LAG Berlin: Rücknahme des Rentenantrags
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.7.2013 - 4 Sa 1783/12
Leitsatz
1. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung nach § 33 Abs. 2 TV-L durch Zustellung eines Rentenbescheids tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer den Rentenbescheid nicht rechtskräftig werden lässt und den Antrag auf Gewährung einer Rente bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurücknimmt. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer den Rentenantrag bereits innerhalb der Frist des § 84 SGG zurückgenommen hat (entgegen BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - BAGE 111, 148; BAG 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241).
2. Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG gilt auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung (Anschluss an BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292).
3. Der Arbeitnehmer muss nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG § 6 Satz 1 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Rücknahme des Rentenantrags geltend machen.
4. Ausnahmsweise kann der Arbeitnehmer die Rücknahme des Rentenantrags auch noch in der Berufungsinstanz in das Verfahren einführen, wenn das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 2 KSchG verstößt (vgl. BAG 04. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - BAGE 138, 9). Erforderlich ist aber auch dann, dass die Rücknahme des Rentenantrags bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte.
§ 17 TzBfG, § 5 KSchG, § 84 SGG, § 33 TV-L
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung.
Die Klägerin war bei dem beklagten Land seit 1991 als Angestellte beschäftigt. Sie hat einen GdB von 50. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund einzelvertraglicher Verweisung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 (im Folgenden: TV-L Anwendung). Der TV-L enthält ua. folgende Regelung:
„(1)...
(2) Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die/Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht vor, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages der Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamtes. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird
(3) Im Falle teilweiser Erwerbsminderung endet bzw. ruht das Arbeitsverhältnis nicht, wenn der Beschäftigte nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, soweit dringende dienstliche beziehungsweise betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, und der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt.
Die Klägerin stellte unter dem 3. November 2011 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 27. März 2012, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts auf Bl. 9 d. A. verwiesen wird, wurde der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt. Der Bescheid ging der Klägerin am 30. März 2012 zu. Mit Schreiben vom 15. April 2012, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts auf Bl. 50 d. A. verwiesen wird, informierte die Klägerin das beklagte Land erstmals über den Rentenbescheid. Die Klägerin legte gegen den Rentenbescheid mit Schreiben vom 23. April 2012 Widerspruch ein, der ausweislich der Eingangsbestätigung der Deutschen Rentenversicherung vom 4. Mai 2012 (Bl. 230 d. A.) am 23. April 2012 bei der Deutschen Rentenversicherung einging. Mit Schreiben vom 23. April 2012, bei dem beklagten Land eingegangen am 25. April 2012, stellte die Klägerin einen Antrag auf Weiterbeschäftigung. Dies lehnte das beklagte Land mit Hinweis auf die Versäumung der Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 3 TV-L ab.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2012 stimmte das Integrationsamt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gemäß § 92 SGB IX zu. Mit Schreiben vom 31. Mai 2012 unterrichtete das beklagte Land die Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2012 an die Deutsche Rentenversicherung (Bl. 119 d. A.) nahm die Klägerin ihren Rentenantrag vom 3. November 2011 zurück. Mit Schreiben vom 14. Juni 2012, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 274 d. A. verwiesen wird, fragte die Deutsche Rentenversicherung bei der Klägerin an, ob sie damit wirklich auf die bereits festgestellte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verzichten wolle. Darauf reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Juni 2012 und bat um Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss zumindest des erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 (Bl. 232 d. A.) stimmte die Deutsche Rentenversicherung dem Ruhen des Verfahrens zu. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts auf Bl. 279 d. A. verwiesen wird, erklärte die Klägerin gegenüber der Deutschen Rentenversicherung, sie nehme den Rentenantrag vom 3. November 2011 in vollem Umfang zurück. Mit Bescheid vom 16. November 2012, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts auf Bl. 234 d. A. verwiesen wird, nahm die Deutsche Rentenversicherung den Bescheid vom 27. März 2012 über die Anerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Rentenbeginn zurück.
