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Arbeitsrecht
10.06.2020
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Sonderklausel für Feiertagsvergütung

LAG Nürnberg, Urteil vom 18.2.2020 – 7 Sa 202/19

Volltext: BB-Online BBL2020-1396-4

Amtlicher Leitsatz

Die tarifliche Regelung "Wer am 24. Dezember arbeitet, erhält eine durchschnittliche Tagesvergütung sowie einen Zuschlag von 100% für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit" unter der Überschrift "Feiertagszuschläge" schließt den Anspruch des Arbeitnehmers auf den Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Heiligabend nicht aus.

Sachverhalt

Die Parteien streiten zuletzt noch um den Vergütungsanspruch der Klägerin für die Arbeit an Heiligabend 2017 im Filmtheater der Beklagten in B….

Die am 28.07.1990 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.2010 bei der Beklagten als Servicemitarbeiterin, zuletzt in der Funktion einer Ebenenleitung beschäftigt in Teilzeit mit 86,5 Stunden im Monat und einem Bruttoarbeitsentgelt von 10,92 € je Stunde, bestehend aus dem Grundstundenlohn in Höhe von 9,32 € und dem Ebenenzuschlag von 1,60 €, zu im Übrigen den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 01.10.2010 und der Zusatzvereinbarung Nr. 1 ohne Datum.

Die Beklagte betreibt bundesweit Filmtheater. Die zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossenen Haustarifverträge finden auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Die §§ 2, 4, 5, 10 des Manteltarifvertrages zwischen ver.di und der Beklagten vom 27.01.2017 (im Folgenden MTV) sehen – soweit hier von Interesse - vor:

§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

1. Die Arbeitszeit in den Filmtheatern wird durch die Besonderheiten des Berufes bestimmt. Die Spitze der Arbeitsleistung liegt demgemäß in der zweiten Tageshälfte, am Wochenende und an den Feiertagen.

2. …

3. … In den Betrieben gilt für alle ArbeitnehmerInnen die 5-Tage-Woche.

§ 4 Regelmäßige arbeitsfreie Zeit

1. ArbeitnehmerInnen, für die die 5-Tage-Woche gilt, haben in jeder Woche Anspruch auf 2, in der Regel zusammenhängende arbeitsfreie Tage.

2. Der 24. Dezember ist grundsätzlich spielfrei und darf nicht als freier Tag angerechnet werden. Wird an diesem Tag dennoch gearbeitet, so bedarf es hierzu der Zustimmung der betroffenen Beschäftigten, es sei denn, dass

a) diese Praxis bisher betriebsüblich war,

b) die Vorstellungen bis 18:00 Uhr beendet sind,

c) Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig sind.

§ 5 Zuschlagspflichtige Arbeitszeit

1. Feiertagszuschläge

Wer an einem gesetzlichen Feiertag arbeitet, erhält einen Zuschlag von 50%. Für den Ostersonntag und -montag, den 1. Mai, den Pfingstsonntag und -montag sowie den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag ist ein Zuschlag von 100% zu zahlen. Wer am 24. Dezember arbeitet, erhält eine durchschnittliche Tagesvergütung sowie einen Zuschlag von 100% für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

2. Nachtarbeit

3. Taxikosten

4. Mehrarbeit

5. Arbeit an arbeitsfreien Tagen

6. Berechnung der Zuschläge

Die Zuschläge werden auf der Basis des jeweils gemäß Entgelttarifvertrag gewährten Stundenentgelts berechnet.

7. Konkurrierende Zeitzuschläge

Treffen mehrere Zeitzuschläge (Nacht- und Feiertagszuschläge) zusammen, so ist der höhere zu zahlen.

§ 10 Vergütung

4. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem Entgelttarifvertrag. Die darin angegebenen Beträge sind Mindestsätze.

