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Arbeitsrecht
15.11.2019
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Rechtsmissbrauchsklage bei Befristung von über acht Jahren

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.8.2019 – 9 SA 433/19

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2806-3

Amtlicher Leitsatz

Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Befristung ist eine Rechtsmissbrauchskontrolle veranlasst, wenn die Gesamtdauer der vereinbarten Befristung acht Jahre übersteigt. Dies ist auch dann der Fall, wenn befristete Beschäftigungen von insgesamt über acht Jahren einmalig sechs Monate unterbrochen wurden.

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände  kann bei Berufung auf ein drittmittelfinanziertes Projekt zur Begründung der Befristung eine langfristig fortlaufende Durchführung der zusätzlichen Aufgaben ohne aufgabenbedingt konkret absehbares Ende, eine nur teilweise Drittmittelfinanzierung und eine Überschneidung mit Daueraufgaben einen institutionellen Rechtsmissbrauch begründen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Die zum Zeitpunkt der Klageerhebung 47-jährige, einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit 1. April 2010 bei der Beklagten auf der Grundlage folgender befristeter Arbeitsverträge, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 2.700,00 Euro bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich tätig:

 

 

Abschlussdatum

Vertragslaufzeit

1

31. März 2010

1. April 2010 bis 31. Dezember 2010

2

22. Dezember 2010

1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011

3

19. Dezember 2011

1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012

4

20. Dezember 2012

1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013

5

  4. Dezember 2013

1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014

6

27. November 2014

1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015

 

Unterbrechung

 

7

12. Mai 2016

1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016

8

14. Dezember 2016

1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017

9

21. Juni 2017

1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2018

 

Für die Zeit zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 30. Juni 2016 wurde kein Vertrag geschlossen, nachdem die Klägerin Mutter wurde und Elternzeit beantragte. In diesem Zusammenhang teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 2015 mit, es könne zunächst nur Elternzeit bis zum Ende des befristeten Vertrages, also bis zum 31. Dezember 2015 bestätigt werden. Sobald eine neue Förderzusage des BMWi vorliege, erhalte sie einen neuen befristeten Vertrag und die entsprechende Bestätigung der Elternzeit bis 25. Juni 2016.

In den Verträgen ist jeweils in einer Präambel ausgeführt, das Bundesministerium für W. und T. (BMWi) fördere mit seinem Programm „Passgenaue Vermittlung Auszubildender an ausbildungswillige Unternehmen“  bzw. „Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen sowie bei der Integration von ausländischen Fachkräften“ bzw. „Passgenaue Besetzung - Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen sowie bei der Integration von ausländischen Fachkräften“ Beratungsleistungen in Form von Auswahlgesprächen mit potentiellen Auszubildenden und damit zusammenhängenden Arbeiten wie z.B. Recherchen oder eine Prüfung von Bewerbungsunterlagen. Weiter ist angegeben, die Einstellung erfolge im Rahmen des durch Fördergelder finanzierten Projektes.

Die Beklagte beteiligt sich langjährig an diesem Förderprogramm, das aus Mitteln des BMWi und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird.

Mit ihrer am 9. Januar 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt, es handle sich um eine Daueraufgabe. Eine klare Abgrenzung zwischen Dauer- und Zusatzaufgaben sei nicht möglich. Die Beklagte biete den Service „Passgenaue Besetzung“ bereits seit 2007 an. Die Information von Mitgliedsunternehmen in Fragen der Berufsausbildung sei Daueraufgabe, die passgenaue Besetzung werde in den Auftritten der Beklagten als Teil des Leistungsangebotes dargestellt. Sie – die Klägerin – sei in die allgemeinen Beratungs- und Serviceaufgaben der Beklagten integriert, u.a. betreffend die Abdeckung der allgemeinen Telefonbereitschaft. Sie habe u.a. ab Februar 2018 die IHK-Lehrstellenbörse mitbetreut, mit Bearbeitungsaufträgen auch für große Betriebe. Diese Aufgabe sei ihr ersichtlich als Reaktion auf den vorliegenden Rechtsstreit im Oktober 2018 wieder entzogen worden.

