LAG Düsseldorf: Prozessbetrug bei Zugangsvereitelung im Kündigungsschutzprozess
LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.8.2017 – 3 Sa 348/17
ECLI:DE:LAGD:2017:0815.3SA348.17.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1012-1
Amtliche Leitsätze
1. Solange die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht feststeht, weil der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung erhoben hat und über diese noch nicht rechtskräftig entschieden ist, dürfte ein Arbeitnehmer auch im gekündigten Arbeitsverhältnis jedenfalls dann verpflichtet sein, seinem bisherigen Arbeitgeber Anschriftenänderungen unverzüglich mitzuteilen, wenn er mit dem Zugang weiterer rechtserheblicher Erklärungen rechnen muss. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn in dem noch laufenden Kündigungsschutzverfahren eine erneute Kündigungsabsicht mitgeteilt wird und mithin mit dem Zugang einer weiteren rechtserheblichen Erklärung zu rechnen ist.
2. Selbst bei schweren Sorgfaltspflichtverstößen kann der Arbeitnehmer als Adressat einer neuerlichen Kündigungserklärung in Anwendung der Grundsätze der Zugangsvereitelung bzw. treuwidrigen Zugangsverzögerung regelmäßig aber nur dann so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung des Arbeitgebers zu einem früheren Zeitpunkt erreicht, wenn der Arbeitgeber seinerseits alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten fristgerecht erreicht. Hierfür trägt derjenige, der sich auf den fristgerechten Zugang beruft, hier also der erneut kündigende Arbeitgeber, die Darlegungs- und Beweislast.
3. Ist Arbeitgeber eine Kommune und hat der Arbeitnehmer eine Anschriftenänderung zwar nicht der Personalabteilung gemeldet, jedoch unter Beachtung seiner Meldepflichten dem bei seinem Arbeitgeber bestehenden Einwohnermeldeamt, ist dem Arbeitnehmer eine Zugangsverzögerung nicht nach Treu und Glauben zuzurechnen, wenn der Arbeitgeber nach einem erfolglosen Zustellversuch unter der nicht mehr aktuellen Anschrift am letzten Tag der 2-Wochen-Frist nicht alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der neuen Anschrift ausschöpft, um den Zugang der Kündigung noch innerhalb der Frist zu bewirken. Zu diesen Erkenntnismöglichkeiten gehört auch die Nachforschung bei dem eigenen Einwohnermeldeamt.
4. Stellt ein Arbeitnehmer in einem familiengerichtlichen Verfahren einen Sachverhalt unstreitig, bedeutet der Umstand, dass er ihn in einem späteren arbeitsgerichtlichen Verfahren streitig stellt, nicht automatisch, dass hier nun ein Prozessbetrug versucht wird. Die Verletzung der Wahrheitspflicht in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ist vielmehr weiterhin von dem wegen "Prozessbetrugs" kündigenden Arbeitgeber nachzuweisen, die von dem gekündigten Arbeitnehmer für den unterschiedlichen Sachvortrag konkret vorgebrachten Beweggründe sind zu widerlegen.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung mit Schreiben vom 12.02.2016.
Der am 16.12.1977 geborene Kläger ist bei der beklagten Stadt, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und bei der ein Personalrat gebildet ist, seit 01.06.2004 als Müllwerker gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.400,00 € beschäftigt. Er ist unverheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Beide Kinder leben jeweils bei ihrer Mutter.
Für die Tochter M. F. besteht eine Beistandschaft durch das Jugendamt der beklagten Stadt zur Geltendmachung bestehender Unterhaltsansprüche. Der Sohn B. des Klägers stand bei der Beklagten laufend im Sozialleistungsbezug, da der Kläger seinen Unterhaltsverpflichtungen ihm gegenüber nicht nachkam. Im Zeitraum von Mai 2013 bis Juni 2014 erhielt das Kind von der Beklagten ergänzende Sozialhilfeleistungen in Höhe von 3.166,80 €. Die Zustellungen der diesbezüglichen Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013, des Mahnbescheides und des Vollstreckungsbescheides vom 22.08.2014 sind zwischen den Parteien streitig. Mangels fristgerechten Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid wurde dieser zunächst bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 20.10.2014 legte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten beim Amtsgericht Hagen (Mahngericht) Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumnis. Zur Glaubhaftmachung legte der Kläger eine von ihm unterzeichnete eidesstattliche Versicherung vor, in der er unter anderem ausschließt, dass Briefe seitens des Amtsgerichts Hagen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt worden seien. Mit Beschluss vom 06.02.2015 gewährte das für die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides nunmehr zuständige Amtsgericht Dinslaken/Familiengericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid. Der Antrag der Beklagten, den Vollstreckungsbescheid bezüglich der oben genannten Summe aufrechtzuerhalten, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dinslaken vom 04.09.2015 (Az.: 15 F 75/14) bis auf einen geringen Teilbetrag von 180,00 € mit der Begründung zurückgewiesen, sie sei für den Zugang der per Einschreiben übersandten Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 über die Sozialhilfegewährung und den Anspruchsübergang beweisfällig geblieben.
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Dinslaken legte die Beklagte Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Begründung ein, aus dem der Beklagten seit dem 14.10.2015 vorliegenden Aktenausdruck gemäß § 696 Abs. 2 ZPO ergebe sich unter anderem, dass ein Mitarbeiter der Deutschen Post AG am 26.08.2014 die Zustellung des Vollstreckungsbescheids an dem - seinerzeit aktuellen - Wohnsitz des Klägers in der I. straße 70 in E. vorgenommen habe (Blatt 104 der Akte). Das Beschwerdeverfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen II-8 UF 197/15 geführt.
