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Arbeitsrecht
04.10.2018
Arbeitsrecht
EuGH: Sicherung der Betriebsrenten bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers

EuGH, Urteil vom 6.9.2018 – C-17/17, Grenville Hampshire gegen The Board of the Pension Protection Fund

ECLI:EU:C:2018:674

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-2419-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers Leistungen bei Alter erhalten muss, die mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entsprechen.

2. Art. 8 der Richtlinie 2008/94 hat unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung, so dass er von einem einzelnen Arbeitnehmer vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werden kann, um eine Entscheidung einer Stelle wie The Board of the Pension Protection Fund (Der Vorstand des Rentensicherungsfonds, Vereinigtes Königreich) anzufechten.

Urteil

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Grenville Hampshire und dem Board of the Pension Protection Fund (Vorstand des Rentenversicherungsfonds, im Folgenden: Vorstand des PPF) über die Berechnung seiner Ansprüche auf Leistungen bei Alter.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 heißt es:

„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten; dabei muss die Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der [Europäischen Union] berücksichtigt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten eine Einrichtung schaffen, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.“

4          Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt sie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind.

5          Art. 8 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

6          Nach ihrem Art. 12 Buchst. a steht die Richtlinie 2008/94 der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen, nicht entgegen.

Recht des Vereinigten Königreichs

7          Die Richtlinie 2008/94 wurde, soweit es um den Schutz der Rechte von Arbeitnehmern auf Leistungen bei Alter geht, im Wesentlichen durch den Pensions Act 2004 (Rentengesetz von 2004, im Folgenden: Gesetz von 2004) in das Recht des Vereinigten Königreichs umgesetzt.

8          Mit diesem Gesetz wurde ein gesetzlicher Rentensicherungsfonds, der „Pension Protection Fund“ (im Folgenden: PPF), errichtet, der vom Vorstand des PPF verwaltet wird. Im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers übernimmt der PPF unter bestimmten Voraussetzungen die Haftung für die Ansprüche der Arbeitnehmer aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung. Zur Finanzierung dieser Aufgabe erhebt der PPF eine Abgabe von allen zugelassenen betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen.

9          Wird ein Arbeitgeber, der an einem einbezogenen leistungsorientierten betrieblichen Altersversorgungssystem teilnimmt, zahlungsunfähig, übernimmt der Vorstand des PPF gemäß dem Gesetz von 2004 dieses System, soweit bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

10        Dazu zählt die in Section 127(2)(a) des Gesetzes von 2004 genannte Voraussetzung, dass „der Wert der Aktiva der Einrichtung zum maßgeblichen Zeitpunkt geringer war als die Höhe der geschützten Verbindlichkeiten“.

11        Die in Section 131 des Gesetzes von 2004 definierten geschützten Verbindlichkeiten erfassen nicht sämtliche Rentenansprüche aller Arbeitnehmer im betrieblichen Zusatzversorgungssystem, sondern lediglich die Kosten für die Sicherung von Leistungen, die dem Ausgleich entsprechen, der nach den Bestimmungen über den Rentenausgleich zu zahlen wäre, wenn der Vorstand des PPF die Haftung für das System übernehmen würde (im Folgenden: PPF‑Ausgleich).

12        Das Gesetz von 2004, insbesondere Section 162, sieht für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers bereits die Regelaltersgrenze ihrer Versorgungseinrichtung erreicht hatten, keine Kürzung der Ansprüche vor. Demgegenüber haben Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hatten, lediglich einen Anspruch auf 90 % des Werts ihrer erworbenen Anwartschaften. Zudem unterliegt ihr Anspruch einer Deckelung nach Anhang 7 Paragraf 26 des Rentengesetzes von 2004.

13        Die Höhe der Deckelung des Ausgleichs für Arbeitnehmer einer bestimmten Altersstufe wird vom PPF festgelegt. Der Vorstand des PPF veröffentlicht versicherungsmathematische Faktoren, nach denen die Deckelung für Mitglieder, die ihren Ausgleich vor Vollendung ihres 65. Lebensjahrs beziehen, herabgesetzt wird. Gemäß Anhang 7 Paragraf 26(7) des Gesetzes von 2004 ist die Obergrenze des Ausgleichs nicht die Deckelung selbst, sondern 90 % des Deckelungsbetrags.

