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Arbeitsrecht
31.10.2013
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Schmerzensgeldansprüche bei Mobbing

LAG Nürnberg, Urteil vom 25.7.2013 - 5 Sa 525/11


Amtliche Leitsätze


1.         Auf Mobbing gestützte Schmerzensgeldansprüche können vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist verwirken.


2.         Für das Zeitmoment kommt es entscheidend auf die letzte Mobbinghandlung an.


3.         Um eine effektive Rechtsverteidigung zu ermöglichen, entspricht es regelmäßig dem Interesse des Anspruchsgegners, sich zeitnah gegen Mobbingvorwürfe zur Wehr setzen zu können.


Sachverhalt


Die Parteien streiten um Schmerzensgeld wegen Mobbing.



Der 1958 geborene, verheiratete Kläger arbeitete seit 23. Juli 1990 bei der Firma P... Service GmbH bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt in der Funktion eines Personalfachberaters/Fachberaters Arbeitsrecht in Vollzeit mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von € 4.500,--. Der Kläger hat das 1. juristische Staatsexamen abgelegt.



Im Zwischenzeugnis vom 09.11.1998 wurde dem Kläger bescheinigt, dass er „die Aufgaben seiner Position stets zu unserer vollen Zufriedenheit" erfülle. Mit Zwischenzeugnis vom 30.11.2001 wurde dem Kläger bescheinigt, dass „wir in jeder Hinsicht stets sehr zufrieden" sind mit seinem Einsatz und seinen Leistungen. Das Zwischenzeugnis vom 31.05.2006 weist folgende Aussage auf: „Alle ihm übertragenen Aufgaben führte Herr H... stets zu unserer vollsten Zufriedenheit aus". Wegen des Inhalts des im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellten Zeugnisses wird auf Bl. 47, 48 der Akten Bezug genommen.



Auf Vorschlag des Landesverbandes des bayerischen Einzelhandels wurde der Kläger mit Zustimmung des Arbeitgebers im Jahr 2001 zum ehrenamtlichen Richter am Arbeitsgericht Nürnberg berufen. Ab 2001 war der Kläger auch tätig als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses des Landesarbeitsamtes Bayern.



In Anerkennung seiner Leistungen erhielt der Kläger in den Jahren 2001 und 2006 Sonderprämien in Höhe von DM 6.000,-- brutto sowie € 4.000,-- brutto.



Anfang Juni 2006 wurde der Beklagte im Zuge einer Umstrukturierung neuer Vorgesetzter des Klägers. Der Kläger war zusammen mit dem Volljuristen, Herrn M... als Fachberater beschäftigt in einer Abteilung, dem sogenannten Expert Center (EC) Arbeits-/Sozialrecht/


Tarifpolitik. Daneben bestand eine zweite Abteilung, das sogenannte Expert Center (EC) Steuer, Sozialversicherung, Altersversorgungssysteme. Diese beiden Abteilungen wurden zu einer Abteilung unter der Leitung von Frau L... zusammengefasst. Als Fachberater sollten dort nur noch Volljuristen arbeiten. Der Kläger wurde aus dieser Abteilung herausgelöst und dem Beklagten als dem nächsthöheren Vorgesetzten über Frau L... direkt unterstellt.



Am 17.07.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er nicht mehr in der Abteilung beschäftigt werden solle, er solle sich eine andere Stelle extern suchen. Am 15.09.2006 folgte ein weiteres Gespräch. Auch in diesem Gespräch ging es um die Frage der künftigen Aufgaben des Klägers außerhalb des Unternehmens. Der Kläger bewarb sich auf andere Stellen im Unternehmen. Mit Schreiben vom 28.11.2006 erhielt er eine Absage. Mit Schreiben vom 29.11.2006 widersprach der im Betrieb bestehende Betriebsrat einer Neueinstellung unter Hinweis auf die Besorgnis einer direkten Benachteiligung des Klägers.



Im Oktober 2006 wurde die Volljuristin, Frau D... auf dem Arbeitsplatz des Klägers eingearbeitet. Der Kläger wurde in diesem Zusammenhang räumlich umgesetzt aus


einem Büro mit 3 bis 4 Arbeitsplätzen in ein Einzelbüro. In der Folgezeit hatte er keinen Zugriff mehr auf die Datenbestände der neu gebildeten Abteilung auf dem Netzlaufwerk „G". Er wurde auch nicht mehr zu gemeinsamen Treffen der Abteilung dienstlicher und halbdienstlicher Natur eingeladen. Er wurde ferner aus einem sogenannten P...-Steuerkreis herausgelöst. Im Informationssystem des Unternehmens wurde der Kläger ab 20.11.2006 nicht mehr als Fachberater und möglicher Ansprechpartner aufgeführt.