Mit beim Arbeitsgericht am 26. April 2012 eingegangener Klage und mit beim Arbeitsgericht am 14. Juni 2012 eingegangener Klageerweiterung hat sich die Klägerin mit einer Vielzahl von Anträgen in der Sache gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung gewandt. In der Klageschrift vom 26. April 2012 teilt die Klägerin dem beklagten Land mit, sie „erwäge den Antrag auf Erwerbsminderung aufgrund der Geschehnisse zurückzunehmen". Mit Ladung vom 3. Mai 2012 (Bl. 12) d. A. erhielt die Klägerin folgenden gerichtlichen Hinweis:
„Die klagende Partei wird für den Fall einer eventuellen Klageerweiterung auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung darauf hingewiesen, dass nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe für diese geltend gemacht werden können (§ 6 KSchG).
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. August 2012 abgewiesen. Es hat das Arbeitsverhältnis als nach § 33 Abs. 2 TVL beendet angesehen. § 33 Abs. 3 TV-L stehe der Beendigung nicht entgegen, da die Klägerin ein schriftliches Weiterbeschäftigungsverlangen nicht innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 TV-L gestellt habe. Auch die Rücknahme des Rentenantrags führe nicht dazu, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe.
Gegen das ihr am 5. September 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit beim Landesarbeitsgericht am 18. September 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 29. November 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin hält die Berufung der Beklagten auf die Fristversäumung der Zweiwochenfrist nach § 33 Abs. 3 TV-L für treuwidrig, da die Klägerin bereits im Rückkehrgespräch vom 20. September 2011 sowie im Wiedereingliederungsgespräch vom 25. Oktober 2011 gegenüber dem beklagten Land geäußert habe, dass sie sich für arbeitsfähig halte. Insoweit sei auch die Berufung des beklagten Landes auf das Schriftformerfordernis treuwidrig. Das Arbeitsverhältnis bestehe auch deswegen fort, weil die Klägerin ihren Rentenantrag zurückgenommen habe.
Die Klägerin beantragt,
1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer auflösenden Bedingung innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Schreibens des beklagten Landes vom 31. Mai 2012 zum 15. Juni 2012 geendet hat.
Hilfsweise für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1.
2.
das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 1. August 1991 in der aktuellen Fassung bei derzeitiger Vergütungsgruppe Vb, mithin derzeit 3.100,34 € brutto, ab dem 1.12.2012 wieder einzustellen,
weiterhin,
3.
das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits über den Klageantrag zu 1., hilfsweise den Klageantrag zu 2. mit dem Inhalt des Arbeitsvertrags vom 1. August 1991 weiter zu beschäftigen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geendet. Es verweist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Rücknahme des Rentenantrags nur innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 SGG erfolgen könne. Die mit der Möglichkeit der Rücknahme des Rentenantrags einhergehende Unsicherheit könne maximal für eine Frist von einem Monat hingenommen werde. Eine weitergehende Einschränkung der Interessen des Arbeitgebers an der Erlangung von Rechtssicherheit insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit einer weiteren Personaldisposition sei auch nicht durch grundrechtlich geschützt Interessen der Arbeitnehmer zu rechtfertigen. Es liege auch kein form- und fristgerechtes Weiterbeschäftigungsverlangen vor. Die von der Klägerin behaupteten Erklärungen im September und Oktober 2011, sie sei arbeitsfähig, könnten bereits deswegen kein Weiterbeschäftigungsverlangen iSd. § 33 Abs. 3 TV-L sein, weil die Kläger erst danach am 3. November 2011 den Rentenantrag gestellt hat. Das Schreiben der Klägerin vom 15. April 2012 genüge zwar dem Schriftformerfordernis, es handele sich aber bereits nicht um einen Weiterbeschäftigungsverlangen. Das Schreiben der Klägerin vom 23. April 2012 sei um mehr als 10 Tage verfristet. Das beklagte Land sei auch nicht nach § 242 BGB gehindert, sich auf die Befristung zu berufen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Aus den Gründen
A. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. c. statthafte Berufung der Klägerin ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG). Sie ist damit zulässig.
B. Die Berufung ist mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen auch begründet. Die in der ersten Instanz gestellten weiteren Anträge, die das Arbeitsgericht zutreffend abgewiesen hat, hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht weiter gestellt, so dass das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit rechtskräftig geworden ist. Das arbeitsgerichtliche unterlag deswegen auch nur der teilweisen Abänderung.
