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Arbeitsrecht
30.11.2023
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Rechtswegeröffnung – Energiepreispauschale

LAG Nürnberg, Beschluss vom 17.10.2023 – 7 Ta 81/23

Volltext: BB-Online BBL2023-2867-4

Leitsatz

Für die Klage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung der Energiepreispauschale ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet, nicht zu den Arbeitsgerichten.

Sachverhalt

I.

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der Energiepreispauschale nach § 117 Abs. 1 EStG.

Der Kläger war seit dem 01.08.2021 beim Beklagten als Paketzusteller mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.950,00 € brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers zum 30.09.2022.

Er erhob mit Klageschrift vom 23.01.2023 Klage auf Zahlung der Vergütung für September 2022 in Höhe von 1.950,00 € brutto und der Energiepreispauschale nach § 117 Abs. 1 EStG in Höhe von 300,00 € netto.

Mit Beschluss vom 19.06.2023 trennte das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung der Energiepreispauschale vom Hauptsacheverfahren ab. Mit Beschluss vom 20.06.2023 wies das Arbeitsgericht auf die Problematik des Rechtsweges bei der Geltendmachung der Energiepreispauschale hin. Die Parteien äußerten sich nicht.

Mit Beschluss vom 04.07.2023 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Nürnberg verwiesen.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 05.07.2023 zugestellt. Am 12.07.2023 legte der Kläger dagegen sofortige Beschwerde ein. Er machte geltend, er erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Sa. 1 EStG mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 01.09.2022 und der Einreihung in eine der Steuerklassen 1 bis 5. § 117 Abs. 1 S. 1 EStG bestimme, dass der Arbeitnehmer die Energiepreispauschale vom Arbeitgeber erhalte. Die Klage richte sich daher gegen den Arbeitgeber. Es liege eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor. Eine ausdrückliche Zuweisung des Finanzrechtsweges nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO fehle.

Mit Beschluss vom 18.07.2023 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.

Der Kläger machte mit Schriftsatz vom 18.09.2023 geltend, es gehe nicht um den Charakter der Leistung als staatliche Leistung, sondern um die dem Arbeitgeber vom Gesetz auferlegte Zahlungsverpflichtung aus § 117 Abs. 1 S. 1 EStG.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf die Beschwerdeschrift und den weiteren Schriftsatz vom 18.09.2023 verwiesen.

Aus den Gründen

II.

1. Die gegen den Verweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde ist statthaft, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht folgt in vollem Umfang den sorgfältig begründeten Ausführungen des Erstgerichts im Erst- und Nichtabhilfebeschluss. Von einer bloß wiederholenden Darstellung wird abgesehen.

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sind folgende Ausführungen veranlasst:

a. Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zuständig. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft, BAG, Beschluss vom 01.03.2022 – 9 AZB 25/21 –, Rn. 13 zur Corona-Prämie.

b. Nach Maßgabe dieser Beurteilungsgrundsätze handelt es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung der Energiepreispauschale um einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis. Der Kläger beansprucht mit der Zahlung der Energiepreispauschale die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht, die der Gesetzgeber mit § 117 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Beklagten als Arbeitgeber auferlegt hat. Der die Klage begründende Sachverhalt wird ausschließlich auf die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 117 Abs. 1 S. 1 EStG und die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm gestützt. Es besteht auch offensichtlich keine Norm des bürgerlichen Rechts, die die Pflicht eines Arbeitgebers regelt, überhaupt eine Energiepreispauschale zu zahlen und in welcher Höhe. Geregelt wurde ein öffentlich-rechtlicher Zahlungsanspruch, der aus Steuermitteln bedient wird, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Auszahlungsanspruch knüpft mit den Anspruchsvoraussetzungen des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses am 01.09.2022 und der Einreihung in die Steuerklassen 1 bis 5 an ein Arbeitsverhältnis an. Die Grundlage liegt jedoch in der Leistungspflicht des § 117 Abs. 1 S. 1 EStG und der dem Arbeitgeber dabei auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflicht. Der Arbeitgeber erbringt mit der Zahlung keine aus dem Arbeitsverhältnis fließende Leistungspflicht. Er fungiert nur als eine Art Zahlstelle, bei deren Ausfall der Arbeitnehmer die Energiepreispauschale im Veranlagungsverfahren auf die festzusetzende Einkommenssteuer angerechnet bekommt nach § 116 Abs. 1 EStG.

c. Für den Rechtstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Streitigkeit ist einem anderen Gericht zugewiesen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht die Zuständigkeit der Finanzgerichte nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Danach ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Unter Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten zu verstehen, § 33 Abs. 2 FGO. Der Begriff ist weit zu verstehen und erfasst auch Fälle, in denen nicht eine (Finanz-)Behörde, sondern der Arbeitgeber als Zahlstelle der Behörde in Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften in Anspruch genommen wird, soweit der Rechtsstreit durch spezifisch steuerrechtliche Fragen bestimmt wird, vergleiche nur Gräber, FGO, Kommentar, 9. Auflage, 2019, § 33 Rn. 30. Dementsprechend verfolgt die Rechtsprechung hier eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise. Bei Streitigkeiten über die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung differenziert der Bundesfinanzhof danach, ob es bei dem Rechtsstreit im Kern um arbeitsrechtliche Fragen geht, zu denen die vom Arbeitnehmer beanstandeten Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung oder das Begehren des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Lohnsteuerbescheinigung einen bloßen Reflex bilden. Letzteres hat er bejaht für die Fragen, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, für welchen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat oder welche arbeitsrechtlichen Ansprüche – insbesondere Barlohnansprüche – bestehen oder bestanden haben, BFH, Beschluss vom 04.09.2008 – VI B 108/07 –, Rn. 8. Andernfalls ist die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit gegeben nach §§ 115 Abs. 2, 120 Abs. 1 EStG iVm § 37 Abs. 1 AO.

Der arbeitsrechtliche Aspekt Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum Stichtag 01.09.2022 und Einreihung in eine Steuerklasse – ist bei den Parteien nicht im Streit.

III.

1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehen der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.

2. Die Kosten der erfolglosen Beschwerde hat der Kläger zu tragen nach § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Als Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird 1/3 des Wertes der Hauptsache für angemessen angesehen.

IV.

Die Rechtswegbeschwerde war nicht zuzulassen nach § 17a Abs. 4 S. 5 GVG. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht gegeben, nachdem die Grundsätze der Rechtswegbestimmung beim Einsatz des Arbeitgebers als Zahlstelle für eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Leistung mit dem Beschluss des BAG vom 01.03.2022 – 9 AZB 25/21 – anlässlich der Corona-Prämie bestimmt und hier auf die Energiepreispauschale angewendet wurden.

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