Sächsisches LAG: Quotenregelung bei Elternteilzeitverlangen
Sächsisches LAG, Urteil vom 17.5.2011 - 7 Sa 137/10
Sachverhalt
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Elternteilzeit
sowie über Schadenersatzansprüche.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die eine ... betreibt, in deren Orchester als Solo-Cellist mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.603,40 € beschäftigt. DerKläger ist Vater der Kinder ... und ..., geb. am ...2008. Auf das Arbeitsverhältnis findetkraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Haustarifvertrag für die Musiker der... in seiner jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden undan seine Stelle tretende Tarifverträge Anwendung. In der Fassung vom 01.06.2009heißt es:
„§ 1
Für die Musiker des Orchesters der ... gilt der Tarifvertrag für Musiker inKulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1991 in seiner jeweils geltenden Fassungi. V. m. dem Tarifvertrag vom 12. September 1994 für die Musiker desOrchesters der ...
..."
Im Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 (TVK), in Kraft getreten am 01.01.2010, heißt es:
„§ 3
Begründung des Arbeitsverhältnisses
...
(3) Teilzeitarbeit ist nur insoweit zulässig, als im Arbeitsvertrag vereinbartewerden kann, dass der Musiker verpflichtet ist, innerhalb des in§ 12 Abs. 2 vorgesehenen Ausgleichszeitraums höchstens die Hälfteder Anzahl der dort vorgesehenen Dienste zu leisten. Im Einvernehmenmit dem Orchestervorstand können die Dienste auch abweichendvon Satz 1 auf die Spielzeit verteilt werden.
Anträge auf Teilzeitarbeit sind schriftlich zu stellen. Ein Anspruch auf
Teilzeitarbeit besteht nicht, wenn die in Satz 2 der Protokollnotiz zuAbs. 3 für die Teilzeitarbeit in der jeweiligen Instrumentengruppe vorgesehenenPlanstellen jeweils mit mindestens einem auf Teilzeit beschäftigtenMusiker bereits besetzt ist.
...
Protokollnotiz zu Abs. 3:
Von der Gesamtzahl der im Haushaltsplan für die Musiker ausgebrachtenPlanstellen (§ 17) dürfen nicht mehr als 20 v. H., jeweils auf die volle Zahlaufgerundet, mit Musikern in Teilzeitarbeit besetzt werden. In Instrumentengruppen,für die im Organisations- und Stellenplan des Orchesters elfoder mehr Stellen ausgewiesen sind, dürfen höchstens drei Planstellen, inInstrumentengruppen mit sechs bis zehn solcherart ausgewiesenen Planstellen dürfen höchsten zwei Planstellen und in Instrumentengruppen mitzwei bis fünf solcherart ausgewiesenen Planstellen darf höchstens einePlanstelle in Teilzeit besetzt werden. Als Instrumentengruppe im Sinne dieserProtokollnotiz gelten die in der Protokollnotiz Nr. 1 zu den Absätzen 2und 7 des § 17 genanten Gruppen. Im Einvernehmen mit dem Orchestervorstandkönnen Planstellen in einzelnen Instrumentengruppen auch überdie in Satz 2 festgelegten Kontingente hinaus in Teilzeit besetzt werden, sofernin einer anderen Instrumentengruppe die Anzahl der mit Teilzeit besetztenPlanstellen entsprechend reduziert wird ...
..."
Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers hatte die Protokollnotiz zu Abs. 3 folgende Fassung:
„Von der Gesamtzahl der im Haushaltsplan für die Musiker ausgebrachtenPlanstellen (§ 22) dürfen nicht mehr als 15 v. H., jeweils auf die volle Zahlaufgerundet, mit Musikern in Teilzeitarbeit besetzt werden. In Instrumentengruppen,für die im Organisations- und Stellenplan des Orchesters elfoder mehr Stellen ausgewiesen sind, dürfen höchstens drei Planstellen, inInstrumentengruppen mit sechs bis zehn solcherart Planstellen dürfenhöchsten zwei Planstellen und in Instrumentengruppen mit zwei bis fünfausgewiesenen Planstellen darf höchstens eine Planstelle in Teilzeit besetztwerden. Als Instrumentengruppe im Sinne dieser Protokollnotiz geltendie in der Protokollnotiz Nr. 1 zu den Absätzen 2 und 7 des § 22 TVK genanntenGruppen. Im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand könnenPlanstellen in einzelnen Instrumentengruppen auch über die in Satz 2 festgelegtenKontingente hinaus in Teilzeit besetzt werden, sofern in einer anderenInstrumentengruppe die Anzahl der mit Teilzeit besetzten Planstellenentsprechend reduziert wird ..."
In § 20 TVK, in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung ist zudem geregelt:
Tätigkeitszulagen
(1) Der Arbeitgeber kann dem Musiker mit seiner Zustimmung bei derEinstellung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmteTätigkeit und das Spielen von Nebeninstrumenten übertragen. DieÜbertragung bedarf der Schriftform. Der Arbeitgeber kann die Übertragungjederzeit widerrufen, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Erist unwirksam, wenn er aus Gründen erfolgt, die nicht in des Leistungsfähigkeitoder der sonstigen Eignung des Musikers liegen. ...
