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Arbeitsrecht
26.07.2019
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Suspendierung des Friedenspflicht während Arbeitskampfmaßnahmen

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.2.20194 Sa 40/18

Volltext:BB-ONLINE BBL2019-1780-3

Amtliche Leitsätze

1. Hat die Gewerkschaft dem bestreikten Arbeitgeber den Streikbeschluss ihres zuständigen Bundesvorstands sowie die Streikziele nicht unmittelbar mitgeteilt, können die Streikziele nur aus den sonstigen offiziellen Verlautbarungen der Gewerkschaft (Streikaufrufflugblätter, offizielle Pressemitteilungen) entnommen werden.

2. Die Friedenspflicht kann im Einzelfall trotz normativer Fortgeltung eines Tarifvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage suspendiert sein, wenn sich die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag darauf verständigt haben, bei einem solchen Wegfall der Geschäftsgrundlage über Verhandlungen eine ablösende Regelung finden zu wollen. Es ist der Gewerkschaft nicht zuzumuten, zu Verhandlungen verpflichtet zu sein , ohne die Mittel des Arbeitskampfes nutzen zu können.

3. Es kann im Einzelfall ein zulässiges und tariflich regelbares Ziel sein, vom Arbeitgeber eine zeitlich befristete Betriebsfortführung über den beabsichtigten Stilllegungszeitpunkt hinaus zu verlangen, nebst Beschäftigung der Mitarbeiter bis dahin. Solange die unternehmerische Stilllegungsentscheidung selbst nicht in Frage gestellt wird, ist der tariffreie Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit noch nicht berührt.

4. Grundsätzlich in eine Tarifforderung, die darauf gerichtet ist, dass ein Dritter, der nicht Arbeitgeber iSd. § 2 Abs. 1 TVG ist, Leistungen erbringen soll, rechtswidrig. Dies stellt sich jedoch anders dar, wenn es sich bei dem Dritten um den Hauptgesellschafter des Arbeitgebers handelt, der begleitend zum erstrebten Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber einen sog. sonstigen Kollektivvertrag mit der Gewerkschaft abschließen soll, der auf eine Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingen gerichtet ist und geeignet ist, einen Interessenkonflikt zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern zu befrieden. Dies ergibt sich unter anderem aus den Wertungen des Art. 6 Nr. 4 ESC, die in völkerrechtsfreundlicher Auslegung zu berücksichtigen sind.

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die beklagte Gewerkschaft wegen durchgeführter Streikmaßnahmen auf Schadenersatz in Anspruch.

Die mittlerweile sich in Liquidation befindliche Klägerin betrieb in P. den städtischen Linienbusverkehr. Sie beschäftigte im März 2016 noch ca. 240 Mitarbeiter, die größtenteils bei der Beklagten gewerkschaftlich organisiert waren.

Bis 2006 wurde der städtische Linienbusverkehr von der Stadt P. durch deren Eigenbetrieb S. V. betrieben. Dieser Eigenbetrieb wurde 2006 auf die Klägerin ausgegliedert. Es trat die V. V. R. GmbH (nachfolgend: V.) als „strategischer Partner“ und Mehrheitsgesellschafterin in die Klägerin ein. Die Stadt P. war fortan nur noch Minderheitsgesellschafterin. Im Jahr 2014 erwarb die Stadt P. die Gesellschaftsanteile von der V. wieder zurück, weil sie deren Sanierungskonzept nicht mittragen wollte. Seit diesem Zeitpunkt war die Stadt P. alleinige Komplementärin und Kommanditistin der Klägerin.

Grundlage der von der Klägerin vormals zu erbringenden Fahrdienstleistungen war ein zwischen der Stadt P., der Klägerin und V. geschlossener Verkehrsvertrag vom 29. August 2006 (Anlage K 68), dessen Laufzeit zum 10. Dezember 2016 endete.

Die Stadt P. hat als Aufgabenträgerin des öffentlichen Personennahverkehrs in dem am 2. Mai 2015 erschienen Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ihre Absicht bekannt gegeben, mit Wirkung zum 11. Dezember 2016 eine wettbewerbliche Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Busverkehr in der Stadt P. vorzunehmen. Beabsichtigt war, dass die Klägerin sich hierauf hätte bewerben sollen. In dieser Vorabbekanntmachung folgte jedoch auch der Hinweis, dass Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für (vorrangige) eigenwirtschaftliche Verkehre spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung gestellt werden können. Einen solchen Antrag stellte die Bahntochter R. R. S. GmbH (nachfolgend: R.). Mit Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 12. Januar 2016 wurde der R. die Genehmigung zur eigenwirtschaftlichen Erbringung der Linienverkehre im Bündel „Stadtverkehr P.“ erteilt. Die Konzessionsübergabe hätte sukzessive für einzelne Linien zum 14. Dezember 2016, 10. Juni 2017 und 10. Dezember 2017 erfolgen sollen. Damit war der Stadt P. die Grundlage entzogen, der Klägerin für den Zeitraum nach Ablauf der alten Konzessionen einen neuen Verkehrsvertrag anzubieten. Der Gemeinderat P. beschloss daraufhin am 15. März 2016, die Klägerin zum 31. Dezember 2016 aufzulösen und den Betrieb stillzulegen.

Die Klägerin war nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Es bestanden jedoch diverse mit der Klägerin geschlossene Haustarifverträge.

Es bestand ein Haustarifvertrag vom 4. Mai 2007 (nachfolgend: HausTV). Darin hieß es unter anderem wie folgt:

§ 2 Beschäftigungssicherung

Gegenüber AN, die bei dem früheren Eigenbetrieb S. V. unbefristet beschäftigt waren und im Rahmen des Betriebsübergangs zum 01.09.2006 gem. § 613a BGB auf die S. übergegangen sind, ist eine betriebsbedingte Beendigungskündigung bis zum 31. Dezember 2013 ausgeschlossen. Dies gilt nicht für AN, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S. gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen haben oder noch widersprechen.

Ausnahmsweise sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen gegenüber AN im Sinne des Unterabs. 1 dann zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (durch z. B. Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, drohender Verlust von Leistungen, Genehmigungen oder Aufträgen) so ändert, dass der Arbeitgeber zu Maßnahmen greifen muss, die ihn zur Anzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG verpflichten.

§ 22 Anwendung weiterer Tarifverträge

(1) Neben diesem Tarifvertrag sind die nachfolgenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden:

a) Der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9. Januar 1987,

§ 26 Inkrafttreten

(5) Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, bei drohendem Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit oder drohendem Verlust von Leistungen bei einem oder mehreren Unternehmen bzw. in vergleichbaren Fällen gravierender Veränderungen der Geschäftsgrundlage für diesen Tarifvertrag unverzüglich in Verhandlungen einzutreten. In diesen Fällen werden die Tarifvertragsparteien insbesondere aus ursächlichen Veränderungen der Marktsituation die notwendigen Folgerungen im Sinne einer zielgerichteten Fortschreibung dieses Tarifvertrages ableiten, damit die Hauptanliegen (Sicherung des Geschäftes und der öffentlichen Arbeitsplätze) unverändert verfolgt werden können.

Dieser HausTV wurde auf Betreiben der V. im Jahr 2014 durch die Klägerin gekündigt.

Im Nachgang zu dieser Kündigung fanden Tarifvertragsverhandlungen statt, welche zum Abschluss eines Sanierungstarifvertrages vom 31. Januar 2014 / 18. Februar 2014 (nachfolgend: TV 2014) führten, der unter der auflösenden Bedingung eines vollständigen Rückerwerbs der Kommanditanteile der V. durch die Stadt P. stand. Die Einigung zwischen der Stadt P. und V. über den Rückerwerb der Gesellschafteranteile durch die Stadt P. wurde in der Vorbemerkung dargestellt. In der Vorbemerkung zu diesem Tarifvertrag wurde zudem dargestellt, dass die Stadt P. die Klägerin ab 11. Dezember 2016 nach Durchführung eines Vergabeverfahrens (also nach Beendigung des ursprünglichen Verkehrsvertrages) wieder in ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen überführen wollte. Unter Nr. 9 TV 2014 wurde geregelt, dass eine maximal 25prozentige Fremdvergabequote angestrebt werde für einen für die Zeit ab 11. Dezember 2016 abzuschließenden Verkehrsvertrag. Soweit vorliegend ergänzend von Interesse lautete es in § 1 TV 2014 sodann wie folgt:

1. Haustarifvertrag vom 04.07.2017

Der Haustarifvertrag für die S. in der Fassung vom 04.05.2007 (nachfolgend kurz „Haustarifvertrag“) wird nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt und ist Gegenstand dieses Tarifvertrages.

5. Beschäftigungssicherung

An die Stelle der zum 31.12.2013 auslaufenden Regelung in § 2 Haustarifvertrag tritt folgende Bestimmung:

5.1 Gegenüber kündigungsgeschützten Beschäftigten, die bei der S. zum Stichtag 01.02.2014 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, ist eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in der Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.12.2026 ausgeschlossen.

5.2 Ausnahmsweise sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen dann zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (z.B. durch Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit, drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen und Aufträgen) so ändert, dass die S. zu Maßnahmen greifen muss, die sie zur Anzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG verpflichten.“

Auf der Grundlage eines in einem Letter of Intent vom 7. Mai 2015 festgehaltenen Verhandlungsergebnisses schlossen die Parteien am 15. Juli 2015 / 23. Juli 2015 noch einen Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum TV 2014 (nachfolgend: Änd/ErgTV), der den durch den TV 2014 geschaffenen Rechtszustand im Wesentlichen unangetastet ließ. Soweit vorliegend von Interesse regelten die Parteien darin unter Nr. 2 wie folgt:

2. Verhandlungsverpflichtung

Die Parteien verpflichten sich, im Fall einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität der S. unverzüglich, spätestens jedoch am 01.06.2016 in Verhandlungen über einen Rettungstarifvertrag einzutreten.

Protokollerklärungen zu Ziff. 2:

1) Der Nachweis der Gefährdung der Liquidität im Sinne der Verhandlungsverpflichtung erfolgt durch das Gutachten eines von ver.di unverzüglich zu benennenden neutralen Sachverständigen. Die S. kann ver.di entsprechende Vorschläge machen. Der Sachverständige muss öffentlich bestellte(r) Wirtschaftsprüfer(in) im Sinne der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) und zur sofortigen Übernahme des Mandats und unverzüglichen Erstellung des Gutachtens bereits und in der Lage sein. Die Beauftragung des Sachverständigen erfolgt zu marktüblichen Konditionen durch die S.. Die Kosten des Gutachtens trägt die S..