Die Berufung auf projektbezogene Drittmittel sei außerhalb des Wissenschaftsbereichs nicht geeignet, eine Befristung zu rechtfertigen, zudem liege die vorliegende Förderung unterhalb der anfallenden Personalkosten. Selbst wenn man eine Befristung auf dieser Grundlage für möglich halte, dürfe die wirtschaftliche Tätigkeit eines dauerhaft bestehenden Unternehmens nicht in einzelne Projekte zerlegt werden, um die Arbeitsverhältnisse entsprechend zu befristen.

Die Befristung stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar.

Die Klägerin hat beantragt,

1.            festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 21. Juni 2017 mit dem 31. Dezember 2018 beendet ist,

2.            die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bestandsrechtsstreits als Mitarbeiterin des Bereiches „passgenaue Besetzung“ zu im Übrigen unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, die Befristung sei aufgrund der konkreten Projektbezogenheit und im Übrigen aufgrund der Drittmittelfinanzierung des konkreten Arbeitsplatzes gerechtfertigt. Die Klägerin nehme innerhalb des Bereichs projektbezogene Aufgaben, insbesondere Aufgaben als Arbeitsvermittlerin wahr. Hierbei handle es sich um keine Daueraufgabe, sie – die Beklagte – berate Ausbildungsbetriebe, nehme aber keine generellen Aufgaben der Vermittlung von Ausbildungsverträgen wahr. Der Förderbereich ziele darauf ab, Ausbildungsverhältnisse so individuell und passgenau wie möglich zu initiieren.

Die Bewilligung von Fördergeldern erfolge, indem das BMWi als Bewilligungsbehörde dem Zentralverband des Deutschen Handwerks Zuwendungen auf der Grundlage eines entsprechenden Zuwendungsbescheides gewähre und den Zentralverband ermächtige, diese Zuwendung zur Durchführung von Teilvorhaben weiterzuleiten. Dies geschehe in Form von Weiterleitungsverträgen. Aus dem Weiterleitungsvertrag vom 5. April 2017 ergebe sich die konkrete Drittmittelfinanzierung des Arbeitsplatzes und namentlich der Beschäftigung der Klägerin. Hier sei die 0,75 Stelle der Klägerin neben den beiden Vollzeitstellen der Mitarbeiter M. und V. ausgewiesen, unter Weiterleitung eines Fördergeldes von 32.800,35 Euro für 2017 und 32.366,40 Euro für 2018.

Die Klägerin sei entsprechend der Prognose bei Vertragsschluss im Rahmen des Projektes eingesetzt worden, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein überwiegender Einsatz ausreiche. 

Ein Rechtsmissbrauch sei bereits aufgrund der Anzahl und Dauer der Befristung mit fünf Jahren und neun Monaten bei fünf Vertragsverlängerungen und zwei Jahren und sechs Monaten bei zwei Vertragsverlängerungen weder indiziert noch seien von der Klägerin Anhaltspunkte hierfür vorgetragen.     

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage durch Urteil vom 12. Dezember 2018 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zum Zeitpunkt der Entscheidung seien die Mittel für das Projekt „Passgenaue Besetzung“ erneut beantragt worden, die Beklagte rechne mit einer erneuten Bewilligung. Hieran werde deutlich, dass eine Beendigung des Projektes bis zum 31. Dezember 2018 nicht beabsichtigt gewesen sei, auch sei von einem weiterhin bestehenden Bedarf auszugehen. Das Risiko einer künftigen Bewilligung der Förderung könne nicht im Sinne einer Befristungsmöglichkeit auf die Klägerin übertragen werden. Selbst wenn man einen Befristungsgrund annehme, gebe es  angesichts der Dauer der Befristung und der Anzahl der abgeschlossenen Verträge Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch.

