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Arbeitsrecht
07.05.2008
Arbeitsrecht
: Sittenwidrigkeit von Stundenlohn bei Tarifvertrag

ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 12.12.2007 - 9 Ca 9331/07

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin war bei der Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 27.07.2006 (Bl. 5 ff. d. A.) seit dem 11.07.2006 als Auspackhilfe beschäftigt. Die Klägerin verräumte in verschiedenen Supermärkten, wobei es sich um Vertragspartner der Beklagten handelt, Waren und füllte Regale auf.

Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht auszugsweise folgende Regelungen vor:

§ 1 Tätigkeit und Aufgabenbereiche

(1) Der Arbeitnehmer wird als geringfügig Beschäftigter eingestellt.

...

§ 2 Arbeitsort und -zeit

...

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt neununddreißig (39) Stunden je drei Monate. Ein darüber hinausgehender Umfang kann vereinbart werden.

§ 3 Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält eine Vergütung in Höhe von 5,- € je Stunde.

...

(8) Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten nach deren Entstehung geltend zu machen. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist.

...

Mit Schreiben vom 14.06.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 15.07.2007 und stellte die Klägerin von der weiteren Arbeitspflicht frei. Im Laufe eines darauf hin geführten Kündigungsschutzprozesses (Az.: 9 Ca 9260/07) sprach die Beklagte mit Schreiben vom 28.06.2007 eine weitere Kündigung zum 31.07.2007 aus und stellte die Klägerin weiterhin von der Arbeitspflicht frei. Die Parteien schlossen einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der letztgenannten Kündigung mit dem 31.07.2007 endete.

Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin für Juli 2006 mit 32,25 Stunden, für August 2006 mit 54,75 Stunden, für September 2006 mit 48,75 Stunden, für Oktober 2006 mit 20,00 Stunden, für November 2006 mit 27,00 Stunden, für Dezember 2006 mit 33,75 Stunden, für Januar 2007 mit 65,50 Stunden, für Februar 2007 mit 32,75 Stunden, für März 2007 mit 24,75 Stunden, für April 2007 mit 52,00 Stunden und für Mai 2007 mit 1,5 Stunden ab. Die Klägerin erhielt insgesamt Zahlungen i.H.v. € 1.923,75 netto.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden über die von der Beklagten gezahlten Vergütung hinaus weitere Beträge zu.

Die Klägerin habe während des bestehenden Arbeitsverhältnisses regelmäßig Mehrarbeit geleistet; die Stunden aber nur für April 2007 aufgezeichnet. In diesem Monat habe sie insgesamt 6,25 Stunden an Mehrarbeit geleistet an den Tagen 02., 05., 10., 16., 19., 21. und 23.04.07, wobei sich Einzelheiten aus der Stundenaufstellung ergäben (Bl. 59 d. A.). Die Beklagte habe ihren Arbeitnehmern bestimmte Leistungsvorgaben gemacht und die Arbeitnehmer hätten solange weiterarbeiten müssen, bis diese erfüllt worden seien. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Anordnung werde anfallende Mehrarbeit mit Wissen und Wollen der Beklagten geleistet. So sei auch die Mehrarbeit der Klägerin dadurch entstanden, dass sie entsprechend länger gebraucht habe, um die Ware zu verräumen.

Die Klägerin meint, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung i.H.v. € 5,00 je Stunde sittenwidrig sei. Dieser Stundenlohn liege gut 48 % unter jenem Stundenlohn, welcher der Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Bremen und Bremerhaven für Tätigkeiten, wie sie die Klägerin ausübe, vorsehe. Der durchschnittliche Stundenlohn der Arbeitnehmer/innen im Wirtschaftszweig „Produzierendes Gewerbe, Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern, Kredit- und Versicherungsgewerbe" habe im Oktober 2005 € 17,01 brutto betragen. Soweit für den Einzelhandel keine speziellen Daten von Arbeitern erhoben würden, sei ein Rückgriff auf die durchschnittlichen Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, die mit einfachen, als Hilfsarbeiten zu bewertenden Tätigkeiten beschäftigt sind, für die eine fachliche Ausbildung auch nur beschränkter Art nicht erforderlich ist, möglich. Für diese Arbeitnehmer habe sich im Oktober 2005 ein durchschnittlicher Stundenlohn von € 12,74 ergeben. Die Klägerin verweist insoweit auf das Jahrbuch 2006 des Statistischen Landesamtes Bremen und den statistischen Bericht N I 1 - vj 4 / 05.