Die §§ 2 und 4 des Entgelttarifvertrages zwischen ver.di und der Beklagten vom 27.01.2017 (im Folgenden ETV) sehen – soweit hier von Interesse - vor:

§ 2 Entgeltsätze und -tabelle

1. ArbeitnehmerInnen erhalten das Entgelt, das sich für den jeweiligen Betrieb, in dem sie beschäftigt werden, aus den Stundenentgeltsätzen der als Anlage 1 diesem Tarifvertrage beigefügten Entgelttabelle in Verbindung mit den Bestimmungen des Manteltarifvertrages unter Berücksichtigung ihrer individuellen Arbeitszeit ergibt. …

2. Die Einordnung der Betriebe in die Kategorien Ia bis IV der Entgelttabelle erfolgte maßgeblich auf Grundlage der wirtschaftlichen Ertragskraft des Betriebes für die Dauer der Laufzeit dieses Tarifvertrages.

§ 4 Besitzstandsregelung

Für die bei dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages beschäftigten ArbeitnehmerInnen bleiben günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen über das Entgelt unberührt.

Anlage 1 zum Entgelttarifvertrag vom 27.01.2017

 

Kategorie II

     

Lohnstruktur

ab 1. März 2017

ab 1. Januar 2018

Standorte

     

Service ab 6 J.

9,32 Euro

9,51 Euro

B…, …

Zulage EL

1,60 Euro

1,60 Euro

 

     

In der Zusatzvereinbarung Nr. 1 ohne Datum ist zwischen den Parteien vereinbart worden:

§ 2 Arbeitszeit

2. Die durchschnittliche monatliche Arbeitszeit beträgt 86,5 Stunden bei einer 5-Tage-Woche.

§ 3 Vergütung

1. Der Arbeitnehmer erhält ein Bruttostundenlohn von derzeit 9,00 €. …

2. Für die Übernahme der Tätigkeit als Ebenenleiter erhält der Arbeitnehmer einen Zuschlag in Höhe von 1,50 € brutto pro Stunde (berechnet auf die in § 2 Abs. 2 genannten Stundenzahl).

3. Daneben hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zuschläge u.a. für Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit, deren Voraussetzungen und Höhe sich aus § 5 des Manteltarifvertrags vom 22.12.2012 ergeben.

§ 4 sonstige Bestimmungen

1. Soweit sich aus den vorstehenden Regelungen nichts anderes ergibt, gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 01.11.2010 unverändert fort.

2. Auf das Arbeitsverhältnis findet der ab dem 01.01.2013 geltende Mantel- und Entgelttarifvertrag vom 22.12.2012 vollumfänglich Anwendung.

Am 24.12.2017 arbeitete die Klägerin 6,35 Stunden. Die Beklagte rechnete diesen Arbeitstag ab mit einer

"durchschnittlichen Tagesvergütung" von                    51,71 € brutto

100 % Zuschlag (10,92 € x 6,35 Stunden =)                               69,34 € brutto

Summe:                                                                                              121,05 € brutto

und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus.

Mit Email vom 13.03.2018 machte die Klägerin darüber hinaus ihren Grundlohn in Höhe von 10,92 € brutto x 6,35 Stunden = 69,34 € brutto geltend. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf den Wortlaut des § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV mit Schreiben vom 27.03.2018 ab.

Daraufhin erhob die Klägerin entsprechende Zahlungsklage und macht in der 1. Instanz geltend:

Für die Arbeit am 24.12.2017 stehe ihr das Grundentgelt in Höhe von (6,35 Stunden x 10,92 € brutto =) 69,34 € brutto nach § 3 Ziffer 1 der Zusatzvereinbarung zu sowie die Zuschläge nach § 3 Ziffer 3 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 iVm § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV in Höhe einer durchschnittlichen Tagesvergütung mit 51,71 € brutto und einem Sonntagszuschlag von 100 % mit 69,34 € brutto.

Das Arbeitsgericht Bamberg hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht u.a. aus, dass es mit der Systematik des Tarifwerkes nicht zu vereinbaren sei, in § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV eine abschließende Regelung der Vergütung der Arbeit am 24.12. zu sehen. Richtigerweise werde dort nur der Zuschlag für die Arbeit am 24.11. geregelt. Der Anspruch auf die Grundvergütung bestehe daneben.

Das Urteil vom 21.12.2018 wurde der Beklagten am 21.05.2019 zugestellt. Sie legte dagegen Berufung ein mit Berufungsschrift vom 11.06.2019, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen per Fax am Folgetag. Die Berufungsbegründungsschrift vom 24.06.2019 ging am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg per Fax ein.