2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Regelungen eines etwaigen Rettungstarifvertrages, soweit dort nichts anderes vereinbart wird, lediglich den Zeitraum bis zum 31.12.2016 umfassen können. Die mit Wirkung vom 01.01.2017 vereinbarten Bestimmungen (§ 1 Ziff. 4 und § 2 Ziff. 2) können nicht in der Disposition eines Rettungstarifvertrages im Sinne dieser Vereinbarung sein.

Sowohl der TV 2014 als auch der Letter of Intent und der Änd/ErgTV wurden neben den Vertretern der Parteien jeweils auch unterschrieben von Herrn Stadtdirektor B. E., jeweils mit dem Zusatz „Für die Stadt P.“. Auf den Änd/ErgTV wurde zugleich noch das Dienstsiegel der Stadt P. angebracht.

Die Beklagte bestreikte den Betrieb der Klägerin im Zeitraum zwischen 9. März 2016 und 1. Juli 2016 an insgesamt 34 einzelnen Tagen, jeweils ohne (nennenswerte) Vorankündigungen.

Die Beklagte verfolgte mit ihren Streikmaßnahmen die Erzwingung eines „Sozialtarifvertrages“ zur Abfederung der sozialen Folgen für die zu kündigenden Arbeitnehmer. Die Einzelheiten der Forderungen sind zwischen den Parteien streitig. Der Inhalt einer (etwaigen) Beschlussfassung des Bundesvorstands der Beklagten wurde der Klägerin zu keinem Zeitpunkt zugeleitet. Die Klägerin erlangte Kenntnis über die Streikforderungen der Beklagten hauptsächlich über Streikaufrufe auf Flugblättern und über Pressemitteilungen der Beklagten (Anlagen K 2 bis K 15 sowie Aufruf vom 9. März 2016, Aktenseite 529 d. LAG-Akte).

Zu einem Tarifvertragsabschluss kam es nicht.

Die Beklagte organisierte zur Sicherstellung des Buslinienverkehrs Ersatzverkehre bei privaten Anbietern, unter anderem bei der R.. Diese Ersatzverkehre fuhren bis 16. Juli 2016 parallel zu den Verkehren des Regelfahrplans der Klägerin. Ab 17. Juli 2016 traten die Ersatzverkehre an die Stelle der Regelverkehre.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Streiks seien rechtswidrig gewesen. Sie meinte, ihr stünden daher wegen Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zu.

Sie behauptete, die Beklagte habe vor allem einen Bestandsschutz für die Arbeitnehmer über den 31. Dezember 2016 hinaus erzielen wollen sowie sozialtarifliche Regelungen in Anlehnung an § 22 HausTV in Verbindung mit dem TVRatAng. Solchen Kampfzielen hätte aber die Friedenspflicht des TV 2014 entgegengestanden. Kündigungsmöglichkeiten seien in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 geregelt gewesen. Rationalisierungsschutzregelungen hätten bereits über § 22 HausTV bestanden.

Die Beklagte habe aber nicht nur eine Verlängerung des Bestandsschutzes verlangt, sondern auch eine Betriebsfortführung der Klägerin über den 31. Dezember 2016 hinaus bis mindestens Juni 2017. Ein Arbeitskampf dürfe aber nicht so intensiv in den Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eingreifen. Ein solches Kampfziel sei demnach rechtswidrig gewesen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, das Ziel der Betriebsfortführung über den 31. Dezember 2016 hinaus bei entsprechendem Bestandsschutz der Arbeitnehmer bis dahin sei zudem auf eine unzulässige Existenzvernichtung der Klägerin gerichtet gewesen. Wegen des zum 10. Dezember 2016 ausgelaufenen Verkehrsvertrages hätte eine Erfüllung dieser Forderung in kürzester Zeit mangels Einnahmen zur Insolvenz der Klägerin führen müssen.

Die Klägerin beanstandete zudem, dass die Beklagte unzulässig versucht hätte, die Stadt P. als außenstehende Dritte und Nichttarifvertragspartei in den Arbeitskampf hineinzuziehen. Die Beklagte habe von der Stadt die verbindliche Bereitstellung von Ersatzarbeitsplätzen gefordert. Dieses Ziel hätte die Klägerin nicht erfüllen können.

Die Klägerin machte folgende behauptete Schäden geltend:

- Pönalen, die nach dem Verkehrsvertrag angefallen seien für nicht erbrachte Nutzungskilometer und Servicestunden.

- Kosten für Ersatzverkehre und Subvergaben.

- Entgangene Einnahme für Fahrten außerhalb des Regelbereichs des Verkehrsvertrages.

- Erlösmalus wegen streikbedingten Nichterreichens der im Verkehrsvertrag vorgesehenen Basiserlöse.

- abzüglich ersparter Aufwendungen.

Die Klägerin beantragte:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.213.769,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.124.000,00 Euro seit 14.10.2016 und weiteren 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 89.769,00 Euro ab 20.11.2017 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser durch die rechtswidrigen Streikhandlungen der Beklagten seit dem 09.03.2016 wegen der im Verkehrsvertrag zwischen der Klägerin und der Stadt P. enthaltenen Regelung über einen Erlösmalus entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hielt die Klage schon für unzulässig. Sie meinte, es sei unklar, für welche Zeiträume welche Schadenspositionen geltend gemacht würden.

Sie behauptete, sie habe allenfalls das Ziel eines Sozialtarifvertrags verfolgt. Aus den Streikaufrufen und sonstigen Verlautbarungen könne die Klägerin nicht auf die Kampfziele rückschließen. Maßgeblich sei lediglich, was vom zuständigen Bundesvorstand der Beklagten beschlossen worden sei.

Ein Verstoß gegen die Friedenspflicht habe nicht vorgelegen. Der TV 2014 sei ein Sanierungstarifvertrag gewesen und seiner gesamten Zielsetzung nach auf ein Fortbestehen der Klägerin auch nach dem 10. Dezember 2016 ausgerichtet gewesen, dann in einer gemischt wirtschaftlichen Betreiberschaft. Der TV 2014 habe gar keine Regelungen für ein Stilllegungsszenario enthalten. Jedenfalls aber sei über die Verhandlungsverpflichtung gem. § 26 Abs. 5 Haus TV wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Friedenspflicht suspendiert worden. In der bloßen Forderung nach einem Sozialtarifvertrag könne schon deshalb keine Verletzung der Friedenspflicht liegen, weil bislang in § 22 HausTV nur Regelungen für den Fall von Rationalisierungsmaßnahmen getroffen worden seien, nicht aber für den Fall einer Stilllegung.

Selbst wenn das Ziel einer Betriebsfortführung erhoben worden sein sollte, verbunden mit einem entsprechenden Bestandsschutz, sei dieses Ziel jedenfalls während des Streikzeitraums wieder fallen gelassen worden. Im Übrigen wäre ein solches Ziel auch nicht rechtswidrig gewesen. Die Tarifautonomie sei nicht auf die bloße Regelung sozialer Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen beschränkt.

Sie behauptete, die Stadt P. hätte nicht selbst in Anspruch genommen werden sollen. Vielmehr habe lediglich an deren Verantwortung als Gesellschafterin der Klägerin appelliert werden sollen. Es sei lediglich darum gegangen, dass sich die Klägerin hätte bemühen sollen, Anschlussbeschäftigungsmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter bei der Stadt P. zu finden. Im Übrigen vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die Stadt P. wegen ihrer Gesellschafterstellung auch nicht als Dritte angesehen werden könne. So habe die Stadt P. sich auch selbst nicht gesehen, was sich z.B. bereits aus deren Unterschriften unter den bestehenden Tarifverträgen ergebe und aus deren Teilnahme bei einem Spitzengespräch zwischen den Parteien am 16. März 2016 in B..

Die Beklagte meinte, die geltend gemachten Schadenspositionen seien weitestgehend nicht auf den Streik rückführbar. Die Klägerin versuche vielmehr, ihre Stilllegungskosten auf die Beklagte abzuwälzen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2018 abgewiesen. Das Arbeitsgericht hielt die Streikmaßnahmen für rechtmäßig. Das Arbeitsgericht führte aus, es läge kein Verstoß gegen die aus dem TV 2014 resultierenden Friedenspflicht vor. § 26 Abs. 5 HausTV habe nämlich wegen der Veränderung der Geschäftsgrundlage eine Verhandlungspflicht eröffnet. Eine Auferlegung einer Verhandlungspflicht und eine Friedenspflicht würden sich gegenseitig ausschließen. Die Friedenspflicht sei demnach suspendiert gewesen. Soweit sozialtarifliche Regelungen in Anlehnung an § 22 HausTV gefordert worden seien, habe schon deshalb kein Friedenspflichtverstoß vorliegen können, weil bislang nur Rationalisierungsschutzregelungen tariflich geregelt gewesen seien, nicht aber der Sozialschutz bei Stilllegungen. Das Ziel der Verlängerung des Bestandsschutzes sei ein tariflich regelbares Ziel gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte die Klägerin gezielt hätte wirtschaftlich vernichten wollen. Auch das Kampfziel einer befristeten Betriebsfortführung sei nicht zu beanstanden, zumal eine solche nur für die Dauer der Konzessionslaufzeit gefordert worden sei. Die wirtschaftliche und die soziale Seite der unternehmerischen Entscheidung ließen sich nicht trennen. Die Beklagte könne nicht auf eine bloße Regelung sozialer Folgewirkungen beschränkt werden. Auch die gegenüber der Stadt P. erhobenen Forderungen seien nicht rechtswidrig gewesen. Die Stadt sei zumindest wie eine Tarifvertragspartei aufgetreten und habe auch in der Historie bereits Verantwortung für ihre vormaligen Beschäftigten übernommen. Sie habe zumindest durch ihr gemeinschaftliches Auftreten mit der Klägerin den Eindruck vermittelt, mit der Klägerin gemeinsam eine Haftung für einen abzuschließenden Tarifvertrag übernehmen zu wollen. Jedenfalls unter Heranziehung der Wertungen aus Art. 6 Nr. 4 ESC, die eine Beschränkung des Arbeitskampfes auf tariflich regelbare Ziele ohnehin nicht enthalte, seien in Form einer Interpretationshilfe etwaige Unklarheiten zugunsten der Arbeitskampffreiheit aufzulösen.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 21. Mai 2018 zugestellt. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin, die am 21. Juni 2018 beim Landesarbeitsgericht einging. Sie wurde innerhalb der bis 22. August 2018 verlängerten Begründungsfrist am 20. August 2018 begründet.