Der Kläger befand sich zunächst in der Zeit vom 01.09.2008 bis 31.07.2009, durcheinvernehmliche Verlängerung der Parteien zuletzt bis 30.09.2009, wegen des zuletztgeborenen Kindes ... in Elternzeit. Während dieser Zeit fungierten Herr ..., imFalle seiner Abwesenheit andere Kollegen als Solo-Cellisten. Mit Schreiben vom05.01.2009 begehrte der Kläger für das dritte Lebensjahr des Kindes Elternteilzeit.In diesem Schreiben heißt es an maßgeblicher Stelle:
„Sehr geehrter Herr ...,
hiermit möchte ich unter Bezugnahme auf die bereits geführten Gesprächeoffiziell den Antrag stellen, in der Spielzeit 2009/2010 als Solocellist aufhalber Stelle zu arbeiten.
Hierbei handelt es sich nicht um eine Verlängerung der von mir derzeitwahrgenommenen Elternzeit, sondern um die Umsetzung meines Rechtsanspruchsauf Teilzeit im 3. Lebensjahr des Kindes in Betrieben mit mehrals 15 Beschäftigten, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen...
Der konkrete Zeitraum dieses Rechtsanspruchs wäre 21.2.2010 -20.2.2011; um sowohl für meinen Sohn als auch für das Theater einensinnvollen Ablauf zu ermöglichen, schlage ich vor, dies auf die Spielzeit2009/2010, also den Zeitraum 1.8.2009 - 31.7.2010 vorzuziehen ......"
Auf Veranlassung der Beklagten konkretisierte der Kläger am 14.02.2009 auf vonder Beklagten gestellten Formularen seinen Antrag auf Elternteilzeit mit dem er50 % der tariflichen Arbeitszeit des TVK vom 01.8.2009 bis 31.07.2010 bzw. vom21.02.2010 bis 20.02.2011 verlangte. Mit Schreiben vom 26.03.2009 (Bl. 17 bis 19d. A.) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers wegen entgegenstehender dringenderbetrieblicher und künstlerischer Gründe und unter Berufung auf die Protokollnotizzu § 3 Abs. 3 TVK ab.
Mit seiner vor dem Arbeitsgericht am 21.04.2009 erhobenen Klage begehrt der Klägernach zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträgen die Feststellung, dass er sich inder Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 bzw. hilfsweise in der Zeit vom 01.08.2009bis 31.07.2010 in Elternteilzeit mit 50 % der Arbeitszeit befinde. Hilfsweise verlangtder Kläger die Zustimmung der Beklagten auf Verringerung der Arbeitszeit in dengenannten Zeiträumen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Elternzeit lägenvor. Die Ablehnungsgründe der Beklagten seien unzutreffend. Auf § 3 TVG unddie entsprechende Protokollnotiz könne sich die Beklagte bereits deshalb nicht berufen,da hier ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet sei, auch weitere Teilzeitstellenin einer Instrumentengruppe einzurichten, wenn dafür in anderen Instrumentengruppeneine geringere Anzahl von Planstellen mit Teilzeitkräften besetzt sei. DieArgumentation des Chefdirigenten des Orchesters, er halte eine weitere Erhöhungder Teilzeitplanstellen „aus künstlerischen und organisatorischen Gründen" für unmöglich,stelle keinen einlassungsfähigen Vortrag dar. Auch während der Abwesenheitim Rahmen der ersten Phase der Elternzeit hätte es durch anderweitigeBesetzungen seiner Stelle als Solo-Cellist keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Unabhängigdavon sei der Kläger auch bei Vollzeittätigkeit nur zu zwei Dritteln der anfallendenDienste eingesetzt, so dass im Rahmen der übrigen Dienste die Positiondes Solo-Cellisten von einem Stellvertreter übernommen werde. Würde der Klägerwegen einer 50%igen Elternteilzeit in diesem Umfang als Solo-Cellist ausfallen,würde sich damit der auf zwei Drittel geschätzte Umfang der anfallenden Dienste inVollzeit, auf ein Drittel reduzieren und für die entsprechenden Stellvertreter auf zweiDrittel erhöhen. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder der Cellogruppe,des Orchestervorstands und der Personalrat die vom Kläger vorgeschlageneRegelung unterstützt hätten. Auch das tarifliche Limit von max. zehn Diensten ineiner Woche stelle kein Problem dar, da dieses für Teilzeitmusiker gleichermaßengelte. Die Teilzeitarbeit wirke sich lediglich dahingehend aus, dass er durchschnittlichpro Woche vier statt acht Dienste, also im achtwöchigen Ausgleichszeitraumnicht bis zu 64 Dienste, sondern nur eben 32 Dienste zu leisten hätte. Auch währendseiner Abwesenheit im Rahmen der vorigen Elternzeit ohne Teilzeit, habe dieVertreterregelung, ohne dass dies zu irgendwelchen Überdiensten in der Cellogruppegeführt hätte, funktioniert.
Hinsichtlich der geltend gemachten Zeiträume habe der Kläger lediglich im Interessedes Orchesters Alternativvorschläge unterbreitet. Das eigentliche Anliegen desKlägers bestehe darin, die Elternteilzeit im dritten Lebensjahr des Kindes in Anspruchzu nehmen. Die Beklagte sei daher auch verpflichtet, an den Kläger der Höhenach noch zu ermittelnden Schadenersatz zu zahlen. Es seien insbesondereKinderbetreuungskosten angefallen. Eine Saldierung des Schadens mit dem nunmehrdurch die Vollzeit erlangten höheren Einkommen als „Gewinn" dürfe nicht erfolgen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger sich bei der Beklagten im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 sich in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit au 50 %,
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 50 % im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011.
