R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
11.10.2012
Arbeitsrecht
LAG Berlin: Schließung einer Betriebskrankenkasse

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2012 - 6 Sa 878/12


Leitsatz


1. Der Streit zwischen einem Arbeitnehmer und einer geschlossenen Betriebskrankenkasse darüber, ob sein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder durch ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist, wird nicht bereits dadurch zugunsten des Arbeitnehmers entschieden, dass dieser mit der personenidentischen Betriebskrankenkasse in Abwicklung eine Vereinbarung über seine befristete Beschäftigung trifft (gegen LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2012 - 13 Sa 2486/11).


2. Dass § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V aufgrund der Verweisung in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V nur für die Beschäftigten einer Betriebskrankenkasse gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, hat nicht zur Folge, dass die ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnisse zu dieser gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Tag ihrer Schließung enden (gegen LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2012 - 7 Sa 16/12; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil 18.04.2012 - 23 Sa 110/12).


Sachverhalt


Die am ...1964 geborene Klägerin stand seit dem 08.01.1986 in einem Arbeitsverhältnis zum Land Berlin, das ab 01.01.1999 mit dessen Betriebskrankenkasse weitergeführt wurde. Diese fusionierte zum 01.01.2004 mit der BKK H. zur C. BKK. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen vom 01.05.2010 (MTV BKK) Anwendung. Danach war das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die zuletzt gegen ein Monatsgehalt von 3.313,45 € brutto in der Geschäftsstelle der Beklagten in Berlin beschäftigt wurde, mit einer Frist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahrs kündbar.


Nach Anzeige ihrer Überschuldung ordnete das Bundesversicherungsamt durch Beschluss vom 04.05.2011 die Schließung der Beklagten zum 30.06.2011 an. Davon machte diese der Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2011 unter Hinweis darauf Mitteilung, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 30.06.2011 enden werde. Außerdem kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19.05.2011 zum 30.06.2011 und höchst vorsorglich zum nächst zulässigen Termin.


Zum 01.07.2011 wurde die Klägerin aufgrund eines Arbeitsvertrags mit der „C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung" als Sachbearbeiterin für die Zeit bis zum 28.02.2011 eingestellt. Die Wirksamkeit dieser Befristungsabrede ist Gegenstand eines anderen, derzeit terminlos gestellten Rechtsstreits.


Das Arbeitsgericht Berlin hat die auf Feststellung gerichtete Klage, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 30.06.2011 geendet habe, sondern darüber hinaus fortbestehe, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei parteifähig und damit passivlegitimiert, weil sie als fortbestehend gelte, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordere. Die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien zueinander seien kraft Gesetzes beendet worden, wie sich aus der Verweisung auf die für Innungskrankenkassen geltende Vorschrift ergebe. Gegen diese Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit mit Rücksicht auf das überragende Gemeinschaftsgut einer funktionierenden gesetzlichen Sozialversicherung nicht unverhältnismäßig. Deshalb scheide auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus.


Auf die zum 30.06.2011 bzw. zum nächst zulässigen Termin ausgesprochene Kündigung komme es nicht mehr an. Die allgemeinen Fortbestandsanträge der Klägerin seien nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Dies gelte auch für ihren unechten Hilfsantrag auf einstweilige Weiterbeschäftigung.


Gegen dieses ihr am 16.04.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.05.2012 eingelegte und am 14.06.2012 begründete Berufung der Klägerin. Sie hält die Auslegung der einschlägigen Vorschriften durch das Arbeitsgericht für falsch und meint, dass durch eine restriktive Auslegung den Interessen der Beklagten bzw. der mithaftenden Krankenkassen keine Gewalt angetan werde.


Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitere am Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse, weil weiterhin Abwicklungsarbeiten anfielen.


Ihren Weiterbeschäftigungsantrag habe sie mit Rücksicht auf eine weitere vorsorgliche, von ihr angegriffene Kündigung der C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung vom 18.04.2012 entsprechend zeitlich begrenzt.


