.2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 36, AP Nr. 65 zu Art. 101 GG).
(1) Unzweifelhaft abgeschlossen ist das Konsultationsverfahren nur, wenn sich die Betriebsparteien geeinigt haben oder wechselseitig davon ausgehen, dass alle Einigungsversuche ausgeschöpft sind und das Verfahren übereinstimmend als beendet ansehen (vgl. ErfK-Kiel, § 17 Rn. 25a; KR-Weigand, § 17 Rn. 103) oder wenn der Betriebsrat eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat (ErfK-Kiel, § 17 Rn. 25). Haben die Betriebsparteien jedoch weder eine Einigung über die geplante Massenentlassung erzielt, noch darüber, dass keine Einigung möglich ist und hat der Betriebsrat auch (noch) keine abschließende Stellungnahme abgegeben, ist offen, wann die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber das Verfahren als abgeschlossen ansehen und die Massenentlassung vornehmen darf. Insbesondere ist unklar, welche konkreten Anstrengungen die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber unternehmen muss, um mit der Arbeitnehmervertretung zu einer Einigung zu gelangen und wie viel Zeit er für die Verhandlungen und die abschließende Stellungnahme einräumen muss.
(2) Einen konkreten Zeitrahmen für die Konsultation gibt weder § 17 Abs. 2 KSchG, noch die MERL vor. Der in § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG genannte Zeitraum von zwei Wochen ab der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG bezieht sich nur auf die Massenentlassungsanzeige und betrifft nicht das Konsultationsverfahren als solches (vgl. BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 29, a. a. O.). Es kann deshalb auch offen bleiben, ob und unter welchen Umständen die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG und die Zwei-Wochen-Frist mit der MERL im Einklang steht (vgl. BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 -, Rn. 30, a. a. O.). Für den Abschluss des Konsultationsverfahrens kann der Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich nur dann Bedeutung zukommen, wenn der Betriebsrat nach vollständiger Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG innerhalb der Frist nicht reagiert und ein entsprechendes Beratungsangebot der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers nicht wahrnimmt (vgl. BAG vom 28.06.2014 - 6 AZR 780/120 - Rn. 57, AP Nr. 40 zu § 17 KSchG 1969; LAG Berlin-Brandenburg vom 26.02.2016 - 6 Sa 1581/15 - unter B. II. 2.5.1 der Gründe). In einem solchen Fall darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er seiner Beratungspflicht genüge getan hat (Reinhard, RdA 2007, 207, 214).
(3) Jedenfalls kann das Konsultationsverfahren nicht abgeschlossen sein, bevor der Arbeitgeber dem Betriebsrat nach der Erteilung aller zweckdienlichen Auskünfte nicht genügend Gelegenheit für eine abschließende Stellungnahme gegeben hat.
Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 KSchG spricht alles dafür, dass die Beratungen nach dem Satz 2 der Vorschrift zwar vor der vollständigen Unterrichtung nach ihrem Satz 1 beginnen, jedoch erst im Anschluss an diese abgeschlossen werden können. Auch nach Art. 2 der MERL, dessen Umsetzung § 17 Abs. 2 KSchG dient, muss die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen erteilen, hat sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen (EuGH vom 10.09.2009 - C-44/08 - Rn. 52, 53, a. a. O.). Damit ist es in der Regel unvereinbar, das Konsultationsverfahren mit der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats als abgeschlossen anzusehen. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber muss vielmehr eine Reaktion des Betriebsrats auf die abschießende Unterrichtung erbitten und abwarten. Sie oder er darf im Rahmen der ihr oder ihm zukommenden Beurteilungskompetenz den Beratungsanspruch des Betriebsrats erst dann als erfüllt ansehen, wenn entweder die Reaktion, die auf die „finale“ - den Willen zu möglichen weiteren Verhandlungen erkennen lassende - Unterrichtung erbeten worden war, nicht binnen zumutbarer Frist erfolgt oder sie aus Sicht der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers keinen Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen bietet (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 29, a. a. O.; vgl. auch KR-Weigand, § 17 Rn. 103).
cc) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte die endgültige Entscheidung, die Massenentlassung durchzuführen und erneut zu kündigen, zu einem Zeitpunkt getroffen, als das Konsultationsverfahren noch nicht abgeschlossen war.