Dagegen wehrte sich der Kläger mit Leistungsklage vom 13. Juni 2007 gegen seinen Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (Aktenzeichen: 6 Ca 4040/07). Die Klage wurde mit Urteil vom 25.01.2008 abgewiesen; das Urteil wurde durch Rücknahme der Berufung seitens des Klägers rechtskräftig.



Mit Schreiben vom 20.11.2006 bestätigte der Veranstalter eines vom Kläger gebuchten arbeitsrechtlichen Eintagesseminars auf Veranlassung durch den Beklagten die kostenfreie Stornierung der Teilnahme an der Veranstaltung. Mit Email vom 14.02.2007 veranlasste der Beklagte die Stornierung des vom Kläger gebuchten Wochenseminars „Controlling für Mitglieder der Selbstverwaltung" bei der örtlichen Agentur für Arbeit in Nürnberg.



Nach Vorgesprächen Ende Januar 2007 erhielt der Kläger unter dem Datum 09.02.2007 eine mit dem Begriff „Zielvereinbarung" überschriebene Arbeitsanweisung vom Beklagten, alle Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen bei seinem Arbeitgeber und anderen Konzernfirmen bis 15.03.2007 nach verschiedenen Maßgaben zu überprüfen.



Wegen des vom Kläger in zwei Emails erhobenen Vorwurfes des Mobbings wurde der Kläger mit Schreiben seines Arbeitgebers vom 09.03.2007 abgemahnt. Wegen Nichterledigung des Arbeitsauftrages vom 09.02.2007 erhielt der Kläger eine weitere Abmahnung vom 25.05.2007, unterzeichnet vom Beklagten. Der gegen beide Abmahnungen erhobenen Klage gab das Arbeitsgericht Nürnberg - unter Abweisung der Klage im Übrigen -gegen die Abmahnung vom 25.05.2007 statt. Im Berufungsverfahren einigten sich die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.07.2009 darauf, beide Abmahnungen als gegenstandslos zu betrachten.



Im Jahr 2007 war der Kläger wegen eines chronischen Überlastungssyndroms und Depression für insgesamt 52 Tage in 3 Krankheitszeiträumen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Jahr 2008 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben an 216 Tagen, im Jahr 2009 bis August durchgehend. Dann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, welches endgültig am 28.02.2010 endete.



Am 28.12.2010 erhob der Kläger eine Schmerzensgeldklage gegen den Beklagten mit Klageschrift seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.12.2010.



Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe ihn gemobbt und dadurch erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten bei ihm ausgelöst. Bereits im Juli 2006 habe der Beklagte ihm mitgeteilt, er solle das Unternehmen in spätestens sechs Monaten verlassen und sich nach einer neuen Stelle umsehen. Ihm September 2006 habe er ihm wörtlich gesagt: „Ich will Ihnen ja nicht drohen, aber Sie wissen doch selbst am besten aus ihrer Tätigkeit heraus was ankommt, wenn sich die Fronten verhärten." Entsprechend einer Ankündigung des Beklagten in diesem Gespräch im September 2006 habe der Beklagte ihn dann aus seinem Team herausgelöst, ihm die bisherigen Aufgaben entzogen und habe ihn mit unerfüllbaren Sonderaufgaben beauftragt. Deshalb sei es dann auch zu Abmahnungen gekommen. Erfolgreiche Bewerbungen des Klägers auf interne Stellenangebote habe der Beklagte verhindert. Die Teilnahme an Seminaren, zu denen er sich angemeldet gehabt habe, habe der Beklagte storniert. All dies habe letztlich zu der schweren Erkrankung des Klägers über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg geführt. Der Beklagte sei deshalb verpflichtet, wegen Mobbings ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen, mindestens jedoch € 10.000,--.