Hilfsweise
im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuzustimmen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, demKläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die mangelsrechtzeitiger antragsgemäßer Verringerung seiner Arbeitszeitanfallenden Kinderbetreuungskosten entsteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung der geltend gemachten Elternteilzeit.Bereits die Antragstellung des Klägers, wonach er für unterschiedlicheZeiträume Elternzeit verlange, sei widersprüchlich. Der Gewährung der Elternzeitstünde auch § 3 Abs. 3 TVK i. V. m. der Protokollnotiz entgegen. Die entsprechendeAnzahl der Teilzeitbeschäftigten des Orchesters sei ausgeschöpft. Die Cellogruppehabe bereits zwei Musikerkollegen in Teilzeit besetzt. Auch die vom Klägerund von anderen Kollegen, dem Orchestervorstand bzw. dem Personalrat entwickeltenModelle zur innerbetrieblichen Gestaltung seien der Beklagten nicht bekannt.Die künstlerische Hauptverantwortung für das Orchester der ... liege beimChefdirigenten Herrn ... Die Gruppenführer der verschiedenen Instrumentalgrup7pen, üblicherweise mit dem Zusatz „Solo" versehen, stünden der jeweiligen Gruppevor und seien dem Chefdirigenten direkt unterstellt. Sie genießen insbesonderewegen ihrer Verantwortung für die künstlerische Arbeit einen Sonderstatus, zeichnetensich durch qualitativ höherwertige Fähigkeiten aus und würden über ein besonderesProbespiel vor dem gesamten Orchester und der künstlerischen Leitungdes Hauses auserwählt. Grundsätzlich lehne der Chefdirigent der ... eine doppelteBesetzung des Solomusikers/Stimmführers für die Instrumentengruppe ab. Er verfolgedas Konzept der Homogenität des Orchesters. Dies erfordere ein aufeinanderabgestimmtes Einspiel. Dieses Konzept habe die Erhaltung des künstlerischen Niveaus,die Wahrung der Klangkultur und der Qualität des Orchesters zum Ziel. Zudemscheitere die Gewährung der Elternteilzeit daran, dass bei 50%iger Tätigkeitdes Klägers die Tätigkeit des Solo-Cellisten i. S. d. § 26 TVK auf einen anderen Solo-Cellisten übertragen würde. Diese Übertragung könne nur aus Gründen, die inder Leistungsfähigkeit oder der sonstigen Eignung des Musikers liegen, widerrufenwerden. Bislang habe man die Elternzeit durch Zeitbefristung mit Herrn ... überbrückt.Weder die ... noch Herr ... seien verpflichtet, erneut eine zeitlich befristeteÜbertragung der Position als Solo-Cellist zu vereinbaren.
Wegen des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Parteivorbringens, wie es inerster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteilseinschließlich der Inbezugnahmen und die Schriftsätze der Parteien verwiesen(§ 69 Abs. 3 ArbGG).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.02.2010 die Klage abgewiesen. Der Klägerhabe zwar einen Anspruch auf Inanspruchnahme der Elternzeit, allerdings jedochkeinen Anspruch auf Elternteilzeit. Dem stünden dringende betriebliche Gründe derBeklagten entgegen. Aus den vom Kläger zugeleiteten Schriftsätzen sei nicht eindeutigersichtlich, ob er Elternzeit oder eine Teilzeitbeschäftigung verlange. DieKammer habe versucht, dem teilweise in sich widersprüchlichen Begehren desKlägers zu folgen und sei zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger Elternzeit mitAnspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit gemäß § 15 BEEG von der Beklagtenverlange. Das unternehmerische und künstlerische Konzept, nur einen Arbeitneh7mer/in als Solomusiker und damit als Stimmführer/-in in der jeweiligen Musikgruppedes Orchesters zu beschäftigen, sei insbesondere deshalb anzuerkennen, weil derSolomusiker/ die Solomusikerin für die jeweilige Orchestergruppe deren Spiel vorzugebenhabe. Dieses Konzept führe die Beklagte unstreitig durch. Weder der Intendantnoch der Chefdirigent der ... wünschten den Einsatz von zwei Stimmgeberneiner Orchestergruppe, weil dadurch die Qualität der Ausführungen bei unterschiedlichenAuffassungen von zwei Stimmgebern einer Orchestergruppe gefährdetwerde. Das betriebliche Interesse des Orchesters, für jede Orchestergruppe nur einenStimmführer vorzuhalten, verdiene den Vorrang. Insoweit seien die Auffassungendes Intendanten und des Chefdirigenten der ... zu berücksichtigen, welche dafürzu sorgen hätten, ein optimales Klangergebnis des Orchesters zu erreichen.
Gegen das dem Kläger am 26.02.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 11.02.2010 richtet sich die am 09.03.2010 eingelegte und begründete Berufung.
Unter Wiederholung des wesentlichen erstinstanzlichen Vorbringens hat der Klägerbei weiterer Vertiefung der rechtlichen Auseinandersetzung vorgetragen, das Arbeitsgerichthabe fehlerhaft den Anspruch des Klägers verneint. Unzutreffend habedas Arbeitsgericht das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe für die Ablehnungdes Elternteilzeitbegehrens des Klägers angenommen. Es könne dahinstehen, obals dringender betrieblicher Grund bereits die theoretische Möglichkeit ausreichenwürde, zwei Stimmführer, die bisher seit vielen Jahren harmonisch an einem Stranggezogen haben, könnten sich nun auf einmal innerhalb eines Jahres künstlerischentzweien. Nochmals sei darauf hinzuweisen, dass auch bei Beschäftigung desKlägers in Vollzeit etwa ein Viertel bis ein Drittel der Dienste, der anfallenden Probenund Vorstellungen regulär vom Stellvertreter besetzt würden. Durch die Elternteilzeitwürde sich diese Anzahl lediglich mathematisch halbieren. Schließlich habedie Beklagte auch während der Elternzeit des Klägers bei seinem ersten Kind seineVollzeitstelle mit zwei befristet eingestellten Teilzeitmusikern besetzt.
