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Arbeitsrecht
31.03.2008
Arbeitsrecht
: Tarifforum 2008 Weshalb wir uns mit unseren Unternehmen für Verbands- und nicht für Firmentarifverträge entschieden haben

Dr. Christoph Hack

Tarifforum 2008

Weshalb wir uns mit unseren Unternehmen für Verbands- und nicht für Firmentarifverträge entschieden haben

I.    „Wir" - die Unternehmen im Konzern

„Wir", die sich für Verbands- und nicht für Firmentarifverträge entschieden haben, sind ein weltweit tätiger Konzern mit unterschiedlichen Unternehmen. Diese Unternehmen begutachten, prüfen und überwachen mit qualifizierten Mitarbeitern Objekte zur technischen Sicherheit. Darüber hinaus bestehen Akademien für die Aus- und Weiterbildung und zur Auswahl von Bewerbern für unsere Kunden.

II.      Erfahrungen aus den Nachteilen und Schwächen von Einzelverträgen und Betriebsvereinbarungen

Wir haben jahrzehntelang im TÜV Rheinland e.V. und später nach Ausgliederungen unterschiedlicher Tätigkeitsfelder die Arbeitsbedingungen unserer Beschäftigten auf der Grundlage von Einzelverträgen und Betriebsvereinbarungen gestaltet. Dies war ein zum Teil zeitraubender und zum Teil nicht genügend sicherer Weg:

1.       Wir haben durch die Rechtsprechung des BAG erkennen müssen, dass Einzelverträge nicht ohne eindeutige Bezugnahme auf kollektive Regelungen den Anpassungen der kollektiven Regelungen folgen.

2.       Ebenso haben wir durch zahlreiche von Betriebsräten teilweise bis zum BAG geführte Rechtsstreitigkeiten erkennen müssen, dass die Betriebsvereinbarungen zum Teil nicht auf einer rechtssicheren Grundlage stehen.

Zum einen lässt der Vorrang eines üblichen Tarifvertrages im räumlichen und fachlichen Bereich eines nicht tarifgebundenen Unternehmens gemäß der Bestimmung des § 77 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz keinen oder nur einen relativ geringen Gestaltungsspielraum für Betriebs-vereinbarungen zu.

Zum anderen unterliegt jede Betriebsvereinbarung, selbst wenn sie durch eine Einigungsstelle im Sinne des § 76 BetrVG zustande gekommen ist, einer umfassenden richterlichen abstrakten und sogar konkreten auf den Einzelfall bezogenen „Billigkeitskontrolle". Dies hat jeweils einzelne Betriebsräte, wenn ihnen ein Einigungsstellenspruch nicht gepasst hat, zur Anfechtung von Sprüchen der Einigungsstelle bewogen.

Beispiel:

Die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Höhe des Gehaltsvolumens erlaubt der Einigungsstelle keinen Spruch über die Höhe der Gehälter, sondern nur über die Verteilung des vom Arbeitgeber vorgegebenen finanziellen Volumens auf die Mitarbeiter- oder Gehaltsgruppen. Wenn daher eine Einigungsstelle direkt oder indirekt auch über das Volumen entscheidet, indem es der Betriebsvereinbarung eine Gehaltstabelle anfügt, kann dies zur Unwirksamkeit des Spruchs und der Betriebsvereinbarung führen. Der Betriebsrat braucht nur die üblichen Rollen zu vertauschen und im Prozess vorzutragen, dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestanden hat und daher die Einigungsstelle den Spruch nicht fällen durfte.

Nur mit dieser Erkenntnis kann ein Arbeitgeber nicht bleiben. Er strebt in der Regel die rechtssichere Ordnung der Arbeitsbedingungen an, durch Transparenz die soziale Ruhe herbeizuführen und Planungssicherheit zu haben. Dies liegt im allseitigen Interesse, damit sich Unternehmen und Beschäftigte weniger der Diskussion ihrer Arbeitsbedingungen, als vielmehr der Bewältigung der täglichen Arbeit widmen.