Der Beklagte ist der Meinung, es sei die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, die beiden Abteilungen zu einer Abteilung zusammenzufassen und dort als Fachberater nur noch Volljuristen zu beschäftigen. Dies habe zu den Änderungen der Arbeitsbedingungen des Klägers geführt. Dabei habe sich der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes gehalten. Die Klage gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen sei abgewiesen worden. Eine Versetzung im Sinne des Gesetzes habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe nicht mehr als Fachberater weiterbeschäftigt werden können. Seine Ansprechpartner aus den verschiedenen Abteilungen hätten in den letzten Jahren wiederholt den Wunsch geäußert, nicht mehr vom Kläger beraten zu werden. In den Gesprächen im Juli und September 2006 sei es um die künftige Verwendung des Klägers und auch um die Frage eines Ausscheidens sowie die Möglichkeit eines Outplacements gegangen. Interne Bewerbungen des Klägers habe er, der Beklagte, nicht verhindert. Er wisse auch nicht, ob und auf welche Stellen der Kläger sich beworben habe. Das Seminar bei der Agentur für Arbeit sei storniert worden, nachdem sich der Kläger geweigert habe, dafür Urlaub einzubringen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch, darüber hinaus stehe ihm auch kein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Gesundheit oder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu. Der Kläger habe keine konkreten Einzelhandlungen des Beklagten vorgetragen, die für sich allein geeignet wären, in der Folge eine Verletzung des Klägers in seiner Ehre, seinem Persönlichkeitsrecht oder in seiner Gesundheit zu begründen. Auch die Zusammenschau des vom Kläger beanstandeten Verhaltens als Gesamtverhalten erlaube es nicht, von einem verwerflichen Verhalten des Beklagten als Vorgesetzter des Klägers auszugehen im Sinne eines systematisch auf die Beeinträchtigung von Ehre, Würde und Gesundheit des Klägers gerichteten Verhaltens. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.



Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Berufung lässt der Kläger vorbringen, der Mobbingtatbestand sei durch mehrere Einzelhandlungen des Beklagten verwirklicht worden. So habe er am 15.09.2006 und in weiteren Gesprächen Schikanen angekündigt. Der Kläger sei durch einen Arbeitsauftrag vom 31.01.2007 (mündlich) sowie vom 12.02.2007 (schriftlich), welcher auf Überforderung angelegt gewesen sei, schikaniert worden. In einem weiteren Gespräch zwischen den Parteien und der Betriebsrätin, Frau S..., am 04.02.2008 über die am 19.12.2007 ausgesprochene Abmahnung habe der Beklagte die Aufrechterhaltung der Abmahnung mit den Worten bestätigt, er werde seinen Weg in dieser Sache so weitergehen und habe richtig Spaß dabei. Er sei durch die grundlose Stornierung des Fortbildungsseminars der Agentur für Arbeit herabgewürdigt worden. Gleiches gelte auch für die grundlose Stornierung des Fortbildungsseminars der Firma von R... und Partner GmbH. Herabgewürdigt worden sei der Kläger auch durch die willkürliche Blockierung der Auszahlung von Prämien sowie durch die Isolation infolge der Anweisung des Beklagten an Mitarbeiter, Kontakt zum Kläger zu unterlassen. Eine Herabwürdigung sei auch in dem Ausspruch unwirksamer Abmahnungen zu sehen sowie in der unberechtigten Kritik an Leistung und Verhalten des Klägers. Die herabwürdigende Zielrichtung und Ehrverletzung ergäben sich auch aufgrund einer Gesamtschau der Verhaltensweisen des Beklagten. Die systematische Herabwürdigung ergebe sich daraus, dass der Beklagte die am 15.09.2006 angekündigten Schikanemaßnahmen in der Folge auch tatsächlich umgesetzt habe. Der Beklagte habe angekündigt, dem Kläger seine Arbeit so unangenehm zu machen, dass er selbst kündigen werde. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch sei auch nicht verwirkt. Es fehle sowohl das erforderliche Zeit-, wie das Umstandsmoment.