14        Darüber hinaus sieht Anhang 7 Paragraf 28 des Gesetzes von 2004 einen Inflationsausgleich mit einer Begrenzung von maximal 2,5 % pro Jahr für die Höchstsätze vor. Eine auf diese Vorschrift gestützte Anpassung des Höchstsatzes ist jedoch nicht für solche Ausgleichszahlungen vorgesehen, die aufgrund einer Beschäftigung bezogen werden, die vor dem 6. April 1997 lag.

15        Bei einer unter das Gesetz von 2004 fallenden Zahlungsunfähigkeit beginnt nach Section 132 ein Prüfungszeitraum, in dem die Mittelausstattung des Versorgungssystems geprüft wird, um festzustellen, ob der PPF nach Section 127(2) die Haftung für das betreffende System übernehmen muss (im Folgenden: Prüfungszeitraum). Während dieses Zeitraums sind die an Mitglieder zu zahlenden Leistungen gemäß Section 138 des Gesetzes von 2004 auf die Höhe des Ausgleichs herabzusetzen, der gezahlt würde, wenn der PPF verpflichtet wäre, die Haftung für das System zu übernehmen.

16        Gemäß den Sections 143 und 144 des Gesetzes von 2004 wird die während des Prüfungszeitraums vorgenommene Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten und der Aktiva im Fall ihrer Bestätigung durch den Vorstand des PPF vorbehaltlich einer Anfechtung bindend und ist maßgebend für die Feststellung, ob die in Section 127(2)(a) des Gesetzes von 2004 festgelegte Voraussetzung für die Übertragung der Haftung auf den PPF erfüllt ist.

17        Werden die Aktiva des Versorgungssystems für ausreichend befunden, um die Kosten der geschützten Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu decken, verbleibt das System nach Section 154 des Gesetzes von 2004 außerhalb des PPF und wird von seinen Verwaltern abgewickelt. In diesem Fall ist die betreffende Zusatzversorgungseinrichtung verpflichtet, den Arbeitnehmern aus den verbleibenden Mitteln Leistungen bei Alter zu gewähren, die dem PPF‑Ausgleich entsprechen. Nach Section 154(7) des Gesetzes von 2004 untersteht die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung dabei den Weisungen des PPF.

18        Falls die Aktiva des Systems für nicht ausreichend befunden werden, um die geschützten Verbindlichkeiten zu decken, übernimmt der Vorstand des PPF die Haftung für die Versorgungseinrichtung. Hierzu bestimmt Section 161(2) des Gesetzes von 2004:

„Die Übernahme der Haftung für ein System durch den Vorstand [des PPF] bewirkt, dass

(a) das Eigentum, die Rechte und die Verbindlichkeiten des Versorgungssystems ohne weitere Sicherheiten mit Wirkung von dem Zeitpunkt, zu dem die Treuhänder oder Verwalter die Übertragungsmitteilung erhalten, auf den Vorstand [des PPF] übertragen werden,

(b) die Treuhänder oder Verwalter des Versorgungssystems ab diesem Zeitpunkt von ihren Rentenverpflichtungen befreit sind, und

(c) der Vorstand [des PPF] von diesem Zeitpunkt an dafür Sorge zu tragen hat, dass ein Ausgleich nach den Bestimmungen über den Rentenausgleich gezahlt wird (und wurde), und das Versorgungssystem somit zu behandeln ist, als ob es unmittelbar nach diesem Zeitpunkt abgewickelt worden wäre.“

19        Gemäß der Pension Protection Fund (Pension Compensation Cap) Order 2006 (Rentensicherungsfondsverordnung [Rentenausgleichsdeckung] von 2006) betrug die Deckelung für das Alter von 65 Jahren 28 944,45 Pfund Sterling (GBP).

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

20        Herr Hampshire war von 1971 bis 1998 bei der Turner & Newall plc (im Folgenden: T&N) angestellt. Er war während des gesamten Zeitraums Mitglied des Rentenversorgungssystems von T&N (im Folgenden: T&N-System).