I. Der Antrag zu 1. hat Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund auflösender Bedingung geendet. Nach § 33 Abs. 2 TV-L endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Diese Bedingung ist iSd. § 33 Abs. 2 TV-L nicht eingetreten.
1. Die Bedingung iSd. § 33 Abs. 2 TV-L gilt nicht nach §§ 21, 17 S 1 TzBfG als eingetreten.
a. Der unterbliebene Eintritt einer Bedingung ist mit einer Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 S 1 TzBfG geltend zu machen (BAG 10. Oktober 2012 - 7 AZR 602/11 - ZTR 2013, 131; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292.). Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt bei Bedingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Da aber nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG der auflösend bedingte Arbeitsvertrag frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der Bedingung endet, wird in Fällen, in denen die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist, die Klagefrist gemäß §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, in Lauf gesetzt (BAG 10. Oktober 2012 - 7 AZR 602/11 - ZTR 2013, 131; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292.).
b. Danach hat die Klägerin den fehlenden Eintritt der Bedingung rechtzeitig mit einer Bedingungskontrollklage geltend gemacht. Das beklagte Land hat die Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 2012 gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterrichtet. Die Klägerin hat mit beim Arbeitsgericht am 14. Juni 2012 (Bl. 31 d. A.) eingegangener Klageerweiterung Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 S 1 TzBfG erhoben.
2. Die Bedingung nach § 33 Abs. 2 TV-L ist nicht eingetreten. Zwar ist der Klägerin unter dem 30. März 2012 ein Bescheid des Rentenversicherungsträgers zugestellt worden, wonach die Klägerin teilweise erwerbsgemindert ist.
Die Bedingung ist iSd. der Tarifnorm dennoch nicht eingetreten, wenn der Arbeitnehmer den Rentenbescheid nicht rechtskräftig werden lässt und den Antrag auf Gewährung einer Rente bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurücknimmt.
a. Dies folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung der Tarifnorm im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG.
aa. Eine tarifliche Beendigungsnorm, die die Freiheit der Berufsausübung allein an die Feststellung der (teilweisen) Berufsunfähigkeit knüpfte und die eine fehlende rentenrechtliche Absicherung unbeachtet ließe, wäre mit den Grundsätzen der Befristungskontrolle nicht vereinbar, durch die der Staat seiner von Verfassung wegen gebotenen Pflichten nachkommt. Die Tatsache einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit stellt für sich genommen keinen eine auflösende Bedingung rechtfertigenden Sachgrund dar. Erst die Einbindung der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer durch die Anbindung an die rentenrechtliche Versorgung rechtfertigt den Auflösungstatbestand ohne Kündigung. Der dauerhafte Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz, weil durch den Bezug dauerhafter Rentenleistungen dem aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bestandsschutz und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers Rechnung getragen wird (BAG 03. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241). Da nicht anzunehmen ist, dass die Tarifvertragsparteien des TV-L grundrechtswidrige Vorschriften erlassen wollten, ist erkennbar, dass sie keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Angestellten wollten, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer weder eine Rente noch eine Zusatzversorgung erhält (vgl. für § 59 BAT: BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 -AP Nr. 8 zu § 59 BAT = EzA § 59 BAT Nr. 5).
Die Anknüpfung des Beendigungstatbestands an eine nur auf Antrag zu gewährende Rentenleistung wahrt darüber hinaus das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, in eigener Verantwortung über die Fortführung der von ihm gewählten Tätigkeit zu entscheiden. Diese dem Arbeitnehmer durch § 33 Abs. 2 TV-L eingeräumte sozialrechtliche Dispositionsbefugnis bewirkt daher den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitnehmer seinen Rentenantrag zurücknimmt.
bb. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung den Eintritt der auflösenden Bedingung nur dann verneint, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis die Rücknahme des Rentenantrags innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 SGG erklärt hat (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - BAGE 111, 148; BAG 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241). Begründet wurde dies damit, dass sowohl die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers als auch die Rechtssicherheit erfordern, dass der Eintritt der Rechtsfolgen des Rentenbescheids nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Rentenbescheids und ggf. bis zum Ablauf einer kurzen Mitteilungsfrist ungeklärt bleiben kann. Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, nach Mitteilung über die bewilligte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer entsprechende Personaldispositionen, zB durch Neueinstellungen vorzunehmen (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - BAGE 111, 148; BAG 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241).