Am 15.10.2015 informierte Herr Stadtrechtsrat L., der Leiter des Rechtsamtes der Beklagten, bei dem auch das Unterhaltsheranziehungsverfahren gegen den Kläger bearbeitet worden ist, die Personalabteilung über das Verhalten des Klägers im familiengerichtlichen Verfahren, den Erhalt der Unterlagen vom Mahngericht und seine rechtliche Einschätzung, was in der Folge zum Ausspruch einer arbeitgeberseitigen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger vom 21.10.2015 führte (Blatt 106 ff der Akte). Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Wesel zu dem Aktenzeichen 2 Ca 7/16.
Während des zu der Kündigung vom 21.10.2015 laufenden Kündigungsschutzprozesses fand am 16.12.2015 die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf in dem Beschwerdeverfahren II-8 UF 197/15 statt. Nachdem der Kläger eindringlich über die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Erklärung belehrt worden war, wurde er befragt. Im Protokoll des Oberlandesgerichts heißt es dann auszugsweise wie folgt (Blatt 112 ff der Akte):
"Auf Befragen des Senats erklärt der Antragsgegner ...: Ich habe im Jahr 2013 durchgehend in dem Haus I. straße 25 in E. gewohnt und bin von dort zu meiner jetzigen Anschrift I. straße 70 in E. verzogen. Das war nach meiner Erinnerung Mitte 2014.
(…)
Dem Antragsgegner wird die rechtswahrende Anzeige vom 27.05.2013 gezeigt ... .
Der Antragsgegner erklärt nach Einsicht:
Spontan würde ich sagen, ich habe dieses Schreiben bekommen.
Nach weiterer Lektüre:
Definitv ja.
Fast zeitgleich habe ich auch die erste Kündigung damals erhalten. Die ist per Boten zugegangen.
Herr L. erklärt dazu:
Kündigungen werden durch Mitarbeiter der Stadt als Boten dem Empfänger zugestellt.
(…)
Der Senat weist darauf hin, dass zur damaligen Zeit für ein Kind in der zweiten Altersstufe ein Mindestkindesunterhalt von 272 € zu zahlen war und dass eine weitergehende Forderung der Antragstellerin nicht begründet erscheint.
Daraufhin erklärt Herr L.:
Die Forderung wird auf einen Betrag von insgesamt 2.868,60 € zuzüglich der bereits feststehenden 180,00 € beschränkt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgenommen.
(…)
Der Senat teilt daraufhin mit, dass noch eine Restforderung von 2.868,60 € für die Monate Mai 2013 bis einschließlich Juni 2014 sowie der bereits feststehende Betrag von 180,00 €, in der Summe also 3.048,60 € berechtigt sind.
Daraufhin erklärt Rechtsanwalt T.:
Namens des Antragsgegners erkenne ich die Forderung in dieser Höhe an.
(…)"
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2016 (Blatt 136 ff der Akte) nahm der Kläger in dem Kündigungsschutzverfahren 2 Ca 7/16 vor dem Arbeitsgericht Wesel zur Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Stellung und erklärte, dass das Oberlandesgericht ebenfalls nicht von einer Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung zum Zwecke der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgegangen sei. Das OLG Düsseldorf habe keinerlei Anhaltspunkte für eine falsche eidesstattliche Versicherung des Klägers gesehen und dies auch in der mündlichen Verhandlung gesagt. Für das Oberlandesgericht sei die diesbezügliche Behauptung der Beklagten überhaupt kein Thema gewesen. Weiter wird in dem Schriftsatz vorgetragen, der Kläger habe gegenüber dem Senat bestätigt, ein Schreiben in der Art, wie es von der Gegenseite in der Unterhaltssache zur Akte gereicht worden sei, zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt erhalten zu haben. Weiter wird dann ausgeführt, ein wie auch immer gearteter Schaden sei und hätte durch das Verhalten des Klägers gar nicht eintreten können, da er für zwei Kinder unterhaltspflichtig und aufgrund der Höhe seines Einkommens beschränkt sei, was den Abzweigungsbetrag anbelange. Der von der Beklagten behauptete Schaden sei danach ein imaginärer, denn die Beklagte versuche in diesem Zusammenhang darüber hinweg zu täuschen, dass es offensichtlich bei der Beistandschaft für beide Kinder zu Fehlern gekommen sei. Die Abrechnungen der Personalabteilung seien teilweise nicht nachvollziehbar gewesen, so dass der Kläger davon ausgegangen sei, beide Kinder hätten entsprechende Beträge erhalten. Dies habe auch das Oberlandesgericht Düsseldorf so gesehen und dem Kläger ausdrücklich attestiert, sich nicht unkorrekt verhalten zu haben.
Dieser Schriftsatz des Klägervertreters vom 12.01.2016 ist der Beklagten laut Abvermerk vom 14.01.2016 am gleichen Tage zugesandt worden und nunmehr zentrale Grundlage der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Kündigung.