Aufgrund der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung habe die Klägerin Anspruch auf die übliche Vergütung. Diese ergebe sich aus dem Gehalts- und Lohntarifvertrag Einzelhandel Bremen und Bremerhaven. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit entspreche dabei der Lohngruppe II, Lohnstaffel a), so dass für den Zeitraum bis 30.09.2006 ein Bruttostundenlohn i.H.v. € 9,61 und ab dem 01.10.2006 i.H.v. € 9,70 zu zahlen sei.

Die Klägerin sei von 07.05. bis zum 30.06.2007 arbeitsunfähig gewesen und habe dies telefonisch zu Beginn der Erkrankung auch der damaligen Teamleiterin H. telefonisch mitgeteilt. Dabei sei von Frau H. - wie unternehmensüblich - auf die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit den Worten verzichtet worden, dass die Beklagte ja ohnehin keine Lohnfortzahlung leisten würde. Am 28.05.2007 habe die Klägerin die neue Teamleiterin Frau K. unter der Nummer ... angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie nach wie vor arbeitsunfähig erkrankt sei und wegen einer Dornwarze am Fuß vermutlich operiert werden müsse. Frau K. antwortete, dies sei kein Problem, sie solle sich mit ihr in Verbindung setzen, wenn sie wieder gesund sei. Nach rechtlicher Beratung habe sich die Klägerin dann ab 11.06.2007 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen lassen und diese an die Beklagte gefaxt bzw. übersandt.

Die Klägerin habe daher Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf Grundlage einer monatlich durchschnittlichen Arbeitszeit von 39,15 Stunden für die Zeit bis zum 17.06.2007.

Für Juli 2007 ergebe sich ein Anspruch ebenfalls auf Basis der durchschnittlichen Stundenzahl.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

                die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.759,94 € brutto, abzüglich gezahlter € 1.923,75 netto nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

                hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 533,65 € netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

                die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die von der Klägerin geleistete Arbeit zutreffend abgerechnet und bezahlt zu haben.

Die Vergütungsvereinbarung i.H.v. € 5,00 sei nicht sittenwidrig. Es fehle bereits an einem auffälligen Missverhältnis der ausgetauschten Leistungen. Der von der Klägerin genannte Tarifvertrag sei als Vergleichsmaßstab nicht heranzuziehen; eine durchgängige Vereinbarung von Tarifvergütung in dem hier vorliegenden Wirtschaftszweig liege nicht vor.

Selbst diesen Tarifvertrag als Vergleichsgrundlage herangezogen, ergebe sich keine Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung. Es wäre dann allenfalls die Gehaltsgruppe I (Angestellte ohne abgeschlossene Berufsausbildung) anzusetzen, die eine Stundenvergütung von € 6,61 bzw. € 6,67 vorsieht. Diese Stundensätze würden nach Abzug von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und Steuern ungefähr der zwischen den Parteien vereinbarten Stundenvergütung entsprechen. Bei den arbeitsvertraglich vereinbarten € 5,00 handele es sich aufgrund der geringfügigen Beschäftigung um ein Nettoentgelt.

Die für die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten vereinbarte Vergütung bewege sich im Rahmen des Branchen- und Ortsüblichen.