Gegen dieses ihr am 22. Januar 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Februar 2019 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 12. April 2019 begründet. Hierzu macht die Beklagte unter Bezugnahme ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend: Ihre Aufgabe als Selbstverwaltungsorgan und Interessenvertretung sei die Förderung des Wirtschafts-standortes Berlin und die wettbewerbsneutrale Unterstützung von Berliner Unternehmen mit Dienstleistungen. Neben diesen Aufgaben beteilige sie sich an dem Förderprogramm zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen. Sie entscheide jeweils neu über die „Fortführung“ des Projektes nach Ende der jeweiligen Förderperiode und sei entschlossen, das Projekt auf keinen Fall ohne Förderung fortzuführen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts müsse sich die Prognose allein auf den vorhersehbaren Wegfall des zusätzlichen Arbeitsbedarfs für den befristet eingestellten Arbeitnehmer beziehen. Sie habe vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages entschieden, das Projekt Passgenaue Besetzung nur für den bewilligten Förderzeitraum durchzuführen. Dem stehe nicht entgegen, dass sie möglicherweise auch zukünftig gewillt sei, die Durchführung eines gleichartigen Projektes zu beschließen oder dies in der Vergangenheit mehrfach getan habe. Das Vorliegen einer Prognoseentscheidung werde durch den weitgehenden Gleichlauf zwischen Befristung und Bewilligungszeitraum bestätigt. Hierin liege weder ein unzulässiges Abwälzen von Risiken noch gebe es Indizien für einen institutionellen Rechtsmissbrauch.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Dezember 2018, 60 Ca 315/18 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Entgegen der Behauptung der Beklagten handle es sich bei dem Bereich „Passgenaue Besetzung“ um einen Teil der Daueraufgaben der Beklagten, diese biete ihren Mitgliedsunternehmen diesen Service ununterbrochen seit 2007 und auch aktuell weiterhin über den 31. Dezember 2018 hinaus an. Die Voraussetzungen einer „abgrenzbaren Zusatzaufgabe“ lägen nicht vor, weshalb auch keine Trennung zwischen den sonstigen Aufgaben der Klägerin und dieser Aufgabe erfolgt sei. Der einzige Unterschied zu den sonstigen Aufgaben liege darin, dass die Beklagte sich diese Stelle finanzieren lasse und die weitere Beschäftigung der Klägerin hiervon abhängig machen wolle. Hier stünden auch europarechtliche Vorgaben solchen weitgehenden Befristungsmöglichkeiten entgegen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

I. Die Berufung ist zulässig.

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b), c)  ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht gem. § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § § 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden; dies gilt auch betreffend den Antrag zu 2), da die Entscheidung insoweit von der Entscheidung über den Antrag zu 1) abhängt.

II. Die Berufung ist nicht begründet.

Der Beklagten ist es auch bei Annahme eines Befristungsgrundes nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs verwehrt, sich auf einen solchen zu berufen. Eine solche zusätzliche Prüfung ist unter Beachtung von § 5 Nr. 1 Buchst. a der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 geboten (s. hierzu ausführlich BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15 –, BAGE 157, 125-140, Rn. 23).

Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass eine Rechtsmissbrauchskontrolle veranlasst ist, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung vorgesehene Höchstdauer des Arbeitsverhältnisses und Anzahl der Vertragsverlängerungen um ein Mehrfaches überschritten sind. D.h. es kann bei Vorliegen eines Sachgrundes von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart (BAG 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15 - Rn. 26, BAGE 157, 125; BAG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 212/17 –, Rn. 26, juris).

1. Hiernach ist im vorliegenden Fall eine Rechtsmissbrauchskontrolle veranlasst.

Die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses übersteigt acht Jahre. Der erste Vertrag wurde für die Zeit ab 1. April 2010 geschlossen, der zuletzt geschlossene Vertrag für die Zeit bis 31. Dezember 2018. Dies gilt auch, wenn die sechs Monate vom 1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016, für die kein Arbeitsverhältnis bestand,  herausgerechnet werden. Auch dann verbleiben acht Jahre und zwei Monate.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aufgrund der Unterbrechung von sechs Monaten, zu der es nach etwas über fünf Jahren befristeter Arbeitsverhältnisse kam, nicht von einem neuen Fristlauf auszugehen. Es handelt sich um einen Überbrückungszeitraum, der nach dem Zweck der Missbrauchskontrolle keinen neuen Fristlauf in Gang setzt. 