Unmittelbar nach Erhalt des Schriftsatzes schrieb Herr Stadtrechtsrat L. das Oberlandesgericht Düsseldorf an und bat unter Zusendung eben dieses klägerischen Schriftsatzes um die Bestätigung, dass der Vortrag des Klägers nicht stimme. Nachdem eine Rückmeldung des Oberlandesgerichts ausblieb, sprachen die OLG-Richter Herrn Stadtrechtsrat L. am 27.01.2016 anlässlich eines anderen Termins auf sein Schreiben an. Sie unterhielten sich kurz über den von der Klägerseite dargestellten angeblichen Geschehensablauf, ohne jedoch auf alle einzelnen Punkte näher einzugehen.
Nach der Rückkehr von diesem Termin beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 27.01.2016 informierte Herr Stadtrechtsrat L. den Personalleiter der Beklagten, Herrn T. über den Sachvortrag der Klägerseite im Kündigungsschutzverfahren und die diesbezüglichen Äußerungen der OLG-Richter und bat um einen kurzfristigen Besprechungstermin. Dieser fand am 28.01.2016 statt und danach waren keine kündigungsrelevanten Sachverhaltsfragen mehr offen, so dass Herr T. die Entscheidung fällte, eine weitere Kündigung auszusprechen.
Mit Schreiben vom 01.02.2016 wies die Beklagte den Kläger in dem Kündigungsschutzverfahren 2 Ca 7/16 des Arbeitsgerichts Wesel darauf hin, dass ihre Personalabteilung entschieden habe, ihm eine weitere Kündigung auszusprechen (Blatt 141 ff der Akte). Dieser Schriftsatz ist bei dem Arbeitsgericht Wesel am 09.02.2016 eingegangen und laut Abvermerk (Blatt 116 Rückseite der Akte 2 Ca 7/16 - Arbeitsgericht Wesel) am 10.02.2016 an den Klägervertreter versandt worden.
Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 02.02.2016 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger "wegen versuchten Prozessbetruges" an. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf Blatt 217 ff der Akte Bezug genommen. Der Personalrat teilte der Beklagten mit Schreiben vom 04.02.2016 (Blatt 220 der Akte) mit, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.
Am 11.02.2016 schickte die Beklagte Herrn L. und Herrn P., zwei Mitarbeiter ihrer Poststelle, als Boten an die ihr bekannte Anschrift des Klägers, I. straße 70 in E.. Da der Kläger aber zwischenzeitlich zum J. busch 29 in E. umgezogen war, war eine Zustellung nicht möglich. Nach Ermittlung der neuen Anschrift stellten die Boten dem Kläger die fristlose Kündigung, die neu mit Datum vom 12.02.2016 ausgefertigt worden war (Blatt 4 ff der Akte), unter dieser Adresse am 12.02.2016 zu.
Zwischenzeitlich erklärte der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Pfeiffer gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2016, laut Eingangsstempel bei der Beklagten am 15.02.2016 eingegangen (Blatt 147 der Akte), dass die Frage der Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist für die Überlegung des Senats keine Bedeutung gehabt habe, da die diesbezügliche Entscheidung des Amtsgerichts unanfechtbar gewesen sei. Im Übrigen teilte er mit, dass der Senat zum Schreiben der Beklagten im Einzelnen keine Stellungnahme abgeben wolle.
Mit Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30.06.2016 wurde in dem Verfahren 2 Ca 7/16 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 21.10.2015 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich mit Ablauf des 31.03.2016 beendet worden ist. Das hiergegen von der Beklagten eingelegte Rechtsmittel der Berufung wurde durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 25.11.2016 (Az. 10 Sa 628/16) rechtskräftig zurückgewiesen.
Gegen die Kündigung vom 12.02.2016 richtet sich die am 22.02.2016 beim Arbeitsgericht Wesel eingegangene und der Beklagten am 29.02.2016 zugestellte Kündigungsschutzklage des vorliegenden Verfahrens.
Mit ihr hat der Kläger erstinstanzlich die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung geltend gemacht und in Abrede gestellt, dass seine Erklärungen in dem Unterhaltsheranziehungsverfahren einen relevanten Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis gehabt hätten. Eines versuchten Prozessbetruges habe er sich nicht schuldig gemacht. Unabhängig davon sei die Kündigung wegen Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht durch die fristlose Kündigung vom 12.02.2016, zugegangen per Boten am 12.02.2016, beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Zentrale Grundlage ihrer Kündigung sei der Schriftsatz der Klägerseite vom 12.01.2016 im vorangegangenen Kündigungsschutzrechtsstreit und der darin enthaltene unwahre Sachvortrag. Hinsichtlich des Verdachts des Prozessbetruges vor dem Familiengericht habe der Kläger versucht, dem Arbeitsgericht deutlich zu machen, dass er die Rechtswahrungsanzeige im Mai 2013 gar nicht erhalten und somit ein anspruchsvernichtender Grund vorgelegen habe. Das gerichtliche Protokoll der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf vom 16.12.2015 belege allerdings unmissverständlich das Gegenteil. Ebenfalls grundlegend falsch sei der Vortrag, die Richter am OLG hätten dem Kläger attestiert, sich nicht unkorrekt verhalten zu haben. Auch dies sei einfach nur gelogen. In diesem Zusammenhang sei auch der Vortrag des Klägers falsch, die Richter am OLG Düsseldorf seien nicht von der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ausgegangen. Dieser Vortrag sei frei erfunden. Dem Kläger sei des Weiteren ein Täuschungsmanöver mittels der Behauptung vorzuwerfen, die Beklagte habe lediglich einen Fehler bei der Durchführung der Beistandschaft für beide Kinder vertuschen wollen. Denn sowohl der Kläger als auch sein Prozessvertreter hätten fortwährend gewusst, dass bei der Beklagten überhaupt nur eine einzige Beistandschaft für die Tochter geführt werde. Genauso verhalte es sich mit dem Vortrag des Klägers, bei der Beklagten habe angeblich kein Schaden eintreten können. Dieser Vortrag gehe aufgrund bestehender Pfändungsfreigrenzen an der Realität völlig vorbei. Des Weiteren habe der Kläger, wie die Beklagte erst im Nachgang zur Kündigung erfahren habe, hinsichtlich seines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht die Unwahrheit gesagt. Denn das Verfahren sei entgegen seiner Behauptung nicht nach § 153 StPO eingestellt worden. Der Kläger habe also gegenüber dem Arbeitsgericht durch falschen Tatsachenvortrag den Eindruck erwecken wollen, er habe sich korrekt verhalten. Tatsächlich habe er in mehreren zentralen Punkten gelogen. Hinsichtlich der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist hat die Beklagte die Ansicht vertreten, das Überschreiten der Frist falle allein in die Risikosphäre des Klägers, da er es unterlassen habe, ihr seine Anschriftenänderung mitzuteilen.