Die Klägerin habe keine Arbeiten im Handel erbracht. Die von ihr ausgeführten Tätigkeiten hätten nur insoweit Bezug zum Einzelhandel, als die Verräumleistungen der Beklagten für ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels erfolgten. Als Anhaltspunkt für den Vergleich der vereinbarten Vergütung mit Tarifentgelten komme hingegen die Zeitarbeitsbranche in Betracht. Nach dem Entgelttarifvertrag/West zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) betrage das Tarifentgelt für die hier maßgebliche Entgeltgruppe 1 € 7,00 pro Stunde.

Ausschlaggebendes Moment für die Diskussion um die Sittenwidrigkeit von Vergütungsregelungen sei die Sorge, dass ein Arbeitnehmer aus der in Vollzeitarbeit erzielten Vergütung nicht seinen Lebensunterhalt zu sichern vermag. Dies treffe hier nicht zu. Der Lebensunterhalt der nur in geringem zeitlichem Umfang tätigen Klägerin sei durch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit gesichert gewesen.

Etwaige Ansprüche der Klägerin bis einschließlich April 2007 seien darüber hinaus aufgrund der in § 3 Abs. 8 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Zumindest seien diese Ansprüche verwirkt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages i.H.v. € 4.759,94 brutto abzüglich der von der Beklagten bereits gezahlten € 1.923,75.

1. Die Beklagte hat die von der Klägerin geleistete Arbeitszeit mit einem Bruttostundenlohn i.H.v. € 9,61 (bis 30.09.2006) bzw. € 9,70 (ab 01.10.2006) zu vergüten.

Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Sachprüfung in vollem Umfang den Ausführungen der Kammer 6 im Verfahren 6 Ca 6337/07 an:

„Die Vergütungsvereinbarung der Parteien im Vertrag vom 04.05.2006 verstößt gegen die guten Sitten und ist nach § 138 BGB nichtig.

Eine Vergütungsvereinbarung kann wegen Lohnwuchers oder wegen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nichtig sein. Sowohl der strafrechtliche Wuchertatbestand (§ 291 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB) als auch der zivilrechtliche Lohnwucher nach § 138 Abs. 2 BGB und das wucherähnliche Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB setzen dabei ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus (BAG, Urteil vom 26.04.2006, 5 AZR 549/05, AP Nr. 63 zu § 138 BGB; Urteil vom 24.03.2004, 5 AZR 303/03, AP Nr. 59 zu § 138 BGB; Urteil vom 23.05.2001, 5 AZR 527/99, EzA Nr. 29 zu § 138 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht ist zur Feststellung, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, der Wert der Leistung des Arbeitnehmers nach ihrem objektiven Wert zu beurteilen (Urteil vom 24.03.2004, a.a.O.; Urteil vom 23.05.2001, a.a.O.). Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung sind dabei in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird. Erst wenn der Tariflohn nicht der verkehrsüblichen Vergütung entspricht, sondern darunter liegt, ist auf das allgemeine Lohnniveau abzustellen (BAG, Urteil vom 24.03.2004, a.a.O., m.w.N.).

Prozentuale Richtwerte zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Lohn hat das Bundesarbeitsgericht bislang nicht entwickelt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall der strafrechtlichen Würdigung des Lohnwuchers die tatrichterliche Beurteilung der Vorinstanz gebilligt, wonach bei einem Lohn, der 2/3 des Tariflohnes beträgt, ein auffälliges Missverhältnis vorliege (Urteil vom 22.04.1997, 1 StR 701/96, NJW 1997, 2689). Diesem Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes ist etwa das Landesarbeitsgericht Berlin gefolgt (Urteil vom 20.02.1998, 6 Sa 145/97, ArbuR 1998, 468; Urteil vom 28.02.2007, 15 Sa 1363/06).

Vorliegend ist jedenfalls von einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen.