Die Klägerin beantragt,


unter Änderung des angefochtenen Urteils


1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht am 30.06.2011 beendet worden sei, sondern darüber hinaus fortbestehe,


2. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 nicht beendet worden sei,


3. im Falle des Obsiegens mit den Anträgen zu 1 und 2 die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum 31.12.2012 zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Angestellte weiter zu beschäftigen.


Die Beklagte beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und vertieft ihr Vorbringen zur Auslegung der Vorschriften im SGB V über die Folgen der Schließung einer Betriebskrankenkasse für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten. Die gesetzliche Beendigungsfolge nur auf Mitarbeiter in ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen anzuwenden, die einen höheren Schutz genießen müssten, sei krass wertungswidersprüchlich. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber mit der Anordnung der Beendigung der Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt „klare Verhältnisse" habe schaffen und den für die geschlossene Kasse einstandspflichtigen Haftungsverbund habe möglichst entlasten wollen. Die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zur geschlossenen Krankenkasse ergebe sich mit deren Schließung auch aus dem Wegfall deren Existenz.


Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Die Akte des Arbeitsgerichts Berlin 59 Ca 4209/12 ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Aus den Gründen


1. Ihre erstinstanzlichen Fortbestandsanträge, die nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht zur Entscheidung angefallen sein sollen, hat die Klägerin nicht zum Gegenstand der Berufung gemacht.


2. Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgemäß und formgerecht eingelegt und den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechend begründet worden.


3. Für den Kündigungsschutzantrag brauchten die Anforderungen des § 533 ZPO an eine Klagänderung nicht erfüllt zu sein. Er war bereits mit der Klage rechtshängig gemacht worden, ohne dass seine Rechtshängigkeit aufgrund Versäumung eines gemäß § 321 Abs. 2 ZPO fristgebundenen Antrags auf Urteilsergänzung erloschen ist (dazu BGH, Urteil vom 08.11.1965 - VIII 300/63 - BGHZ 44, 237 zu B II 2 a. E. der Gründe). Indem das Arbeitsgericht gemeint hat, auf die Wirksamkeit der Kündigung zum 30.06.2011 bzw. zum nächst zulässigen Termin komme es wegen der zum selben Zeitpunkt eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes nicht mehr an, hat es den Antrag nicht i. S. d. § 321 Abs. 1 ZPO übergangen, sondern seine im Tenor uneingeschränkte Abweisung der Klage insoweit lediglich falsch begründet. Da die Klägerin ihren Kündigungsschutzantrag anders als ihren Beschäftigungsantrag gerade nicht in die Form eines unechten Hilfsantrags gekleidet hat, unterlag dieser im Falle einer Abweisung des gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes zum 30.06.2012 gerichteten Feststellungsantrags ebenfalls der Abweisung (vgl. KR/Friedrich, 9. Aufl. 2009, § 4 KSchG R 230 a. E.; dahingest. BAG, Urteil vom 25.03.2004 - 2 AZR 399/03 - AP BMT-G II § 54 Nr. 5 zu B II 2 der Gründe).


4. Die Berufung ist begründet.


4.1 Die Klage ist zulässig.


4.1.1 Soweit sich die Klägerin gegen eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 wendet, ergibt sich dies aus deren sonst gemäß §§ 4 Satz 1, 7 Ts. 1 KSchG eintretende fiktive Wirksamkeit.


4.1.2 Der auf Feststellung des Fortbestands über den 30.06.2011 hinaus gerichtete Antrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil sich die Beklagte berühmt, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt bereits wegen ihres Wegfalls als Arbeitgeber und jedenfalls kraft Gesetzes beendet worden.