Wir haben wegen der Nachteile der Betriebsvereinbarungen und einheitlichen Einzelverträge im Interesse der Rechtssicherheit und auch einer möglichst bestandsfesten Zukunftsplanung beschlossen, einem Tarifträgerverband als Mitglied beizutreten, um auf der Grundlage von Tarifverhandlungen die Arbeitsbedingungen zu handhaben und uns den ständigen unternehmens- und betriebsinternen Auseinandersetzungen mit Betriebsräten soweit wie möglich zu befreien.

III.      Umschau in der Tariflandschaft

Nach den relativ schlechten Erfahrungen der Vergangenheit gab es für uns nur den rechtssicheren Weg zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch einen Firmen- oder Flächentarifvertrag. Die in Tochtergesellschaften ausgegliederten Tätigkeitsbereiche der TÜV standen durch die Öffnung des Wettbewerbs nicht mehr im Alleinauftrag des Staates.

Im Vordergrund unserer Überlegungen stand daher, dass die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten 

-          zu den die Unternehmen jeweils prägenden Dienstleistungen passen,

-          alle wesentlichen Tätigkeiten erfassen,

-          am Markt orientiert sind,

-          dem Arbeitgeber und den Beschäftigten genügend Flexibilität geben,

-          eine rechtssichere tragfähige Grundlage bilden und

-          nicht dem Arbeitgeber oder dessen beauftragten Führungskräften zeit- und kraftraubende Verhandlungen mit dem Sozialpartner aufzuerlegen, sondern die Zeit und Kraft in erster Linie in die Produktivität und Ertragskraft der Unternehmen zu investieren und die Verhandlungen mit dem Sozialpartner auf einen Verband als Dienstleister zu delegieren.

Wir haben uns in der Tariflandschaft umgesehen. Hierbei erschien zwei unserer Konzernunternehmen, die in der klassischen Dienstleistung der Anlagentechnik - heute „Industrieservice" - tätig sind, das Tarifwerk der Tarifgemeinschaft TÜV als passend. Die Tarifgemeinschaft TÜV hatte gemeinsam mit der damaligen Gewerkschaft ÖTV (heute ver.di) in den Verbandstarifverträgen Mitte der 90er Jahre eine Zäsur zwischen den für Alttarifbeschäftigte auslaufenden alten Tarifregelungen und den am Markt orientierten tätigkeits- und leistungsorientierten Vergütungsregelungen vorgenommen. Die Tarifvertragsparteien hatten zahlreiche Tarifbestimmungen gleichsam „entstaubt". Sie haben u. a. auch die Jahresarbeitszeit eingeführt. Erst nach Überschreitung der Ausgleichszeiträume entsteht nach dem Willen dieser Tarifvertragspartner Mehrarbeit mit Zuschlägen. Diese Tarifvertragsparteien haben sich darüber hinaus als kreativ und innovativ bis zum heutigen Tag erwiesen, obgleich die Wege sehr dornenreich waren.

Ende des Jahres 2007 haben die Tarifvertragsparteien sogar Abweichungen vom Bundestarifvertrag in Form von Tarifmodulen vereinbart.

Nun muss nicht im Konzern unbedingt jedes Unternehmen dem gleichen Arbeitgeberverband angehören.

Unser Konzernunternehmen TÜV Kraftfahrt GmbH strebte gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband ar.di flexible, marktorientierte tarifliche Arbeitsbedingungen an. Das Besondere an ar.di lag für unsere TÜV Kraftfahrt GmbH darin, dass sie sich nicht etwa an einen bei ar.di vorhandenen Tarifvertrag gebunden hat. Vielmehr hat das Unternehmen gemeinsam mit ar.di  mit ver.di erarbeitet. Die weitere Besonderheit besteht darin, dass zwar für die Branche „Kraftfahrtprüfwesen" bundeseinheitliche Tarifverträge vereinbart wurden. Aber der Manteltarifvertrag lässt Abweichungen durch Tarifmodule zu Gunsten unserer Kraftfahrt GmbH zu, z. B. in der Form, dass Beschäftigte, die am Unternehmenswachstum und Unternehmens-erfolg beteiligt werden wollen, je nach Beschäftigtengruppe Arbeitszeitsouveränität haben oder im Team die Arbeitszeit bis hin zu den Öffnungszeiten gestalten. Diese Form der Erfolgsbeteiligung wäre bei unveränderter Anwendung des bundeseinheitlichen Manteltarifvertrages tarifrechtlich, betriebsverfassungs- und individualrechtlich nicht möglich gewesen.