Mit Urteil vom 06.04.2017 hat das Arbeitsgericht Wesel der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die form- und fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage sei zulässig und begründet. Die Kündigung vom 12.02.2016 sei bereits wegen Nichteinhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB unwirksam. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten habe der Personalleiter Herr T. am 28.01.2016 von allen kündigungsrelevanten Umständen Kenntnis erlangt. Die Frist zum Ausspruch der fristlosen Kündigung sei daher am 11.02.2016 abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Zugang der Kündigung beim Kläger erfolgen müssen. Der erst am 12.02.2016 bewirkte Zugang sei verspätet und die verspätete Zustellung falle auch nicht in die Risikosphäre des Klägers. Dem Kläger sei es nach Treu und Glauben nicht verwehrt, sich auf den verspäteten Zugang der Kündigung zu berufen. Er habe nicht mehr mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen müssen, da sein Arbeitsverhältnis ja bereits gekündigt gewesen sei. Aufgrund der bereits ausgesprochenen Kündigung sei nicht mehr von einem bestehenden Arbeitsverhältnis in dem Sinne auszugehen gewesen, dass von dem Kläger weiter hätte verlangt werden können, dafür Sorge zu tragen, dass ihn eine eventuelle Erklärung des Arbeitgebers erreiche. Diese Pflicht treffe den Kläger trotz der von ihm erhobenen Kündigungsschutzklage nicht, mit der er zum Ausdruck gebracht habe, dass er die ausgesprochene Kündigung für unwirksam halte. Dass ein Arbeitnehmer seinem - ehemaligen - Arbeitgeber im laufenden Kündigungsschutzverfahren seine aktuelle Adresse mitteile, sei lebensfremd. Von einem Arbeitnehmer in einem gekündigten Arbeitsverhältnis seien keine entsprechenden Sorgfaltspflichten mehr zu erwarten. Davon müsse auch der Arbeitgeber ausgehen, so dass er sich hierauf nicht verlassen könne und dürfe. An dieser Sichtweise ändere auch die Tatsache nichts, dass der Arbeitgebervertreter im Verfahren der vorangegangenen Kündigung schriftsätzlich mitgeteilt habe, dass die Personalabteilung entschieden habe, dem Kläger eine weitere Kündigung auszusprechen. Durch diese Mitteilung lebe die Pflicht des Klägers nicht wieder auf, eine Zustellung zu ermöglichen. Selbst wenn man dies anders sehe, bleibe festzuhalten, dass die Beklagte ihrerseits nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan habe, um den rechtzeitigen Zugang der Kündigung zu bewirken. Denn ihr sei der Prozessbevollmächtigte des Klägers bekannt gewesen, so dass sie die Zustellung der Kündigung am 11.02.2016 nach erfolglosem Zustellversuch unter der alten Adresse des Klägers auch bei diesem hätte vornehmen können. Eine entsprechende Vollmacht des Klägervertreters habe vorgelegen und eine Zustellung am gleichen Tag sei damit möglich gewesen. Die Beklagte habe seit der Mitteilung des Personalrates vom 04.02.2016 bis zum 11.02.2016 zudem ausreichend Zeit gehabt, die Kündigung zuzustellen. Unabhängig von der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist sei die Kündigung aber auch unwirksam, da kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliege. Soweit die Beklagte die Kündigung mit einem versuchten Prozessbetrug im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren begründe, sei der von der Beklagten behauptete bewusst wahrheitswidrige Vortrag des Klägers schon Gegenstand der vorangegangenen Kündigung gewesen. Insoweit bezieht sich das Arbeitsgericht auf die Berufungsentscheidung des LAG Düsseldorf in dem Verfahren 10 Sa 628/16, schließt sich dieser an und führt weiter aus, Grundlage der Vorwürfe der Beklagten sei die Behauptung, der Kläger habe die Rechtswahrungsanzeige tatsächlich erhalten, was sie aber auch in dem vorliegenden Verfahren nicht beweisen könne, so dass die Annahme einer entsprechenden Lüge des Klägers ausscheide. Dementsprechend sei dem Kläger auch sein Vortrag im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nicht vorzuwerfen, er habe nicht vor dem OLG gelogen. Der weiter