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Arbeitsrecht
08.11.2018
Arbeitsrecht
BGH: Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft des Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber

BGH, Urteil vom 11.9.2018 – XI ZR 380/16

ECLI:DE:BGH:2018:110918UXIZR380.16.0

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-3729-2

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Amtlicher Leitsatz

Die Bürgschaft eines Arbeitnehmers für Verbindlichkeiten des Arbeitgebers ist nicht schon deswegen sittenwidrig, weil sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen wird.

BGB § 138 Abs. 1 Bb, § 765

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus von diesen übernommenen Bürgschaften in Anspruch, die der Sicherung von Darlehensforderungen der Klägerin gegen die Arbeitgeberin der Beklagten dienten.

Die Klägerin hatte im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit der E. A                              GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin) Darlehen in Höhe von ca. 2 Mio. € zur Finanzierung von Bauvorhaben gewährt. Anfang des Jahres 2009 geriet die Hauptschuldnerin in eine wirtschaftlich schwierige Lage. Wie den Beklagten, die damals Arbeitnehmer der Hauptschuldnerin waren - der Beklagte zu 1 war leitender Angestellter -, bekannt war, drohte die Insolvenz der Hauptschuldnerin. Da auch nach Auffassung eines Vertreters der Klägerin die Hauptschuldnerin fällige Schulden vor sich herschob und ohne neue Kreditmittel deren Insolvenz wahrscheinlich war, verlangte die Klägerin bei Gewährung eines weiteren Darlehens Bürgschaften "bonitärer Personen". Am 7. April 2009 schloss die Klägerin mit der Hauptschuldnerin einen Darlehensvertrag über 150.000 € zu 8 Prozent Zinsen p.a. zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2009 unter der Voraussetzung, dass ihr weitere Personalsicherheiten gestellt würden. Die Beklagten übernahmen am selben Tag auf Bitten des Geschäftsführers der Hauptschuldnerin und nach Erteilung einer Vermögensauskunft jeweils eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft für sämtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin aus diesem Darlehensvertrag einschließlich etwaiger Kosten der Rechtsverfolgung.

Als sich gegen Jahresende abzeichnete, dass die Hauptschuldnerin den Darlehensbetrag über 150.000 € bei Fälligkeit nicht würde zurückzahlen können, wurde die Laufzeit des Kredits verlängert, worauf die Beklagten mit schriftlichen Erklärungen vom 17. Dezember 2009 ihre Bürgschaften erstreckten. Am 30. Juni 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hauptschuldnerin eröffnet und die Klägerin nahm die Beklagten aus den Bürgschaften in Anspruch.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten gesamtschuldnerisch Zahlung von 150.000 € nebst gestaffelter Zinsen in Höhe von 8 Prozent. Die Beklagten bestreiten die Auszahlung der Darlehensvaluta und berufen sich auf die Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverträge.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Aus den GRünden

6          Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7          Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8          Die Klägerin habe gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung, da die Bürgschaften und ihre Verlängerungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien. Zwar lasse sich eine krasse finanzielle Überforderung der Bürgen im vorliegenden Fall nicht feststellen. Es lägen jedoch sittenwidrige Arbeitnehmerbürgschaften vor. Die Bürgschaft eines Arbeitnehmers, die dieser dem Kreditgeber des Arbeitgebers gewähre, sei wie eine arbeitsvertraglich vereinbarte Beteiligung des Arbeitnehmers an den Verlusten des Arbeitgebers zu bewerten. Eine solche Vereinbarung sei anerkanntermaßen dann sittenwidrig und nichtig, wenn dafür kein angemessener Ausgleich erfolge. Denn zum Leitbild des Arbeitsvertrages gehöre nach den geltenden Regeln des Arbeitsrechts der Gedanke, den Arbeitnehmer weitgehend vom Risiko von Marktschwankungen zu befreien. Deswegen stelle sich eine Zuweisung des Marktrisikos an den Arbeitnehmer - wie hier durch die Übernahme der Bürgschaft - regelmäßig als sittenwidrig dar. Danach seien die Bürgschaften vorliegend als sittenwidrig anzusehen, da es den Beklagten um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze gegangen sei und sie ohne Gegenleistung in erheblicher Weise mit dem wirtschaftlichen Risiko der Arbeitgeberin belastet worden seien. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehe dem nicht entgegen, da danach eine krasse finanzielle Überforderung nicht in jedem Fall Voraussetzung der Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft sei.

II.