(1) Nachdem die Betriebsparteien am 24. Juni 2015 über die von der Beklagten beabsichtigte erneute Massenentlassung beraten hatten, hatte die Beklagte dem Betriebsrat Gelegenheit für Ergänzungen und eine abschließende Stellungnahme bis zum folgenden Tag um 18.00 Uhr gegeben und ist hiervon auch nicht abgerückt, nachdem die Vorsitzende des Betriebsrats mit Faxschreiben vom 25. Juni 2015 eingewandt hatte, nach den Beratungen am Vortrag sei man so verbleiben, dass der Geschäftsführer nach der Besprechung mit der GGB seine Sicht der Dinge so rechtzeitig mitteile, dass das gesamte Gremium am nächsten Dienstag darüber beraten könne. Vielmehr hat die Beklagte oder die GGB als deren alleinstimmberechtigte Gesellschafterin, die endgültige Entscheidung, die geplante Massenentlassung vorzunehmen, noch am Abend des 25. Juni 2015, spätestens am Morgen des folgenden Tages getroffen und am darauf folgenden Tag, dem 27. Juni 2015, die Kündigungen erneut ausgesprochen. So heißt es am Ende der der Agentur für Arbeit Cottbus am 26. Juni 2015 per Fax zwecks Erstattung der Massenentlassungsanzeige übersandten Schreibens von demselben Tag, nach Beratungen mit GGB habe sie sich entschlossen, „die Kündigungen zu wiederholen und dies dem Betriebsrat entsprechend heute morgen (…) mitgeteilt“.
(2) Die dem Betriebsrat eingeräumte Frist für die abschließende Stellungnahme von nicht einmal 24 Stunden war viel zu kurz, als dass dieser eine realistische Chance gehabt hätte, eine solche tatsächlich abzugeben. Dabei ist zu berücksichtigten, dass Adressat der Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG der Betriebsrat als Kollegialorgan ist (BAG vom 26.02.2012 - 2 AZR 955/13 - Rn. 21 m. w. N., a. a. O.) und die Betriebsratsvorsitzende nicht anstelle des Betriebsrats handeln kann, sondern nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG diesen nur im Rahmen der von diesem gefassten Beschlüssen vertritt. Ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats setzt nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG aber eine rechtzeitige Einladung zu einer Sitzung unter Mitteilung der Tagesordnung voraus (st. Rspr. des BAG z. B. BAG vom 04.11.2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32, juris). Dass dies innerhalb der gesetzten Frist einschließlich Beratung und Beschlussfassung möglich gewesen wäre, ist lebensfremd. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - alle Betriebsratsmitglieder wegen der Einstellung der Betriebstätigkeit durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt sind und deshalb nicht so schnell zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengerufen werden können, wie wenn sie ohnehin im Betrieb anwesend sind. Jedenfalls ist dem Betriebsrat die Einhaltung einer derart kurzen Frist nach den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 BetrVG nicht zumutbar (ebenso LAG Berlin-Brandenburg vom 26.02.2016 - 6 Sa 1581/15 - unter B. II. 2.5.2 der Gründe).
(3) Die Beklagte hatte den Betriebsrat auch nicht im Vorfeld der Beratungen am 24. Juni 2015 darauf vorbereitet oder zumindest vorgewarnt, dass sie innerhalb kürzester Frist nach den Beratungen eine abschließende Stellungnahme erwartet. Den im Zusammenhang mit der Terminsuche an den Betriebsrat gerichteten Schreiben lässt sich ein solcher Hinweis jedenfalls nicht entnehmen. Nicht einmal aus dem von der Beklagten gefertigten Protokoll der Beratungen ergibt sich eine solche Erwartung. Vielmehr heißt es in dem Protokoll lediglich, dass Ergänzungen zum heutigen Gespräch und den dem Gespräch vorangegangenen Schreiben des Betriebsrats noch bis 12.00 Uhr des folgenden Tages möglich seien. Vor einer abschließenden Stellungnahme ist keine Rede.