Die Klägerin beanstandet eine Verletzung materiellen Rechts.

Sie meint weiterhin, es läge eine Verletzung der Friedenspflicht vor. Es sei nämlich schon eine Verhandlungspflicht nach § 26 Abs. 5 HausTV nicht entstanden. Denn nach § 1 Nr. 1 TV 2014 sei der HausTV nur „nach Maßgabe“ der nachfolgenden Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt worden. § 1 Nr. 5.2 TV 2014 habe aber bereits ausdrücklich für den Fall des Konzessionsverlustes die ausnahmsweise Möglichkeit von betriebsbedingten Kündigungen eröffnet.

Jedenfalls sei selbst bei Bestehen einer Verhandlungspflicht nach § 26 Abs. 5 HausTV die Friedenspflicht nicht suspendiert worden. Die Zulassung von Arbeitskampfmaßnahmen bei Wegfall der Geschäftsgrundlage trotz Fortbestands des normativ wirkenden TV 2014 wäre im Hinblick auf die friedensstiftende Wirkung von Tarifverträgen systemwidrig. Die Beklagte wäre im Rahmen der Verhandlungen auch nicht auf ein „kollektives Betteln“ beschränkt worden, da der von ihr bereits ausgehandelte TV 2014 schließlich normativ fortgegolten hätte. Hätten die Tarifvertragsparteien für diesen Fall eine Suspendierung der Friedenspflicht gewollt, hätten sie dies ausdrücklich regeln müssen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der TV 2014 und damit auch § 26 Abs. 5 HausTV seien durch § 1 Nr. 2 Änd/ErgTV modifiziert worden. Es hätte vor einer Aufnahme von Verhandlungen zuerst ein Gutachten zum Nachweis der Gefährdung der Liquidität eingeholt werden müssen.

Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das Ziel der Betriebsfortführung über den 31. Dezember 2016 hinaus bis mindestens Juni 2017 einen Eingriff in den Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und in ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dargestellt habe. Die eigentliche unternehmerische Freiheit könne nicht beschränkt werden. Wenn schon Streiks mit der Zielsetzung der Unterlassung von Standortverlagerungen unzulässig seien, müsse dies für Streiks zur Unterlassung oder zeitlichen Verschiebung von Stilllegungsentscheidungen erst recht gelten.

Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Verkehrsvertrag zum 10. Dezember 2016 ausgelaufen sei. Eine Betriebsfortführung wie gefordert hätte zur Insolvenz der Klägerin geführt.

Auch die Bewertung der gegen die Stadt P. gerichteten Kampfziele sei fehlerhaft. Es komme nicht auf subjektive Eindrücke an. Die bloße politische Billigung von Tarifverträgen ihrer Tochtergesellschaft habe die Stadt nicht zu einer Tarifvertragspartei erhoben. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Stadt für von der Klägerin abgeschlossene tarifliche Regelungen habe mithaften wollen. Es habe deshalb auch zu keiner Zeit ein Vertreter der Stadt P. an Tarifvertragsverhandlungen teilgenommen. Die historisch abgeleitete Verantwortlichkeit der Stadt P. sei unerheblich. Mit der Ausgliederung der Klägerin habe die Stadt P. ihre Arbeitgeberstellung verloren. Das Arbeitsgericht habe im Übrigen den Charakter der ESC und deren Einfluss auf das deutsche Arbeitskampfrecht grundlegend missverstanden. Es fehle an jeglicher Auseinandersetzung mit den Schranken der ESC. Dies unabhängig davon, dass auch keine Unklarheiten vorgelegen hätten, die zugunsten der Arbeitskampffreiheit hätten aufgelöst werden müssen.

Die Klägerin erweiterte ihre Klage in der Berufungsinstanz zudem noch um einen entgangenen Erlösbonus, den sie ohne Streiks wegen Überschreitens der im Verkehrsvertrag vorgesehen Basiserlöse ihrer Behauptung nach erzielt hätte.

Die Klägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 5. April 2018 (Az. 3 Ca 208/17) wie folgt abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.213.769,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.124.000,00 Euro seit dem 14. Oktober 2016 und aus 89.769,00 Euro seit dem 20. November 2017 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 884.375,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 884.375,00 Euro seit der Rechtshängigkeit dieser Berufungsbegründungsschrift zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie meint weiterhin, die Klägerin könne aus den vorgelegten Streikaufrufen und Verlautbarungen nichts im Hinblick auf den allein maßgeblichen Beschluss des Bundesvorstands der Beklagten ableiten. Sie behauptet, der Bundesvorstand habe erstmals am 29. Februar 2016 und nachfolgend am 9. März 2016, 18. April 2016, 2. Mai 2016, 11. Mai 2016 und 15. Juni 2016 Streikbeschlüsse getroffen, die lediglich das Ziel des Abschlusses eines Sozialtarifvertrages mit Schwerpunkt der Sicherung der Arbeitsplätze iSd. TVRatAng benannt hätten. Die Beklagte legte im Berufungstermin entsprechende Beschlussfassungen vor. Darin heißt es zu den Zielen des Arbeitskampfes: „Abschluss eines Sozialtarifvertrages mit Schwerpunkt Sicherung der Arbeitsplätze im Sinne des Rationalisierungsschutz-TV für Angestellte“. Sie behauptet, es sei in der Tarifverhandlung vom 4. April 2016 auf der Grundlage eines seitens der Tarifkommission erstellten Verhandlungspapiers (Bl. 528 d. LAG-Akte) verhandelt worden, welches der Klägerin am 4. April 2016 auch überreicht worden sei. Auch in der Verhandlung am 11. April 2016 seien nur folgende Eckpunkte eines Sozialtarifvertrags verhandelt worden:

- Gründung einer Transfergesellschaft.

- Aufstockung des Arbeitslosengelds für rentennahe Jahrgänge.

- Einmalzahlungen bei sofortigem Renteneintritten mit Abschlägen.

- Ausgleichszahlungen für Mitarbeiter, die zur R. wechselten.

- Flankierend: Anmerkungen, dass auch Arbeitsplätze von der Stadt zur Verfügung gestellt werden könnten, was das Gesamtvolumen für den Sozialtarifvertrag verringern würde.

Die Beklagte meint, der Klägerin stehe zwar grundsätzlich ein Schutz ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu. Die Klägerin sei als hundertprozentige Tochter der Stadt P. aber nicht selbst grundrechtsberechtigt, sondern nur grundrechtsverpflichtet. Sie könne sich deshalb bei der Beurteilung von Kampfzielen nicht auf Grundrechte aus Artt. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG berufen.

In Bezug auf die „Einbeziehung“ der Stadt P. meint sie ergänzend, die Stadt sei bereits Tarifvertragspartei des TV 2014 und des Änd/ErgTV gewesen. Dies ergebe sich aus den Unterschriftsleistungen der Stadt unter diesen Tarifverträgen. Sie sei allein deshalb schon nicht außenstehende Dritte gewesen. Die Verhandlungspflicht habe deshalb auch für die Stadt P. gegolten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Aus den Gründen

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.

1. Die Klage ist hinreichend bestimmt.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gem. § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Anderenfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (BAG 17. Dezember 2015 - 8 AZR 54/14 -).

b) Diesen Voraussetzungen wird die Klage gerecht.

aa) Die Klägerin macht Pönalen geltend nur für die im Zeitraum März bis Juni 2016 an Streiktagen ausgefallenen Nutzungskilometer und Servicestunden in Höhe von insgesamt 415.402,78 Euro.

bb) Auch wenn die Klägerin ihre für Ersatzverkehre und Subvergaben angefallenen Kosten bis Dezember 2016 darstellte, werden vorliegend als Schadenersatz nur die Kosten und Aufwendungen geltend gemacht, die im Zeitraum April bis August 2016 angefallen sind. Diese Schadenspositionen sind nicht beschränkt auf die Streiktage, sondern beziehen sich auf den gesamten Zeitraum. Geltend gemacht werden 1.639.249,39 Euro.

cc) Entgangene Einnahmen werden wiederum nur geltend gemacht für solche Tage, an denen im Zeitraum März bis Juni 2016 tatsächlich gestreikt wurde. Die Höhe beträgt 4.656,60 Euro.

dd) Die Beklagte lässt sich von den Schäden abziehen, was sie im Zeitraum März bis August 2016 an Personal- und Sachkosten durch die Beauftragung der Ersatzverkehre eingespart hat. Diese Abzugsposition beträgt 1.063.676,77 Euro und ist schriftsätzlich ausführlich erläutert.

ee) Die Schadensposition „Erlösmalus“ in Höhe von 218.137,00 Euro bezieht sich auf das gesamte Jahr 2016.

ff) Die Schadensposition „entgangener Erlösbonus“ in Höhe von 884.375,00 Euro bezieht sich ebenfalls auf das gesamte Jahr 2016.

2. Die Klageerweiterung um die Schadensposition „entgangener Erlösbonus“ in Höhe von 884.375,00 Euro in der Berufungsinstanz war gem. § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich. Dieser Klageanspruch wird auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht in seiner Verhandlung und Entscheidung gem. § 529 ZPO ohnehin zugrunde zu legen hatte, vgl. § 533 Nr. 2 ZPO.

B.

Die Klage ist aber nicht begründet.

I.

Der Klägerin steht schon dem Grunde nach kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu wegen Verletzung des Rechts auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

1. Grundsätzlich können unmittelbare durch Streikmaßnahmen begründete Eingriffe in das durch § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schadenersatzansprüche des betroffenen Arbeitgebers begründen, wenn die Streikmaßnahmen rechtswidrig waren und wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -; BAG 25. August 2015 - 1 AZR 875/13 -; BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 -). Dieses Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb steht auch öffentlich beherrschten privatrechtlichen Unternehmen - wie der Klägerin - zu. Zwar unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen, denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind. Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Vollzieht sich diese Teilnahme im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten, nicht weniger schutzwürdig als Private (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -).

2. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Streiks hängt vorliegend wesentlich von den Kampfzielen der Beklagten ab, die diese mit ihren Streikmaßnahmen verfolgte.

a) Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft betroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -; BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -). Sonstige Verlautbarungen nicht vertretungsberechtigter Mitglieder der Gewerkschaft sind zur Bestimmung des Streikziels schon aus Gründen der Rechtssicherheit und um der Unbefangenheit der Meinungsbildung innerhalb der Gewerkschaft willen unmaßgeblich (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 -; BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -). Ebenso wenig kommt es auf Verlautbarungen der örtlichen Streikleitung oder einzelner Streikbeteiligter an, die den Arbeitskampf nur organisieren, deren Ziele aber nicht bestimmen (BAG 19. Juni 1973 - 1 AZR 521/72 -). Etwas anderes kann nur gelten, wenn so ersichtlich das wahre, aber rechtswidrige Kampfziel der Gewerkschaft aufgedeckt wird (BAG 19. Juni 1973 - 1 AZR 521/72 -; Hessisches LAG 9. September 2015 - 9 SaGa 1082/15 -). Die Arbeitskampfparteien haben vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekanntzugeben. Die von einer Arbeitskampfmaßnahme des Gegenspielers betroffene Seite muss wissen, woran sie ist und was von ihr verlangt wird, damit sie ihr eigenes Verhalten darauf einrichten und von ihren arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann. An Form und Inhalt der Unterrichtung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Für einen wirksamen Streikaufruf, dem ein entsprechender Streikbeschluss der zuständigen Gewerkschaft zugrunde liegt, genügt deshalb ein von der Gewerkschaft im zu bestreikenden Betrieb verteiltes Flugblatt, aus dem sich die Arbeitskampfmaßnahme und der Zeitraum des Streiks ergeben (BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 -). Ist aber kein förmliches Verfahren vorgeschrieben, um der Arbeitgeberseite die dem Arbeitskampf zugrunde liegenden Forderungen mitzuteilen, bedingt dies, dass gegebenenfalls auch auf sonstige Umstände abzustellen ist (Hessisches LAG 9. September 2015 - 9 SaGa 1082/15 -; ErfK/Linsenmaier 19. Aufl. Art. 9 GG Rn. 139). Die Gewerkschaft muss ihre Unterrichtung noch nicht einmal unmittelbar an den Arbeitgeber richten. Selbst Presseverlautbarungen sind zur Unterrichtung ausreichend, wenn sie hinreichend genau und vollständig darüber informieren, wann und wo und inwieweit die Arbeitskampfmaßnahmen beginnen oder enden sollen und wer Urheber des Beschlusses ist. Ungenauigkeiten gehen dann aber zu Lasten derjenigen Kampfpartei, die sich für ihre Mitglieder öffentlicher Medien bedient (BAG 23. Oktober 1996 - 1 AZR 269/96 -; Däubler Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 16 Rn. 10).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann dahinstehen, ob der Bundesvorstand der Beklagten tatsächlich Streikbeschlüsse mit dem Inhalt getroffen hat, wie sie von der Beklagten im Berufungstermin erstmals vorgelegt wurden. Denn unstreitig wurde der Klägerin der Inhalt dieser Beschlussfassungen zu keinem Zeitpunkt unmittelbar bekannt gemacht. Insbesondere ließ der Bundesvorstand der Beklagten der Klägerin die Streikziele nicht übermitteln. Es kann daher mangels offizieller Zuleitung der Streikziele zur Ermittlung derselben nur auf die sonstigen offiziellen Verlautbarungen zurückgegriffen werden.

c) Aus den Flugblättern, mit denen zum Streik aufgerufen wurde, sowie den offiziellen Pressemitteilungen der Beklagten lässt sich ermitteln, dass die Beklagte einen „Sozialtarifvertrag“ erkämpfen wollte. Welchen Inhalt ein solcher Sozialtarifvertrag hätte haben sollen, wurde in diesen offiziellen Verlautbarungen ebenfalls beschrieben.

aa) Die Beklagte begehrte - entgegen ihrer wiederholten Bekunden im Verfahren - eindeutig und ausdrücklich, eine Betriebsfortführung über den 31. Dezember 2016 hinaus bis mindestens Juni 2016 und einen Bestandsschutz der Arbeitnehmer bis dahin erreichen zu wollen. In den Streikaufrufen vom 9. März 2016, 16. März 2016 und 30. März 2016 lautete es jeweils ausdrücklich:

Wir fordern...:

- Die Fortführung des Betriebes - auf jeden Fall über den 31.12.2016 hinaus! (Der R. wurde lediglich die Genehmigung für die Linie 11 ab Dezember 2016 erteilt. Alle anderen Linien bleiben mindestens bis Juni 2017 bei der S.!)

Auch im Streikaufrufflugblatt vom 14. März 2016 hieß es, dass gestreikt werden müsse, weil die Klägerin nicht „über eine Weiterführung des Betriebes“ verhandelt habe. Der Warnstreik würde sofort abgebrochen werden, wenn zugesichert würde „dass wir über die Weiterführung des Betriebes - mindestens bis Juni 2017 - und konkrete Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Arbeitsplätze nun ernsthaft verhandeln können!“

Die übrigen Streikaufrufflugblätter vom 27. April 2016, 28. April 2016 und 2. Mai 2016 nahmen auf die bloße Begrifflichkeit „Sozialtarifvertrag“ Bezug, welche in den vorangegangenen Aufrufen bereits konkretisiert wurde.

Dies deckt sich mit den offiziellen Pressemitteilungen der Beklagten. In der Pressemitteilung vom 30. Mai 2016 hieß es unter anderem, dass zu den Hauptpunkten die „Sicherung des Geschäfts über den 31.12.2016 hinaus“ gehöre.

In der Pressemitteilung vom 3. April 2016 hieß es wörtlich: „ver.di fordert den Weiterbetrieb über den 31. Dezember hinaus bis Mitte 2017 und einen Sozialtarifvertrag“.

bb) Inhalt des begehrten „Sozialtarifvertrages“ sollten zudem Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung in Anlehnung an § 22 HausTV iVm. dem TVRatAng sein.

In den Streikaufrufflugblättern vom 9. März 2016, 16. März 2016 und 30. März 2016 hieß es insoweit ausdrücklich:

Wir fordern...:

- Endlich konkrete Arbeitsplatzangebote und intelligente Lösungen im Sinne des § 22 Haus-TV! (Seit Monaten liegen uns von der Geschäftsführung, aber auch von Seiten der Gesellschafterin, der Stadt P., lediglich mündliche Zusagen vor, im Sinne des Ratio-TV vorgehen zu wollen.)

Die weiteren Streikaufrufflugblätter vom 27. April 2016, 28. April 2016 und 2. Mai 2016 erwähnten nur noch den Begriff „Sozialtarifvertrag“, der aber in den vorangegangenen Flugblättern bereits konkretisiert wurde.

Im Übrigen decken sich diese Verlautbarungen mit den Arbeitskampfzielen, wie sie in den im Berufungstermin vorgelegten Beschlüssen des Bundesvorstands der Beklagten niedergelegt sind. Darin heißt es:

Ziel des Arbeitskampfes: Abschluss eines Sozialtarifvertrages mit Schwerpunkt Sicherung der Arbeitsplätze im Sinne des Rationalisierungsschutz-TV für Angestellte.

cc) Diese Sicherungen der Arbeitsplätze begehrte die Klägerin nicht nur von der Klägerin, sondern vielmehr auch oder insbesondere von der Stadt P..

Der Beklagten ging es um die Sicherung der von ihr sogenannten „öffentlichen Arbeitsplätze“ unter Bezugnahme auf den TVRatAng. Damit war erkennbar eine Bezugnahme auf die Regelungen zur Beschäftigungssicherung in § 3 TVRatAng gemeint, der in Abstufungen die Verpflichtung zum Angebot von Ersatzarbeitsplätzen beim selben als auch bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes vorsieht, bzw. zumindest die Verpflichtung, sich um solche anderweitigen Arbeitsplätze zu bemühen. Angesichts der Stilllegung des Betriebs der Klägerin war klar, dass mit der Forderung nur die Unterbringung bei anderen Arbeitgebern gemeint sein konnte. Deshalb hieß es z.B. in den Pressemitteilungen vom 3. April 2016 und 30. Mai 2016, dass es darum ginge, „dass Beschäftigte bei der Stadt, städtischen oder privaten Unternehmen einen gleichwertigen Ersatzarbeitsplatz behalten können“. Die Beklagte erkannte, dass „die S. die Unterstützung ihres hundertprozentigen Gesellschafters“ brauchte, „weil ihr Betriebsvermögen für diese Maßnahme nicht ausreichen“ werde.

Daraus erklärt sich auch, weshalb in den Streikaufrufflugblättern vom 9. März 2016, 16. März 2016 und 30. März 2016 bei den Forderungen um „konkrete Arbeitsplatzangebote“ bemängelt wurde, dass „lediglich mündliche Zusagen der Stadt P.“ vorlagen. Mit solchen bloßen mündlichen Zusagen von Ersatzarbeitsplätzen wollte die Beklagte sich nicht zufriedengeben.

Auch in der Pressemitteilung der Beklagten vom 21. April 2016 war die Rede davon, dass man die Urabstimmung verschoben hätte, weil der Interimsgeschäftsführer der Klägerin Herr Z. zugesagt hätte, er hätte die Stadt gebeten, „Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen sowie die notwendigen Mittel“. Die Stadt und die S. hätten das Entgegenkommen der Beklagten ignoriert und nicht auf den Einsatz von Streikbrechern verzichtet.

In der Pressemitteilung vom 8. Mai 2016 konkretisierte die Beklagte, dass sie „der Stadt vorgeschlagen“ habe, „wenigstens 50 Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen“. Die Beklagte bedauerte in dieser Pressemitteilung, „dass die Stadt mit ihrer Verweigerungshaltung die Fahrerinnen und Fahrer in weitere Streikmaßnahmen treibe“.

Von der Beklagten nicht bestritten und somit unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) wurde die Verhandlungsrunde am 11. März 2016 in Karlsruhe vom Verhandlungsführer Herrn S. abrupt abgebrochen als die Frage, ob die Klägerseite Arbeitsplätze der Stadt „mitgebracht“ hätte, verneint wurde. Auch in der Verhandlungsrunde am 22. Juni 2016 in P. forderte Herr S. die Verhandlungsführer der Klägerin auf, zum Telefonhörer zu greifen und eine verbindliche Zusage über erforderliche Arbeitsplätze einzuholen. Auf Ablehnung seitens der Verhandlungsführer der Klägerin äußerte Herr S.: „So kommen Sie hier nicht raus“.