Unsere Wahl fiel daher auf den Verbandstarifvertrag sowohl der TG TÜV als auch von ar.di, weil diese beiden Arbeitgeberverbände gemeinsam mit der ÖTV (heute ver.di) die für unsere Unternehmen im Dienstleistungsbereich besonders wichtigen innovativen Tarifregelungen geschaffen haben.

Hierbei standen für unsere Unternehmen insbesondere auch die Tarifmodule im Vordergrund unserer Ziele. Es war für unsere Unternehmen von elementarer Bedeutung, dass der Tarifträgerverband ar.di mit ver.di die Tarifregelungen zwar auf der Verbandsebene, aber dennoch durch unternehmensspezifische Tarifmodule neu gestaltet hat.

Für die Unternehmen, die der TG TÜV mit dem bereits bestehenden Tarifnormen lediglich als neue Mitglieder beigetreten sind, war demgegenüber maßgebend, dass die Tarifvertragsparteien die monopolistische Vergangenheit in den Tarifnormen hinter sich gelassen und ab dem  Jahr 1995 für neu eingestellte Mitarbeiter die Zukunft mit modernen Tarifverträgen angegangen sind.

Wir haben nicht versucht, das Monopol zu halten, obgleich es nahe gelegen hätte, der Liberalisierung der Technischen Überwachung mit dem historischen Gedanken der Technischen Überwachung entgegen zu treten: „Technische Sicherheit und Wettbewerb vertragen sich nicht!"

Vielmehr haben wir uns - anders als es in einem jüngsten Beispiel zu einer Beendigung eines Monopols politisch heftig diskutiert worden ist, dem Wettbewerb mit einem hohen  Maß an Qualität der Prüf- und Überwachungsleistungen gestellt. Die Entwicklungen haben uns und den Tarifvertragspartnern Recht gegeben,  nicht an der Historie und angeblich „Bewährtem" festhalten zu wollen, sondern innovative Wege einzuschlagen.

IV. Vor- und Nachteile von Firmen- und Verbandstarifverträgen

Wir haben uns bei der Umschau in der Tariflandschaft auf der Suche nach einem passenden Tarifvertrag auch darüber sachkundig gemacht, welches die Vor- und Nachteile jeweils von Verbands- und Firmentarifverträgen sind. Wir haben daher damals zunächst die für uns maßgeblichen positiven und negativen Gesichtspunkte bezogen auf beide Formen von Tarifverträgen unter Zuhilfenahme zusätzlicher externer Empfehlungen und Beratungen zusammengestellt.

Unsere danach weiter gesammelten tarifpolitischen und rechtlichen Erfahrungen haben uns darin bestätigt, dass wir - jedenfalls aus unserer Sicht und der Sicht der Gewerkschaft ver.di sowie der Mitarbeiter - keine Fehlentscheidung getroffen haben.

1.   Vor- und Nachteile des Flächen-/Verbandstarifvertrages

Grenzen wir zunächst rechtlich den Verbands- vom Firmentarifvertrag ab:

Der Verbandstarifvertrag wird von einem nach der Satzung zuständigen Arbeitgeberverband mit einer nach der Satzung zuständigen Gewerkschaft vereinbart. Die Mitgliedunternehmen sind tarifgebunden, wenn sie satzungsgemäß Mitglieder mit Tarifbindung (m. T.) sind. Für diese gilt der Tarifvertrag ebenso wie für die Tarifgebundenen, in der zuständigen Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer wie eine Gesetzesnorm.