Der Beklagte lässt vortragen, die Voraussetzungen eines Mobbings, das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Drohen eines Arbeitnehmers lägen nicht vor. Der Vorgang vom 15.09.2006 trage für sich den Vorwurf einer Ehrverletzung zum Nachteil des Klägers nicht. Das Unternehmen habe eine sachlich begründete Entscheidung getroffen, das Expert Center und das Corporate Center neu auszurichten Wenn dem Kläger im Zusammenhang damit die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen angekündigt worden sei, so stelle dies kein vorwerfbares Verhalten dar. Für die Organisationsmaßnahmen des Arbeitgebers habe auch ein sachlicher Grund bestanden. Eine Schikane sei hiermit jedenfalls nicht verbunden. Im Übrigen sei der Kläger auch weiterhin im Rahmen seines Anforderungsprofils eingesetzt worden. Ein Anspruch darauf, dass sich die organisatorischen Umstände im Unternehmen nicht ändern würden, stehe dem Kläger nicht zu. Die Abmahnungen seien nicht unwirksam gewesen, sie seien im Berufungsverfahren nur wegen eingetretenen Zeitablaufs zurückgenommen worden. Auf die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sowie die Gewährung von Prämien habe der Kläger keinen Rechtsanspruch gehabt. Auch habe ein Überforderungsauftrag gegenüber dem Kläger nicht vorgelegen. Nicht richtig sei, dass der Beklagte im Beisein von Frau S... am 04.02.2008 im Kontext mit der Abmahnung vom 19.12.2007 gesagt habe, er werde seinen Weg in dieser Sache so weitergehen und habe richtig Spaß dabei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Beklagte auch Weisungen an weitere Mitarbeiter erteilt, Kontakt zum Kläger zu unterlassen. Nicht richtig sei auch, dass der Beklagte unberechtigte Kritik an Leistung und Verhalten des Klägers geübt habe. Auch aus einer Gesamtschau der Vorfälle lasse sich keine Ehrverletzung des Beklagten zum Nachteil des Klägers feststellen. Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch nicht zu. Im Übrigen wäre ein solcher verwirkt, außerdem erhebe der Beklagte die Einrede der Verjährung.



Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen sowie wegen der gestellten Berufungsanträge wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.


Aus den Gründen


Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.



Etwaige Schmerzensgeld- oder Entschädigungsansprüche des Klägers sind als verwirkt anzusehen. Auch vor Ablauf der Verjährungsfrist können Ansprüche eines Arbeitnehmers verwirkt sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Recht verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt hat (Zeitmoment), der Schuldner darauf vertraut hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und diesem die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben auch nicht mehr zuzumuten ist (Umstandsmoment). Zum Zeitablauf müssen daher besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten, als auch des Verpflichteten hinzukommen (vgl. BAG vom 25.04.2001, NZA 2001, 966).



Vorliegend hat der Kläger mit der Geltendmachung seines Schmerzensgeldanspruchs annähernd zwei Jahre gewartet. Nach dem Vorbringen des Klägers dauerten die Verletzungshandlungen seitens des Beklagten im Wesentlichen in den Jahren 2006 bis 2008 an. Wenn in Mobbing-Fällen eine vertragliche oder tarifliche Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung beginnt, so muss Gleiches auch für den eine Verwirkung auslösenden Zeitraum gelten.



Mit der Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruches annähernd zwei Jahre nach der vom Kläger behaupteten letzten Verletzungshandlung des Beklagten missachtet der  Kläger in gegen Treu und Glauben verstoßender Weise gegen die Interessen des Beklagten, mit Schmerzensgeldansprüchen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Entscheidend für die Geltendmachung von „Mobbingansprüchen" ist die Darlegung und der Beweis konkreter Verletzungshandlungen sowie ein systematisches Vorgehen (vgl. BAG vom 16.05.2007, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mobbing). Im Hinblick auf die für Anspruchsteller in der Regel nur schwer zu erfüllende Darlegungs- und Beweislast, werden häufig Dokumentationen über Äußerungen und Verhaltensweisen der die Mobbinghandlungen begehenden Person erstellt. Muss diese Person aber nicht mehr damit rechnen, mit Schmerzensgeldansprüchen konfrontiert zu werden, so wird das Erinnerungsvermögen an einzelne Äußerungen und Verhaltensweisen in der Regel verblassen; eine Notwendigkeit, durch Dokumentationen sich dieses Erinnerungsvermögen zu wahren, wird dann regelmäßig nicht mehr gesehen. Der Gesichtspunkt, das Dokumentationserfordernis zur Abwehr etwaiger Entschädigungsforderungen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG zeitlich auf zwei Monate zu begrenzen, um der Unzumutbarkeit von Dokumentationserfordernissen entgegenzuwirken (BT-Drucksache 16/1780 zu § 15 Abs. 4 AGG) hat der Gesetzgeber durch Aufnahme einer zweimonatigen Geltendmachungsfrist in § 15 Abs. 4 AGG Rechnung getragen. Auch wenn es sich vorliegend nicht um eine Entschädigungszahlung wegen einer unerwünschten Verhaltensweise als Benachteiligung im Sinne des AGG handelt, ist gleichwohl der Gesichtspunkt zu berücksichtigen, dass ein Vorgesetzter in einem Unternehmen in Situationen geraten kann, die es erforderlich machen, sich gegen etwaige Mobbingvorwürfe wirksam - d.h., durch Dokumentation von Gesprächen und Verhaltensweisen - zur Wehr setzen zu können.