Auf der eigenen Homepage des Bezirkes Mittelbaden der Beklagten war unter den „Nachrichten“ zu lesen, dass „bis heute...die Stadt keine Angebote gemacht“ habe. Man habe „der Stadt angeboten, sich doch auf ein Schlichtungsverfahren einzulassen“ mit Frau Prof. Dr. D. als Schlichtungsvorsitzende.

Letztlich deckt sich dieses Ergebnis auch mit den Äußerungen des Verhandlungsführers der Beklagten Herrn S. im Berufungstermin des einstweiligen Verfügungsverfahrens vom 3. August 2016 (4 SaGa 2/16). Dieser äußerte auf Nachfrage des Vorsitzenden, es sei auch „eine Unterbringung bei der Stadt P. angedacht gewesen, entsprechend den Regelungen des TV-Ratio“.

Angesichts dieser Verlautbarungen ging es der Beklagten nicht nur um eine Verpflichtung der Klägerin, Bemühungen zu entfalten, damit die Stadt P. Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Sie wollte vielmehr eine verbindliche Zusage über Ersatzarbeitsplätze mit einer Unterschrift der Stadt P. unter diese Zusage wie unter den vorangegangenen Tarifverträgen.

dd) Letztlich dürfte es der Beklagten auch um „klassische“ Sozialtarifvertragsregelungen gegangen sein wie finanzielle Abmilderungen von Arbeitsplatzverlusten sowie die Gründung einer Transfergesellschaft.

Jedenfalls ergibt sich dies aus der Pressemitteilung vom 3. April 2016 und wird im Übrigen von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Vielmehr trägt sie sogar selbst vor, dass dies Gegenstand ihres Verhandlungspapiers gewesen sei, unabhängig davon, ob dieses der Beklagten zugeleitet wurde.

3. Legt man diese Kampfziele zugrunde, ist keine Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen wegen Verstoß gegen die Friedenspflicht festzustellen.

a) Ein Tarifvertrag schützt in seinem schuldrechtlichen Teil, zu dem die Friedenspflicht gehört, hinsichtlich der tariflich geregelten Materie mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -). Die Friedenspflicht muss nicht gesondert vereinbart werden. Sie ist dem Tarifvertrag als Friedensordnung immanent (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -; BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -). Soweit von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelung zu ermitteln (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -). Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -; BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 -; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -). Die Friedenspflicht endet mit Ablauf der betreffenden tariflichen Regelungen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -). Die Tarifvertragsparteien können über die relative Friedenspflicht aber auch verfügen (Däubler/Reinfelder Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 15 Rn. 5). Auch ganz ungewöhnliche, bei Abschluss des Tarifvertrages unvorhergesehene und von dessen Regelungen offensichtlich nicht erfasste Entwicklungen können es möglich erscheinen lassen, die Friedenspflicht entfallen zu lassen (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -).

b) Es liegt kein Verstoß gegen die durch den TV 2014 vermittelte Friedenspflicht vor, weil die Beklagte einen über den 31. Dezember 2016 hinausgehenden Bestandsschutz der Mitarbeiter erkämpfen wollte.

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten betraf ihre Kampfforderung aber einen Bereich, der im TV 2014 bereits geregelt war, somit grundsätzlich befriedet war.

§ 1 Nr. 5.1 TV 2014 sah für einen bestimmten Kreis von Beschäftigten einen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 31. Dezember 2026 vor. Dieser Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen wurde jedoch durchbrochen durch die Ausnahmeregelung in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 bei Eintritt der darin genannten Störfälle, wozu auch drohende Genehmigungsverluste und Auftragsverluste fielen. Mit Genehmigungsverlusten waren erkennbar auch Verluste der Linienführungsgenehmigungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 PBefG gemeint. Ein solcher (drohender) Verlust lag unstreitig vor, genauso wie ein (drohender) Verlust des Verkehrsvertrages vorlag. Wegen dieses (drohenden) Genehmigungs- und Auftragsverlustes war vorliegend für die Klägerin die Möglichkeit von betriebsbedingten Kündigung ausdrücklich eröffnet. Genau hiergegen richtete sich der Arbeitskampf. Denn hätte noch Bestandsschutz bestanden, hätte es des Arbeitskampfes zur Arbeitsplatzsicherung nicht bedürft.

Die Auffassung der Beklagten, der Fall der Stilllegung sei von § 1 Nr. 5.2 TV 2014 überhaupt nicht erfasst gewesen, überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, dass der TV 2014 im Kern als Sanierungstarifvertrag gedacht war. Richtig ist, dass die Tarifvertragsparteien von einem Abschluss eines neuen Verkehrsvertrages nach Ausschreibung ausgegangen sind, somit von einem Fortbestand der Klägerin. Letztlich war § 1 Nr. 5.2 TV 2014 aber eine Störfallregelung für alle Fälle, in denen diese Fortbestehensgeschäftsgrundlage ganz oder teilweise in Wegfall gerät. Die massenentlassungsanzeigepflichtige Entlassung aller Mitarbeiter wegen durch Konzessions- und Auftragswegfall bedingter Stilllegung war schlicht der schlimmste und drastischste Fall des Geschäftsgrundlagenwegfalls.

Eröffnete aber der TV 2014 ausdrücklich eine Kündigungsmöglichkeit für solche Störfälle, war die Forderung nach einer dieser Kündigungsmöglichkeit entgegenlaufenden Bestandssicherung über den 31. Dezember 2016 hinaus eindeutig auf eine Änderung des Regelungszusammenhangs eines befriedeten Bereichs gerichtet.

bb) Diese Forderung war aber dennoch zulässig. Denn die aus dem TV 2014 resultierende Friedenspflicht war trotz der normativen Fortgeltung des TV 2014 suspendiert. Dies folgt aus der in § 26 Abs. 5 HausTV vereinbarten Verhandlungspflicht und den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

(1) Gem. § 1 Nr. 1 TV 2014 wurde der HausTV „nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt“. Das bedeutet, dass der HausTV insoweit wieder in Kraft gesetzt wurde als der TV 2014 keine davon abweichende oder ergänzende Regelung getroffen hat.

Schon der HausTV aus dem Jahre 2006 beinhaltete ein Wechselspiel zwischen Bestandssicherung und Ausnahmen hierzu in § 2 HausTV. Für den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage haben sich die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 5 HausTV eine Verhandlungspflicht auferlegt. Dieses Wechselspiel wurde in den TV 2014 übernommen. Geändert wurde in § 1 Nr. 5 TV 2014 lediglich die Laufzeit des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen und der Stichtag für die kündigungsgeschützten Mitarbeiter. Im Übrigen wurde die Regelung des § 2 HausTV wortgleich übernommen. Diese Änderung der Laufzeit der Bestandssicherung und des Stichtags waren also die einzigen „Maßgaben“, die der TV 2014 in diesem Regelungszusammenhang getroffen hat. § 26 HausTV erfuhr nur hinsichtlich seiner Absätze 1 bis 4 Änderungen, nicht jedoch hinsichtlich des hier maßgeblichen Abs. 5. Das Wechselspiel zwischen Eröffnung von Kündigungsmöglichkeiten bei Wegfall der Geschäftsgrundlage und gleichzeitiger Auferlegung einer Verhandlungspflicht setzte sich im TV 2014 somit fort.

Deshalb kann entgegen der Auffassung der Klägerseite auch nicht angenommen werden, dass § 1 Nr. 5.2 TV 2014 als Vorrangregelung § 26 Abs. 5 HausTV verdrängt hätte.

(2) Dieses tarifliche Wechselspiel zwischen ausnahmsweiser Eröffnung von Kündigungsmöglichkeiten unter Auferlegung einer Verhandlungspflicht wurde auch nicht durch § 1 Nr. 2 Änd/ErgTV abgeändert. Die dort geregelte Verhandlungspflicht für einen Rettungstarifvertrag betraf einen völlig anderen Fall, falls die neuen Zuwendungsregelungen zu einer nachweislichen Gefährdung der Liquidität geführt hätten. Ein solcher „Rettungstarifvertrag“ hätte auch nur für den Zeitraum bis 31. Dezember 2016 getroffen werden können. Für den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der Stilllegung als auch für den hier interessierenden Zeitraum ab Januar 2017 traf der Änd/ErgTV keine Regelungen.

(3) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 5 HausTV lagen auch vor.

Mit der Tatbestandsvoraussetzung des drohenden Verlustes von Aufträgen oder vergleichbaren Fällen gravierender Veränderungen der Geschäftsgrundlage nahm § 26 Abs. 5 HausTV die Formulierungen aus § 2 HausTV auf, wie sie in § 1 Nr. 5.2 TV 2014 übernommen wurden. Vorliegend stand der Klägerin der Verlust der Linienführungsgenehmigung und des Verkehrsvertrages bevor. Die Parteien waren demnach verpflichtet, unter Berücksichtigung der veränderten Marktsituation zur zielgerichteten Fortschreibung des TV 2014 zu verhandeln, um die Hauptanliegen Sicherung des Geschäfts und Sicherung der öffentlichen Arbeitsplätze weiterhin zur Geltung zu bringen.

 (4) Diese Verhandlungsverpflichtung führte zu einer Suspendierung der Friedenspflicht.

 (a) Die Parteien definierten § 26 Abs. 5 HausTV selbst als einen Anwendungsfall der „Veränderung der Geschäftsgrundlage“. In objektiver Auslegung des Tarifvertrags muss davon ausgegangen werden, dass die Parteien dem Begriff der Geschäftsgrundlage dieselbe Bedeutung beimessen wollten wie der Gesetzgeber in § 313 BGB.

Die Parteien waren auch berechtigt, selbst ihre Geschäftsgrundlage zu definieren (Beck-Online-Großkommentar BGB/Martens Stand 1. Dezember 2018 § 313 Rn. 46 unter Bezugnahme auf LAG Baden-Württemberg 15. August 2018 - 4 Sa 6/18 -).