von der Beklagten angeführte Kündigungsgrund, der Vortrag des Klägers sei grundlegend falsch, die Richter am OLG hätten ihm attestiert, sich nicht unkorrekt verhalten zu haben und seien nicht von der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ausgegangen, begründe die fristlose Kündigung gleichfalls nicht. Auch in diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen der Berufungsentscheidung des LAG Düsseldorf im Verfahren 10 Sa 628/16 zu verweisen, wonach die Parteien im Rahmen eines Zivilprozesses schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs alles vortragen dürften, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein könne. Dies gelte zwar nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht, bedeute umgekehrt aber nicht, dass jeder Sachvortrag, der sich im Verlaufe des Rechtsstreits als unzutreffend herausstelle oder dessen Gegenteil sich eine Partei gar nur aufgrund von Beweisregeln entgegenhalten lassen müsse, dem Verdikt des Falschvortrages oder gar des Prozessbetrugs unterfalle. Maßgebend sei vielmehr § 138 Abs. 1 ZPO. Die Parteien hätten danach ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemeint sei aber in diesem Zusammenhang die subjektive Wahrheit, d.h. die Partei dürfe nicht Erklärungen über tatsächliche Umstände abgeben, die nach ihrer eigenen Kenntnis und Überzeugung den Tatsachen nicht entsprächen. Denn § 138 ZPO verbiete nur die bewusste Lüge. Ein Verstoß gegen § 138 ZPO liege demnach vor, wenn die Partei etwas Unwahres wider besseren Wissens vortrage oder Wahres wider besseren Wissens bestreite. Umgekehrt dürfe aus dem Verbot der prozessualen Lüge nicht geschlossen werden, eine Partei dürfe nur Tatsachen behaupten bzw. bestreiten, von deren Wahrheit sie überzeugt sei. Verlangt werde Wahrhaftigkeit, nicht absolute Wahrheit. Danach habe der Kläger im Schriftsatz vom 12.01.2016 allenfalls rechtliche Bewertungen des OLG Düsseldorf wiedergegeben. Zum einen sei schon nicht klar, ob dabei nicht die Äußerungen der OLG-Richter eventuell falsch verstanden worden seien und zum anderen handele es sich dabei lediglich um eine Meinungskundgabe, die auf den zu dem Zeitpunkt laufenden Rechtsstreit keinerlei Auswirkungen hätte haben können. Die Wiedergabe der angeblichen Meinung der OLG-Richter habe keine Auswirkung auf den laufenden Kündigungsschutzprozess haben können, sondern sie habe allenfalls der Stimmungsmache gedient. Der Vorwurf eines Täuschungsmanövers des Klägers mit der Behauptung, die Beklagte habe lediglich einen Fehler bei der Durchführung der Beistandschaft für beide Kinder vertuschen wollen, rechtfertige die Kündigung gleichfalls nicht. Auch dieses Verhalten des Klägers, unterstellt, er habe wahrheitswidrig vorgetragen, könne den Tatbestand des Prozessbetrugs nicht verwirklichen, da auch dies nur als prozessuale Stimmungsmache gewertet werden könne. Der Vortrag spiele für die Bewertung der Kündigung keine Rolle, so dass dadurch das Ergebnis des Kündigungsschutzverfahrens nicht habe beeinflusst werden können. Auch der Vortrag des Klägers, bei der Beklagten habe angeblich kein Schaden eintreten können, sei lediglich eine verfehlte Rechtsansicht, die ihm aber nicht als Prozessbetrug vorgeworfen werden könne. Gleiches gelte für den Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe hinsichtlich seines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht die Unwahrheit gesagt. Denn das Verfahren sei entgegen seiner Behauptung nicht nach § 153 StPO eingestellt worden. Selbst unterstellt, der Kläger habe diesbezüglich die Unwahrheit gesagt, hätte dies keine Auswirkung auf den Kündigungsschutzprozess gehabt, so dass ihm auch diesbezüglich kein Prozessbetrug vorgeworfen werden könne.
Gegen das der Beklagten am 13.04.2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Wesel hat sie mit am 21.04.2017 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 13.06.2017 bis zum 26.06.2017 - mit bei dem Landesarbeitsgericht am 23.06.2017 eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet.
Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe mit seiner Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts in dem Vorverfahren 10 Sa 628/16 verkannt, dass dort ein anderer Sachverhalt maßgeblich gewesen sei. Wäre das Arbeitsgericht richtigerweise davon ausgegangen, dass ein bewusst wahrheitswidriger Vortrag des Klägers im Zusammenhang mit der Rechtswahrungsanzeige vorgelegen habe, hätte die Klage abgewiesen werden müssen. Ebenso wie schon die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts habe das Arbeitsgericht zudem verkannt, dass aufgrund der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, er habe die Rechtswahrungsanzeige erhalten, diese unstreitig als zugegangen gelte. Entsprechendes ergebe sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht und diesem komme die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zu. Es bestehe auch keinerlei Anlass anzunehmen, dass die im Protokoll festgehaltenen Feststellungen und Äußerungen des Klägers fehlerhaft seien. Dementsprechend hätte die im arbeitsgerichtlichen Verfahren aufrecht erhaltende Behauptung des Klägers, die Rechtswahrungsanzeige nicht erhalten zu haben, als versuchter Prozessbetrug gewertet werden müssen. Auf die strafrechtliche Einordnung komme es kündigungsrechtlich nicht an. Auch ein gegebenenfalls nur untauglicher Versuch könne die fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Beklagte verweist ferner auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28.06.2017 (Az.: II-8 UF 4/17, Blatt 316 ff der Akte), aus dem sich ebenfalls der unstreitige Zugang der im hiesigen Verfahren streitigen Anzeige vom 27.05.2013 ergebe. Rechtsirrig habe das Arbeitsgericht auch angenommen, dass die Kündigung verfristet sei. Richtig sei zwar die Erkenntnis, dass der Personalleiter der Beklagten am 28.01.2016 von allen kündigungsrelevanten Umständen Kenntnis gehabt habe. Der Zugang der Kündigung erst am 12.02.2016 könne der Beklagten jedoch nicht vorgeworfen werden, denn der Kläger hätte ihr die erneute Anschriftenänderung mitteilen müssen. Dabei sei übersehen worden, dass die Beklagte im Vorverfahren schriftsätzlich mitgeteilt habe, dass die Personalabteilung entschieden habe, eine weitere Kündigung auszusprechen. Der Kläger habe somit mit einer weiteren Kündigung rechnen müssen und wäre verpflichtet gewesen, seine Adressänderung mitzuteilen. Diese hätte im Vorverfahren auch zu einer Rubrumsänderung führen müssen. Die Beklagte habe sich darauf verlassen dürfen, dass die aus dem Rubrum ersichtliche Anschrift die richtige sei. Die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe sich nur auf das damalige Verfahren und die Kündigung vom 21.10.2015 bezogen, eine generelle Bevollmächtigung zur Entgegennahme von Kündigungen sei damit nicht verbunden gewesen.
Die Beklagte beantragt
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.04.2017 - Az. 2 Ca 418/16 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und wiederholt und vertieft seine bereits erstinstanzlich gemachten Ausführungen. Er ist insbesondere der Ansicht, die Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung habe nicht erst mit Kenntnis des Personalleiters T. am 28.01.2016, sondern schon mit Zugang des Schriftsatzes vom 12.01.2016 in dem Verfahren 2 Ca 7/16 vor dem Arbeitsgericht Wesel zu laufen begonnen. Der Umstand, dass der Fachdienstleiter "Recht" nach dem Vorbringen der Beklagten nahezu 14 Tage gebraucht habe, dem Fachdienstleiter "Personal" eine Ablichtung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 12.01.2016 zukommen zu lassen, könne die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht verlängern. Dementsprechend müsse die Beklagte sich so behandeln lassen, dass auch die Personalleitung bereits mit Erhalt des Schriftsatzes durch ihren Prozessbevollmächtigten Kenntnis von dessen Inhalt erlangt habe, so dass die Zwei-Wochen-Frist bereits unmittelbar zu laufen begonnen habe. Eine Zugangsvereitelung des Klägers liege im Übrigen nicht vor. Insoweit behauptet der Kläger, sich anlässlich seines Umzuges ordnungsgemäß an- und abgemeldet zu haben. Damit sei es der Beklagten ohne weiteres noch am 11.02.2016 möglich gewesen, seine neue Anschrift in Erfahrung zu bringen. Auch hätte sie bei dem Klägervertreter eine neue Anschrift telefonisch erfragen können. Zudem sei auf dessen außergerichtlich vorgelegte Vollmacht zu verweisen, die unter Ziffer 3 auch zur Entgegennahme von Zustellungen berechtige. Schließlich behauptet der Kläger, der Schriftsatz der Beklagten vom 01.02.2016 in dem Verfahren 2 Ca 7/16 des Arbeitsgerichts Wesel sei seinem Prozessbevollmächtigten erst am 16.02.2016 zugegangen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Das Gericht hat die Verfahrensakte 2 Ca 7/16 des Arbeitsgerichts Wesel (Berufungsverfahren 10 Sa 628/16 des LAG Düsseldorf) beigezogen und hinsichtlich der Urteile erster und zweiter Instanz sowie hinsichtlich des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 12.01.2016 und des Beklagtenvertreters vom 01.02.2016 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Aus den Gründen
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist, da es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt, statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das Arbeitsgericht Wesel hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben.
Diese wurde form- und fristgerecht im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 4, 7 KSchG erhoben und ist begründet. Denn wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, erweist sich die außerordentliche fristlose Kündigung vom 12.02.2016 bereits deshalb als unwirksam, weil die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden ist. Unabhängig davon ist dem Arbeitsgericht zudem in seiner Würdigung zu folgen, dass der Kündigung kein hinreichender wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zugrunde liegt. Auf eine Umdeutung der mithin gleich aus mehreren, jeweils für sich tragenden Gründen unwirksamen außerordentlichen Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung hat sich die Beklagte nicht berufen und ihr stünde neben dem auch insoweit fehlenden Kündigungsgrund allein schon entgegen, dass der Personalrat zu einer ordentlichen Kündigung zuvor nicht angehört worden ist. Die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn der Personalrat entweder zu dieser ebenfalls angehört worden ist oder der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat (BAG vom 23.10.2008 - 2 AZR 388/07, juris, Rz. 37, 41). Weder das eine noch das andere ist hier geschehen, wie sich zum einen aus der Personalratsanhörung vom 02.02.2016 (Blatt 217 ff der Akte) ergibt, die allein zu einer außerordentlichen Kündigung erfolgte, und zum anderen aus der Stellungnahme des Personalrats vom 04.02.2016 (Blatt 220 der Akte), die keine Zustimmung zum Ausdruck bringt.