Auch könnten sich Wertungswidersprüche ergeben, wenn Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche wegen Mobbinghandlungen, die im Hinblick auf Benachteiligungsmerkmale im Sinn des § 1 AGG entstehen, innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen, solche, bei denen ein Bezug zu den Merkmalen des § 1 AGG vom Anspruchsteller nicht hergestellt wird, ausschließlich die gesetzliche Verjährungsfrist maßgebend wäre. Um Wertungswidersprüche anderer Art zu vermeiden, bejaht das Bundesarbeitsgericht die Anwendbarkeit der Frist des § 15 Abs. 4 AGG auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die auf einen Sachverhalt im Sinne des § 15 Abs. 1, 2 gestützt werden (BAG vom 21.06.2012, NJW 2013, 555 ff. Rdnr. 51). Auch wenn der entscheidende Gesichtspunkt hierfür vom Bundesarbeitsgericht in der speziellen Beweislastverteilung des § 22 AGG gesehen wird, so muss in Fällen wie dem vorliegenden berücksichtigt werden, dass eine beweisbelastete Partei für den Inhalt eines Gesprächs oder für ein bestimmtes Geschehen, welches allein zwischen den Parteien stattgefunden hat, Beweis dadurch antreten kann, indem sie ihre eigene Anhörung oder Vernehmung beantragt (BAG vom 22.05.2007, 3 AZN 1155/06). Vor diesem Hintergrund könnte sich ein Anspruchsteller durch ein längeres Zuwarten mit der Geltendmachung von Ansprüchen durch Erstellung entsprechender Dokumentationen in Verbindung mit der Möglichkeit, den Beweis durch die eigene Aussage zu erbringen, Vorteile verschaffen.



Unter den genannten Umständen ist das Zuwarten des Klägers von zwei Jahren bis zur Geltendmachung der verfahrensgegenständlichen Ansprüche als treuwidrig anzusehen; der Beklagte musste mit der Möglichkeit, sich prozessual gegen Mobbingansprüche zur Wehr setzen zu müssen, und damit mit der Geltendmachung solcher Ansprüche nicht mehr rechnen. Dafür, dass der Beklagte sich hierauf eingestellt hat, spricht die allgemeine Lebenserfahrung.



Als Umstandsmoment ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits mit Schreiben vom 09.03.2007 von seinem Arbeitgeber eine Abmahnung gegen ungerechtfertigten Mobbingvorwurfs erhalten hatte und das Arbeitsgericht im daraufhin vom Kläger eingeleiteten Verfahren die Abmahnung als gerechtfertigt ansah. Auch wenn sich der Kläger später im Berufungsverfahren am 21.07.2009 mit seinem Arbeitgeber darauf geeinigt hat, die Abmahnung als gegenstandslos anzusehen, so hätten zumindest ab diesem Zeitpunkt unmittelbar gegen den Beklagten erhobene Ansprüche aufgrund der Mobbingvorwürfe zeitnah geklärt werden müssen. Auch das Zuwarten von fast 1 ½ Jahren nach Abschluss des Gerichtsverfahrens wegen der vom Kläger erhobenen Mobbingvorwürfe verstößt gegen Treu und Glauben.



Als Umstandsmoment kommt darüber hinaus in Betracht, dass der Beklagte zumindest mit Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger im Jahr 2009 von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen konnte. Von dem Verlauf und dem Ausgang des wegen der Kündigung zwischen dem Kläger und dem damaligen Arbeitgeber geführten Kündigungsschutzverfahrens, an dem der Beklagte nicht beteiligt war, musste der Beklagte keine Kenntnis haben. Hinzu kommt, dass über das Vermögen des damaligen Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war und allein im Hinblick hierauf mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu rechnen war. Auch seit diesem Zeitpunkt, ab dem Umstände vorlagen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben erwarten lassen, ist über ein Jahr bis zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche vergangen. Allein im Hinblick auf die aus Sicht des Beklagten im Jahre 2009 ausgelöste Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ist das Umstandsmoment als erfüllt anzusehen (zum Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung eines Zeugnisanspruchs nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vgl. BAG vom 17.02.1988, AP Nr. 17 zu § 630 BGB).



Gegen diese Entscheidung kann der Kläger gemäß nachstehender Rechtsmittelbelehrung Revision einlegen.

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