(4) Die Beklagte konnte auch nicht darauf verzichten, dem Betriebsrat Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme zu geben. Dabei kann offen bleiben, ob die Betriebsparteien nach den Beratungen am 24. Juni 2015 tatsächlich so verblieben waren, wie von der Betriebsratsvorsitzenden in ihrem Schreiben vom 26. Juni 2015 geschildert, und ob der Betriebsrat vor der Abgabe einer abschließenden Stellungnahme erwarten konnte, von dem Geschäftsführer über das Ergebnis der Besprechung mit der GGB informiert zu werden. Denn die Möglichkeit zu einer abschließenden Stellungnahme war schon deshalb erforderlich, weil an den Beratungen nicht der gesamte Betriebsrat sondern nur dessen Vorsitzende zusammen mit einem juristischen und einem sachverständigen Berater teilgenommen hatte und der Verhandlungskommission während der Beratungen weitere für die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats relevante Auskünfte erteilt worden sind, bezüglich deren noch keine Rückkopplung mit dem Gremium und erst recht keine Beratung innerhalb des Gremiums stattfinden konnte.
So hatte die Beklagte für die Beratungen als Diskussionsgrundlage eine Präsentation erstellt, die u. a. eine Analyse der Besitzstände der noch verbliebenen Beschäftigten nach dem ÜTV VTV und nähere Angaben zu der aus Sicht der Beklagten erforderlichen Absenkung der Vergütung enthielt. Weiter wurde der Verhandlungskommission des Betriebsrats die von diesem mit Schreiben vom 17. Juni 2015 gebetene Liste mit den Beschäftigten übergeben, deren Arbeitsverhältnis zwischen Februar 2015 und dem 30. Juni 2015 geendet hatte. Dafür, dass die Präsentation weitere dem Betriebsrat bisher jedenfalls so noch nicht vorliegende Informationen enthielt, spricht auch die Bitte der Betriebsratsvorsitzende, ihr die Präsentation bis Montag zur Verfügung zu stellen, weil der Betriebsrat als Gremium am Dienstag zusammensitzen werde. Außerdem werden im Rahmen von Beratungen regelmäßig weitere Auskünfte erteilt oder bereits erteilte Auskünfte weiter verdeutlicht, so dass in aller Regel nicht darauf verzichtet werden kann, nach Beratungen mit einer Verhandlungskommission des Betriebsrats, diesem vor einer endgültigen Entscheidung nochmals die Möglichkeit für eine abschließende Stellungnahme zu geben. Dass dies jedenfalls im vorliegenden Fall notwendig ist, das sah offensichtlich auch der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten so. Denn anders lässt sich der Inhalt der E-Mail vom 24 Juni 2015 nicht erklären.
c) Die Klägerin hat auch erstinstanzlich die nicht ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens gerügt.
3. Danach war dem Kündigungsschutzantrag bezüglich der streitgegenständlichen Kündigungen stattzugeben, ohne dass es noch auf die weiteren von der Klägerin erstinstanzlich erhobenen Rügen ankam. Mit der erst im Rahmen des Berufungsverfahrens erhobenen Rüge der mangelnden Bestimmtheit der Kündigungen ist die Klägerin nach § 6 Satz 1 KSchG aufgrund des entsprechendem Hinweises des Arbeitsgerichts in der Güteverhandlung am 16. März 2015 (Bl. 42 d. A.) präkludiert.
B. Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls zulässig, jedoch nicht begründet.