9          Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Sittenwidrigkeit der von den Beklagten übernommenen Bürgschaften nach § 138 Abs. 1 BGB nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Bürgschaft eines Arbeitnehmers sei an dem "Leitbild" eines Arbeitsvertrags zu messen, wonach der Arbeitnehmer nicht ohne Gegenleistung mit dem wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers belastet werden dürfe, und hat daraus unzutreffend gefolgert, eine Arbeitnehmerbürgschaft sei regelmäßig nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig.

10        1. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (Senatsurteile vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 69 und vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 Rn. 37, jeweils mwN). Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (Senatsurteil vom 28. April 2015, aaO mwN). Bei dieser Würdigung handelt es sich um eine Rechtsfrage, sodass sie der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteil vom 12. April 2016, aaO Rn. 36 mwN).

11        2. Nach der Rechtsprechung des Senats kann danach die von einem Arbeitnehmer mit mäßigem Einkommen aus Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes für ein Darlehen des Arbeitgebers übernommene Bürgschaft sittenwidrig sein, wenn sie den Arbeitnehmer finanziell krass überfordert und sich der Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Notlage befindet (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307 ff.). Eine allgemeine Regel, wonach Arbeitnehmerbürgschaften wegen Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des Arbeitgebers unabhängig von einer finanziellen Überforderung des Arbeitnehmers wegen eines Verstoßes gegen das "Leitbild" des Arbeitsvertrags unwirksam seien, hat der Senat dabei nicht zugrunde gelegt.

12        Lediglich für Zeiten einer hohen Arbeitslosigkeit ist von der tatsächlichen, widerleglichen Vermutung auszugehen, dass der Arbeitnehmer eine - hier nicht vorliegende - ihn krass finanziell überfordernde Bürgschaft allein aus Angst um seinen Arbeitsplatz übernommen hat (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 309). Denn bei solchen Arbeitsmarktverhältnissen drängt sich für den Bürgschaftsgläubiger auch in subjektiver Hinsicht auf, dass diese Angst des Arbeitnehmers der Grund für die Übernahme einer für ihn ruinösen Bürgschaft ist und diesen abhält, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

13        Danach hat das Berufungsgericht zu Recht auf die hier vorliegenden Arbeitnehmerbürgschaften nicht die nach ständiger Rechtsprechung für Bürgschaften nahestehender Personen geltende tatsächliche Vermutung angewendet, wonach bei Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung der mitverpflichteten nahestehenden Person bereits ohne Hinzutreten weiterer Umstände von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung auszugehen ist (vgl. nur Senatsurteile vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307, vom 25. Januar 2005 - XI ZR 28/04, WM 2005, 421, 422, vom 25. April 2006 - XI ZR 330/05, FamRZ 2006, 1024, 1025 und vom 15. November 2016 - XI ZR 32/16, WM 2017, 93 Rn. 20).

14        3. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob darüber hinausgehend Arbeitnehmerbürgschaften schon dann sittenwidrig sind, wenn dem bürgenden Arbeitnehmer kein angemessener Ausgleich für die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des Arbeitgebers zufließt.

15        a) Eine Mindermeinung in Rechtsprechung und Literatur, der das Berufungsgericht folgt, nimmt an, auch ohne eine finanzielle Überforderung des Bürgen sei eine Arbeitnehmerbürgschaft stets sittenwidrig, wenn der Bürge keinen angemessenen Ausgleich für die Übernahme der Bürgschaft erhalte, diese aus Angst um seinen Arbeitsplatz übernehme und der Gläubiger diese Umstände kenne und ausnutze (OLG Celle, Urteil vom 23. September 1998 - 3 U 8/98, juris Rn. 23 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. März 2007 - 9 U 151/06, juris Rn. 10; Seifert, NJW 2004, 1707, 1709). Eine finanzielle Überforderung des Arbeitnehmers durch die Bürgschaft wäre danach nicht erforderlich.

16        b) Die herrschende Meinung in der Instanzrechtsprechung und Literatur verlangt in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Bürgschaft nahestehender Personen auch für die Fallgruppe sittenwidriger Arbeitnehmerbürgschaften das Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen (KG Berlin MDR 1998, 234, 235; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 138 Rn. 38g; Fischer, LMK 2004, 20; Heidrich, NJ 2004, 104, 105; MünchKommBGB/Habersack, 7. Aufl., § 765 Rn. 29; Erman/Herrmann, BGB, 14. Aufl., § 765 Rn. 13; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rn. 208; Koller, EWiR 2004, 19, 20; von Mettenheim, jurisPR-BGHZivil 14/2003 Anm. 1; Probst, JR 2004, 376; Driver-Polke, BB 2003, 2650; Prütting in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 765 Rn. 38 f.; Schmeel, BGHReport 2004, 32, 33; Stadler in Jauernig, Kommentar zum BGB, 17. Aufl., § 765 Rn. 6; Tiedtke, EWiR 2003, 563, 564).