Das Bundesarbeitsgericht knüpft mit diesen Vorgaben zur Rechtsmissbrauchskontrolle an die Wertung des § 14 Abs. 2 TzBfG an. Nach der Wertung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sind diese Befristungsmöglichkeiten ausdrücklich nicht für erneute Befristungen mit demselben Arbeitgeber vorgesehen. Dies spricht dagegen, eine Rechtsmissbrauchskontrolle  aufgrund der Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse einzuschränken bzw. auszuschließen, wenn zwischen befristeten Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber ein überschaubarer Überbrückungszeitraum liegt. Auch vor dem Hintergrund des Zwecks der Missbrauchskontrolle, gemäß den europarechtlichen Vorgaben Befristungsmöglichkeiten als Dauerlösung durch Aneinanderreihung einzelner formal nachvollziehbarer Befristungen einzuschränken, können übliche Überbrückungszeiträume eine solche nicht ausschließen. Entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass bei der Missbrauchskontrolle vorherige befristete Arbeitsverhältnisse auch dann zu berücksichtigen sind, wenn diese sich nicht nahtlos aneinander reihen (BAG, Urteil vom 10. Juli 2013 – 7 AZR 761/11 –, Rn. 30, juris). Erst ab einer Unterbrechung von zwei Jahren wird dies regelmäßig ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 23. Mai 2018 – 7 AZR 16/17 –, Rn. 34, juris).

Hier handelt es sich mit einer Dauer von sechs Monaten im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses sowie im Verhältnis zu der zum Zeitpunkt der Beschäftigung bereits aufgelaufenen Dauer des Arbeitsverhältnisses von über fünf Jahren um einen überschaubaren Überbrückungszeitraum. Dass es sich um eine zu überbrückende Zwischenzeit handelt, wird auch an der Mitteilung einer avisierten weiteren Beschäftigung mit Schreiben vom 3. Juli 2015 deutlich.

Zudem liegt die Anzahl der Verträge mit insgesamt acht Vertragsverlängerungen, d.h. neun abgeschlossenen befristeten Verträgen zwar noch nicht über der Grenze der allein für eine Missbrauchskontrolle ausreichenden Anzahl, aber an der Grenze hierzu. Dies spricht auch in der Gesamtabwägung dafür, eine Missbrauchskontrolle nicht aufgrund der sechsmonatigen Unterbrechung auszuschließen.

2. Eine Rechtsmissbrauchskontrolle ist bei vorliegenden Kettenbefristungen nicht nur bei Befristungen vorzunehmen, die mit vorübergehenden Vertretungsbedarf gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG begründet werden (BAG, Urteil vom 13. Februar 2013 – 7 AZR 225/11 –, Rn. 36, juris), sondern bei allen anderen Befristungen. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Befristungen unter Berufung auf Projekte ein Missbrauchspotential besteht. Hier gibt es anders als beim schwer steuerbaren Eintritt eines Vertretungsfalls arbeitgeberseitige Gestaltungsmöglichkeiten, Arbeiten in temporäre Projekte aufzuteilen und damit Unternehmerrisiken auf Arbeitnehmer zu verlagern (Bayreuther, NZA 2013, 23ff, 26). Dies gilt auch für Befristungen aufgrund von Drittmitteln. Auch wenn der Förderzeitraum aus Haushaltsgründen regelmäßig vorgegeben ist, besteht über die jeweilige Beantragung dieser Mittel für bestimmte Projekte oder Zusatzaufgaben ein Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers als Empfängers, für welche Projekte oder Aufgaben in welcher Ausgestaltung diese  beantragt werden. Vermutlich beruht die hier erfolgte Förderung zunächst einer Vollzeitstelle der Klägerin (Verträge 1-7) und anschließend einer Teilzeitstelle (Verträge 8-9)  nicht allein auf vorgegebenen Projektnotwendigkeiten, sondern auf einem familienbedingten Interesse der Klägerin an dieser Arbeitszeitgestaltung und einer entsprechenden Anpassung der Anträge durch die Beklagte.