(b) Eine Störung der Geschäftsgrundlage führt - anders noch als nach altem Recht - gem. § 313 Abs. 1 BGB nicht zu einer Vertragsauflösung und Anpassung des Vertrags kraft Gesetz. Vielmehr ist die Anpassung im Rahmen einer vertraglichen Lösung vorrangig durch Verhandlungen zu versuchen (Palandt/Grüneberg BGB 78. Aufl. § 313 Rn. 41; MüKoBGB/Finkenauer 7. Aufl. § 313 Rn. 82). Eine entsprechende Regelung haben die Parteien auch vorliegend getroffen. Auch sie haben sich verpflichtet, eine Anpassung auf vertraglichem Wege durch Verhandlungen zu versuchen. Kommt jedoch eine Einigung im Verhandlungswege nicht zustande, so kann im Regelfall des Geschäftsgrundlagewegfalls auf Zustimmung zu einer begehrten Vertragsänderung geklagt werden (Palandt/Grüneberg BGB 78. Aufl. § 313 Rn. 41; MüKoBGB/Finkenauer 7. Aufl. § 313 Rn. 83). Hierbei handelt es sich dann um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, die über § 894 ZPO zu vollstrecken ist. Die Willenserklärung gilt dann mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben (MüKoBGB/Finkenauer 7. Aufl. § 313 Rn. 83). Dass eine solche Konfliktlösung jedoch bei Tarifverträgen nicht in Betracht kommen kann, drängt sich auf. Sie wäre mit der nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie der Koalitionen nicht vereinbar.

(c) Auch der Ausweg über § 313 Abs. 3 BGB war vorliegend nicht gangbar. Die Anpassung des Tarifvertrages war grundsätzlich möglich und den Parteien auch zumutbar. Die Parteien haben sich gerade kein Rücktritts- oder Kündigungsrecht eingeräumt. Sie gingen gerade davon aus, dass über Verhandlungen eine ablösende Regelung hätte getroffen werden können.

(d) Haben sich aber die Parteien für den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Verhandlungspflicht auferlegt und greifen die klassischen Konfliktlösungsmechanismen des § 313 BGB wegen der Besonderheiten der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie nicht, so muss der Gewerkschaft ein Mittel an die Hand gegeben werden, um die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmerschaft in der Verhandlungssituation ausgleichen zu können (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 -). Denn ohne die Möglichkeit des Arbeitskampfes wären die Arbeitnehmer bei fehlender Kompromissbereitschaft des Arbeitgebers auf „kollektives Betteln“ zurückgeworfen (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 -; BAG 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 -).

Aus dieser Ausgangssituation folgt tarifimmanent, dass bei Vorliegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch die Friedenspflicht suspendiert sein muss.

(e) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass § 1 Nr. 5.2 TV 2014 bereits unter Nutzung der gewerkschaftlichen Kampfstärke zustande gekommen sei und somit bereits eine Regelung für den Fall des Eintritts einer Störung der Geschäftsgrundlage vorgesehen habe. Sie übersieht, dass die Parteien für den Fall der Störung der Geschäftsgrundlage gerade ein Wechselspiel zwischen Kündigungsrecht und Verhandlungspflicht geregelt haben. Dies kann nur so aufgelöst werden, dass dieses Kündigungsrecht wegen der normativen Fortgeltung des Tarifvertrages zwar hätte ausgeübt werden können, aber letztlich durch anderweitige Verhandlungslösungen auch wieder zum Wegfall hätte gebracht werden können.

(f) Wäre dagegen die Auffassung der Klägerin richtig, dass zwar eine Verhandlungspflicht bestanden hätte, diese aber nicht durch Streikmaßnahmen hätte begleitet werden dürfen, wäre zugleich die obige Annahme unter (c) hinfällig, dass eine Anpassungslösung zumutbar gewesen wäre. Dann aber hätte der Beklagten ein Rücktrittsrecht gem. § 313 Abs. 3 BGB zugestanden, welches sie vorliegend mit der kundgemachten Einschätzung des Scheiterns der bisherigen Verhandlungen konkludent zum Ausdruck gebracht hätte. Denn die Hinnahme von Verhandlungsverpflichtungen unter Belassung und Ausnutzung ihrer strukturellen Unterlegenheit wäre der Beklagten nicht zumutbar gewesen. Wann Verhandlungen gescheitert sind bzw. wann Verhandlungen einen verstärkten Kampfdruck bedürfen, obliegt der Einschätzungsprärogative der Gewerkschaft.

c) Es liegt auch kein Friedenspflichtverstoß vor, weil die Beklagte Regelungen entsprechend § 22 HausTV iVm. dem TVRatAng forderte.

Zwar war § 22 HausTV und über dessen Bezugnahme auch der TVRatAng bereits geltendes Tarifrecht, jedoch unterfielen Stilllegungen nicht dem Geltungsbereich des TVRatAng.

Gem. § 1 Abs. 1 TVRatAng sind Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Tarifvertrages nämlich nur vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise. Eine gänzliche Betriebsstilllegung des einzelnen Betriebes (anders als möglicherweise die Stilllegung eines von mehreren Betrieben) des Arbeitgebers fällt nicht hierunter. Diese dienten nicht dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, sondern vielmehr der Aufgabe jeglicher betrieblicher Tätigkeit (LAG Baden-Württemberg 13. Januar 2014 - 1 Sa 14/13 -; LAG München 28. Juli 2005 - 2 Sa 86/05 -; bereits zur Vorgängerregelung: BAG 17. März 1988 - 6 AZR 634/86 -).

Die Beklagte forderte aber keine beschäftigungssichernden Maßnahmen für den Fall von Rationalisierungen, sondern nur für den konkreten Fall der Stilllegung. Hierüber gab es noch keine tarifliche Regelung.

4. Es liegt auch keine Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen vor, weil die Beklagte rechtswidrig tariflich nicht regelbare Ziele verfolgt hätte.

a) Arbeitskämpfe dürfen nur zur Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele geführt werden. Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -; BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -). Das bedeutet zugleich, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -; BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 -). Es kommt aber nicht darauf an, ob die begehrte tarifliche Regelung eine solche aus dem normativen Teil oder eine solche des schuldrechtlichen Teils ist (Däubler Tarifverträge zu Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 Seite 81).

b) Das auf Verlängerung des Bestandsschutzes der Mitarbeiter über den 31. Dezember 2016 hinaus gerichtete Kampfziel der Beklagten war rechtmäßig.

aa) Als Inhaltsnorm iSd. § 1 Abs. 1 TVG war dieses Ziel grundsätzlich tariflich regelbar (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -).

bb) Die Beklagte verfolgte mit diesem Ziel auch keine unzulässige Existenzvernichtung der Klägerin.

(1) Die Höhe einer Streikforderung hat auf die Kampfparität keinen Einfluss. Zu deren Gewährleistung bedarf es deshalb keiner gerichtlichen Überprüfung des Forderungsumfangs. Zwar mag die Streikbereitschaft durch hohe Tarifforderungen beeinflusst werden können. Dadurch werden aber die Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite nicht in einer Weise beschränkt, dass staatliche Eingriffe zur Herstellung des nötigen Gleichgewichts erforderlich würden. Eine Übermaßkontrolle von Streikzielen ist nicht zum Schutz von Grundrechten des Koalitionspartners geboten. Die Höhe einer Streikforderung greift nicht in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Arbeitgeber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ein. Von einer für ein tariflich regelbares Ziel erhobenen Streikforderung als solcher geht keine Beeinträchtigung aus. Eine bloße Tarifforderung hat keine rechtsgestaltende, für den Gegner verbindliche Wirkung. Der Umfang einer Streikforderung ist keine rechtlich bedeutsame Größe. Die Aussicht auf eine uneingeschränkte Umsetzung eines Streitziels besteht typischerweise nicht. Eine Streikforderung rechnet mit dem Widerstand der Arbeitgeberseite. Sie geht aus den verschiedensten Motiven regelmäßig über dasjenige Maß hinaus, bei dessen Erreichen die Gewerkschaft zum Tarifschluss bereit ist. Sie hat die Funktion, die jeweiligen Mitglieder zu motivieren und Tarifverhandlungen zunächst einmal in Gang zu bringen. Mit der Rechtskontrolle schon des Umfangs der Streikforderung würde deshalb eine nur potentielle Norm in Unkenntnis ihrer späteren Konkretisierung auf eine mögliche Grundrechtswidrigkeit überprüft. Dass ist mit der Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren und widerspräche dem Grundgedanken der Tarifautonomie. Diese besteht auch darin, selbst über Arbeitskampfmodalitäten und Strategien und damit u.a. über das als erforderlich angesehene Maß einer Streikforderung entscheiden zu können. Ihre Grenze liegt dort, wo die Streikforderung gezielt auf die wirtschaftliche Existenzvernichtung des Gegners gerichtet und damit vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht mehr gedeckt ist (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/86 -).

(2) Vorliegend hat die Beklagte nur eine Verlängerung des Bestandsschutzes bis 30. Juni 2017, somit um sechs Monate gefordert. Dies ausgehend von der Prämisse der bis dahin noch fortbestehenden Konzessionen und der grundsätzlichen Möglichkeit der Klägerin, von der Stadt P. als ihrer Gesellschafterin eine befristete verkehrsvertragliche Grundlage erhalten zu können. Bloß deshalb, weil die Klägerin etwas anderes wollte, nämlich die Stilllegung ihres Betriebes, folgt nicht, dass die Beklagte diesen Willen der Klägerin ihren Forderungen auch hätte zugrunde legen müssen. Einen Bestandsschutz ohne konzessionsrechtliche oder verkehrsvertragliche Grundlage und somit ohne Möglichkeit der Klägerin, Einnahmen zu generieren, hat die Beklagte von der Klägerin nie verlangt.

c) Das Ziel der Verlängerung des Bestandsschutzes war eingebettet in das Ziel, dass die Klägerin ihren Betrieb unter Ausnutzung der Konzession auch bis mindestens Juni 2017 betreibt. Auch diese Zielsetzung war nicht rechtswidrig.

aa) Das Ziel war tariflich regelbar.