21        Nachdem Herr Hampshire 1998 nach der Übernahme von T&N durch die Federal-Mogul Corporation of America entlassen wurde, trat er im Alter von 51 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. Die Regelaltersgrenze für die dem T&N-System angeschlossenen Arbeitnehmer betrug 62 Jahre. Die Treuhänder des T&N-Systems teilten Herrn Hampshire mit, dass sich seine Rente auf 48 781,80 GBP pro Jahr vor Steuern belaufen werde, bei einer jährlichen Erhöhung von mindestens 3 %.

22        Nachdem die Federal-Mogul Corporation of America 2001 in den Vereinigten Staaten einen Insolvenzantrag gestellt hatte, leitete der PPF am 10. Juli 2006 im Vereinigten Königreich das Verfahren zur Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten und der Aktiva des T&N-Systems ein. Herr Hampshire war zu diesem Zeitpunkt 58 Jahre alt.

23        Nach Abschluss der Prüfung bestätigte der Vorstand des PPF am 19. September 2011 die Bewertung, nach der die Aktiva des T&N-Systems am 10. Juli 2006 die geschützten Verbindlichkeiten überstiegen, so dass es über ausreichende Mittel verfügte, um dem PPF‑Ausgleich entsprechende Leistungen bei Alter zu zahlen (im Folgenden: Entscheidung vom 19. September 2011). Der Vorstand des PPF übernahm daher keine Haftung für dieses System.

24        Nach Anpassung wegen einer Pauschalzahlung von 89 965 GBP, die Herr Hampshire nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1998 erhalten hatte, wurde seine Rente auf 19 819 GBP pro Jahr vor Steuern festgesetzt, wobei u. a. berücksichtigt wurde, dass er am 10. Juli 2006 noch nicht die Regelaltersgrenze des T&N-Systems erreicht hatte und damit von der in Anhang 7 Paragraf 26 des Gesetzes von 2004 vorgesehenen Deckelungsregelung erfasst wurde.

25        Die Rente von Herrn Hampshire wurde daher, verglichen mit den Ansprüchen auf einen jährlichen Betrag von 60 240 GBP, die er erworben hätte, wenn sein Arbeitgeber nicht zahlungsunfähig geworden wäre, um etwa 67 % gekürzt.

26        Da die Beschäftigungszeit von Herr Hampshire im Wesentlichen vor dem 6. April 1997 lag, wurde ihm zudem auch ein Großteil seiner Ansprüche auf die jährliche Erhöhung seiner Rente verwehrt. Nach seinen eigenen Berechnungen erhielt er somit etwa 25 % der sich aus seiner Beschäftigung bei T&N ergebenden Rentenansprüche.

27        Herr Hampshire und 15 weitere, von ähnlichen Kürzungen betroffene ehemalige Arbeitnehmer von T&N wandten sich an den Pension Protection Fund Ombudsman (Ombudsmann des Rentensicherungsfonds, Vereinigtes Königreich), um die Bewertung des T&N-Systems, wie sie vom Vorstand des PPF mit seiner Entscheidung vom 19. September 2011 bestätigt worden war, anzufechten.

28        Nachdem sein Antrag am 19. Februar 2014 zurückgewiesen worden war, erhob Herr Hampshire Klage beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Hohes Gericht [England & Wales], Abteilung Chancery, Vereinigtes Königreich).

29        Mit Urteil vom 23. Dezember 2014 wurde seine Klage abgewiesen. Daraufhin legte Herr Hampshire Berufung beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) ein.

30        Herr Hampshire macht im Wesentlichen geltend, dass die Bestimmungen des Gesetzes von 2004, auf die sich die Entscheidung vom 19. September 2011 stütze, mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof unvereinbar seien, da sie zur Folge hätten, dass bestimmte Arbeitnehmer weniger als 50 % des Werts ihrer erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhielten.

31        Der PPF beruft sich seinerseits darauf, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 dieser Richtlinie lediglich ergebe, dass die Sicherungssysteme im Durchschnitt allen Arbeitnehmern, die Mitglieder eines betrieblichen Zusatzversorgungssystems seien, einen Ausgleich in Höhe von mindestens 50 % des Werts ihrer erworbenen Ansprüche garantieren müssten. Es werde jedoch nicht verlangt, dass jeder einzelne Arbeitnehmer einen Ausgleich in Höhe von mindestens 50 % des Werts der erworbenen Ansprüche erhalte.