Auch der dem Kläger durch Verweigerung der Elternteilzeit entstandene Schadenersatzanspruchsei festzustellen. Ihm seien Kinderbetreuungskosten entstanden.Der dem Kläger entstandene „Vermögensvorteil" wegen seiner Vollzeittätigkeitnach Ablehnung seines Elternteilzeitantrages könne nicht mit dem entstandenenSchaden saldiert werden.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zunächst beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger sich bei der Beklagten im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 sich in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %,
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 50 % im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011.
Hilfsweise
im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuzustimmen.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger(in dem jeweils genannten Zeitraum) Elternzeit mit einerVerringerung seiner Arbeitszeit auf 50 % zu gewähren. DenRechtstreit zu Ziff. 1 hat der Kläger für erledigt erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, demKläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die mangelsrechtzeitiger antragsgemäßer Verringerung seiner Arbeitszeitanfallenden Kinderbetreuungskosten entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden beruhe auf keiner Rechtsverletzung. DerKläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Elternteilzeit bzw. auf Feststel7lung etwaiger Schadenersatzansprüche. Auch unter Berücksichtigung der ab dem01.01.2010 geltenden Fassung der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 3 TVK sei die Beklagteberechtigt, das klägerische Elternteilzeitverlangen zu verweigern. Danach dürftenin der Instrumentengruppe Cello höchstens zwei Planstellen in Teilzeit beschäftigtwerden. Diese seien bereits durch die Herren ... und ... besetzt. Zudem sei das Antragsverhaltendes Klägers widersprüchlich und genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen.Die vom Kläger geltend gemachten Feststellungsanträge seien bereitsunzulässig. Es fehle an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Angesichts dergesetzlichen Ausgestaltung des § 16 Abs. 3 BEEG stünde dem Kläger lediglich einGestaltungsrecht zu. Allerdings bedürfe die Verlängerung der Elternzeit der Zustimmungdes Arbeitgebers. Einen Schadenersatzanspruch könne der Kläger nichtgeltend machen, da er durch die Vollzeittätigkeit bereits ein höheres Einkommenerzielt habe und dieses damit auch gegen einen etwaigen Schaden, der zu bestreitensei, zu verrechnen wäre. Darüber hinaus stünden die tarifvertraglichen Ausschlussfristendem Anspruch entgegen. Die vom Kläger nunmehr hilfsweise erhobene„Fortsetzungsfeststellungsklage" sei abzuweisen, da sie im arbeitsgerichtlichenVerfahren unzulässig sei und ihr ebenso das Rechtsschutzbedürfnis fehle.Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird aufden Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
I.
Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß der §§ 66 Abs. 1,64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründetworden. Sie ist somit zulässig.
II.
1. In der Sache hat die Berufung überwiegend Erfolg. Soweit die Parteien überein Elternteilzeitverlangen des Klägers für die Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011streiten, war die Klage sowohl zulässig als auch begründet. Dem grundsätzlich zustimmungsfreienElternzeitverlangen des Klägers für das dritte Lebensjahr des Kindesstehen auch hinsichtlich der begehrten Elternteilzeit keine dringenden betrieblichenGründe entgegen. Nach der insoweit einseitigen Erledigungserklärung desKlägers war die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen. DieSchadenersatzfeststellungsklage ist bereits unzulässig. Die insoweit gegen die Klageabweisunggerichtete Berufung ist daher erfolglos.
2. Die Schadenersatzfeststellungsklage ist unzulässig.
2.1 Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oderNichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger einrechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidungalsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nachdieser Vorschrift muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens- auch noch in der Revisionsinstanz - gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amtswegen zu prüfen (BAG 26.09.2002 - 6 AZR 523/00 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 73 =EzA ZPO § 256 Nr. 67, zu I. 2. der Gründe). Grundsätzlich ist einer LeistungsklageVorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt, wenn der Kläger den Anspruchbeziffern kann (vgl. BAG 01.10.2002 - 9 AZR 298/01 -, zu I. der Gründe, zitiertnach Juris).
2.2 Die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage liegen hier nicht vor. DerKläger hat sich im Rahmen des Verfahrens lediglich auf Schadenersatzansprüchewegen zu erstattender Kinderbetreuungskosten berufen. Da der Zeitraum des Elternzeitbegehrensam 20.02.2011 beendet war, hätte der Kläger ohne weiteres seineKlageansprüche beziffern können. Trotz eines entsprechenden Hinweises derKammer mit Beschluss vom 05.04.2011 (Bl. 350 d. A.), auf den vorliegend zurVermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat der Kläger ausdrücklichauf die Bezifferung eines Schadenersatzanspruchs verzichtet und die Entscheidungüber die Zulässigkeit der Schadenersatzfeststellungsklage anheimgestellt.