(1) Ohne Zweifel sind Kampfziele, eine Betriebsstilllegung oder Betriebsverlagerung zu verhindern, solche, bei denen es um die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSv. Art. 9 Abs. 3 GG geht, auch wenn eine entsprechende Regelung nur in einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Tarifvertrags möglich ist (ErfK/Linsenmaier 19. Aufl. Art. 9 GG Rn. 116). Zu beachten ist aber, dass ein solches Kampfziel erheblich in die zugunsten des Arbeitgebers grundrechtlich geschützte Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Das Grundgesetz gewährleistet den Kernbereich der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG und die Unternehmensautonomie als Teil der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG. Deshalb darf weder die Unternehmensautonomie noch die Tarifautonomie so ausgeübt werden, dass die andere leerläuft. Vielmehr sind diese Grundrechtsgewährleistungen so auszudeuten, dass beide jeweils bestmöglich wirksam werden. Die Unternehmensautonomie wäre nur unzureichend beachtet, wenn ihr die Tarifautonomie keinerlei tariffreien Betätigungsbereich lassen würde. Deshalb kann der Tarifautonomie nicht entnommen werden, dass sämtliche unternehmerische Entscheidungen tarifvertraglich geregelt werden können. Als kollektives Arbeitnehmerschutzrecht gegenüber der Unternehmensautonomie kann eine tarifliche Regelung nur dort eingreifen, wo eine unternehmerische Entscheidung diejenigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Belange der Arbeitnehmer berührt, die sich gerade aus deren Eigenschaft als abhängige Beschäftigte ergeben. Dementsprechend entscheidet die Geschäftsleitung unternehmensautonom beispielsweise über Investitionen, Produktion und Vertrieb. Sie trifft grundsätzlich die Entscheidung darüber, welche Geld- und Sachmittel zu welchem Zweck eingesetzt werden und ob, was und wo hergestellt wird. Diese tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie geht aber nicht so weit, dass die Gewerkschaften darauf beschränkt sind, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln. Aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer ist es gleichgültig, ob die soziale Frage bereits Teil oder erst Folge der Unternehmensentscheidung ist (BAG 3. April 1990 - 1 AZR 123/89 -). Deshalb bezieht sich der Regelungsauftrag des Art. 9 Abs. 3 GG immer dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen lassen, zwangsläufig mit auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung (BAG 3. April 1990 - 1 AZR 123/89 -). Eine solche Verknüpfung von wirtschaftlicher und sozialer Seite liegt beim Verlust von Arbeitsplätzen wegen Stilllegungs- oder Verlagerungsentscheidungen in besonders intensiver Weise vor (Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 Seite 46). Es handelt sich um Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ersten Ranges (ErfK/Linsenmaier 19. Aufl. Art. 9 GG Rn. 75).

Außerdem ist in die Abwägung einzustellen, wie stark personalisiert die unternehmerische Entscheidung getroffen wurde. Denn was der einzelne Arbeitgeber nur persönlich entscheiden kann, darf nicht durch Streikdruck erzwungen werden. Bei Kapitalgesellschaft und Großunternehmen haben aber z.B. Standortentscheidungen regelmäßig keine derart persönliche Dimension. Daraus folgt für die Zulässigkeit von Streiks ein differenzierter Grenzverlauf, können doch Betriebsänderungen oder -schließungen das Ergebnis höchst unterschiedlicher unternehmerischer Entscheidungen sein (ErfK/Linsenmaier 19. Aufl. Art. 9 Rn. 75, 116; ablehnend: Hessisches LAG 9. September 2015 - 9 SaGa 1082/15 -). Eine solche Differenzierung erscheint entgegen der Auffassung der Beklagten geboten. Denn es ist gerade der personale Grundzug, der den eigentlichen Kern der Gewährleistung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG ausmacht und der sich je nach Größe des Unternehmens unterschiedlich darstellen kann (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 -).

Letztlich mag aber dahinstehen, ob tatsächlich die Verhinderung von Stilllegungs- und Verlagerungsentscheidungen erkämpft werden darf (ablehnend: Hessisches LAG 9. September 2015 - 9 SaGa 1082/15 -). Im Rahmen des Ausgleichs der Grundrechtsposition ist jedenfalls danach zu unterscheiden, ob sich der Arbeitskampf gegen die „eigentliche“ Unternehmerfreiheit richtet oder ob eine Betriebsschließung oder wesentliche Betriebseinschränkung nur verzögert werden soll (BAG 21. Juni 2000 - 4 AZR 379/99 -).

(2) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, kann sogar dahinstehen, ob die Klägerin als ein hundert Prozent öffentlich beherrschtes Unternehmen überhaupt aus Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtsberechtigt war oder nur grundrechtsverpflichtet. Denn jedenfalls ist festzustellen, dass die Beklagte nicht verlangte, dass die „eigentliche“ unternehmerische Stilllegungsentscheidung hätte zurückgenommen werden sollen. Der Beklagten ging es „nur“ um die zeitliche Verzögerung für einen verhältnismäßig überschaubaren Zeitraum von sechs Monaten unter Ausnutzung der noch bestehenden Konzession. Die beabsichtigte „Endgültigkeit“ der Stilllegungsentscheidung hätte unangetastet bleiben sollen. Diese Zielrichtung war noch zulässig, zumal es sich bei der Klägerin um eine öffentlich beherrschte Kapitalgesellschaft handelt ohne besonders schutzwürdigen personalen Bezug zur unternehmerischen Entscheidung.

bb) Diese Zielsetzung war zudem auch nicht auf eine Existenzvernichtung gerichtet. Wie bereits oben dargestellt, hat die Beklagte lediglich verlangt, dass die bestehenden Konzessionen während ihrer Laufzeit noch ausgenutzt werden sollten. Es sollte letztlich Druck auf den öffentlichen Gesellschafter ausgeübt werden, die Klägerin für diese Zeit noch mit einem befristeten Verkehrsvertrag auszustatten. Es sollte schlicht der Wille der Klägerin und der hinter dieser stehenden Gesellschafterin gebrochen werden, den Betrieb bereits vor Konzessionsende einzustellen. Dass eine solche Betriebsführung über den 31. Dezember 2016 hinaus möglich gewesen wäre, ergibt sich z.B. auch aus der Beschlussvorlage Q 0645 an den Gemeinderat. Der Gemeinderat hat sich zwar gegen eine Betriebsfortführung unter Ausnutzung der Konzession ausgesprochen. Dies mag wirtschaftlich auch vernünftig gewesen sein. Dennoch wäre die Erreichung des Kampfziels nicht unmöglich gewesen. Eine Tarifzensur steht der Kammer nicht zu. Jedenfalls hatte die Beklagte nicht beabsichtigt, die Beklagte ohne Verkehrsvertrag in die Insolvenz laufen zu lassen.

d) Das auf die finanzielle Abfederung der durch Kündigung entstehenden Nachteile gerichtete Ziel eines Tarifsozialplans war unzweifelhaft zulässig (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -).

5. Abweichend von der im einstweiligen Verfügungsverfahren (4 SaGa 2/16) von der erkennenden Kammer noch vertretenen Auffassung führte vorliegend ausnahmsweise auch die Einbeziehung der Stadt P. in die Tarifziele der Beklagten nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Streikmaßnahmen. Die Besonderheit der vorliegend zu beurteilenden und mittlerweile umfassender dargestellten Sachlage führte unter Beibehaltung der schon im vorangegangenen Verfahren herangezogenen Rechtsgrundsätze nach umfassender und nicht nur summarischer Prüfung zu einer anderen Einschätzung.

a) Die andere Auffassung kann aber nicht schon damit begründet werden, dass die Stadt P. schon in der Vergangenheit Tarifvertragspartei gewesen wäre und ebenfalls der Verhandlungsverpflichtung aus § 26 Abs. 5 HausTV unterlegen wäre, wie die Beklagte meint.

aa) Die Frage, ob Vertragsparteien einen Tarifvertrag haben abschließen wollen, ist in Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (BAG 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 -; Däubler TVG 4. Aufl. Einleitung Rn. 985, 986). Insbesondere, wenn ein Vertragswerk von einem Dritten unterschrieben wird, spricht dies dafür, dass zumindest bezogen auf diesen Dritten kein Tarifvertrag vorliegen soll (Däubler TVG 4. Aufl. Einleitung Rn. 986). Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser Dritte nicht der Arbeitgeber ist (Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und praktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 Seite 57). Gerade wenn der Mehrheitsgesellschafter und nicht der Arbeitgeber iSv. § 2 TVG einen Vertrag abschließt, ist nicht von einem Tarifvertrag, sondern nur von einer sog. „sonstigen Kollektivvereinbarung“ auszugehen (Däubler Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 13 Rn. 41).

bb) Vorliegend hat die Stadt P., vertreten durch ihren Stadtdirektor Herrn E., zwar sowohl den TV 2014 als auch den Änd/ErgTV und sogar den Letter of Intent vom 7. Mai 2015 „für die Stadt P.“ unterschrieben. Die Stadt P. war aber nicht Arbeitsgeberin iSv. § 2 TVG.

Legt man die Tarifverträge aus, so ist zudem erkennbar, dass die Stadt P. durch die normativen Regelungen der Tarifverträge auch nicht verpflichtet werden sollte. Auf die Stadt P. bezogen waren ausschließlich die Bekundungen in der Vorbemerkung zum TV 2014, mit welchen sie die Übernahme der Mehrheitsgesellschafterstellung zusagte, die Durchführung eines Vergabeverfahrens als auch die Wiederüberleitung der Klägerin in ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen ab 11. Dezember 2016. Auch § 1 Nr. 9 TV 2014 hatte einen Bezug zur Stadt P.. Darin war geregelt, dass ab dem 11. Dezember 2016 bei der Rücküberführung in ein gemischt wirtschaftliches Unternehmen die Fremdvergabequote max. 25 Prozent betragen sollte. Alle diese auf die Stadt P. bezogenen Darstellungen und Verpflichtungen hatten aber mit „klassischen“ tarifvertraglichen Inhalten nichts zu tun.

Die Unterschriften machten die Stadt demnach nicht zu einer Tarifvertragspartei. Vielmehr waren der TV 2014 und der Änd/ErgTV jedenfalls bezogen auf die Erklärungen und Zusagen der Stadt P. nur sog. sonstige Kollektivvereinbarungen.

b) Es bleibt beim Grundsatz, dass nur, was tariflich regelbar ist, auch mit einem Arbeitskampf erzwungen werden darf.

Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur die Bildung und den Bestand einer Arbeitnehmerkoalition, sondern auch deren koalitionsmäßige Betätigung. Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist dabei nicht von Vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt, die für die Sicherung des Bestands der Koalition unerlässlich sind, er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Dazu gehört auch die Tarifautonomie als das Recht, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mit der Arbeitgeberseite auszuhandeln und durch Verträge verbindlich für die Mitglieder zu regeln. Die Regelung der Arbeitsbedingungen in Kollektivverträgen dient der Verwirklichung der Interessen der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Eine wirkungsvolle Interessendurchsetzung ist den Gewerkschaften nur möglich, wenn sie ihren Forderungen durch Streiks Nachdruck verleihen können. Der Arbeitskampf ist deshalb funktional auf die Tarifautonomie bezogen und insoweit grundrechtlich geschützt. Ein Grundrecht auf Streik, losgelöst von seiner funktionalen Bezugnahme auf die Tarifautonomie, gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG nicht (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 -).