Der Firmentarifvertrag (Haustarifvertrag) wird von einem Unternehmen mit einer Gewerkschaft für dessen tarifgebundene Arbeitnehmer abgeschlossen. Beide Arten von Tarifverträgen wirken als zwingende Normen auf die Arbeitsverhält-nisse der tarifgebundenen Mitarbeiter ein. Für die nicht Tarifgebundenen wird der maßgebliche Tarifvertrag in der Unternehmenspraxis vertraglich in Bezug genommen.

a)   Vorteile

-          Der Arbeitgeberverband/Tarifträgerverband übernimmt mit speziellem Wissen in Tarifpolitik, Tarifrecht, Arbeits- und Wirtschaftsrecht die Tarifverhandlungen im Auftrag seiner Mitglieder. Er entlastet die Unternehmen, die ansonsten die Arbeitsbedingungen selbst aushandeln müssten, von der zum Teil sehr zeitraubenden und mit relativ hohen Kosten verbundenen Aufgabe, ansonsten auf der Unternehmensebene eigene firmenbezogene Tarifverhandlungen führen zu müssen, dies zumindest unter hohem gewerkschaftlichen Druck.

-          Einzelne Unternehmen, die nicht das tarifpolitische und tarifrechtliche Wissen vorhalten können, delegieren Zeitaufwand, Arbeit und weitere für die Tarifverhandlungen erforderlichen Dienstleistungen an den Verband.

-          Kleinere und mittelständische Unternehmen müssen durch die Delegation der Verhandlungsaufgaben nicht befürchten, von einer übermächtigen Gewerkschaft mit gewerkschaftspolitischen Zielen und Ideologien gleichsam erdrückt zu werden und über das wirtschaftlich vertretbare Maß hinaus aus der Drucksituation heraus und zur Vermeidung von Schäden von Arbeitskämpfen zu materiellen Zugeständnissen gezwungen zu sein.

-          Die Tarifvertragsparteien können die Tarifergebnisse an der wirtschaftlichen Kraft mittlerer Mitgliedsunternehmen ausrichten.

-          Verteilungskonflikte zwischen Kapital und Arbeit werden auf der Bundesebene oder einer regionalen Ebene von den Verbänden und nicht den einzelnen Unternehmen ausgetragen. Verteilungskämpfe finden daher grundsätzlich nicht im Betrieb statt, es sei denn, dass die Gewerkschaft ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Betrieb bestreikt.  Soziale Unruhen im Betrieb sind bei der Durchsetzung von Forderungen im Verbandstarifvertrag schwächer als bei der Durchsetzung von Forderungen in Firmentarifverträgen.

-          Tarifverhandlungen auf einer vom Unternehmen oder Betrieb angehobenen höheren Ebene entkoppeln in der Regel die unternehmensspezifischen Interessen der Betriebsräte an Einzellösungen und berücksichtigen stärker die allgemeinen Interessen aller dem Verband angeschlossenen Unternehmen.

-          Tarifmodule, die mit der Gewerkschaft auf der Verbandsebene in Abweichung vom ansonsten geltenden Verbandstarifvertrag vereinbart werden können, berücksichtigen unternehmens- und spartenspezifische Erfordernisse. Diese neue Form von Tarifverträgen hilft jedenfalls dann weiter, wenn die Gewerkschaft zur Erhaltung der Tarifmacht keine Öffnungsklausel zugesteht.

-          Das Unternehmen muss nicht - wie beim Haustarifvertrag -  Verhandlungs-kapazität und besonderes tarifpolitisches und tarifrechtliches Wissen vorhalten oder erst aufbauen, sondern es bedient sich des Verbandes als eines externen Dienstleisters. Das einzelne Mitgliedunternehmen kann im Verband sein Wissen, seine Erfahrungen und sein Votum einbringen. Es kann im Vorstand des Verbandes, der Mitgliederversammlung, den Fachausschüssen oder in der Verhandlungskommission mitwirken.