3. Im Übrigen ist die Berufung erfolgreich. Die Voraussetzungen zur Gewährungder Elternteilzeit im dritten Lebensjahr des Kindes für die Zeit vom 21.02.2011 bis20.02.2011 haben vorgelegen. Dem Antrag des Klägers auf Verringerung der Arbeitszeitwährend der Elternzeit haben keine dringenden betrieblichen Gründe entgegengestanden.Die insoweit erhobene Klage auf Zustimmung der Beklagten zurVerringerung der Arbeitszeit auf 50 % der tariflichen Arbeitszeit war sowohl zulässigals auch begründet. Wegen der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers war,da entsprechende Tatsachen für die Erledigung vorliegen festzustellen, dass derRechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
3.1 Im Rahmen des Klageverfahrens ist anerkannt, dass bei einer einseitigen Erledigungserklärungan die Stelle des ursprünglichen Klageantrags regelmäßig einSachantrag tritt, gerichtet auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsacheerledigt ist, soweit die Klage ursprünglich zulässig und begründet war unddurch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGHNJW 1992, 2235).
3.2 Die Feststellungsklage ist auch begründet, da unbestrittene Tatsachen vorliegen,die ein erledigendes Ereignis über den in der Hauptsache bestehenden Streitherbeigeführt haben.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Kammer am 08.04.2011 wares dem Kläger verwehrt, wegen der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes... am 20.02.2011 noch Elternzeit in Anspruch nehmen zu können. Sein Begehrenauf Elternzeitverlangen hatte sich somit wegen des Alters des Kindes und damitdurch Zeitablauf erledigt.
3.3. Die auf das Elternteilzeitverlangen gerichtete Klage auf Zustimmung des Arbeitgebers und damit auf die Abgabe einer Willenserklärung war auch zulässig und begründet.
a) Der Klageantrag ist auch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, soweit der Kläger fürdie Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 die Zustimmung zur Elternteilzeit mit 50 %der tariflichen Arbeitszeit geltend gemacht hat, hinreichend bestimmt und damit zulässig.Spätestens mit der Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom01.12.2009 an die Beklagte am 04.12.2009 war sowohl für den Haupt- als auch denHilfsantrags ersichtlich, dass der Kläger in erster Linie Elternzeit vom 21.02.2010bis zum 20.02.2011 mit Verringerung der Arbeitszeit auf 50 % verlangt. Der Bestimmtheitdes Klageantrags steht nicht entgegen, dass er die Verringerung seinerArbeitszeit um die Hälfte der Dienste eines vollbeschäftigten Orchestermusikersbegehrt. Damit ist die erstrebte Willenserklärung genau bezeichnet. Der Kläger hatdabei lediglich die verringerte Höchstgrenze des § 12 Abs. 2 TVK i. V. m. § 3 Abs.3 TVK einzuhalten, wonach Teilzeitarbeit nur dann zulässig ist, wenn der Musikerhöchstens die Hälfte der im Ausgleichszeitraum anfallenden Dienste verrichtet. DieBefugnis des Arbeitgebers, die Verteilung der Arbeitszeit selbst zu bestimmen, istGegenstand des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts (vgl. BAG 27.04.2009 - 9AZR 522/03 - = BAGE 110, 232 - 243).
b) Der Kläger war danach auch nicht verpflichtet, die Verteilung der wöchentlichenArbeitszeit in seinem Antrag anzugeben. Der Kläger durfte die Verteilung derwöchentlichen Arbeitszeit bzw. der Arbeitszeit im tariflichen Ausgleichszeitraum derAusübung des Weisungsrechts der Beklagten nach billigem Ermessen überlassen(§ 106 Satz 1 GewO i. V. m. § 315 Abs. 1 BGB). Die gewünschte Verteilung derverringerten Arbeitszeit soll nach § 15 Abs. 7 Satz 3 BEEG zwar im Antrag angegebenwerden. Der Arbeitnehmer ist dazu aber nicht verpflichtet (BAG, Urteil vom15.12.2009 - 9 AZR 72/09 - EzA § 15 BErzGG Nr. 18 = NZA 2010, 447 - 452). Insgesamtgenügt damit der Antrag des Klägers den Bestimmtheitsanforderungen, wiesie im Allgemeinen bei Vertragsanträgen i. S. v. § 145 BGB gestellt werden. Mithinmuss der Antrag so formuliert sein, dass er durch ein schlichtes „Ja" angenommenwerden kann (vgl. BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - BAGE 126, 276 - 286). DieseVoraussetzungen liegen vor.
c) Die Klage war auch begründet.
aa) Die Anspruchsvoraussetzungen der Elternzeit nach § 15 Abs. 1 BEEG liegenhier vor. Danach haben Arbeitnehmer bis zur Vollendung des dritten Lebensjahresdes Kindes Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit ihrem Kind in einem Haushalt lebenund dieses Kind selbst betreuen und erziehen. (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Diein § 16 BEEG geregelten Antragsfristen sind zudem gewahrt. Wer Elternzeit beanspruchenwill, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeberverlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zweiJahren Elternzeit genommen werden soll. Mangels einer eigenständigen Regelungwird bei einem Elternzeitverlangen für das dritte Lebensjahr des Kindes von diesergesetzlichen Frist auszugehen sein. Diese Frist ist mit dem beabsichtigten Beginnder Elternzeit für den 21.02.2010 auch gewahrt. Das formwirksame Elternzeitverlangeni. S. v. § 15 Abs. 7 BEEG kann auch, wie hier, in der Klageschrift enthaltensein (LAG Rheinland-Pfalz, 13.09.2007 - 11 Sa 244/07 - zitiert nach Juris)
bb) Die Geltendmachung der Elternzeit durch den Kläger für das dritte Jahr nachder Geburt des Kindes im Anschluss an die Elternzeit innerhalb der ersten zweiJahre stellt wiederum die Geltendmachung einer Elternzeit i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz1 BEEG dar und ist keine zustimmungsbedürftige Verlängerung.