Die Frist des § 84 SGG hat die Klägerin versäumt.
cc. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Bundesarbeitsgericht diese den Vertrauensschutz und das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers maßgeblich berücksichtigende Rechtsprechung zu einer Zeit entwickelt hat, in der es davon ausging, dass die Klagefrist der §§ 21 iVm. § 17Satz 1 TzBfG auf den Streit über den Eintritt einer Bedingung - anders als auf denjenigen über die Wirksamkeit der Bedingung - nicht anzuwenden sei und die Behauptung, die auflösende Bedingung sei nicht eingetreten, ohne Bindung an eine feste Frist im Wege des allgemeinen Feststellungsantrags geltend gemacht werden könne.
(1) Nachdem das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert und entschieden hat, dass die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung gilt (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292), sind die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einer Rechtssicherheit und zeitnaher Personaldispositionen anderweitig gesichert.
Der Arbeitnehmer ist zum einen gehalten, den fehlenden Eintritt der Bedingung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, gerichtlich geltend zu machen (BAG 10. Oktober 2012 - 7 AZR 602/11 - ZTR 2013, 131; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292). Des Weiteren findet nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG § 6 Satz 1 KSchG entsprechende Anwendung. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Gründe für den fehlenden Nichteintritt der Bedingung geltend machen muss. Entsprechend ist der Arbeitnehmer gehalten, seinen Rentenantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückzunehmen und dies in den Prozess einzuführen, um sich auf die Rücknahme des Rentenantrags berufen zu können. Zwar kann ausnahmsweise der Arbeitnehmer die Rücknahme des Rentenantrags auch noch in der Berufungsinstanz in das Verfahren einführen, wenn das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 2 KSchG verstößt (BAG 04. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - BAGE 138, 9). Da die fehlende Belehrung aber nur dann für den fehlenden Vortrag erster Instanz kausal sein kann, wenn die entsprechenden Tatsachen schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorlagen, muss der Rentenantrag auch in diesem Fall bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgenommen worden sein.
(2) Der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bestandsschutz gebietet grundsätzliche eine Auslegung des § 33 Abs. 2 TV-L dahingehend, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz nur deswegen gerechtfertigt ist, weil durch den Bezug dauerhafter Rentenleistungen der wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers Rechnung getragen wird. Wird dem Arbeitnehmer keine Rente gewährt, weil er bei einem nicht bestandskräftigen Rentenbescheid den Rentenantrag zurückgenommen hat, so kommt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 33 Abs. 2 TV-L nicht in Betracht. Zwar sind im Rahmen der Herstellung einer praktischen Konkordanz auch die zumindest durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Arbeitgebers an Rechtssicherheit und Dispositionsfreiheit bei Neubesetzung der Stelle zu berücksichtigen. Diesen Interessen wird aber bereits durch § 17 Satz 1 TzBfG sowie § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG hinreichend Rechnung getragen.
dd. Nach Auffassung der Kammer gebietet Art. 12 Abs. 1 GG deswegen, die Rücknahme des Rentenantrags auch dann zu berücksichtigten, wenn der Rentenbescheid nicht bestandskräftig geworden ist und der Arbeitnehmer seinen Rentenantrag vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen hat. Der Arbeitnehmer ist dabei gehalten, nicht nur die Klageerhebungsfrist des § 17 Satz 1 TzBfG einzuhalten, sondern grundsätzlich nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG die Rücknahme des Rentenantrags auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in den Prozess einzuführen.
b. Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Bedingungseintritt iSd. § 33 Abs. 2 TV-L zu verneinen.