Tarifverträge kommen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zur Anwendung. Einschlägige Tarifverträge können jedoch zur Bestimmung der üblichen Vergütung herangezogen werden. Die Klägerin war als Auspackhilfe eingestellt worden und ist hierzu in den Räumlichkeiten von Einzelhandelsunternehmen eingesetzt worden. Diese Tätigkeit entspricht der Lohngruppe II Lohnstaffel a) des Gehalts- und Lohntarifvertrages Einzelhandel Bremen und Bremerhaven. Eine Lohngruppe I existiert nicht. Die Tätigkeit der Klägerin ist in die nächstmögliche, damit niedrigste Lohngruppe für gewerbliche Arbeiter/innen einzuordnen. Eine Einordnung in die (niedriger vergütete) Gehaltsgruppe 1 für Angestellte kommt nicht in Betracht. Die Klägerin ist keine Angestellte, sondern Arbeiterin i.S.d. tarifvertraglichen Regelungen. Die in Lohngruppe II genannten Tätigkeitsbezeichnungen, wie etwa Auszeichner/Auszeichnerinnen, Abfüller/Abfüllerinnen oder Abpacker/Abpackerinnen entsprechen ihrem Wesen nach der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit und sind wesentliches Indiz für die Einordnung der Klägerin als Arbeiterin. Gleiches ergibt sich bei Anwendung der früheren, im heutigen Wirtschaftsleben an Bedeutung verlorenen Definition, wonach als Angestelltentätigkeit die überwiegend geistige Tätigkeit angesehen und dem Begriff des Arbeiters die überwiegend körperliche Tätigkeit zugeordnet wurde (etwa ErfK/Preis, 8. Auflage 2008, § 611 BGB Rn. 104). Eine Tätigkeit als Auspackhilfe ist von vorwiegend körperlicher Inanspruchnahme geprägt. Die Klägerin ist daher auch bei Zugrundelegung dieser ursprünglichen vorgenommen Abgrenzung als Arbeiterin beschäftigt gewesen.

Der als Vergleichsbasis heranzuziehende, räumlich und fachlich einschlägige Gehalts- und Lohntarifvertrag Einzelhandel Bremen und Bremerhaven gibt auch die verkehrsübliche Vergütung wieder. Es ist nichts ersichtlich, aus dem sich eine „Außenseiterrolle" der dort festgehaltenen Vergütungsregelungen ergibt. Soweit die Beklagte deren Marktüblichkeit lediglich bestreitet, genügt dies nicht. Die Kammer geht grundsätzlich davon aus, dass die in dem genannten Tarifvertrag festgelegte Vergütungshöhe der üblicherweise gezahlten entspricht. Anhaltspunkte, aus denen sich schließen ließe, die verkehrsübliche Vergütung im Bremer Einzelhandel liege darunter, sind nicht vorgetragen.

Der Gehalts- und Lohntarifvertrag Einzelhandel Bremen und Bremerhaven sieht in Lohngruppe II Lohnstaffel a) bis zum 30.09.2006 eine Bruttovergütung i.H.v. € 9,61 pro Stunde, ab dem 01.10.2006 i.H.v. € 9,70 pro Stunde vor. Diese Stundenlöhne sind mit der vertraglich vereinbarten Vergütung i.H.v. € 5,00 je Stunde zu vergleichen. Eine Umrechnung der tariflichen Stundenlöhne in Nettobeträge findet nicht statt. Auch die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung stellt eine Bruttovergütung dar. Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus der Tatsache, dass vom Gehalt der Klägerin aufgrund der geringfügigen Beschäftigung keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abgezogen wurden. Der Arbeitsvertrag vom 04.05.2006 enthält keine Nettolohnvereinbarung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung abzuführende pauschale Abgeltungssteuer von der Klägerin zu tragen war und ausweislich der Gehaltsabrechnungen in Abzug gebracht wurde. Schon daher fand auch tatsächlich keine Zahlung i.H.v. € 5,00 netto pro Stunde statt. Zudem gibt die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Arbeitsverhältnisses für die Frage, ob es sich bei der vertraglich vereinbarten Vergütung um eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung handelt, nichts her. Soweit sich das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rein tatsächlich in den Grenzen der (steuer- und sozialversicherungsrechtlichen) Geringfügigkeit gehalten hat, folgt aus der getroffenen Vergütungsvereinbarung nicht, die Beklagte habe auch bei Überschreiten der Einkommensgrenzen € 5,00 netto zahlen wollen.

Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn liegt um 48 % unter der (tarifvertraglichen) üblichen Vergütung. Die übliche Vergütung wird daher um weit mehr als 1/3 unterschritten. Damit liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Eine arbeitsvertragliche Abrede, nach der die arbeitnehmerische Leistung mit nur etwas mehr als der Hälfte der üblichen Vergütung entlohnt werden soll, ist mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren und stellt ein unangemessenes, der Korrektur bedürfendes Ungleichgewicht der gegenseitigen Leistungsverpflichtungen dar.

Dieses Ungleichgewicht lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, der Lebensunterhalt der Klägerin sei durch Sozialleistungen gesichert gewesen. Die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung kann nicht davon abhängen, ob die Klägerin ihren Lebensunterhalt auch ohne Vergütungen aus dem zwischen den Parteien bestandenen Arbeitsverhältnis bestreiten konnte. Entscheidend ist nicht, ob die hier streitgegenständlichen Vergütung eine „Hebung des Lebensstandards", wie die Beklagte vorträgt, darstellt oder unmittelbar zur Sicherung des Lebensunterhalts dient. Die Frage der Unangemessenheit von Arbeitsleistung und Gegenleistung ist hiervon unabhängig.

Eine andere Sichtweise ließe die in den Grenzen des § 138 Abs. 2 BGB geschützte Parität von Leistung und Gegenleistung vollständig außer Betracht. Das Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen arbeitsvertraglicher Leistung und Gegenleistung bestimmt sich nicht danach, ob der Lebensunterhalt der Klägerin im Rahmen einer Gesamtschau und unter Einschluss sämtlicher sonstiger, mit dem Arbeitsverhältnis nicht in Zusammenhang stehender Einnahmen gedeckt ist. Auf das konkrete Arbeitsverhältnis bezogen, ist vielmehr zu fragen, ob sich die Beklagte zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet hat, die in einem wenigstens gerade noch erträglichen Verhältnis zu der von der Klägerin erbrachten Leistung steht. Dies war jedoch nicht der Fall.

Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 138 BGB ist ein Anspruch der Klägerin auf die übliche Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB. Die hier übliche Vergütung ergibt sich - siehe oben - aus dem Gehalts- und Lohntarifvertrag Einzelhandel Bremen und Bremerhaven. Die von der Klägerin geleistete Arbeitszeit ist daher mit einem Bruttostundenlohn i.H.v. € 9,61, bzw. ab 01.10.2006 i.H.v. € 9,70 zu vergüten."

Die Berechnungen der Klägerin und die Höhe der ausgezahlten Beträge - die sich die Klägerin netto anrechnen lässt - sind von der Beklagten nicht bestritten worden. 

2. Für den Monat April 2007 hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung von weiteren 6,25 Stunden. Die Klägerin hat im Einzelnen dargelegt, wie es zu der Ableistung von Mehrarbeit kam und zu welchen Zeiten sie gearbeitet hat. Die Beklagte ist dem nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Die Klägerin hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum 07.05.2007 bis 17.06.2007 in der geltend gemachten Höhe. Offen bleiben kann, wann der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin zugegangen sind. Spätestens im Laufe dieses Verfahrens sind sie ihr unstreitig vorgelegt worden, so dass ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EntgeltfortzahlungsG nicht besteht. Hinsichtlich der Zeit vor dem 11.06.07 hat die Beklagte den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass die damalige Teamleiterin der Beklagten auf die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verzichtet hat.

Den von der Klägerin vorgetragenen regelmäßigen Umfang der Arbeitszeit hat die Beklagte nicht bestritten.