32        Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Zivilabteilung]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Verpflichtet Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 1980, L 283, S. 23) (nunmehr ersetzt durch Art. 8 der Richtlinie 2008/94) die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers (ausgenommen allein die Fälle von Missbrauch, für die Art. 10 Buchst. a der Richtlinie gilt) mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhält?

2. Hilfsweise, vorbehaltlich der Feststellungen der nationalen Gerichte zum Sachverhalt des Verfahrens: Ist es nach Art. 8 der Richtlinie 80/987 ausreichend, wenn ein Mitgliedstaat ein Sicherungssystem besitzt, in dem Arbeitnehmer gewöhnlich mehr als 50 % des Werts ihrer erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhalten, aber einzelne Arbeitnehmer weniger als 50 % aufgrund

a) einer finanziellen Deckelung des an Arbeitnehmer (insbesondere Arbeitnehmer, die beim Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers das normale Rentenalter ihres Altersversorgungssystems noch nicht erreicht haben) geleisteten Ausgleichs und/oder

b) von Regelungen, die die jährlichen Erhöhungen des an Arbeitnehmer geleisteten Ausgleichs oder die jährliche Neubewertung ihrer Ansprüche vor dem Erreichen des Rentenalters begrenzen?

3. Kommt Art. 8 der Richtlinie 80/987 unter den Umständen des vorliegenden Falls unmittelbare Wirkung zu?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

33        Die Regierung des Vereinigten Königreichs hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, da die gestellten Fragen hypothetischer Natur seien. Denn selbst bei einer Bewertung der Verbindlichkeiten des T&N‑Systems ohne Berücksichtigung der in der nationalen Regelung vorgesehenen Deckelung würden die Aktiva des Systems die geschützten Verbindlichkeiten übersteigen, so dass der PPF die Haftung für das System nicht übernehmen und dieses weiterhin durch seine Treuhänder geführt würde. Da Art. 8 der Richtlinie 2008/94 nicht unmittelbar horizontal anwendbar sei, könne Herr Hampshire seine Ansprüche nur geltend machen, indem er vom Staat eine Entschädigung verlange, was aber nicht Gegenstand der Klage im Ausgangsverfahren sei.

34        Insoweit ist daran zu erinnern, dass es im Rahmen der mit Art. 267 AEUV eingerichteten Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35        Daraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36        Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde. Die Vorlagefragen, die die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 betreffen, stellen sich nämlich in einem Rechtsstreit, in dem es darum geht, ob die Vorschriften des Gesetzes von 2004 über die Berechnung der geschützten Verbindlichkeiten den Erfordernissen dieser Bestimmung entspricht. Da die Auslegung dieser Bestimmung durch den Gerichtshof eine Neubewertung der geschützten Verbindlichkeiten durch den PPF und damit der Rentenansprüche von Herrn Hampshire zur Folge haben kann, besteht ein hinreichender Bezug zwischen dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits und den Vorlagefragen.

37        Auch die Frage, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 bei einer Fallkonstellation wie der des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung entfaltet, ist von Bedeutung, da das vorlegende Gericht für die Lösung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits möglicherweise darüber zu entscheiden hat, ob Herr Hampshire sich gegenüber dem Vorstand des PPF auf Art. 8 der Richtlinie berufen kann.

38        Die Vorlagefragen sind somit zulässig.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

39        Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers einen Ausgleich erhalten muss, der mindestens 50 % des Werts seiner bei einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Ansprüche entspricht, oder ob es ausreicht, dass dieser Ausgleich einer großen Mehrheit der Arbeitnehmer garantiert wird, bestimmte dieser Arbeitnehmer aber aufgrund gewisser im nationalen Recht vorgesehener Grenzen einen Ausgleich in Höhe von weniger als 50 % des Werts ihrer erworbenen Ansprüche erhalten.

40        Nach dem Wortlaut von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vergewissern sich die Mitgliedstaaten, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.