3. Im Rahmen der vorzunehmenden Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ist aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen bzw. unstreitigen Umstände von einem institutionellen Missbrauch auszugehen (vgl. zur Darlegungslast BAG, Urteil vom 10. Juli 2013 – 7 AZR 761/11 –, Rn. 29, juris; BAG, Urteil vom 23. Mai 2018 – 7 AZR 16/17 –, Rn. 32, juris). Auch wenn Streitgegenstand nur die zuletzt vereinbarte Befristung ist, sind bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung auch die vorhergehenden befristeten Arbeitsverträge mit einzubeziehen (BAG, Urteil vom 23. Mai 2018 – 7 AZR 16/17 –, Rn. 32, juris).

a) Die Dauer der Durchführung der Aufgabe und fehlende Anhaltspunkte für ein anstehendes Ende sprechen für einen langfristigen Bedarf.

Auch wenn eine offene künftige Bewilligung von Drittmitteln grundsätzlich geeignet sein kann, einen Wegfall eines Projektes oder einer zusätzlichen Aufgabe mit Ablauf der Bewilligungsperiode anzunehmen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 212/17 –, Rn. 24, juris m.w.N.), spricht eine langjährige Durchführung einer Aufgabe oder eines Projektes mit fortlaufender Bewilligung entsprechender Fördermittel ohne Begrenzung auf das Erreichen eines Ziels und damit einhergehenden Projektabschlusses für eine langfristige Ausführung indiziell auch über die jeweiligen Projektzeiträume hinaus.

Dies ist hier der Fall, es handelt sich um eine langjährig durchgeführte Aufgabe, über die jeweils neu zu beantragenden und ggf. bewilligten Mittel hinaus gibt es kein aus sonstigen Sachgründen absehbares Ende.

(1) Die Klägerin trägt hierzu vor, das Beratungsangebot „passgenaue Besetzung“ werde als solches von der Beklagten bereits seit 2007 durchgehend angeboten und solle  auch über den Ablauf der Befristung ihres Arbeitsvertrages hinaus fortgesetzt werden, lediglich mit anderen Beschäftigten auf denselben Arbeitsplätzen.

Die Beklagte macht geltend, sie erhalte jeweils befristete Fördermittel zur Durchführung dieses Projektes, ob sie für Zeiten nach Ablauf der jeweiligen Förderperiode eine neue Förderung beantrage, erhalte und ggf. das Projekt fortsetze, sei offen. Dies reicht nicht aus, um eine langfristige Durchführung und indiziell künftige Durchführung auszuschließen. Die Beklagte behauptet nicht, es sei eine Einstellung des Projektes geplant gewesen. Letztlich wurden die Fördermittel auch vor Ablauf der Befristung erneut beantragt und wurden bewilligt, die Arbeit des Bereichs „passgenaue Besetzung“ wurde, wie die Klägerin unwidersprochen vorträgt, nahtlos fortgesetzt.

(2) Es gibt auch keine Anhaltspunkte für ein bestimmtes Ziel, mit dessen Erreichung das Projekt abgeschlossen ist. Soweit eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsverträgen jährlich vermittelt werden soll, um Projektarbeit zu dokumentieren (s. die Angabe im Fördervertrag - „Die verbindliche Zielvorgabe des Programmes liegt bei 35 erfolgreich besetzten Ausbildungs- bzw. Einstiegsqualifikationsplätzen pro Vollzeitberaterstelle“), ergibt sich hieraus keine avisierte Einstellung des Projektes mit Zielerreichung. Letztlich wird ein Bedarf an Beratungsleistungen für kleinere und mittlere Unternehmen gesehen, um Auszubildende und geeignete Ausbildungsbetriebe zusammenzuführen ohne dass absehbar wäre, wann sich dies erledigt hat.

b) Die Klägerin wurde stets auf demselben Arbeitsplatz mit im Wesentlichen denselben Aufgaben beschäftigt (s. zu diesem Kriterium BAG, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 AZR 260/12 –, Rn. 36, juris).

c) Es erfolgte ein Einsatz der Klägerin auch für Daueraufgaben der Beklagten.

Die Klägerin trägt hierzu vor, sie sei u.a. im Rahmen der Telefonbereitschaft in die allgemeinen Aufgaben der Beklagten eingebunden gewesen und neben der Vermittlungstätigkeit zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen auch für Großunternehmen tätig geworden.