I. Die Berufung ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Auch wenn der Wert des Zahlungsantrages (Klageantrag zu 1.) 600,00 Euro nicht übersteigt, ist aufgrund des Wertes des Feststellungsantrages (Klageantrag zu 2.) der erforderliche Beschwerdewert ohne weiteres erreicht. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage bezüglich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einschließlich Verzugszinsen zu Recht stattgegeben. Der Zahlungsantrag und der Feststellungsantrag, die die Entgeltfortzahlung zum Gegenstand haben, sind zulässig und begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung der für Zeiten ihrer Arbeitsunfähigkeit in den Monaten Oktober und Dezember 2014 sowie Januar 2015 nachträglich gekürzten Besitzstandszulage verlangen. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 17 Abs. 1 MTV BVD. Nach § 17 Abs. 1 MTV BVD sind das Monatsgrundentgelt und die Zulagen bis zum 27. des laufenden Monats zu zahlen. Die Beklagte ist verpflichtet, die Besitzstandszulage nach dem ÜTV VTV in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einzubeziehen.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG haben Beschäftigte, wenn sie durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass sie ein Verschulden trifft, einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist Beschäftigten für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihnen bei der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Nach dem im § 4 Abs. 1 EFZG verankerten Entgeltausfallprinzip erhalten Beschäftigte grundsätzlich die volle Vergütung für die ausgefallene regelmäßige Arbeitszeit (vgl. BAG vom 01.09.2010 - 5 AZR 557/09 - Rn. 11, NZA 2010, 1360). Hierzu gehört - wie bereits mehrere Kammern des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg entschieden haben - auch die Besitzstandszulage nach Abschnitt B Teil 2 I. ÜTV VTV.
2. Die Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat dazu im Urteil vom 12. Dezember 2014 - 3 Sa 1427/14 - (Rn. 70 ff. zitiert nach juris) Folgendes ausgeführt:
„Wie sich bereits aus der Überschrift des Teils 2 zum ÜTV VTV ergibt, werden dort Vorschriften zur Entgeltsicherung geregelt. Mit der Zahlung der Besitzstandszulage wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer, die nach dem Vergütungstarifvertrag Nr. 10 und dem Anerkennungstarifvertrag vom 10. Mai 2012 und sonstigen Vergütungstarifverträgen, die allesamt mit Inkrafttreten des MTV BVD und des VTV BVD aufgehoben wurden, ein höheres Monatsgrundentgelt beanspruchen konnten als das Monatsgrundentgelt der Anlage 3 zum VTV BVD zuzüglich der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 bis 4 VTV BVD jedenfalls weiter ein Arbeitsentgelt in Höhe ihres bisherigen Monatsgrundentgelts beanspruchen können. Bei der unter Teil 2 aufgeführten Besitzstandszulage handelt es sich demnach um Arbeitsentgelt.
cc) Mit den Bestimmungen in § 22 Abs. 8 MTV BVD iVm. der Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV in der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg ist nicht wirksam eine von den Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EFZG abweichende Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung getroffen worden, wonach die Besitzstandszulage nach Abschnitt B Teil 2 I. ÜTV VTV nicht bei der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen ist.
(1) Durch Tarifvertrag kann nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 17, ZTR 2014, 609; 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 110, 90; vgl. auch BT-Drs. 12/5798 S. 26).