Die Beklagte wiederholt das erstinstanzliche Vorbringen in der Berufung und setzt sich mit den Rechtsausführungen des Erstgerichtes auseinander.

Sie macht geltend:

Die Regelung des § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV sei eine in sich geschlossene und besondere Vergütungsregelung für den Heiligabend. Dort werde differenziert nach Wortlaut und Systematik zwischen Regelungen, die an Feiertagen gälten, und Regelungen, die an Heiligabend gälten.

Die Regelung für Heiligabend sähe als Vergütung nur eine "durchschnittliche Tagesvergütung" sowie einen Zuschlag von 100 % vor. Der Wortlaut sei eindeutig. Es sei wertungsmäßig verfehlt, für Heiligabend von einem Zuschlag von 200 % auszugehen und für Feiertage von deutlich weniger. Dies lasse sich auch nicht aus § 4 Ziffer 2 MTV ableiten. Danach sei der Spielbetrieb an Heiligabend die regelhafte Situation. Der MTV regele gerade nicht, dass am 24.12. grundsätzlich nicht gearbeitet wird.

Auch die systematische Betrachtungsweise ändere daran nichts. § 5 MTV regele insgesamt nicht nur Zuschläge, sondern beispielsweise in § 5 Ziffer 3 MTV auch Taxikosten. In gleicher Weise regele § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV nicht nur Zuschläge, sondern von der Überschrift der tariflichen Vorschrift abweichend die Gesamtvergütung für die Arbeit an Heiligabend.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21.12.2019 – 5 Ca 376/18 – wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt:

Die Berufung der Beklagten wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt vor:

Das Erstgericht habe zutreffend entschieden.

Es sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien gewollt haben könnten, dass es für die Arbeit am 24.12. keine Vergütung für die tatsächlich geleistete Arbeit gibt.

Der Anspruch darauf ergebe sich aus dem Entgelttarifvertrag. § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV regele nach Systematik und Sinn und Zweck der Regelung nur den Zuschlag für die Arbeit an Heiligabend, nicht die Gesamtvergütung für diesen Arbeitstag.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Aus den Gründen

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Grundvergütung von 69,34 € brutto zuzüglich Zinsen aus § 3 Ziffer 1 der Zusatzvereinbarung iVm § 10 MTV und § 2 Entgelt-TV für die von ihr geleisteten 6,35 Arbeitsstunden am 24.12.2017 sowie auf Zuschläge für diese Arbeit an Heiligabend in Höhe einer durchschnittlichen Tagesvergütung von 51,71 € brutto und eines Zuschlages von 100 % in Höhe von 69,34 € brutto aus § § 3 Ziffer 3 der Zusatzvereinbarung iVm § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV.

Das Erstgericht ist insoweit mit zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht noch aus:

1. Die Klägerin hat einen einzelarbeitsvertraglichen Anspruch auf die geltend gemachte Grundvergütung von 69,34 € brutto. Sie errechnet sich aus dem Grundstundenlohn von je 9,32 € und dem Ebenenzuschlag von je 1,60 € für insgesamt 6,35 Stunden Arbeitsleistung.

Nach § 3 Ziffer 1 Satz 1 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 hat die Klägerin Anspruch auf einen Bruttostundenlohn von "derzeit 9,00 €". Dieser Anspruch ist unstreitig zwischen den Parteien dynamisiert und in der Höhe abhängig vom jeweils geltenden ETV. Nach dem ETV vom 27.01.2017 iVm der Anlage 1 dazu hat die Klägerin im Dezember 2017 einen Anspruch auf einen Bruttostundenlohn von 9,32 € brutto.

Nach § 3 Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 hat die Klägerin Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 1,50 € brutto für die Übernahme der Tätigkeit als Ebenenleiter. Dieser Anspruch ist unstreitig zwischen den Parteien ebenfalls dynamisiert und in der Höhe abhängig vom jeweils geltenden ETV. Nach dem ETV vom 27.01.2017 iVm der Anlage 1 dazu hat die Klägerin im Dezember 2017 einen Anspruch auf einen Ebenenzuschlag von 1,60 € brutto.