-          Der Verband wirkt zwischen dem einzelnen Mitgliedunternehmen und der Gewerkschaft wie ein Puffer. Der Puffer federt die unterschiedlichen Forderungen, Gegenforderungen und Verhandlungspositionen ab.

b)   Nachteile

a)       Die Tarifverhandlungen werden auf der Bundesebene oder auf einer regionalen Ebene zentral geführt und zu wenig auf die unternehmensspezifischen Belange ausgerichtet. Häufig werden nicht genügend unternehmensnahe Tarifregelungen geschaffen. Dem kann durch Tarifmodule (sieh unter 1. g)) jedoch entgegengewirkt werden. Auch tarifliche Öffnungsklauseln sind anzustreben. Leider werden sie von einzelnen Gewerkschaften abgewehrt.

b)       Das einzelne Mitgliedunternehmen im Verband unterliegt mehr oder weniger einer „Fremdbestimmung" durch die Tarifvertragsparteien, die sich oft genug auch von ideologischen Interessen leiten lassen und zu wenig Rücksicht auf die Belange der einzelnen Unternehmen nehmen.

2.      Firmentarifvertrag

Beim Firmentarifvertrag sehen wir folgende Vor- und Nachteile:

a)   Vorteile

Die Tarifvertragsparteien (Arbeitgeber und Gewerkschaft) schaffen nach Möglichkeit unternehmensnahe Regelungen, also Regelungen, die stärker als im Flächentarifvertrag auf das einzelne Unternehmen zugeschnitten sind.

b)   Nachteile

a)         Der einzelne Arbeitgeber verhandelt mit den Gewerkschaftsvertretern und nicht mit dem Betriebsrat. Jedoch sitzen in der Regel Betriebsratmitglieder mit am Verhandlungstisch, allerdings nicht in der Funktion als Betriebsratmitglieder, sondern als Gewerkschaftsvertreter.

Hierdurch kann eine Addition von Betriebsratinteressen und Gewerkschaftsinteressen entstehen.

b)         Das einzelne Unternehmen steht als Tarifvertragspartei einem übermächtigen Gegner (der Gewerkschaft) gegenüber.

Die Gewerkschaftsfunktionäre sind ideologisch und gewerkschaftspolitisch geschult. Sie haben in der Regel ein umfassendes tarifpolitisches, tarif- und arbeitsrechtliches Wissen. Der einzelne Arbeitgeber muss zur Vermeidung eines Verhandlungsnachteiles das tarifpolitische und tarifrechtliche Know-how in den eigenen Reihen schaffen und vorhalten oder externe Dienstleister auf der Arbeitgeberseite hinzuziehen.

c)       Der einzelne Arbeitgeber muss mit der Gewerkschaft eigenständige Tarifverhandlungen mit Zeit-und Kraftaufwand führen. Dies gilt sowohl bei der erstmaligen Schaffung eines Firmentarifvertrages als auch bei Verhandlungen über den gekündigten Firmentarifvertrag. Hierdurch entstehen mittelbar und unmittelbar hohe Kosten für das Unternehmen.

d)       Das einzelne Unternehmen ist bei Tarifverhandlungen einem viel stärkeren Druck als der Arbeitgeberverband mit einer Vielzahl von Mitgliedern ausgesetzt. Durch den Firmentarifvertrag ermöglicht es der Arbeitgeber der Gewerkschaft, nach Ablauf der noch während der Laufdauer des Firmentarifvertrages bestehenden Friedenspflicht zu Streikaktionen aufzurufen und diese mit starkem Druck auf den Arbeitgeber abzuwickeln. Das einzelne Unternehmen, das sich zugleich hohem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sieht, kann in der Regel Streikaktionen nicht durchstehen.

Demgegenüber treffen  beim Flächentarifvertrag die Streikaktionen höchstens einige wenige Arbeitgeber aus einer Vielzahl von Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes. Die einzelnen Mitglieder werden durch Streikfonds, die auf der Arbeitgeberseite gebildet sind, unterstützt.

e)       Der Druck der Gewerkschaften und Betriebsräte auf Zugeständnisse des Arbeitgebers führt mittel- oder langfristig dazu, dass die Firmentarifverträge für den Arbeitgeber im Vergleich zum Flächentarifvertrag zu teuer werden. Firmentarifverträge können nach den Erfahrungen der Tarifexperten in zweistelligen Prozentzahlen oberhalb des materiellen Levels von Flächentarifverträgen enden.