Daraus ist abzuleiten, dass zu einer solchen tariflichen Regelbarkeit auch eine beiderseitige Tariffähigkeit und eine gemeinsame Tarifzuständigkeit von Angreifer und Angegriffenen gehört (Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. Grundl. Rn. 509).

c) Ausgehend von dieser Prämisse ist streitig, ob auch sonstige Kollektivvereinbarungen, die die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSv. Art. 9 Abs. 3 GG betreffen (in Abgrenzung zu sonstigen schuldrechtlichen Abmachungen) erstreikt werden dürfen.

aa) Nach Auffassung von Löwisch/Rieble gibt es das Institut der „sonstigen Kollektivvereinbarungen“ schon gar nicht. Auch sog. „Investorenverträge“ seien keine Kollektivverträge, weil ein Investor seinerseits niemals Arbeitgeber sei und deshalb mit diesem auch nicht über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verhandelt werden könne (Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 1313). Deshalb seien solche Verträge auch nicht erkämpfbar (Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 1315; Grundl. Rn. 509).

bb) Däubler meint dagegen, dass es möglich sein müsse, auch sonstige Kollektivvereinbarungen zu erstreiken, wenn diese auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Beschäftigten iSv. Art. 9 Abs. 3 GG ausgerichtet seien. Dies müsse auch dann gelten, wenn diese Kollektivvereinbarungen mit einem Dritten geschlossen werden, vor allem dann, wenn dieser Dritte Mehrheitsgesellschafter des eigentlichen Arbeitgebers sei. Denn der Mehrheitsgesellschafter könne aufgrund seiner Stellung die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Beschäftigten in der von ihm beherrschten Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Sehe man den Sinn der Tarifautonomie darin, die Unterlegenheit der Arbeitnehmer tendenziell auszugleichen, so wäre es wenig einsichtig, wollte man Verhandlungen nur mit der Unternehmensleitung als faktisch ausführendem Organ zulassen und den eigentlichen Entscheidungsträger von Vornherein ausklammern (Däubler TVG 4. Aufl. Einleitung Rn. 1003; Däubler Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 13 Rn. 41). Es wäre vielmehr unter Berücksichtigung der Tarifautonomie bedenklich, könnte sich das eigentliche Macht- und Entscheidungszentrum hinter der Fassade der juristischen Person des Arbeitgebers verstecken. Zur Beseitigung dieser Bedenken bedürfe es jedoch keiner Korrektur des § 2 Abs. 1 TVG, solange es in Form des sonstigen Kollektivvertrags ein rechtlich anerkanntes Mittel gebe, um Abmachungen mit dem eigentlichen Entscheidungsträger zu treffen und dieser auch bestreikt werden könne (Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 Seiten 58, 59). Nur soweit der Gegenstand der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verlassen werde, scheide eine Erstreikbarkeit aus (Däubler TVG 4. Aufl. Einleitung Rn. 1003), oder wenn völlig unbeteiligte Dritte in Anspruch genommen werden sollen (Däubler Tarifverträge zur Unternehmenspolitik? Rechtliche Zulässigkeit und faktische Bedeutung HSI-Schriftenreihe Band 16 Seite 59).

In dieselbe Richtung argumentieren Zeibig/Zachert (Zeibig/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 1 Rn. 998).

Die Erstreikbarkeit sonstiger Kollektivvereinbarungen wird auch von Linsenmaier befürwortet. Er verweist darauf, dass für eine Erstreikbarkeit der funktionale Zusammenhang mit gewerkschaftlich getragenen auf Tarifverträge bezogenen Aktionen ausreichen müsse. Anderenfalls wären nämlich kollektive Konflikte um Bündnisse für Arbeit und Standortsicherung nicht sinnvoll lösbar (ErfK/Linsenmaier 19. Aufl. Art. 9 GG Rn. 114).

Wankel/Schoof befürworten ebenfalls die Erstreikbarkeit sonstiger Kollektivvereinbarungen. Art. 9 Abs. 3 GG gehe dem TVG als ranghöhere Norm vor. Maßgeblich sei lediglich, dass die erwünschte Kollektivvereinbarung der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu dienen bestimmt ist (Wankel/Schoof in Berg/Kocher/Schumann TVG und Arbeitskampfrecht 5. Aufl. Teil 3 Rn. 24).

cc) Die Kammer folgt den letztgenannten unter bb) dargestellten Auffassungen.

Insbesondere, wenn für den Arbeitskampf der funktionale Zusammenhang zur Tarifautonomie maßgeblich ist, muss es ausreichen, wenn eine Kollektivvereinbarung begehrt wird, die in einem Zusammenhang steht zu dem vom zuständigen Arbeitgeber gewünschten Ziel. Auch das BAG sieht es bei Arbeitskämpfen mit Drittbezug (Unterstützungsstreiks) als ausreichend an, dass die Maßnahmen geeignet sind, Druck auf den „sozialen Gegenspieler“ auszuüben (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -), was einer einheitlichen Betrachtung von Arbeitgeber und deren Alleingesellschafter jedenfalls nicht entgegenzustehen scheint.

d) Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist festzustellen, dass die Beklagte nur die Forderung erhob, dass die Stadt P. als hundertprozentige Gesellschafterin Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollte zur Abfederung der sozialen Nachteile, die den Mitarbeitern durch die beabsichtigte und von der Stadt als Gesellschafterin selbst beschlossene Stilllegung der Klägerin entstehen. Es handelte sich um einen Baustein innerhalb des eigentlich gegen die Klägerin gerichteten Gesamttarifkonflikts.

Genauso wie es unproblematisch gewesen wäre, tarifliche Sozialplanforderungen gegen die Klägerin zu erheben, die angesichts ihrer Höhe nur durch einen Zuschuss von Geldern seitens der Gesellschafter hätte befriedigt werden können, muss es möglich sein, von der Klägerin sonstige Ressourcen einzufordern, die ebenfalls nur durch eine Zuschussleistung der Gesellschafter befriedigt werden können (hier also Arbeitsplätze).

e) Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man zugleich die Wertungen des Art. 6 Nr. 4 ESC in den Abwägungsprozess mit einbezieht.

aa) Die ESC stellt eine von der Bundesrepublik Deutschland eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 -). Auch wenn die ESC nicht unmittelbar anwendbar ist (EuArbR/Schubert 2. Aufl. ESC Rn. 56), ist der Konflikt zwischen dem im Verfassungsrang stehenden Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG und der als im Rang einfachen Rechts stehenden ESC so aufzulösen, dass Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG jedenfalls völkerrechtsfreundlich auszulegen ist (EuArbR/Schubert 2. Aufl. ESC Rn. 58).

Nach der ESC ist ein Streik auch ohne Bezug zu Kollektivverhandlungen denkbar. Art. 6 Nr. 4 ESC konstruiert das Streikrecht nämlich nicht als Annex der Verhandlungen über Kollektivverträge, sondern als eigenständiges Recht, bindet es aber an die Interessenkonflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (EuArbR/Schubert 2. Aufl. Art. 6 ESC Rn. 34). Art. 6 Nr. 4 ESC sieht aber gerade nicht vor, dass Streiks nur das Ziel haben dürfen, einen Tarifvertrag abzuschließen (EuArbR/Schubert 2. Aufl. Art. 6 ESC Rn. 35).

Die Beschränkungen und Begrenzungen des Streiks sind auch nach nationalem Recht in völkerrechtsfreundlicher Auslegung im Wesentlichen über Art. 31 Abs. 1 ESC zu bestimmen (EuArbR/Schubert 2. Aufl. Art. 6 ESC Rn. 35). Dies deckt sich im Kern mit der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche in Art. 31 Abs. 1 ESC ebenfalls z.B. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankert sieht (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -; zum Beamtenstreik, dort allerdings in der Prüfung nach Art. 11 Abs. 2 EMRK: BVerfG 12. Juni 2018 - 2 BVR 1738/12 u.a. -).

bb) Rechte und Pflichten anderer (Art. 31 Abs. 1 ESC) wurden durch die vorliegenden streitgegenständlichen Streikmaßnahmen jedoch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.

(1) Kommt es nicht auf den Abschluss eines originären Tarifvertrages an, sondern ist es nach Art. 6 Nr. 4 ESC ausreichend, dass sich der Streik auf die Lösung von bloßen Interessenkonflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezieht, muss dieser grundsätzlich auch zulässig sein, wenn mit dem Streik ein bloßer sonstiger Kollektivvertrag erstrebt wird, der jedoch auf eine Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausgerichtet ist, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft im Streit stehen. Voraussetzung ist dann lediglich, dass der Streik nicht unverhältnismäßig in die Rechte und Freiheiten anderer eingreift.

Es entspricht auch bislang, wenn auch in anderen Fallkonstellationen (Unterstützungsstreiks) der BAG-Rechtsprechung, dass es bei einem Drittbezug eines Arbeitskampfes stets einer Würdigung bedarf, ob das Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Ziels geeignet, erforderlich und bezogen auf das Kampfziel angemessen ist. Es obliegt hierbei der Einschätzungsprärogative der Koalitionen, ob sie ihre Maßnahme für geeignet halten, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Dies betrifft auch die Frage, gegenüber wem dies geschieht (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -).

(2) Eine solche Verhältnismäßigkeit liegt vor.

(a) Der Streik gegen die Klägerin war geeignet, auch die Stadt P. zu Zugeständnissen zu veranlassen. Es war keinesfalls abwegig und von der Einschätzungsprärogative der Beklagten gedeckt, anzunehmen, dass die Stadt P. durch die Streiks gegen ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft veranlasst werden könnte, weitere Mittel und auch Ersatzarbeitsplätze freizugeben.

(b) Die Streiks der Beklagten hielten sich in Bezug auf diese Forderung auch innerhalb der Erforderlichkeit. Die Beklagte beschränkte sich bei den Streiks auf den eigentlichen Tarifgegner. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre es vielmehr problematischer gewesen, wenn die Beklagte für das Ziel der Gestellung der Ersatzarbeitsplätze nicht die Klägerin, sondern die Stadt P. bestreikt hätte und eine völlig tariffremde Belegschaft in den Streik einbezogen hätte.

(c) An einer Verhältnismäßigkeit der Streikmaßnahmen im engeren Sinne gibt es keine Zweifel.

II.

War der Streik aber rechtmäßig, steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Schadenersatz zu aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht. Die Friedenspflicht wurde nicht verletzt, s. o..

C. Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrer Berufung vollständig unterlegen.

2. Die Revision war für die Klägerin gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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