Daraus errechnet sich für 6,35 Stunden Arbeitsleistung am 24.12.2017 eine Grundvergütung von 69,34 € brutto.

Diese Grundvergütung hat die Beklagte nicht bezahlt. Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass sie zu der Zahlung dieser Grundvergütung aus tariflichen Gründen nicht verpflichtet sei.

Der Anspruch auf diese Grundvergütung wird nicht durch § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV ausgeschlossen. Dies schließt schon der Wortlaut des § 3 Ziffer 3 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 aus. Dort ist geregelt:

"Daneben hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zuschläge u.a. für Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit, deren Voraussetzungen und Höhe sich aus § 5 des Manteltarifvertrags vom 22.12.2012 ergeben."

Daraus ergibt sich, dass die Klägerin nicht "anstatt" der Grundvergütung nach § 3 Ziffer 1 und 2 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 die Zuschläge nach § 5 Ziffer 1 MTV erhält, sondern "daneben". Dies lässt sich nach seinem Wortlaut nicht anders verstehen denn als zusätzlicher Anspruch, nicht als ersetzender Anspruch.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Grundvergütung von 69,34 € brutto auch aus dem Tarifwerk nach § 4 Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 iVm § 10 Ziffer 2 MTV iVm § 2 Ziffer 1 ETV.

Nach § 4 Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung Nr. 1 finden für das Arbeitsverhältnis der MTV und ETV vom 22.12.2012 vollumfänglich Anwendung. Dabei gehen die Parteien unstreitig von einer dynamischen Verweisung aus und wenden nunmehr den MTV und ETV jeweils vom 27.01.2017 auf das Arbeitsverhältnis an. Nach § 10 Ziffer 2 MTV ergibt sich die Höhe der Vergütung der Klägerin aus dem ETV. Dabei handelt es sich um die Grundvergütung für geleistete Arbeit, wie sie der ETV regelt. Nach § 2 Ziffer 1 Satz 1 ETV erhalten die Arbeitnehmer das Entgelt, das sich für den jeweiligen Betrieb, in dem sie beschäftigt werden, aus den Stundenentgeltsätzen der als Anlage 1 dem ETV beigefügten Entgelttabelle unter Berücksichtigung ihrer individuellen Arbeitszeit ergibt. Damit errechnet sich eine Grundvergütung der Klägerin je gearbeitete Stunde nach der Kategorie II für den Standort B… von 10,92 € brutto, bestehend aus 9,32 € brutto Grundstundenlohn bei einer Beschäftigungsdauer von wenigstens 6 Jahren und einem Funktionszuschlag von 1,60 € brutto bei einer Beschäftigung als Ebenenleitung.

Dieser Anspruch auf die Grundvergütung für geleistete Arbeit wird nicht ersetzt durch die tariflichen Ansprüche aus § 5 Ziffer 1 MTV, sondern diese Ansprüche aus § 5 Ziffer 1 MTV treten neben den Anspruch auf die Grundvergütung.

 (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten.

Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt, BAG, Urteil vom 26.04.2017 – 10 AZR 589/15 -, dort Rdz. 14, zitiert nach juris. Tarifnormen sind ferner grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht in Wiederspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm eine Auslegung zu, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden, BAG, Urteil vom 20.09.2016 – 9 AZR 429/15 – dort Rdz. 17, zitiert nach juris.

 (2) Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Anspruch der Klägerin auf die Grundvergütung nicht durch § 5 Ziffer 1 MTV ausgeschlossen wird, da dort ausschließlich Zuschläge geregelt werden, nicht die Grundvergütung.