Für diejenigen, die vor der Entscheidung stehen „Firmentarifvertrag ja oder nein" haben wir das beigefügte Szenario (siehe Anhang) dargestellt.

„Szenario in 7 Akten über den Abschluss von Firmen-Tarifverträgen"





                        1. Akt

                        Jahr 2008



Januar 2008:            Aufforderung der für das Unternehmen/den Betrieb zuständigen Gewerkschaft auf Abschluss von Firmentarifverträgen


Februar 2008:                        Erstes Sondierungsgespräch mit der Gewerkschaft


März 2008:                        Zweites Sondierungsgespräch

            Anschließend schriftliche gefasste Forderung der Gewerkschaft zum Abschluss eines Vergütungstarifvertrages einschließlich der Bildung von tariflichen Vergütungsgruppen und Ein- und Umgruppierungsregelungen


April bis Juni 2008:            Erarbeitung eines Vorschlages „Tarifvertrag" auf Arbeitgeberseite

-          interner Abstimmungsprozess

-          Einladung der Gewerkschaft zum 1. Tarifgespräch

                       

Juli/August 2008:            Analyse des Gewerkschaftsvorschlages durch die Arbeitgeber und weitere interne Arbeiten der Arbeitgeber an einem Arbeitgebervorschlag








September 2008:                                    Erste Tarifverhandlungen

                        Vereinbarung über das „formelle Prozedere" bei den Tarifverhandlungen (Verhandlungsablauf usw.)

                        Erläuterung des Vorschlages der Arbeitgeberseite zum „Tarifvertrag" und Erläuterungen der Gewerkschaft zum Gewerkschaftsvorschlag


Oktober 2008:                          Fortsetzung der Tarifverhandlungen

                        Erläuterung und Abstecken der beiderseitigen Verhandlungspositionen


November 2008:                        Neue Verhandlungsrunde (Durchgang durch das Gesamtpaket der Vorschläge und Gegenvorschläge)


Dezember 2008:                                    Fortsetzung der Verhandlungsrunde


                        Jahr 2009

Januar 2009:                            Beginn der 2. Verhandlungsrunde

                                                Große Dissonanzen

                        Streikdrohungen und Aufrufe der Gewerkschaft an  die Mitarbeiter

                        Verweigerungshaltung der Betriebsräte (Keine Zustimmung für Mehrarbeit oder zu Einstellungen)

Februar 2009:                                      Warnstreiks

                                                            Kundenärger

                                                            Betriebsversammlungen

                                                            Wiederholte (Dauer-)Tagungen der Betriebsräte

                                    Teilnahme an Schulungsveranstaltungen über das „Verhalten des Betriebsrates im Arbeitskampf - Rechte und Pflichten"

März 2009:                               Fortsetzung der Verhandlungen

                                    Nachgeben der Arbeitgeber in der Mehrzahl der Positionen, um angedrohte Streiks im Unternehmen nach Möglichkeit zu vermeiden

April bis November 2009:  Weitere Verhandlungen über den Vergütungstarifvertrag (Höhe der Vergütung, Vergütungsgruppen, Ein- und Umgruppierungs-Tarifnormen, Besitzstandsregelungen)

Dezember 2009:                        -                        Inkraftsetzung des Firmentarifvertrages

                                                -                         Information der Mitarbeiter

-             Aufforderung an die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter zur Unterwerfung unter den Tarifvertrag

                        2. Akt

                       

Januar bis März 2010:                      Abstimmung mit den Betriebsräten über Eingruppierung nach dem neuen Tarifvertrag

ab April 2010:             Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht (ein bis zwei Jahre oder Nachgeben der Arbeitgeber)




3. Akt


August 2010:                                        Kündigung des Tarifvertrages über die Vergütung zum 31.12.2010

November 2010:           Bezifferung der Forderung durch die   Gewerkschaft (x %)

                        4. Akt - (parallel zu den Tarifverhandlungen über die Vergütung)


Januar bis Dezember 2009:            Forderungen der Gewerkschaft zum Abschluss eines Manteltarifvertrages über Arbeitszeit, Mehrarbeit, Urlaub, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, bezahlte Freistellungen, Kündigungsregelungen, Besitzstandsregelungen usw.