41        Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung sowohl des Mechanismus als auch des Umfangs dieses Schutzes zwar über einen weiten Ermessensspielraum, der eine Pflicht zur vollständigen Absicherung ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a., C‑278/05, EU:C:2007:56, Rn. 36 und 42 bis 45, vom 25. April 2013, Hogan u. a., C‑398/11, EU:C:2013:272, Rn. 42, und vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 34).

42        Folglich hindert Art. 8 der Richtlinie 2008/94 die Mitgliedstaaten nicht daran, im Hinblick auf legitime wirtschaftliche und soziale Ziele und insbesondere unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die erworbenen Ansprüche der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers zu kürzen.

43        Zu Art. 8 der Richtlinie 80/987, jetzt Art. 8 der Richtlinie 2008/94, hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die in bestimmten Situationen auf eine Leistungsgarantie hinauslaufen, die auf weniger als die Hälfte der erworbenen Ansprüche begrenzt ist, nicht als der Definition des in dieser Bestimmung verwendeten Begriffs „Schutz“ entsprechend angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a., C‑278/05, EU:C:2007:56, Rn. 57).

44        In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, ging es u. a. um die Leistungsansprüche zweier ehemaliger Arbeitnehmer, die lediglich 20 % und 49 % der Leistungen bei Alter erhielten, auf die sie Anspruch hatten (Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a., C‑278/05, EU:C:2007:56, Rn. 54).

45        Der Gerichtshof hat diese Auslegung im Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C‑398/11, EU:C:2013:272), bestätigt, das in einer Rechtssache ergangen ist, in der es um Ansprüche auf Leistungen bei Alter ging, die zehn im Urteil namentlich bezeichnete ehemalige Arbeitnehmer, die jeweils einer der von ihrem Arbeitgeber gegründeten Zusatzversorgungseinrichtungen angehörten, erworben hatten. Nach einem Verweis auf Rn. 57 des Urteils vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C‑278/05, EU:C:2007:56), hat der Gerichtshof entschieden, dass die ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 erfordert, dass ein Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben, für die er Beiträge im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entrichtet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a., C‑398/11, EU:C:2013:272, Rn. 43 und 51).

46        Aus dieser Rechtsprechung, die zuletzt mit dem Urteil vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35), bestätigt wurde, ergibt sich, dass das in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehene Schutzniveau eine individuelle Mindestgarantie für jeden einzelnen Arbeitnehmer darstellt.

47        Das Ziel dieser Richtlinie, die jedem Arbeitnehmer ein gemeinschaftsrechtliches Minimum an Schutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sichern soll, würde ernsthaft unterlaufen, wenn sich die Mitgliedstaaten – ohne dass irgendein Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 12 der Richtlinie von Seiten des Arbeitnehmers vorläge – den ihnen nach Art. 8 der Richtlinie obliegenden Verpflichtungen entziehen könnten, ohne jedem einzelnen Arbeitnehmer einen solchen Mindestschutz zu gewähren.

48        Daraus folgt, dass die Auslegung des Gerichtshofs zu Umfang und Art des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Schutzes und zu den einzelnen Schutzberechtigten entgegen dem Vortrag der Regierung des Vereinigten Königreichs in der vorliegenden Rechtssache nicht auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C‑278/05, EU:C:2007:56), vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C‑398/11, EU:C:2013:272), und vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C‑454/15, EU:C:2016:891), ergangen sind, sondern von allgemeiner Tragweite ist.

49        Daher lässt sich nicht vertreten, dass sich die Tragweite dieser Auslegung auf bestimmte zahlungsunfähige Arbeitgeber spezifischer Branchen oder auf bestimmte Arbeitnehmer in einem besonderen wirtschaftlichen oder sozialen Zusammenhang beschränkt.

50        Folglich schreibt Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vor, dass die Mitgliedstaaten ausnahmslos jedem einzelnen Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers einen Ausgleich garantieren müssen, der mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entspricht, ohne jedoch auszuschließen, dass die unter anderen Umständen erlittenen Verluste, auch wenn ihr Prozentsatz geringer ist, im Licht der in dieser Bestimmung aufgestellten Pflicht zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35).