a) Der Wortlaut des § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV ist nicht eindeutig. Dort ist geregelt, dass der, der am 24.12. arbeitet, eine durchschnittliche Tagesvergütung sowie einen Zuschlag von 100 % für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erhält. Es ist aber nicht eindeutig geregelt, dass die "durchschnittliche Tagesvergütung" gezahlt werden soll als eine die Grundvergütung ersetzende oder verdrängende Vergütung oder als Zuschlag, der zur Grundvergütung hinzutritt. Die Beklagte macht geltend, der Wortlaut sei eindeutig, weil die "durchschnittliche Tagesvergütung" nicht ausdrücklich als Zuschlag gekennzeichnet sei und weil die "durchschnittliche Tagesvergütung" mit dem Zuschlag verknüpft sei durch ein "sowie". Dies überzeugt nicht. Richtig ist, dass die Tarifvertragsparteien bei entsprechender Absicht deutlicher hätten formulieren können. Es wäre den Tarifvertragsparteien unbenommen gewesen, bei der Formulierung klarzustellen, dass es sich bei der "durchschnittlichen Tagesvergütung" entweder um einen Zuschlag handeln solle oder um eine Sonderregelung, die den Anspruch auf die Grundvergütung nach dem ETV ausschließen soll. Gerade diese Klarstellung haben die Tarifvertragsparteien nicht vorgenommen. Dies sieht auch die Beklagte so, wenn sie meint, mit bestimmten Umformulierungen wäre ein eindeutiger Aussagegehalt der Regelung zu gewinnen.

b) Die Systematik der Regelung führt zu einem eindeutigen Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben zur Grundvergütung des Arbeitnehmers in § 10 Ziffer 2 MTV nur auf den ETV verwiesen. Die Grundvergütung wurde insgesamt und detailliert im ETV geregelt. In § 5 MTV wurde nach der Überschrift die "Zuschlagspflichtige Arbeitszeit" geregelt. Diese zuschlagspflichtige Arbeitszeit wird enumerativ aufgeführt mit den "Feiertagen" in § 5 Ziffer 1 MTV, der Nachtarbeit in § 5 Ziffer 2 MTV, der Mehrarbeit in § 5 Ziffer 4 MTV und der Arbeit an arbeitsfreien Tagen in § 5 Ziffer 5 MTV.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass in diesem Zusammenhang nicht nur zuschlagspflichtige Arbeitszeit geregelt wird, sondern systemdurchbrechend auch andere Fragen. Diese stehen aber in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der zuschlagspflichtigen Arbeitszeit.

Dabei handelt es sich einmal um die Taxikosten, die in § 5 Ziffer 3 MTV geregelt wurden im Anschluss an § 5 Ziffer 2 MTV mit der Nachtarbeit. Nach dem Inhalt der Regelung können seitens der Beklagten ersatzpflichtige Taxikosten nur entstehen bei Nachtarbeit des Mitarbeiters iSd § 5 Ziffer 3 MTV.

Dabei handelt es sich zum anderen um die Berechnung der Zuschläge, die in § 5 Ziffer 6 MTV geregelt sind. Dort wird wieder in engem sachlichen Zusammenhang mit den Zuschlägen deren Höhe geregelt und festgelegt, dass diese "auf der Basis des jeweils gemäß Entgelttarifvertrag gewährten Stundenentgelts" zu berechnen sind. Dabei handelt es sich ferner um die Konkurrenz von Zeitzuschlägen. Auch hier wird in engem sachlichen Zusammenhang mit den verschiedenen Zuschlägen geregelt, dass beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge nicht beide verlangt werden können, sondern "der höhere zu zahlen" ist.

Diese in engem sachlichen Zusammenhang mit den zuschlagspflichtigen Zeiten stehenden besonderen Regelungen geben nichts dafür her, dass es sich bei der "durchschnittlichen Tagesvergütung" des § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV nicht um einen Zuschlag zur Grundvergütung handelt, sondern um einen kompletten Wechsel des Entlohnungssystems bei Arbeit an Heiligabend und die konkrete Grundvergütung für eine bestimmte Zahl geleisteter Arbeitsstunden ausschließt zugunsten einer pauschalierenden Vergütung in Höhe der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Schicht. Diese Sonderregelungen schließen auch nicht aus, schon auf Grund der Überschrift des § 5 MTV mit "Zuschlagspflichtige Arbeitszeit" und der Überschrift des § 5 Ziffer 1 MTV mit "Feiertagszuschläge" davon auszugehen, dass sich in dem § 5 MTV Regelungen zu Zuschlägen zur Vergütung finden und nicht Regelungen zu vergütungsersetzenden Zahlungen. Die Sonderregelung in § 5 Ziffer 3 MTV zu Taxikosten steht insbesondere einer systematischen Auslegung nur des § 5 Ziffer 1 MTV nicht entgegen.