Die Beklagte bestreitet eine Telefonbereitschaft nicht näher und macht geltend, ein überwiegender Einsatz im Projekt reiche aus. Dieser werde durch die allenfalls geringfügigen von der Klägerin behaupteten anderweitigen Aufgaben nicht in Frage gestellt.

Auch wenn es zutrifft, dass eine Projektbefristung aufgrund eines teilweisen, nicht überwiegenden anderweitigen Einsatzes nicht ausgeschlossen wird, können Arbeitsaufgaben, insbesondere Daueraufgaben außerhalb des Befristungsbezuges als ein Aspekt im Rahmen der Missbrauchskontrolle berücksichtigt werden.

d) Es handelt sich bei den Projektaufgaben um solche, die sich im Ansatz mit Daueraufgaben der Beklagten überschneiden. Die Beklagte macht geltend, ihre Aufgabe sei die Beratung der Unternehmen und nicht die Beratung der Auszubildenden im Sinne einer erweiterten Arbeitsagentur. Auch ausgehend hiervon beinhaltet die Zusammenführung von Auszubildenden und Unternehmen eine Beratung der Unternehmen. Dies insbesondere auch gemäß dem zugrunde liegenden Zuwendungszweck und genannten Fördergrundlagen. Hier wird ausgeführt, „Im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte sind KMU [kleine und mittlere Unternehmen] daher benachteiligt. Um die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der KMU zu erhalten, sollen sie bei der Sicherung ihres zukünftigen Fachkräftebedarfs unterstützt werden“ (s. Zuwendungszweck und Fördergrundlagen Bl. 87 d.A.). Danach geht es ausdrücklich um eine Unterstützung der Unternehmen über Aufgaben einer Arbeitsagentur hinaus.

e) Die Drittmittelfinanzierung, auf die die Befristung entscheidend gestützt wird, finanziert die Stelle der Klägerin nur teilweise.  

Kern des Befristungsgrundes ist die Drittmittelfinanzierung. Die Beklagte beruft sich weder auf eine eigene Prognose, wie lange diese zusätzliche Aufgabe durchgeführt werden soll noch weshalb es sich aus bestimmten Sachgründen wie beispielsweise einen absehbar entfallenden Bedarf um eine zeitlich begrenzt anfallende Aufgabe handle, sondern auf Fördermittel, die für einen jeweils bestimmten Zeitraum für eine solche zusätzliche Aufgabe zur Verfügung stehen und eine allein aus diesem Grund erfolgte Übernahme der Aufgabe.

Die Klägerin macht hierzu geltend, ihre Stelle werde nur teilweise durch Drittmittel finanziert. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen (s. Bl. 99 d.A.) ergibt sich eine Finanzierung der Stelle der Klägerin mit einem Anteil von 70%, d.h. es verbleibt ein von der Beklagten zu finanzierender Teil von 30%.

Auch wenn eine überwiegende Finanzierung durch Drittmittel eine Befristung rechtfertigen kann, kann eine teilweise eigene Finanzierung einer Stelle im Rahmen der Rechtsmissbrauchskontrolle berücksichtigt werden. Dies insbesondere dann, wenn letztlich die Drittmittelfinanzierung die Befristung rechtfertigen soll.

f) Da es sich um keine Befristung im Wissenschaftsbereich handelt, spielen Aspekte der Wissenschaftsfreiheit keine Rolle.

g) In der Gesamtschau dieser Umstände liegt im Hinblick auf die bisher langfristig fortlaufende Durchführung der zusätzlichen Aufgaben, einer ohnehin nur teilweisen Drittmittelfinanzierung, keinem aufgabenbedingt konkret absehbaren Ende und einer gewissen Überschneidung mit Daueraufgaben in der Berufung auf die Befristung ein institutioneller Rechtsmissbrauch.

4. Aufgrund der Unwirksamkeit der Befristung besteht der Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung (vgl. BAG, Urteil vom 13. Juni 1985 – 2 AZR 410/84 –, Rn. 75, juris). Anhaltspunkte für dem entgegen stehende Interessen der Beklagten bestehen nicht, der Bereich „passgenaue Besetzung“ wird derzeit weiterhin von der Beklagten betrieben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

 

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