51        Um die volle Wirksamkeit des Mindestschutzes der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94, der verlangt, dass sich dieser Schutz über den gesamten Rentenzeitraum erstreckt, zu gewährleisten, ist ferner, wie die Generalanwältin in den Nrn. 48 bis 53 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, der Ausgleich von mindestens 50 % des Werts der erworbenen Ansprüche unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung der Rentenleistungen über die gesamte Rentendauer zu berechnen, damit der garantierte Betrag nicht infolge Zeitablaufs unter 50 % des ursprünglich für ein Rentenjahr erworbenen Werts fällt.

52        Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers Leistungen bei Alter erhalten muss, die mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entsprechen.

Zur dritten Frage

53        Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unmittelbare Wirkung hat.

54        Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber einem Mitgliedstaat und allen Trägern seiner Verwaltung berufen sowie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die sich aus den für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2017, Farrell, C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55        Mit dem Staat können auch Organisationen oder Einrichtungen gleichgestellt werden, die von einer öffentlichen Stelle mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut sind und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet wurden (Urteil vom 10. Oktober 2017, Farrell, C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 34).

56        Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unbedingt und hinreichend genau ist. Die Prüfung muss sich auf drei Gesichtspunkte erstrecken: die Bestimmung des Personenkreises, dem der in dieser Bestimmung vorgesehene Schutz zugutekommen soll, den Inhalt dieses Schutzes und die Person des Schuldners dieses Schutzes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a., C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 12).

57        Hinsichtlich des Personenkreises, dem der in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehene Schutz zugutekommen soll, ergibt sich aus dem Wortlaut dieses Artikels eindeutig, dass diese Richtlinie die Arbeitnehmer schützen soll, die von einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers betroffen sind. Dieser Artikel bezeichnet die von der Garantie Begünstigten folglich so genau und unbedingt, wie es für die unmittelbare Anwendung einer Richtlinienbestimmung erforderlich ist.

58        In Bezug auf den Inhalt des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Schutzes genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof im Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C‑278/05, EU:C:2007:56), festgestellt hat, dass ein Arbeitnehmer gemäß diesem Art. 8 bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhalten muss, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben, für die er Beiträge im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entrichtet hat (Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a., C‑398/11, EU:C:2013:272, Rn. 51).

59        Diese Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 40, und vom 22. November 2017, Cussens u. a., C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 41).

60        Somit enthält Art. 8 der Richtlinie 2008/94 eine eindeutige und genaue Verpflichtung, die den Mitgliedstaaten obliegt und dem Einzelnen Rechte verleihen soll. Außerdem unterliegt diese Verpflichtung keiner besonderen Bedingung.

61        Zur Identität des Schuldners des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Schutzes ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum hinsichtlich des einzuführenden Mechanismus verfügen, so dass sie u. a. eine staatliche Finanzierung, eine Versicherungspflicht zulasten der Arbeitgeber oder die Schaffung einer Garantieeinrichtung vorsehen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a., C‑278/05, EU:C:2007:56, Rn. 36 und 37).

62        Sobald dieser Spielraum allerdings voll ausgeschöpft wurde, kann er, wie die Generalanwältin in Nr. 79 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, kein Hindernis mehr dafür bilden, dass sich ein Einzelner auf den Mindestschutz beruft, der ihm nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 zusteht.

63        Insoweit ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass der nationale Gesetzgeber mit dem Erlass des Gesetzes von 2004 die Entscheidung getroffen hat, dass bei Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers, der an einem einbezogenen leistungsorientierten betrieblichen Altersversorgungssystem teilnimmt, die Mittelausstattung des betreffenden Systems zu prüfen ist und insbesondere die geschützten Verbindlichkeiten und die Aktiva des Systems zu bewerten sind. Gemäß diesem Gesetz verbleibt das System, wenn sich aus dieser Bewertung nach ihrer Bestätigung durch den Vorstand des PPF ergibt, dass die Aktiva des Systems für die Zahlung der geschützten Verbindlichkeiten ausreichen, unter der Führung seiner Treuhänder, auch wenn es den Weisungen des Vorstands des PPF untersteht. Für den Fall, dass sich die Aktiva des Systems als unzureichend erweisen, sieht das Gesetz von 2004 vor, dass der Vorstand des PPF das System übernimmt, was bedeutet, dass die Verwalter des Systems von ihren Rentenverpflichtungen entbunden werden und der Vorstand des PPF verpflichtet ist, die Zahlung des Ausgleichs sicherzustellen.