Dort werden in einem ersten Schritt abweichend von den Feiertagsgesetzen der Länder zusätzliche Feiertage definiert. Dies ist möglich. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, selbständig und unabhängig von den gesetzlichen Feiertagen zuschlagspflichtige Feiertage zu bestimmen, beispielsweise LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2019 – 7 Sa 1001/18 -, dort Rdz. 93 und 94, zitiert nach juris.

In § 5 Ziffer 1 Satz 2 MTV werden Ostersonntag und Pfingstsonntag als zuschlagspflichtige Feiertage iSd MTV bestimmt. In § 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV wird auch noch der 24.12. als zuschlagspflichtiger Feiertag bestimmt.

Sodann werden den Feiertagen Zuschläge zugeordnet in ansteigender Ordnung.

§ 5 Ziffer 1 Satz 1 MTV gewährt einen Zuschlag von 50 % für Arbeit an den gesetzlichen Feiertagen.

§ 5 Ziffer 1 Satz 2 MTV gewährt einen Zuschlag von 100 % für Arbeit an besonderen gesetzlichen Feiertagen (Ostermontag, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, 1. Mai) und an zwei weiteren Sonntagen (Ostersonntag, Pfingstsonntag).

§ 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV gewährt "eine durchschnittliche Tagesvergütung sowie einen Zuschlag von 100 %" für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit am 24.12..

Mit diesen Regelungen tragen die Tarifvertragsparteien der besonderen Bedeutung bestimmter Tage im Kalenderjahr für das Familienleben der Mitarbeiter Rechnung. In § 2 Ziffer 1 Satz 2 MTV halten die Tarifvertragsparteien generell fest:

Die Spitze der Arbeitsleistung liegt demgemäß in der zweiten Tageshälfte, am Wochenende und an Feiertagen.

Speziell für den 24.12. treffen die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund in § 4 Ziffer 2 MTV noch eine spezielle Regelung:

Der 24. Dezember ist grundsätzlich spielfrei und darf nicht als freier Tag angerechnet werden. Wird an diesem Tag dennoch gearbeitet, so bedarf es hierzu der Zustimmung der betroffenen Beschäftigten, es sei denn, dass

a) diese Praxis bisher betriebsüblich war,

b) die Vorstellungen bis 18:00 Uhr beendet sind,

c) Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig sind.

Der 24.12. wird damit von den Tarifvertragsparteien wegen seiner besonderen Bedeutung als speziell zu regelnder Tag wahrgenommen. Damit wird auf der regulatorischen Ebene ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hergestellt, das der sozialen Wirklichkeit eher nicht entspricht, da der Spielbetrieb in Filmtheatern an Heiligabend üblich ist und die Rückausnahmen der Arbeitspflicht an Heiligabend unabhängig von der Zustimmung des Mitarbeiters in Satz 2 der tatsächliche Regelfall sind, wie die Beklagte zutreffend und unbestritten anmerkt.

Beabsichtigt ist mit der Regelung in § 5 Ziffer 1 MTV, der Bedeutung bestimmter Tage im Kalenderjahr für das Familienleben Rechnung zu tragen. Bei den gesetzlichen Feiertagen vereinbaren die Tarifvertragsparteien in Satz 1 einen Zuschlag von 50 % auf das Stundenentgelt. Für besondere Tage wird dieser Zuschlag in Satz 2 verdoppelt auf 100 %. Dabei handelt es sich zum Teil um gesetzliche Feiertage und zum Teil um weitere Tage, die den Tarifvertragsparteien in ihrer Bedeutung für die Mitarbeiter so gewichtig erschienen, dass sie den generellen Feiertagszuschlag nicht nur erhöhten, sondern gleich verdoppelten. Schließlich wird in Satz 3 noch ein bestimmter weiterer Tag definiert, der 24.12., bei dem die Vergütung weiter erhöht wird. Dabei handelte es sich um einen besonderen Tag, der sich aus Sicht der Tarifvertragsparteien noch einmal deutlich abhob von den in Satz 2 geregelten Tagen. Dieser Tag ist insbesondere in seinen Abendstunden im sozialen Leben von Familien ein Tag, an den in seiner Bedeutung weder der Ostersonntag noch der Pfingstsonntag heranreichen, unabhängig von der kirchlichen Bewertung dieser Tage. Dieser besonderen Bedeutung wird auch auf der legislativen Ebene Rechnung getragen mit der Regelung des § 3 Satz 1, 3. Alternative LadSchlG, die vorsieht, dass Verkaufsstellen am 24.12. ab 14:00 Uhr geschlossen sein müssen. Diese besondere Bedeutung fand ihren Ausdruck schon in den besonderen Regelungen des § 4 Ziffer 2 MTV, die die Arbeit "grundsätzlich" an diesem Tag an die Bedingung der Zustimmung des Mitarbeiters knüpft, wenn nicht einer der Ausnahmefälle des § 4 Ziffer 2 Satz 2 MTV vorliegt. Dabei tragen die Tarifvertragsparteien auch der Erkenntnis Rechnung, dass die Bereitschaft, an besonderen Tagen zu arbeiten, auch durch besonders hohe Vergütung dafür gefördert werden kann.