aaa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat der Arbeitnehmer mit seinem schriftlichenVerlangen zugleich zu erklären, für welche Zeiten er „innerhalb von zwei Jahren"Elternzeit nehmen wird. Diese Anforderung ist dahin zu verstehen, dass der Arbeitnehmerden Zwei-Jahres-Zeitraum „mindestens" abdecken muss. Sie trägt dem Interessedes Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilteElternzeit hinter diesem Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerungder Elternzeit daher nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen (§ 16 Abs. 3Satz 1 BEEG) und gegen dessen Willen nur dann, wenn ein vorgesehener Wechselin der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 16Abs. 3 Satz 4 BEEG; vgl. BAG 19.04.2005 - 9 AZR 233/04 - BAGE 114, 206 bis218).
Die Vorschrift hindert den Arbeitnehmer jedoch nicht daran, von vornherein den gesamtenin Betracht kommenden Zeitraum bis zur Vollendung des dritten Lebensjahresdes Kindes abzudecken. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen,ein solches Verlangen wäre unwirksam oder es würde den Arbeitnehmer nur biszum Ablauf von zwei Jahren binden. Die Verkürzung des anzugebenden Zeitraumsvon vormals drei Jahren Erziehungsurlaub auf nunmehr zwei Jahre Elternzeit dientder besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Gesetzgeber hat mit ihr denInteressen von Eltern Rechnung getragen, die oft bei der Geburt eines Kindes Umfangund Dauer der erforderlichen Kindesbetreuung nicht abschätzen können. DieRegelung beruht außerdem auf der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, das dritteJahr der Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers auf einen Zeitpunkt nachVollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zuübertragen (§ 15 Abs. 2 Satz 4 BEEG). Unabhängig von der Bindungswirkung desGesetzes für die Dauer von zwei Jahren besteht der gesetzliche Elternzeitanspruchnach § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres. DieseElternzeit kann der Kläger, ohne die innerhalb für den Zwei-Jahres-Zeitraum geltenden„Verlängerungsregeln" zu beachten, geltend machen (vgl. ArbG Frankfurt22.04.2010 - 20 Ga 78/10 - = NZA-RR 2010, 487 bis 488; ArbG Düsseldorf29.09.2010 - 4 Ca 4023/10 - zitiert nach Juris).
Nach der gesetzlichen Konzeption ist der Arbeitnehmer zur Durchsetzung seinesAnspruchs auf Elternzeit auf keine Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. Mitdem form- und fristgerechten Verlangen nach Elternzeit (§ 16 Abs. 1 BEEG) werdendie beiderseitigen Hauptpflichten in den vom Arbeitnehmer angegebenen Zeiträumensuspendiert. Sein Interesse an Betreuung und Erziehung des Kindes istgegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an einer ungestörten Fortführung desArbeitsvertrages vorrangig. Dementsprechend sind die Vorschriften über die Elternzeitunabdingbar (§ 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG). Die dem Arbeitnehmer zur Verfügungstehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Elternzeit sind nicht unerheblich. Er mussdie Inanspruchnahme der Elternzeit zwar rechtzeitig ankündigen und dabei mitteilen,für welchen Zeitraum innerhalb von zwei Jahre er Elternzeit nimmt. Im Übrigenkann er aber frei entscheiden, ob er die Elternzeit für einen kürzeren oder einenlängeren Zeitraum bis hin zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindesnimmt. Es ist ihm auch überlassen, ob er § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG ausschöpft undzwischen Elternzeit, aktiver Zeit und erneuter Elternzeit wechselt. Der Arbeitgeberhat jede dem Gesetz entsprechende Entscheidung des Arbeitnehmers zu respektieren.Von ihm wird erwartet, dass er die mit einer elternzeitbedingten Abwesenheitdes Arbeitnehmers verbundenen betrieblichen Schwierigkeiten bewältigt und er dieaus seiner Sicht erforderlichen Überbrückungsmaßnahmen trifft. Das gilt grundsätzlichauch für Beeinträchtigungen, die eine vom Arbeitnehmer während der Elternzeitgewünschte Teilzeitarbeit (Elternteilzeit) mit sich bringt, wie § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4BEEG verdeutlicht. Der Arbeitgeber kann den Verringerungswunsch lediglich ausdringenden betrieblichen Gründen ablehnen, während der allgemeine Verringerungsanspruchdes § 8 TzBfG schon aus „betrieblichen" Gründen abgelehnt werdenkann. Nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG setzt der Anspruch auf Verringerungder Arbeitszeit während der Elternzeit das Fehlen entgegenstehender dringenderbetrieblicher Gründe voraus. An das objektive Gewicht der Ablehnungsgründesind erhebliche Anforderungen zu stellen, wie der Begriff „dringend" verdeutlicht.Mit ihm wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlichoder auch sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessenmüssen mithin von erheblichem Gewicht sein. Sie müssen sich gleichsam als zwingendeHindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen (BAG05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - BAGE 123, 30 - 40 = AP Nr. 49 zu § 15 BErzGG).