4.2. Die Klage ist begründet.


4.2.1 Dies ergab sich hinsichtlich des Bestandsstreits allerdings nicht bereits daraus, dass die Klägerin aufgrund des Vertrags vom 22.06.2011 über den 31.12.2011 hinaus befristet fortbeschäftigt worden ist (so aber in einer Parallelsache LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2012 - 13 Sa 2486/11 - zu II der Gründe). Durch diesen Vertrag ist nicht das hier im Streit stehende Arbeitsverhältnis befristet verlängert, sondern ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden. In der Präambel des Vertrags hat die vertragsschließende C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung ausdrücklich hervorgehoben, sich nicht für die Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu halten. Dementsprechend hat sie keine Regelung über das aus ihrer Sicht am 30.06.2011 endende Arbeitsverhältnis der Klägerin treffen wollen, was im Übrigen auch deren Interessenlage entsprach. Diese Rechtsansicht stellt sich zwar als unzutreffend dar, weil die Beklagte mit ihrer Schließung nicht zugleich auch erloschen ist, sondern gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fortbestehend gilt, bis die Geschäfte abgewickelt sind, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert, weshalb zwischen der Beklagten und der C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung Personenidentität besteht. Dies ist jedoch für die Auslegung der getroffenen Befristungsabrede gemäß § 157 BGB unerheblich. Dementsprechend ist, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, mit E-Mail vom 15.06.2011 an alle Mitarbeiter noch einmal ausdrücklich bestätigt worden, dass auch seitens der Beklagten der vorbehaltlosen Unterzeichnung der Befristungsabrede kein Verzicht auf die Geltendmachung evtl. Rechte aus den bisherigen Arbeitsverhältnissen beigemessen werde.


4.2.2 Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat weder wegen eines Wegfalls der Beklagten noch kraft Gesetzes in Folge ihrer Schließung zum 30.06.2011 geendet.


4.2.2.1 Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Klägerin durch ihre vom Bundesversicherungsamt verfügte Schließung nicht ihr bisheriger Arbeitgeber gewissermaßen abhanden gekommen. Vielmehr existiert die Beklagte wie dargelegt seit dem 01.07.2011 als Abwicklungskörperschaft so lange fort, bis alle Geschäfte abgewickelt sind.


4.2.2.2 Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat auch nicht gemäß §§ 153, 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit Schließung der Beklagten am 30.06.2011 geendet.


4.2.2.2.1 Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung. Da eine einseitige Unterbringung eines Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber rechtlich nicht möglich ist, kann damit nur der Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrags gemeint sein. Und da § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht ans Unterbleiben einer Unterbringung als solches anknüpft, sondern daran, dass die Unterbringung nicht nach Absatz 3 herbeigeführt worden ist, kann nur dann von einer unterbliebenen Unterbringung gesprochen werden, wenn dem Beschäftigten in Erfüllung der Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V eine zumutbare neue Stellung angeboten worden ist, die er jedoch abgelehnt hat.


4.2.2.2.2 Soweit nun § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V entsprechend mit der Maßgabe gilt, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, ist daraus nicht abzuleiten, das ordentlich kündbare Arbeitsverhältnisse stets gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Tag der Schließung enden (so aber LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.04.2012 - 23 Sa 110/12 zu der II.2.3.3 Gründe). Vielmehr ist die Beendigungsregelung nach Wortlaut und Systematik als Konsequenz für den Fall einer gemäß § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vorgeschriebenen, aber fehlgeschlagenen anderweitigen Unterbringung getroffen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Zusammenhang durch die Verweisung in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V aufgehoben worden ist. Vielmehr sollte mittels dieser erst durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) zum 01.01.2009 vorgenommene Verweisung den Mitarbeitern bei einer Betriebskrankenkasse mit einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis ein verbesserter Bestandsschutz auch im Falle der Schließung verschafft werden (vgl. Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin, Plenarprotokoll 17/107, S. 12273 f.). Damit zugleich den Bestandsschutz der Mitarbeiter in ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen zu verschlechtern, war dagegen nicht beabsichtigt und kommt in der Fassung der Verweisung auch nicht zum Ausdruck.