§ 5 Ziffer 1 Satz 3 MTV regelt daher aus systematischen Gründen insgesamt nur Zuschläge und beseitigt nicht einen Anspruch des Mitarbeiters auf Zahlung der Grundvergütung nach § 10 Ziffer 2 MTV iVm § 2 Ziffer 1 ETV.

c) Diese Auslegungsergebnis wird auch gestützt durch weitere Überlegungen. Grundsätzlich ist einer Auslegung des Tarifvertrages der Vorzug zu geben, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt. Hier begegnet die Auslegung der Beklagten solchen Bedenken im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG und das dort normierte Verbot der Ungleichbehandlung des Teilzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt. Nach jüngster Rechtsprechung des BAG ist zur Beurteilung, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, nicht auf die Gesamtvergütung abzustellen, sondern der Vergleich von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten methodisch für jeden einzelnen Vergütungsbestandteil vorzunehmen, BAG, Urteil vom 19.12.2018 – 10 AZR 231/18 -, dort Rdz. 58, zitiert nach juris.

Die Klägerin erzielt als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin unstreitig eine durchschnittliche Tagesvergütung von 51,71 € brutto je Stunde. Dahinter steht eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit der Klägerin von 4,73 Stunden. Dies führt im Falle der Klägerin dazu, dass sie bei einer längeren Schicht an Heiligabend als durchschnittlich von ihr geleistet – wie im vorliegenden Fall – nach Auffassung der Beklagten nur einen Stundenlohn erzielt von (51,71 € brutto : 6,35 Stunden =) 8,14 € brutto je Stunde zuzüglich Zuschlag. Der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat nach § 2 Ziffer 2 MTV eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, zu verteilen auf eine 5-Tage-Woche nach § 2 Ziffer 3 Satz 2 MTV, also 8 Stunden arbeitstäglich. Teilt sich dieser vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als Ebenenleiter mit einer Beschäftigungszeit von mehr als sechs Jahren die Schicht von 6,35 Stunden an Heiligabend mit der Klägerin, so erzielt er für diese 6,35 Stunden eine durchschnittliche Tagesvergütung von (8 Stunden x 10,92 € brutto =) 87,36 €. Sein Stundenlohn liegt dann bei (87,36 € brutto: 6,35 Stunden =) 13,75 € brutto zuzüglich Zuschlag.

§ 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sieht vor, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dies ist hier nicht der Fall.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass ohne die Regelung des § 5 Ziffer 1 Satz MTV weniger verdient würde, nämlich nur jeweils der Stundenlohn zuzüglich Zuschlag von 50 % nach § 5 Ziffer 1 Satz 1 MTV, ist das zwar richtig, heilt aber die Ungleichbehandlung durch die getroffene Regelung in der Auslegung der Beklagten nicht. Eine Auslegung der getroffenen Regelung nach den Vorstellungen der Beklagten verbietet sich daher.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Berufung der Beklagten hat daher insgesamt keinen Erfolg.

III.

Die Beklagte trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels, § 97 Abs.1 ZPO.

IV.

Die Revision war zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.

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