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Wesel bereits die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen Verfristung nach § 626 Abs. 2 BGB angenommen. Dem Arbeitsgericht ist zunächst darin zu folgen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Frist nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB der der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ist und dass dieser Zeitpunkt jedenfalls unstreitig spätestens am 28.01.2016 gegeben war, da der Personalleiter Herr T. an diesem Tag von allen kündigungsrelevanten Umständen Kenntnis erlangte. Insoweit folgt die Berufungskammer den entsprechenden Ausführungen unter I.2 (Seite 9 bis Seite 10 Absatz 2) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest und sieht aufgrund der Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe von weiteren Ausführungen ab.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Ausschlussfrist wie vom Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 01.09.2016 (10 Sa 485/16, juris, Rz. 67) vertreten bereits früher, nämlich mit Kenntnis des Leiters des Rechtsamtes begonnen hat. Denn auch unter Berücksichtigung allein des Zeitpunktes der Kenntnis des Herrn T. von den die Kündigung begründenden Tatsachen am 28.01.2016 lief die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB jedenfalls gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Satz 1 BGB mit Ablauf des 11.02.2016 ab. Die dem Kläger unstreitig erst am 12.02.2016 zugegangene Kündigung hat diese Frist dementsprechend nicht gewahrt.
Im Ergebnis folgt die Berufungskammer dem Arbeitsgericht auch in der Annahme, dass der Kläger sich einen früheren Zugang der Kündigung nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen halten lassen muss.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Bundesgerichtshofs kann sich der Empfänger einer Willenserklärung nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt. Wer auf Grund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Tut er dies nicht, so wird darin vielfach ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluss eines Vertrags begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Partner liegen (BAG vom 26.03.2015 - 2 AZR 483/14, juris, Rz. 21; BAG vom 22.09.2005 - 2 AZR 366/04, juris, Rz. 15; BAG vom 07.11.2002 - 2 AZR 475/01, juris, Rz. 40; BAG vom 27.06.2002 - 2 AZR 382/01, juris, Rz. 37; BAG vom 18.02.1977 - 2 AZR 770/75, juris, Rz. 24; BGH vom 26.11.1997 - VIII ZR 22/97, juris, Rz. 16 m.w.N.; vgl. auch Erman/Arnold, BGB, 14. Auflage, § 130 Rn. 28 ff).
In Anwendung dieser Grundsätze kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger angesichts der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 21.10.2015 per se nicht mehr verpflichtet war, der Beklagten die Anschriftenänderung aufgrund seines neuerlichen Umzugs unverzüglich mitzuteilen. Schon die Rechtsfrage einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Mitteilung von Anschriftenänderungen im bestehenden Arbeitsverhältnis ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt (vgl. BAG vom 18.02.1977 - 2 AZR 770/75, juris, Rz. 26). Sie bedarf auch im vorliegenden Fall keiner endgültigen Klärung. Bedenken bestehen allerdings gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, allein schon aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 21.10.2015 habe keine Pflicht des Klägers zur Mitteilung einer Anschriftenänderung mehr bestanden. Denn immerhin hat der Kläger gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und letztlich erfolgreich gerichtlich geltend gemacht, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Genauso wie ein Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses grundsätzlich an das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB) auch dann gebunden bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist, er diese Kündigung aber gerichtlich angegriffen hat und sie sich später als unwirksam herausstellt (BAG vom 28.01.2010 - 2 AZR 1008/08, juris, Rz. 23), dürfte bzgl. der Verpflichtung zur Mitteilung einer Anschriftenänderung im gekündigten Arbeitsverhältnis nichts anderes gelten.
Selbst wenn man vor diesem Hintergrund nun allerdings eine grundsätzliche Pflicht des Klägers zur unverzüglichen Mitteilung einer Anschriftenänderung annähme, ist nicht erkennbar, dass er diese verletzt hätte. Die Beklagte trägt für die einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast, denn derjenige, der sich auf einen fristwahrenden Zugang wie auch auf die Grundsätze der Zugangsvereitelung beruft, hat die entsprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (Erman/Arnold, BGB, 14. Auflage, § 130 Rn. 33/34; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Auflage, § 130 Rn. 21). Ihrem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, wann der Kläger umgezogen ist, so dass ein Verstoß gegen eine Pflicht zur unverzüglichen, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgten Mitteilung der Anschriftenänderung nicht schlüssig dargelegt ist. Das wäre der Beklagten jedoch schon deshalb abzuverlangen gewesen, weil der Kläger sich nach seinem unwidersprochen gebliebenen und damit unsteitigen Vortrag (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO) ordnungsgemäß an- und abgemeldet hat. Damit war der Beklagten über das bei ihr bestehende Einwohnermeldeamt jedenfalls der Zeitpunkt dieser Meldung des Klägers nebst der dort gemachten Angaben zum Zeitpunkt des Umzuges bekannt. Es bestand auch keine gesteigerte Verpflichtung des Klägers zur Mitteilung der Anschriftenänderung aufgrund der Ankündigung der neuerlichen Kündigungsabsicht durch den Schriftsatz der Beklagten vom 01.02.2016 in dem Verfahren 2 Ca 7/16 des Arbeitsgerichts Wesel. Denn dieser Schriftsatz ist ausweislich des Eingangsstempels des Arbeitsgerichts dort erst am 09.02.2016 eingegangen und nach dem Abvermerk der Geschäftsstelle am 10.02.2016 an den Klägervertreter abgesandt worden. Damit ist eine Kenntnisnahme durch den Kläger vor dem 12.02.2016 weder dargelegt noch nachgewiesen und nach dem - von der Beklagten nicht bestrittenen - Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass der Schriftsatz bei ihm erst am 16.02.2016 eingegangen sei, auch ausgeschlossen. Vor Kenntnisnahme der erneuten Kündigungsabsicht der Beklagten kann mit eben dieser keine gesteigerte Mitteilungspflicht des Klägers begründet werden.