17        c) Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend und steht im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung.

18        aa) Die Bürgschaft eines Arbeitnehmers ist - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - nicht regelmäßig sittenwidrig, wenn sie vom Arbeitnehmer ohne eine Gegenleistung in einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers übernommen wird. Denn eine private Bürgschaft wird typischerweise unentgeltlich und zur Unterstützung des Hauptschuldners in einer für diesen wirtschaftlich schwierigen Situation übernommen. Allein die Kenntnis des Gläubigers von solchen Umständen kann mithin eine Sittenwidrigkeit einer solchen Bürgschaft nicht begründen. Deswegen führt auch das naheliegende Motiv eines unentgeltlich bürgenden Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, für sich nicht zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft.

19        Unabhängig davon kann die Übernahme einer Arbeitnehmerbürgschaft für einen solventen Arbeitnehmer, etwa einen gut verdienenden, leitenden Angestellten, ein hinnehmbares Risiko darstellen, das sich bei wirtschaftlicher Gesundung seines Arbeitgebers für ihn auszahlen kann (vgl. Probst, JR 2004, 376). Ein solches Handeln ist von der Privatautonomie des bürgenden Arbeitnehmers gedeckt und steht nicht in Widerspruch zu grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung. Vielmehr wäre die Vertragsfreiheit in nicht gerechtfertigter Weise beschnitten, wenn etwa eine Arbeitnehmerbürgschaft auch dann sittenwidrig und damit nichtig wäre, wenn der bürgende Arbeitnehmer finanziell ausreichend leistungsfähig ist oder die Haftung für einen nicht erheblichen Betrag übernommen hat.

20        bb) Diesen im Bürgschaftsrecht wurzelnden Erwägungen steht nicht das vom Berufungsgericht einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, NJW 1991, 860) entnommene "Leitbild" entgegen, wonach eine arbeitsvertragliche Vergütungsregelung dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB verstoße, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet werde. Das Berufungsgericht übersieht, dass das Bundesarbeitsgericht dabei die - vorliegend in den Tatsacheninstanzen nicht weiter geklärten - Vereinbarungen im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrages anspricht, nicht jedoch die davon zu unterscheidenden Vereinbarungen im Bürgschaftsverhältnis, das zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger besteht. Deswegen würde dieser dem genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts entnommene Grundsatz oder ein entsprechendes "Leitbild" im vorliegenden Fall allenfalls zur Sittenwidrigkeit einer zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner getroffenen Vereinbarung - sei es Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag oder Avalvertrag - führen. Auf Verpflichtungen des Bürgen aus dem Bürgschaftsvertrag haben Mängel dieses Innenverhältnisses zwischen Hauptschuldner und Bürgen jedoch grundsätzlich keine Auswirkungen (vgl. BeckOK BGB/Rohe, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2018, BGB § 765 Rn. 13; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rn. 102; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., Einf. v. § 765 Rn. 5), sodass der Bürge daraus auch keine Einwendungen oder Einreden gegen den Gläubiger geltend machen kann. Denn es ist für den Bestand der Bürgschaft gleichgültig, ob ein solches Grundverhältnis besteht und welcher Art es ist (BGH, Urteile vom 5. März 1975 - VIII ZR 202/73, WM 1975, 348, 349 f. und vom 10. Februar 2000 - IX ZR 397/98, WM 2000, 715, 717).

21        Der von dem Bundesarbeitsgericht für das Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags formulierte Grundsatz (BAG, NJW 1991, 860) kann auf das Verhältnis zwischen Bürge und Gläubiger auch nicht entsprechend angewendet werden. Denn anders als im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags können - insbesondere nicht gewerbliche - Bürgen im Verhältnis zum Hauptschuldner ein wirtschaftliches Haftungsrisiko ohne Weiteres unentgeltlich übernehmen, sodass dieser Umstand nicht zugleich zur Begründung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft herangezogen werden kann.