Geht es um die sog. Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes oder die Vereinbarkeit dergewünschten Teilzeitarbeit mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen, sind die Tatsachenvorzutragen, die dem vom Senat für die „betrieblichen" Ablehnungsgründei. S. v. § 8 TzBfG entwickelten Prüfungsschema entsprechen. Dies ergibt sich ausder vergleichbaren Interessenlage (BAG 18.05.2004 - 9 AZR 319/03 - RN 122,BAGE 110, 356 bis 372).
Das betriebliche Organisationskonzept und daraus abgeleitete Arbeitszeitregelungensind dagegen regelmäßig ohne Bedeutung, wenn der Arbeitgeber geltendmacht, er habe für den Arbeitnehmer „keine Beschäftigungsmöglichkeit". Es gehtdann nicht um die Harmonisierung von Verringerungswunsch und betrieblichen Abläufen.Angesprochen ist vielmehr die vorübergehende Beschäftigung des Arbeitnehmersin Elternzeit mit verringerter Arbeitszeit an sich, statt seines weiteren vollständigenEinsatzes mit der Arbeit bis zum Ende der Elternzeit.
bbb) Die allgemeinen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeitnach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 BEEG sind erfüllt. Die Beklagtebeschäftigt i. d. R. mehr als 15 Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis bestand imZeitpunkt der Antragstellung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate. Die regelmäßigeArbeitszeit soll für die Dauer eines Jahres auf 50 % der regelmäßigenArbeitszeit reduziert werden.
ccc) Der Vortrag der Beklagten genügt bereits nicht den Anforderungen an „betrieblicheGründe" die zur Verweigerung einer Teilzeitbeschäftigung nach § 8 Abs. 4Satz 1 und 2 TzBfG ausreichen. Ein betrieblicher Grund liegt vor, wenn die Verringerungder Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit imBetrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Esgenügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betrieblicheGründe sind hier nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichendgewichtig sein. Ob solche Gründe zur Ablehnung berechtigen, ist nach einemdreistufigen Prüfungsschema zu beurteilen. In der ersten Stufe ist festzustellen,ob überhaupt und wenn ja welches betriebliches Organisationskonzept der vomArbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzeptist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellungim Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzeptdie Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeitseines Vortrags ist uneingeschränkt überprüfbar. Die dem Organisationskonzeptzugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleitetenorganisatorischen Entscheidungen sind hinzunehmen, soweit sie nicht willkür7lich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlichim Betrieb durchgeführt wird.
In der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangendes Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch derFrage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichenAbläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angeseheneArbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellenArbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers in Einklang gebracht werdenkann.
Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen eines Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischenKonzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmunggebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehendenbetrieblichen Gründe zu prüfen: Werden durch die vom Arbeitnehmergewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderenbetrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihmzugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt?(BAG 27.04.2004 - 9 AZR 522/03 - a. a. O.). In der in Bezug genommenen Entscheidunghatte das Bundesarbeitsgericht gleichfalls über das Teilzeitbegehren einerOrchestermusikerin zu befinden und hat dabei vergleichbar wie im vorliegendenRechtsstreit die „Konzeption der Homogenität des Orchesters", mit der sichergestelltwerden soll, dass die vollzeitbeschäftigten Musiker sich in den Proben undVorstellungen aufeinander einspielen und damit die Klangkultur und den Qualitätsanspruchdes Orchesters erhalten, nicht ausreichen lassen. Es sei nicht ausreichenddargelegt, dass dieses Konzept durch die verlangte Teilzeitarbeit des Klägersbeeinträchtigt werde. Auch der Vortrag, der Erhalt des künstlerischen Niveaussei nur durch kontinuierliches Üben möglich, sei einleuchtend, aber substanzlos.Denn der Kläger kann und wird auch wie bisher als Teilzeitkraft kontinuierlich üben.Die Beklagte habe auch im Übrigen keine konkreten Angaben dazu gemacht, wieviele Stunden ein Musiker aus einer Orchestergruppe - vorliegend der Cellisten -mit einer entsprechenden Qualifikation - hier eines Solomusikers - täglich spielenmuss, um für die ... das erforderliche künstlerische Niveau zu halten. Zwar könnenauch grundsätzlich künstlerische Belange Dritter dem Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmersentgegenstehen. Allerdings habe die Beklagte, wie auch im vorliegendenFall, solche Einschränkungen der Kunstfreiheit nicht dargetan (vgl. hierzu BAG27.04.2004 - 9 AZR 522/03 - Rdnr. 58).
ddd) Gemessen daran hat die Beklagte zur Rechtfertigung der Ablehnung des Elternteilzeitverlangensweder betriebliche noch dringende betriebliche Gründe vorgetragen.Die künstlerische und organisatorische Werthaltigkeit der Tätigkeit desOrchesters ist dabei zweifelsfrei ebenso anzuerkennen wie das darauf gerichteteEngagement des Intendanten und des Chefdirigenten der ... Allerdings gehen dievon der Beklagten vorgebrachten Argumente, die das Elternteilzeitverlangen desKlägers haben ausschließen sollen, nicht über allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungenhinaus. Die Interessen des Klägers an der Gewährung der Elternteilzeitüberwiegen.
