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Arbeitsrecht
07.06.2023
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Prozesskostenhilfe – Beendigung der Instanz – Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO

LAG Nürnberg, Beschluss vom 4.4.2023 – 7 Ta 31/23

Volltext: BB-Online BBL2023-1395-5

Amtlicher Leitsatz

PKH kann nur gewährt werden, wenn vor Beendigung der Instanz ein formwirksamer Antrag einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gericht eingegangen ist. Bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO ist die Instanz nicht beendet mit der Unterschrift unter den Beschluss, sondern erst, wenn der Beschluss den inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts verlassen hat.

 

Aus den Gründen

A. Der Kläger beantragte mit der Zahlungsklage Prozesskostenhilfe und kündigte die Vorlage der PKH-Erklärung nebst Belegen in Kürze an. Mit Schreiben vom 19.01.2023 teilte der Kläger eine außergerichtliche Einigung mit und bat um Vergleichsprotokollierung im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag bat er um Fristsetzung zur Einreichung von PKH-Erklärung und Belegen bis 28.02.2023. Eine entsprechende Verlängerung der Frist erfolgte nicht.

Nach Zustimmung des Beklagtenvertreters stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 26.01.2023 den Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO fest.

Am 29.01.2023 ging die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.01.2023, ein Begleitschreiben vom 29.01.2023 und Belege bei Gericht ein.

Am 30.01.2023 ging der Beschluss vom 26.01.2023 in den Auslauf, dem Kläger nach seiner Einlassung zugegangen am 30.01.2023.

Mit Beschluss ebenfalls vom 30.01.2023 wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, dem Kläger zugegangen am 31.01.2023. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf die Erledigung des Verfahrens mit dem Beschluss vom 26.01.2023 am 26.01.2023 und den verspäteten Eingang der Unterlagen erst am 29.01.2023 und damit nach Abschluss des Verfahrens.

Der Kläger legte dagegen am 18.02.2023 sofortige Beschwerde ein, der das Erstgericht mit Beschluss vom 09.03.2023 nicht abhalf und diese dem LAG Nürnberg zur Entscheidung vorlegte. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf den Abschluss des Verfahrens am 26.01.2023, den Eingang des vollständigen Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erst danach am 29.01.2023 und einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht des Klägers der allgemeinen Handlungsfreiheit bei einer gerichtlichen Entscheidung über seinen Fristverlängerungsantrag vom 19.01.2023. Der Kläger macht in der Stellungnahme vom 31.03.2023 weiter geltend, das Verfahren sei erst mit Zustellung des Beschlusses über den Vergleich abgeschlossen.

B. 1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt nach § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Erstgericht durfte den Prozesskostenhilfeantrag nicht mit der Begründung zurückweisen, dieser sei erst nach Abschluss des Verfahrens gestellt. Das Erstgericht muss nunmehr über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden.

Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen:

Noch zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen bereits abgeschlossenen Rechtsstreit nicht in Betracht kommt. Prozesskostenhilfe kann nur für eine beabsichtigte Prozessführung, nicht aber für einen bereits abgeschlossenen Prozess bewilligt werden kann.

Prozesskostenhilfe kann rückwirkend und sogar noch nach Abschluss des Verfahrens bewilligt werden, wenn der Antragsteller noch während des Hauptsacheverfahrens alles ihm Zumutbare getan hat, um eine Bewilligungsentscheidung herbeizuführen, sein Antrag aber noch nicht verbeschieden worden ist, oder wenn er schuldlos notwendige Bewilligungsunterlagen nicht mehr rechtzeitig einreichen konnte. Die Rückwirkung kann jedoch nicht weiter als zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus nach § 117 ZPO die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen hat.

Die entsprechenden Unterlagen hat der Kläger hier am 29.01.2023 bei Gericht eingehend eingereicht. Auf den Antrag vom 19.01.2023 auf entsprechende Verlängerung der Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 28.02.2023 kommt es nicht an. Eine Frist, die verlängert hätte werden können, war vom Gericht nicht gesetzt worden. Auf die Begründung des Gerichtes, der Antrag sei nicht verbeschieden worden im Hinblick auf einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht des Klägers der allgemeinen Handlungsfreiheit, kommt es ebenso wenig an.

Zum dem Zeitpunkt des Eingangs der Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag des Klägers am 29.01.2023 war der Rechtsstreit der Parteien noch nicht abgeschlossen.

Das Erstgericht hat bereits durch Beschluss vom 26.01.2023 das Zustandekommen eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Damit war der Rechtsstreit aber noch nicht abgeschlossen.

Das Gericht schließt sich insoweit der zutreffenden Auffassung der 2. Kammer des LAG Nürnberg an wie folgt:

„Die Instanz endet durch Endentscheidung, Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels, übereinstimmende Erledigungserklärung oder Vergleich (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 117 ZPO Rn. 2 b). Maßgebend für die Frage der Beendigung der Instanz ist bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht der Zeitpunkt der Zustellung oder sonstigen schriftlichen Bekanntgabe, sondern der Zeitpunkt des Existentwerdens des Beschlusses. Existent wird ein Beschluss, wenn er aus dem inneren Geschäftsbetrieb hinausgegeben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt ist der gerichtliche Beschluss nicht mehr abänderbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 319, Rn. 7 und Rn.10 m.w.N.). Deshalb ist das Datum der Unterschrift bei Erlass von Beschlüssen im schriftlichen Verfahren ebenso wenig maßgebend (vgl. BayObLG Rpfleger 1981, 144) wie der Zeitpunkt des Wirksamwerdens (bei formlosen Beschlüssen strittig: Hinausgabe aus dem Geschäftsbetrieb oder Mitteilung an eine oder beide Parteien, vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O. Rn. 7 und Rn.19 ff). Eine etwaige Zustellung ist auch deshalb nicht entscheidend, da der den Vergleich beinhaltende Feststellungsbeschluss des Gerichts keine von Amts wegen zuzustellende Entscheidung im Sinne des § 329 Abs. 3 ZPO darstellt, LAG Nürnberg, Beschluss vom 25.02.2013 – 2 Ta 24/13 –, Rn. 16.“

Nach anderer Auffassung ist das Verfahren erst mit Zustellung des Feststellungsbeschlusses abgeschlossen, LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.06.2021 - 1 Ta 46/21 –, Rn. 13.

Der Meinungsstreit kann dahingestellt bleiben. Hier wurde der Beschluss vom 26.01.2023 erst am 30.01.2023 ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle (Bl. 36 RS der Akte) an den Kläger versandt, mithin bekannt gegeben. Das Verfahren war mithin am 29.01.2023 noch nicht abgeschlossen.

Das Arbeitsgericht wird nunmehr über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden haben.

3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.

4. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

 

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