22        cc) Die Gegenansicht würde zudem, worauf der Senat bereits hingewiesen hat (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307), zu Wertungswidersprüchen zwischen der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Angehörigen- und Arbeitnehmerbürgschaften führen. Denn die vom Berufungsgericht angewendete Regel würde zu einer Besserstellung bürgender Arbeitnehmer führen, da deren für den Arbeitgeber ohne Gegenleistung übernommene Bürgschaft sittenwidrig und nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB wäre unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer durch die Bürgschaft krass finanziell überfordert wird. Nahestehende Personen hingegen müssen nach anerkannter Rechtsprechung in der Regel nachweisen, dass sie durch die übernommene Bürgschaft krass finanziell überfordert sind.

23        Die typischen Umstände sprechen jedoch für ein größeres Schutzbedürfnis nahestehender Personen. Wie der Senat ausgeführt hat (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307), besteht nämlich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Regel kein von Emotionen geprägtes, einer Ehe, einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft oder einer engen Verwandtschaft oder Freundschaft vergleichbares persönliches Näheverhältnis. Bei einem Arbeitsverhältnis stehen vielmehr im Allgemeinen nicht Emotionen, die die Fähigkeit zu rationalem Handeln erheblich beeinträchtigen, sondern die beiderseitigen, häufig gegensätzlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien im Vordergrund (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003, aaO).

III.

24        Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

25        Unabhängig von der - wie oben dargestellt - nicht bestehenden allgemeinen Regel einer Sittenwidrigkeit gegenleistungslos übernommener Arbeitnehmerbürgschaften hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine Einordnung der streitgegenständlichen Bürgschaften als sittenwidrig zulassen. Denn eine Bürgschaft, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bürgen nicht überfordert, ist nach der gefestigten Rechtsprechung nur aufgrund besonders erschwerender und dem Bürgschaftsgläubiger zurechenbarer sonstiger Umstände, die hier nicht festgestellt sind, sittenwidrig und nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB.

26        Daran wäre etwa zu denken, wenn die Klägerin in unzulässiger Weise auf die Entschließung der Beklagten durch die Tragweite der Haftung verharmlosende bzw. verschleiernde Erklärungen oder durch beschönigende Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse und Aussichten der Hauptschuldnerin eingewirkt hätte (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302, 307 f.). Vorliegend ist jedoch nicht festgestellt worden, dass die Klägerin den Beklagten eine hoffnungslose Lage der Hauptschuldnerin verschwiegen hat (vgl. dazu BGH, Urteile vom 24. Februar 1994 - IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206, 217 und vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1332). Vielmehr wussten die Beklagten unstreitig um die drohende Insolvenz der Hauptschuldnerin.

27        Da ein Darlehensgeber grundsätzlich berechtigt ist, die Gewährung - weiterer - Kredite von der Stellung - zusätzlicher - Sicherheiten abhängig zu machen, stellt die Entgegennahme daraufhin übernommener Bürgschaften für sich keine unlautere Einwirkung auf die Willensbildung des Bürgen dar (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1332). Wegen der Zahlungsschwierigkeiten der Hauptschuldnerin war die Bürgschaft bei vernünftiger Betrachtungsweise für die Klägerin auch nicht wirtschaftlich sinnlos (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. April 1996 - IX ZR 177/95, BGHZ 132, 328, 330 mwN und vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, BGHZ 137, 329, 343).

IV.

28        Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, sodass sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

29        Dabei wird das Berufungsgericht sich auch mit dem bestrittenen Vortrag der Beklagten zu befassen haben, der Klägerin sei es nicht um den Versuch einer Sanierung der Hauptschuldnerin, sondern ausschließlich darum gegangen, die Hauptschuldnerin in Kenntnis von deren Zahlungsunfähigkeit am Leben zu erhalten, um die Werthaltigkeit eigener Grundpfandrechte an den Baugrundstücken infolge des Baufortschritts zu steigern. Dient nämlich eine Bürgschaft tatsächlich nur der Sicherung eines Darlehens, mit dem der Gläubiger die Realisierung ansonsten nicht oder weniger werthaltiger Sicherheiten erreichen will, während der Bürge für den Gläubiger erkennbar davon ausgehen durfte und davon ausgegangen ist, die Bürgschaft sichere den Versuch einer Sanierung der Hauptschuldnerin, kommt eine entsprechende Hinweispflicht des Gläubigers und bei deren Verletzung ein der Bürgenhaftung entgegenstehender Anspruch des Bürgen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 1. Juli 1999 - IX ZR 161/98, WM 1999, 1614, 1615).

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