                                                Gleiche Prozedur der Arbeitgeber, wie bei den Tarifverhandlungen über die Vergütung 2008: Vorbereitungen der Tarifverhandlungen (Analyse der Forderungen, Auswirkung, Gegenvorschläge, Strategien usw. wie zuvor)

Januar 2010:                Verhandlungen mit der Gewerkschaft über die Höhe der Vergütung

                        Parallel: Aufnahme von Verhandlungen über den Manteltarifvertrag gemäß Gewerkschaftsforderungen

Februar 2010:                          Warnstreiks

                        Verweigerungshaltung der Betriebsräte - Verweigerung der Zustimmung zu Neueinstellungen, zum Einsatz von Leih-Arbeitnehmern, zur Mehrarbeit, zur Versetzung (Nadelstichpolitik)


März 2010:                   Einigung über die Wiederinkraftsetzung des Vergütungstarifvertrages ab 01.01.2010 und Nachzahlungen

                        5. Akt

April 2010:            1)     Fortsetzung der Tarifverhandlungen über den Manteltarifvertrag


2)       Forderungen der Gewerkschaft zum Abschluss ergänzender Tarifverträge über bisher noch nicht geregelte Arbeitsbedingungen (z. B. Altersteilzeit, Lebensarbeitszeit)

Juli bis Dezember 2010:                        Verhandlungen über die Regelungen und Forderungen zum Manteltarifvertrag sowie zu den ergänzenden Tarifverträgen



                        6. Akt


Juni 2010:                    Kündigung des Vergütungstarifvertrages durch die Gewerkschaft zum 31.12.2010

Dezember 2010:                        schriftliche Mitteilung der Gewerkschaft über ihre Forderungen zum gekündigten Vergütungstarifvertrag





                        7. Akt


ab Januar 2011:                        Verhandlungen mit der Gewerkschaft über:

a)       Höhe der Vergütung

b)       Veränderungen des Manteltarifvertrages

c)       Ergänzende Tarifverträge, z. B. Altersteilzeit


Februar 2011:                          Warnstreiks

                                                Kundenärger

März 2011:                   Nachgeben der Arbeitgeber und Kompromiss über materielle Verbesserungen

a)       der tariflichen Vergütung

b)       des MTV

c)       des TV Altersteilzeit

usw. usw.

P.S.:

Für viele mittelständische Unternehmen könnte dieser „7-Akter" alternativ den Namen erhalten: „Das Katz- und Mausspiel - eine Tragödie in 7 Teilen".











Kosten auf dem Weg zum Abschluss eines Firmentarifvertrages

  1. Zeitaufwand der Arbeitgeber und aller - an den Tarifverhandlungen und Vorbereitungen - Beteiligten, davon:

Ø       für Mitglieder der Verhandlungskommission

      ca. 10 Verhandlungstage im Jahr

Ø       ca. 20 Tage im Jahr für interne Besprechungen und Vorbereitungen durch ein bis zwei Personen

Ø       für Mitglieder der Geschäftsführung zur Meinungs- und Entscheidungsbildung 4 Tage im Jahr (falls Mitglieder der Verhandlungskommission ca. 24 Tage/Jahr)

2.                              Freistellung von gewerkschaftlich engagierten Mitarbeitern aus dem Unternehmen, falls diese Mitglieder der Verhandlungskommission in der Gewerkschaft sind, für die Tarifverhandlungen einschließlich Vorbereitung (ca. 20 Tage im Jahr)

3.                              Kosten für externe Berater

4.                              Kosten der Warnstreiks, Dienstleistungs-/Produktionsausfälle, ...

5.                              Kosten der Arbeitsgerichtsprozesse einschließend Beschlussverfahren der Betriebsräte

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