4.2.2.2.3 Die Ablehnung einer sog. Tabula-rasa-Lösung läuft auch nicht auf eine Privilegierung der Mitarbeiter in ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen hinaus (so aber LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2012 - 7 Sa 16/12 - zu A III 2 b ee der Gründe). Diese gehen bei Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit mit Ablauf der Frist für eine deshalb erklärte, gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG sozial gerechtfertigte Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse endgültig verlustig, während die Mitarbeiter in ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnissen Anspruch auf das Angebot einer Stellung haben, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Von einem Wertungswiderspruch kann deshalb entgegen der Ansicht der Beklagten keine Rede sein (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.06.2012 - 24 Sa 2524/11 - zu 2 b bb der Gründe).


4.2.3 Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist schließlich auch durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 nicht aufgelöst worden.


4.2.3.1 Eine Beendigung zum 30.06.2011 scheiterte bereits daran, dass damit die Frist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahrs bei einer Beschäftigungszeit von 20 Jahren (§ 19 Abs. 2 MTV BKK) nicht gewahrt war.


4.2.3.2 Zum 31.12.2011 ist das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden, weil dafür gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG erforderliche dringende betriebliche Gründe nicht feststellbar waren. Dafür genügte angesichts der anfallenden Abwicklungsarbeiten, zu denen auch die Klägerin über das Jahresende hinaus aufgrund des Vertrags vom 22.06.2012 herangezogen worden ist, die Schließung der Beklagten allein nicht.


4.2.4 Eines gesonderten Ausspruchs hinsichtlich der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes bedurfte es nicht, weil dies von der durch § 4 Satz 1 KSchG vorgegebenen Feststellung seiner Nichtbeendigung durch Kündigung zum selben Zeitpunkt umfasst ist.


4.2.5 Die Klägerin kann Beschäftigung bis Ende 2012 verlangen.


4.2.5.1 Die Zulässigkeit ihres Begehrens folgt aus § 258 ZPO. Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers stellt eine wiederkehrende Nebenleistung des Arbeitgebers dar. Der darauf gerichtete Antrag ist auch hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil der Inhalt der Tätigkeit der Klägerin außer Streit stand. Mit der Wendung „zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen" hat sie zugleich das arbeitgeberseitige Weisungsrecht berücksichtigt (vgl. BAG, Beschluss vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - BAGE 130, 195 = AP ZPO § 888 Nr. 11 R 3 und 19-23).


4.2.5.2 Auch ohne ausdrückliche Regelung in Arbeits- oder Tarifvertrag hat die Klägerin einen sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB ergebenden Anspruch auf Beschäftigung. Diesen Anspruch kann sie auch für die Dauer eines Rechtsstreits über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geltend machen. Dies jedenfalls dann, wenn ein Gericht für Arbeitssachen auf eine entsprechende Klage hin festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist, ohne dass besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 = AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14 zu C I 2 der Gründe). Dabei können nur solche zusätzlichen Umstände ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, die ihn auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen (BAG, Urteil vom 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 - AP BGB § 626 Nr. 96 zu B III der Gründe). Dafür hat die Beklagte vorliegend nichts vorgebracht.


4.2.5.3 Die Befristungsabrede vom 22.06.2011 berührte den Beschäftigungsanspruch der Klägerin nicht. Wie unter 4.2.1 dargelegt, hatte diese Abrede ihr ursprüngliches Arbeitsverhältnis nicht zum Gegenstand.


5. Nebenentscheidungen


5.1 Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung hinsichtlich des allgemeinen Fortbestandsbegehrens lag mit 3/10 Monatseinkommen im Verhältnis zum Obsiegen der Klägerin hinsichtlich der beiden mehr als drei Monate auseinander liegenden Beendigungstermine und mit dem Beschäftigungsantrag bei lediglich (3/73 =) 4,11 %, ohne höhere Kosten verursacht zu haben.


Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als insoweit vollständig unterlegene Partei zu tragen.


5.2 Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG wegen Divergenz zu den herangezogenen Entscheidungen des LAG Baden-Württemberg und einer anderen Kammer des LAG Berlin-Brandenburg bei der entscheidungserheblichen Auslegung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V zuzulassen.

stats