Dies lässt sich bereits damit begründen, dass das auf das Arbeitsverhältnis anzuwendendeund von den Parteien gelebte tarifliche Arbeitszeitregime mit sich bringt,dass der Kläger selbst im Falle seiner Vollbeschäftigung nicht alle bei der Beklagtenanfallenden Dienste leisten kann. Ausfallzeiten wegen Krankheit und Urlauboder auch wegen Elternzeit ohne Teilzeit wären nach dem normalen Lauf der Dingeim Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich zu berücksichtigen. Die Beklagteübersieht bei ihrer Argumentation, dass sie die vorgetragenen Nachteile in einemweitaus größeren Umfang erleiden würde, wenn der Kläger seine Elternzeit ohneElternteilzeit beanspruchen würde. Anders formuliert, sollte die Beklagte bei denvon ihr selbst vorgegebenen qualitativ hohen und künstlerischen Zielen doch frohsein, dass der Kläger nicht zu 100 %, sondern lediglich zu 50 % der geschuldetenArbeitszeit ausfällt. Eine vollständige Homogenität des Klangbildes des Orchesterswird, bei der Vielgestaltigkeit der sich auf die Arbeitszeit auswirkenden Faktoren,nie zu erreichen sein.
cc) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Protokollnotiz zu § 3 Abs.3 TVK berufen. Diese Regelung entfaltet, da sie in zwingendes Gesetzesrecht eingreift,keine Wirkung.
aaa) Bei der durch Tarifnormen erfolgenden Ausgestaltung der Rechte und Pflichtender Tarif unterworfenen Arbeitsvertragsparteien sind die Tarifvertragsparteiengrundsätzlich frei. Der Staat enthält sich in diesem Betätigungsfeld grundsätzlicheiner Einflussnahme und überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- undWirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen, die sie autonom durchVereinbarung treffen (BVerfG 24.04.1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 = APHRG § 57 a Nr. 2, zu C. I. 1. der Gründe).
Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist allerdings nicht schrankenlos.Sie findet ihre Grenzen u. a. an entgegenstehendem zwingendem Gesetzesrecht(allgem. Auff. in Rechtspr. u. Schrifttum, vgl. etwa BAG 18.10.1994 - 1 AZR 503/93- AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I. 3. b derGründe).
Gleiches gilt für gesetzesvertretendes Richterrecht, soweit dieses nicht tarifdispositivist, sondern ihm zwingender Charakter zukommt. Dies ist der Fall, wenn dasRichterrecht zur Verhinderung der Umgehung von zwingendem Gesetzesrecht oderin Befolgung einer dem Gericht obliegenden verfassungsrechtlichen Schutzpflichtentwickelt worden ist. Dabei ist der durch die Tarifautonomie den Tarifvertragsparteienverliehene Schutz gegen staatliche Beschränkungen dort am stärksten, woeine Materie, wie etwa bei den Löhnen und den anderen materiellen Arbeitsbedingungen,aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt wird(BVerfG 24.04.1996 - 1 BvR 712/86 - a. a. O., zu C. III. 1. der Gründe). In Fragendes Bestandsschutzes und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist dies wenigerder Fall. Zwar gibt es auch in diesem Bereich häufig tarifvertragliche Regelungen.Dennoch ist hier bereits aus ebenfalls verfassungsrechtlichen Gründen einnicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehender Mindestschutz der Arbeitnehmerunverzichtbar (BAG 18.10.1994 - 1 AZR 503/93 - AP BGB § 615 Kurzar7beit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I. 3. b der Gründe). Der Anspruchüber die Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG und § 15 Abs. 7 BEEG sindzwingendes Gesetzesrecht (vgl. hierzu BAG 21.11.2006 - 9 AZR 138/06 - EzA-SD207 Nr. 9).
bbb) In diesen Anwendungsbereich greift die tarifliche Regelung über die Quoteder Teilzeitbeschäftigung in rechtswidriger Weise ein. Sie bleibt daher in diesemZusammenhang unanwendbar. Eine Öffnungsklausel beinhaltet das hier anzuwendendeGesetz nicht. Ob die Beklagte darüber hinaus in der Lage und verpflichtetwar, einen tarifgerechten über die Orchestergruppe hinausgehenden Ausgleich, derfür das Orchester bestehenden Gesamtquote zu schaffen, kann damit offenbleiben.
dd) Die Beklagte kann sich unter den genannten Voraussetzungen auch nicht auf§ 20 TVK in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung berufen. Unabhängig davonhat die Beklagte nicht im Ansatz erläutert, weswegen ihr der Abschluss von bislangpraktizierten befristeten Regelungen zur Übertragung der Tätigkeit des Solo-Cellisten nicht zugemutet werden kann. Aber auch davon unabhängig wäre es Sacheder Beklagten, für den Fall eine Lösung anzustreben bzw. zu entwickeln, wennder Kläger seine Elternzeit ohne Teilzeitverlangen geltend gemacht hätte. Allein dieBehauptung, dass weder ihr noch von dem Vertreter Herrn ... befristete Regelungennicht erwartet werden könnten, stellt keinen einlassungsfähigen Vortrag dar,zumal der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass die Cellistengruppe, der Orchestervorstandund der Personalrat mit Lösungen „einverstanden" waren, die esdem Kläger ermöglicht hätten, Elternteilzeit in Anspruch nehmen zu können. Diesdürfte die Bereitschaft des Herrn ..., der in der Vergangenheit die Vertretung desKlägers auch während der Elternzeit übernommen hat, einschließen.
Unter den gegebenen Umständen war daher das Urteil des Arbeitsgerichts teilweiseabzuändern und die Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache festzustellen.Hinsichtlich der Schadenersatzfeststellungsklage war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10 zu tragen.
IV.
Die Zulassung der Revision erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 a ArbGG.
chtsmittel gegeben.