(2) Nach § 22 Abs. 8 MTV BVD iVm. der Sonderreglung in der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg, die aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden sind, ist als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen. Das Monatsgrundentgelt bestimmt sich nach § 14 MTV nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag. Der VTV BVD enthält keine Regelungen zur Zahlung der Besitzstandszulage. Damit wird weder durch den MTV BVD noch durch den VTV BVD festgelegt, dass dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall als Entgeltfortzahlung auch die Besitzstandszulage weiterzuzahlen ist. Allerdings wird in diesen beiden Tarifverträgen auch nicht ausdrücklich ausgeführt, dass die Besitzstandszulage nicht als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten ist. Demnach schließt der Wortlaut der tariflichen Bestimmungen im MTV BVD und VTV BVD nicht zwingend aus, dass als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage nach dem ÜTV VTV zu zahlen ist. Zu beachten ist ferner, dass Grundlage für den Anspruch auf Zahlung der Besitzstandszulage der ÜTV VTV und nicht der MTV VTV ist. Im ÜTV VTV wird im Abschnitt B Teil 2 I. normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer eine Besitzstandszulage erhält. Diese knüpft gerade an das Monatsgrundentgelt an. Der Arbeitnehmer soll danach die Zulage erhalten, wenn sein Monatsgrundentgelt nach den neu in Kraft getretenen tariflichen Bestimmungen niedriger als sein bisheriges Monatsgrundentgelt gewesen ist. Demnach kann bereits die Regelung in Abschnitt B Teil 2. I. ÜTV VTV dafür sprechen, dass immer dann, wenn ein Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Monatsgrundentgelts (gegebenenfalls anteilig im Monat) hat, ihm nach dem ÜTV VTV auch die Besitzstandszulage (gegebenenfalls anteilig im Monat) zu zahlen ist. Einer solchen Auslegung steht Abschnitt B Teil 2. II. ÜTV VTV nicht entgegen, da diese Bestimmung keine Aussagen darüber enthält, ob und in welchen Fällen die Besitzstandszulage neben dem Monatsgrundentgelt an den Arbeitnehmer zu zahlen ist, sondern nur regelt, in welchen Fällen sich die Zahlung der Besitzstandszulage auf im MTV geregelte Zuschläge auswirkt.
(3) Es kann letztlich aber dahingestellt bleiben, ob § 22 Abs. 8 MTV BVD in der Fassung der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg iVm. Abschnitt B Teil 2 I. ÜTV VTV - gesetzeskonform - dahin auszulegen ist, dass als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage zu leisten ist. Denn durch die tariflichen Regelungen kann nicht in Abweichung zu §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG wirksam bestimmt werden, dass die Arbeitnehmer ausschließlich als Entgeltfortzahlung das Monatsgrundentgelt nach dem jeweils gültigen VTV BVD erhalten, ihnen aber die Besitzstandszulage, die sie im Falle der Erbringung der Arbeitsleistung hätten beanspruchen können, im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht zu zahlen ist.
(a) Im Rahmen des § 4 Abs. 4 EFZG sind zwar auch Abweichungen zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90). Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - aaO; so insgesamt zB BAG 20. August 2014 - 10 AZR 583/13 - Rn. 23, NZA 2015, 58; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 18, ZTR 2014, 609). Es entspricht dem Wortlaut des Gesetzes und auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 12/5798 S.- 26), dass durch die Tarifvertragsparteien die der Berechnung zugrunde zu legende Zusammensetzung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts abweichend von § 4 Abs. 1 EFZG festgelegt werden kann (zB hinsichtlich Überstunden- und Nachtarbeitsvergütung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es weitgehend der Beurteilung der Tarifvertragsparteien obliegt, ob, aus welchem Anlass und in welchem Umfang Zuschläge in Tarifverträgen geregelt werden. Danach können die Tarifvertragsparteien zwar einzelne Entgeltbestandteile ausklammern, die Grundvergütung ist aber in vollem Umfang in die Entgeltfortzahlung einzubeziehen (vgl. hierzu BAG 13. März 2002 - 5 AZR 648/00 - zu III 2 c und d der Gründe, NZA 2002, 1373).
(b) Durch eine Nichtberücksichtigung der Besitzstandszulage bei der Entgeltfortzahlung wird der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet und der Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung ist nicht mehr gewahrt. Bei der in Abschnitt B Teil 2 I. ÜTV VTV geregelten Besitzstandszulage handelt es sich nicht etwa um eine Zulage für besondere Belastungen oder Erschwernisse, sondern um einen im Synallagma stehenden Bestandteil der Vergütung. Die Besitzstandszulage ist Teil der Grundvergütung des Arbeitnehmers, weil durch deren Zahlung in Verbindung mit dem zu zahlenden Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV gerade die Gegenleistung für die geschuldete Arbeitstätigkeit erbracht wird. Die Arbeitnehmer, die die Besitzstandszulage erhalten, hatten vor Inkrafttreten des MTV BVD und des VTV BVD einen Anspruch auf Zahlung eines höheren Monatsgrundentgeltes als ihnen nach den neuen tariflichen Regelungen im VTV BVD zusteht. Wie sich bereits aus der Bezeichnung „Besitzstandszulage“ ergibt, soll durch die Zahlung dieser Zulage gerade sichergestellt werden, dass der Besitzstand bezogen auf das damalige Monatsgrundentgelt gewahrt wird. Die Arbeitnehmer erhalten damit für die zu erbringende Arbeitsleistung trotz des neuen Vergütungssystems weiter ein Arbeitsentgelt in der bisherigen Höhe. Damit wird aber durch die Zahlung der Besitzstandszulage iVm. mit dem Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV BVD auch weiter der Wert der Arbeitsleistung bestimmt.