aa. Die Klägerin hat den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung nicht bestandskräftig werden lassen. Der Bescheid ging der Klägerin am 30. März 2012 zu. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Rentenbescheid ging ausweislich der der Eingangsbestätigung der Deutschen Rentenversicherung vom 4. Mai 2012 (Bl. 230 d. A.) am 23. April 2012 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 84 SGG bei der Deutschen Rentenversicherung ein.
bb. Die Klägerin hat den Rentenantrag auch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgenommen. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer erster Instanz hatte am 16. August 2012 stattgefunden. Die Klägerin hat bereits mit Schreiben vom 1. Juni 2012 an die Deutsche Rentenversicherung (Bl. 119 d. A.) ihren Rentenantrag vom 3. November 2011 zurückgenommen. Zwar hat die Klägerin auf die Nachfrage der Deutschen Rentenversicherung gebeten, das Verfahren ruhen zu lassen und erst mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 (Bl. 279 d. A.) um die Beendigung des ruhenden Verfahrens gebeten. Dies führt aber nicht dazu, dass die bereits mit Schreiben vom 1. Juni 2012 erfolgte Rücknahme des Rentenantrags fiktiv auf den 18. Oktober 2012 zurück zu beziehen ist.
cc. Die Klägerin hat die Rücknahme des Rentenantrags auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 KSchG in das gerichtliche Verfahren eingeführt
Allerdings hat die Klägerin die Vorgaben des § 6 Satz 1 KSchG nicht gewahrt. Die Klägerin hat in der Klageschrift vom 26. April 2012 lediglich mitgeteilt, sie „erwäge den Antrag auf Erwerbsminderung aufgrund der Geschehnisse zurückzunehmen". Die tatsächliche Rücknahme des Rentenantrags mit Schreiben vom 1. Juni 2012 hat die Klägerin erstinstanzlich nicht in den Prozess eingeführt. Sie war damit nach § 6 Satz 1 KSchG grundsätzlich gehindert, den aus der Rücknahme des Rentenantrags folgenden Nichteintritt der Bedingung nach § 33 Abs. 2 TV-L in das Verfahren einzuführen.
(2) Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht damit ausgeschlossen, den Nichteintritt der Bedingung geltend zu machen, wenn das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verletzt hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer die erstinstanzlich nicht geltend gemachten Gründe für den Nichteintritt der Bedingung noch in das Berufungsverfahren einführen (vgl. BAG 04. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - BAGE 138, 9 für die Einführung von Unwirksamkeitsgründen für eine Befristung).
Das Arbeitsgericht hat seine Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verletzt. Zwar hat das Arbeitsgericht einen Hinweis dahingehend erteilt, dass bei einer eventuellen Klageerweiterung auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung weitere Unwirksamkeitsgründe für diese nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz geltend gemacht werden können. Dieser Hinweis bezieht sich aber allein auf eine etwaige noch zu erhebende Kündigungsschutzklage nicht jedoch auf die Befristungskontrollklage. Die Klägerin konnte deswegen die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte Rücknahme des Rentenantrags auch noch in der Berufungsinstanz einführen.
II. Aufgrund des Erfolgs des Antrags zu 1. war über den Hilfsantrag zu 2. nicht mehr zu befinden.
III. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Antrag zu 3. ist ebenfalls begründet (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zu C der Gründe, BAGE 48, 122). Gründe, die dem Interesse der Klägerin an einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin ist nach ihrem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag auch in der Lage, ihre Arbeitsleistung zu erbringen.
C. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten erster Instanz auf § 92 Abs. 2 ZPO und hinsichtlich der Kosten zweiter Instanz auf § 91 ZPO.
D. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Die Entscheidung der Kammer weicht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab, wonach ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis die Rücknahme des Rentenantrags innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 SGG zu erklären hat (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - BAGE 111, 148; BAG 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241). Die Entscheidung beruht auch auf dieser Abweichung. Legte man die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde, hätte das Arbeitsverhältnis aufgrund auflösender Bedingung nach § 33 Abs. 2 TV-L geendet. Insbesondere liegt - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 10 - 12 des Urteils = Bl. 72 - 74 d. A.) - kein frist- bzw. formgerechtes Weiterbeschäftigungsverlangen der Klägerin nach § 33 Abs. 3 TV-L vor.