64        Das Gesetz von 2004 bestimmt also eindeutig, wer für die Bewertung der Bilanz der geschützten Verbindlichkeiten und der Aktiva der betrieblichen Zusatzversorgungssysteme zuständig und für die Sicherstellung des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Mindestschutzes verantwortlich ist.

65        Im Vereinigten Königreich obliegt somit dem PPF die Umsetzung der den Mitgliedstaaten obliegenden Verpflichtung, die Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer bei einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter zu schützen.

66        Was die Frage betrifft, ob der PPF eine zum Staat gehörende oder ihm gleichgestellte Einrichtung im Sinne der in den Rn. 54 und 55 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass der PPF mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut und mit besonderen Rechten zur Erfüllung dieser Aufgabe ausgestattet ist, da er von den zugelassenen betrieblichen Zusatzversorgungssystemen eine Abgabe erhält und befugt ist, diesen Systemen im Rahmen ihrer Abwicklung die erforderlichen Anweisungen zu geben. Außerdem legt der PPF mit der Bestätigung der Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten eines betrieblichen Zusatzversorgungssystems das Schutzniveau für jeden Arbeitnehmer hinsichtlich seiner erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter fest, und zwar sowohl bei der Übernahme der Haftung durch den PPF als auch im Fall einer etwaigen Abwicklung außerhalb des PPF.

67        Somit sind die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass sich ein Arbeitnehmer in einer Situation wie der von Herrn Hampshire gegenüber dem Vorstand des PPF auf Art. 8 der Richtlinie 2008/94 berufen kann.

68        Zum Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs, Art. 8 der Richtlinie 2008/94 könne gegenüber den Treuhändern des T&N‑Systems nicht geltend gemacht werden, weil sie Privatpersonen seien, wohingegen die Aktiva dieses Systems dessen geschützte Verbindlichkeiten abdeckten und es daher das System sei, das an Herrn Hampshire seine Leistungen bei Alter zahle, ist zum einen festzustellen, dass es sich bei den Parteien des Ausgangsverfahrens um Herrn Hampshire sowie den Vorstand des PPF und den Secretary of State for Work and Pensions (Minister für Arbeit und Rente, Vereinigtes Königreich) handelt. Weder das T&N-System noch dessen Treuhänder sind Parteien des Ausgangsverfahrens.

69        Zum anderen geht es im Ausgangsrechtsstreit gemäß dem Vorabentscheidungsersuchen nicht darum, ob Herr Hampshire die Zahlung eines Ausgleichs, der mindestens 50 % seiner in diesem System erworbenen Ansprüche beträgt, unmittelbar vom T&N-System oder von dessen Treuhändern fordern kann, sondern um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, mit der der Vorstand des PPF die geschützten Verbindlichkeiten dieses Systems bestätigt hat. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 89, 91 und 92 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Rechtsstreit darauf gerichtet, festzustellen, ob der Vorstand des PPF unter Berufung auf Art. 8 der Richtlinie 2008/94 verpflichtet werden kann, eine Neubewertung der geschützten Verbindlichkeiten vorzunehmen. In diesem Zusammenhang würde die Auswirkung, die eine Neuberechnung des PPF‑Ausgleichs auf das T&N-System haben könnte, eine bloße negative Auswirkung auf die Rechte Dritter darstellen und es nicht rechtfertigen, dieser Bestimmung die unmittelbare Wirkung gegenüber einer Einrichtung abzusprechen, die als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, T‑Mobile Czech Republic und Vodafone Czech Republic, C‑508/14, EU:C:2015:657, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70        Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung hat, so dass er von einem einzelnen Arbeitnehmer vor einem nationalen Gericht geltend gemacht werden kann, um eine Entscheidung einer Stelle wie des Vorstands des PPF anzufechten.

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