(c) Dass zB nach dem 31. Dezember 2012 neu eingestellte Arbeitnehmer nach dem Inkrafttreten der allgemeinverbindlichen Tarifverträge für ihre Arbeitsleistung lediglich ein Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV beanspruchen können, steht der Annahme, dass die Besitzstandszulage eine Leistung ist, die im Synallagma zur Arbeitsleistung steht, nicht entgegen. Denn der Wert der Arbeitsleistung kann sowohl von den Tarifvertrags- als auch von den Arbeitsvertragsparteien unterschiedlich bestimmt werden. Durch die Besitzstandszulage soll sichergestellt werden, dass der bereits einmal erreichte „Wert der Arbeitsleistung“ erhalten bleibt. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituationen kann auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der vergütungsmäßigen Bewertung der Arbeitsleistung durch einen Tarifvertrag differenziert werden.
(d) Unerheblich ist, dass die Besitzstandszulagen in unterschiedlicher Höhe an Arbeitnehmer zu leisten sind, und damit auch einen unterschiedlichen prozentualen Anteil der gesamten Grundvergütung für die geschuldete Arbeitsleistung ausmachen. Denn solange die Besitzstandszulage nach dem ÜTV BVD von einem Arbeitnehmer beansprucht werden kann, soll durch die Zahlung dieser Zulage sichergestellt werden, dass der Wert der Arbeitsleistung sich nicht verschlechtert und der Arbeitnehmer damit im Umfang seines erworbenen Besitzstandes auch die Arbeitsvergütung beanspruchen kann. Tatsächlich kann im Übrigen die Besitzstandszulage auch einen ganz erheblichen Bestandteil der monatlich zu zahlenden Vergütung ausmachen, da sie - jedenfalls - zum Teil in einer Größenordnung zwischen 400,00 und 1.000,00 Euro zu zahlen ist.
(e) Da in dem ÜTV BVD die Leistung einer Besitzstandszulage festgelegt wurde und es sich hierbei um einen Vergütungsbestandteil handelt, der im Synallagma mit der Arbeitsleistung steht und deren Wert bestimmt, ist es für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ohne Bedeutung, ob die Tarifvertragsparteien die Zahlung einer Besitzstandszulage hätten vereinbaren müssen. Denn nach § 3 Abs. 1 EFZG soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. Da die Substanz der Entgeltfortzahlung nicht durch tarifliche Vorschriften angetastet werden darf, dürfen die Tarifvertragsparteien keine Regelungen treffen, wonach im Krankheitsfall solche - tariflichen - Vergütungsbestandteile nicht mehr gezahlt werden, die die Substanz der Entgeltfortzahlung ausmachen.
3. Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an (gleichfalls LAG Berlin-Brandenburg vom 09.12.2015 - 4 Sa 1271/15 -; im Ergebnis ebenso auch u. a. LAG Berlin-Brandenburg vom 14.10.2015 - 23 Sa 630/15 -; vom 18.02.2014 - 15 Sa 2136/14 -; vom 12.02.2014 - 14 Sa 1552/14 -; 25.11.2014 - 11 Sa 1551/14 -; vom 24.10.2014 - 6 Sa 955/14 -; vom 21.10.2014 - 16 Sa 1094/14 -).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
D. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.