4. Für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2007 hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung. Bereits im Rahmen der ersten Kündigung wurde die Klägerin von der weiteren Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Gewährung von Resturlaub freigestellt. Eine entsprechende Freistellung wurde in der Kündigung vom 28.06.2007 wiederholt. Die Beklagte ist daher grundsätzlich zur Vergütungszahlung für diesen Zeitraum verpflichtet. Einer Anzeige der wieder gewonnenen Arbeitsfähigkeit ab dem 01.07.2007 bedurfte es unter diesen Umständen nicht. Der Umfang der durchschnittlichen, der Berechnung zugrunde liegenden Arbeitszeit ist nicht streitig. Soweit die Beklagte lediglich bestreitet, dass die Klägerin ab dem 01.07.2007 wieder arbeitsfähig gewesen ist, genügt dies zum Ausschluss des geltend gemachten Anspruchs nicht. Konkrete Tatsachen, die auf eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 30.06.2007 hinaus schließen ließen, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

5. Die Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum bis April 2007 sind auch nicht verfallen.

Die Ausschlussfrist in § 3 Abs. 8 des Arbeitsvertrages ist unwirksam.

Ausschlussfristen können auch in Formulararbeitsverträgen, wie dem hier vorliegenden, vereinbart werden (BAG Urteil vom 1.3.2006, 5 AZR 511/05, NJW 2006, 2205; Urteil vom 28.09.2005, 5 AZR 52/05, AP Nr. 7 zu § 307 BGB = NJW 2006, 795; Urteil vom 25.05.2005, 5 AZR 572/04, AP Nr. 1 zu § 310 BGB = NJW 2005, 3305).

Entsprechende Klauseln unterliegen dabei der inhaltlichen Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Hinsichtlich der notwendigen Länge von Ausschlussfristen hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Frist von weniger als drei Monaten eine unangemessene Benachteiligung des Klauseladressaten darstellt und daher nach § 307 BGB unwirksam ist (Urteil vom 25.05.2005, a.a.O.; Urteil vom 28.09.2005, a.a.O.).

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erweist sich die im Arbeitsvertrag vom 27.07.2007 vereinbarte Ausschlussfrist, die eine Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten vorsieht, als unwirksam.

6. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verwirkt.

Ein Recht ist verwirkt, sobald der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt hat, der Schuldner darauf vertraut hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und diesem die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist (etwa BAG, Urteil vom 17.02.1988, 5 AZR 638/86, AP Nr. 17 zu § 630 BGB m.w.N.).

Die Klägerin begann ihre Tätigkeit bei der Beklagten im Juli 2006, die vorliegende Klage wurde der Beklagten am 29.08.2007 zugestellt. Bereits mit Schreiben vom 01.06.2007 (Bl. 25 d. A.), und damit im noch laufenden Arbeitsverhältnis, wurde die Beklagte durch die die Klägerin vertretende Gewerkschaft auf die sittenwidrige Höhe der vertraglich vereinbarten Vergütung aufmerksam gemacht.

Es kann hier offen bleiben, ob bei einer solchen Abfolge das Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes bereits erfüllt ist. Jedenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte hätte davon ausgehen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden oder dass es ihr unzumutbar wäre, sich den nunmehr geltend gemachten Ansprüchen zu stellen. Besondere Umstände im Verhalten der Klägerin, aus denen die Beklagte hätte folgern können, Ansprüche der vorliegenden Form würden nicht mehr gestellt, liegen nicht vor. Insbesondere der Erbringung der Arbeitsleistung trotz sittenwidrig niedriger Vergütung kann ein entsprechender Erklärungswert nicht beigemessen werden.

7. Der geltend gemachte Zinsanspruch steht der Klägerin gem. §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB zu.

II. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 46 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO und § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. mit § 3 ZPO. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 3 a ArbGG. Die Berufung war gem. § 64 Abs. 4 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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