BAG: Tarifvertragliche Öffnungsklausel
BAG , Urteil vom 20.10.2010 - Aktenzeichen 4 AZR 105/09 (Vorinstanz: LAG Frankfurt/Main vom 06.03.2008 - Aktenzeichen 9 Sa 798/07; ) (Vorinstanz: ArbG Frankfurt/Main vom 19.04.2007 - Aktenzeichen 19 Ca 592/07; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Wenn ein Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält, nach der beim Vorliegen bestimmter, im Tarifvertrag genannter Voraussetzungen die Tarifvertragsparteien einer von den Tarifregelungen abweichenden Betriebsvereinbarung zustimmen "sollen", kann eine der Parteien des Tarifvertrages von der anderen die Zustimmung verlangen, wenn die tariflich bestimmten Voraussetzungen vorliegen, wenn die Betriebsvereinbarung die tariflichen Anforderungen erfüllt (hier: Zweck der Beschäftigungssicherung und der Wettbewerbsverbesserung, Einhaltung eines bestimmten Absenkungsrahmens) und wenn die andere Partei nicht das Vorliegen eines besonderen Ausnahmesachverhaltes geltend machen kann. Orientierungssätze: 1. Die Klage einer Tarifvertragspartei gegen die andere Tarifvertragspartei auf Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung (hier: Zustimmung zu einer Betriebsvereinbarung, die im Hinblick auf eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag geschlossen worden ist) ist zulässig. 2. Der Grundsatz der Unzulässigkeit eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB kann die Ausübung eines Rechts behindern, nicht jedoch einen ansonsten nicht bestehenden Anspruch erst schaffen. 3. Eine tarifvertragliche Klausel, die das Erfordernis der Zustimmung einer Tarifvertragspartei zu einer abweichenden Betriebsvereinbarung regelt, gehört zum schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages. 4. Die in § 18 Nr. 2 Satz 3 RTV 2005 getroffene Regelung, wonach im Falle der begründeten Notwendigkeit abweichender betrieblicher Regelungen zu bestimmten, im RTV 2005 aufgeführten Zwecken, einer Betriebsvereinbarung über abweichende Arbeitsbedingungen von den Tarifvertragsparteien zugestimmt werden "soll", gewährt einer Tarifvertragspartei gegen die andere Tarifvertragspartei einen schuldrechtlich begründeten Anspruch auf die Erteilung dieser Zustimmung, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen und wenn die andere Partei nicht das Vorliegen eines besonderen Ausnahmesachverhaltes geltend machen kann. 5. Der in einem solchen Fall bestehenden Verpflichtung zur Zustimmungserklärung steht die tarifautonome Entscheidungsbefugnis der einzelnen Koalition aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht entgegen. Sie ist vielmehr Ergebnis der tarifautonom vereinbarten Öffnungsklausel mit - begrenzter - Zustimmungspflicht, zu deren Einhaltung sich die Tarifvertragspartei mit dem Abschluss des Tarifvertrages für den Fall des Vorliegens der tariflichen Voraussetzungen schuldrechtlich verpflichtet hat. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 133; BGB § 157; TVG § 1 Abs. 1; Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg (RTV 2005 vom 26. April 2005) § 18; Redaktionelle Normenkette: GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 133; BGB § 157; BGB § 242; TVG § 1 Abs. 1; Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg (RTV 2005 vom 26. April 2005) § 18; ArbRB 2011, 107 AuA 2010, 723
| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||