Letztlich können alle diese Erwägungen, die bereits gegen die Annahme sprechen, dass der Kläger sich einen Zugang der Kündigung bereits am 11.02.2016 zurechnen lassen müsste, dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls kann der Adressat einer Willenserklärung selbst bei schweren Sorgfaltsverstößen nach Treu und Glauben regelmäßig nur dann so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung zu einem früheren Zeitpunkt erreicht, wenn der Erklärende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten fristgerecht erreichen konnte (BAG vom 26.03.2015 - 2 AZR 483/14, juris, Rz. 21; BAG vom 22.09.2005 - 2 AZR 366/04, juris, Rz. 15; BAG vom 27.06.2002 - 2 AZR 382/01, juris, Rz. 38; BAG vom 18.02.1977 - 2 AZR 770/75, juris, Rz. 24; BGH vom 26.11.1997 - VIII ZR 22/97, juris, Rz. 17 m.w.N.; Erman/Arnold, BGB, 14. Auflage, § 130 Rn. 30). Dazu gehört in der Regel, dass er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres die Kenntnisnahme des Inhalts möglich ist. Er muss also so schnell wie möglich und unter Ausschöpfung der ihm zumutbaren Mittel und Wege den Zugang seiner Erklärung erneut bewirken (BAG vom 27.06.2002 - 2 AZR 382/01, juris, Rz. 38; BAG vom 18.02.1977 - 2 AZR 770/75, juris, Rz. 24; BGH vom 26.11.1997 - VIII ZR 22/97, juris, Rz. 17 m.w.N.; Erman/Arnold, BGB, 14. Auflage, § 130 Rn. 30).
Danach kann hier zwar dahingestellt bleiben, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers angesichts der im Vorverfahren außergerichtlich vorgelegten Vollmacht bereits empfangsbevollmächtigt für die neuerliche Kündigung war. Jedenfalls hat die Beklagte aber nichts dazu vorgetragen, warum sie nach Rückkehr ihrer beiden Boten, die erfolglos am 11.02.2016 die Zustellung der außerordentlichen Kündigung versucht hatten, erst am 12.02.2016 einen erneuten und nunmehr unter der aktuellen Anschrift des Klägers auch erfolgreichen Zustellversuch unternommen hat. Aus ihrem Vorbringen ist nicht ersichtlich, dass diese Zeitverzögerung ohne schuldhaftes Zögern ihrerseits zustande gekommen ist. Da der Kläger unbestritten vorgetragen hat, sich ordnungsgemäß im Zusammenhang mit dem Umzug an- und abgemeldet zu haben, und die Beklagte über das bei ihr bestehende Einwohnermeldeamt somit unproblematisch und schnell die aktuelle Anschrift in Erfahrung bringen konnte - und offenbar, wie die Zustellung am 12.02.2016 zeigt, auch in Erfahrung gebracht hat -, ist nicht erklärlich und wird von ihr auch nicht erklärt, warum gleichwohl kein erneuter Zustellversuch mehr am 11.02.2016 vorgenommen wurde. Hinzu kommt, dass die Beklagte auch nichts zu weiteren bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten zur Kenntniserlangung der neuen Anschrift des Klägers vorgetragen hat, wie eben zu der Erkundigung bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers oder der Nachfrage an der alten Anschrift im Zusammenhang mit dem erfolglosen Zustellversuch am 11.02.2016. Da der Zustellversuch am 11.02.2016 im Stadtgebiet von E. stattgefunden hat und die neue Anschrift des Klägers ebenfalls in E. und damit in örtlicher Nähe zur Beklagten lag, bleibt auch insoweit unerklärlich, warum diese mit dem erneuten Zustellversuch bis zum 12.02.2016 abgewartet hat. Denn immerhin hatte sie sich ohnehin bereits bis zum letzten Tag der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit der Abgabe der Kündigungserklärung Zeit gelassen, obwohl alle erforderlichen Zwischenschritte mit der am 04.02.2016 abgeschlossenen Personalratsanhörung bereits seit einer Woche erledigt waren. Da jegliche Erklärung der Beklagten fehlt, warum dann bei Problemen mit der Zustellung am letzten Tag der Frist bis zum Folgetag mit einem erneuten Zustellversuch abgewartet wurde, kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte alles Erforderliche und ihr Zumutbare getan hat, um einen fristgerechten Zugang der Kündigungserklärung zu bewirken. Mithin ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt worden und auch kein Fall gegeben, in dem der Kläger sich einen früheren, fristgerechten Zugang nach Treu und Glauben zurechnen lassen müsste.
2. Unabhängig davon ist dem Arbeitsgericht auch zuzustimmen, dass die von der Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründe keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB begründen.
Die Berufungskammer folgt den Ausführungen unter I.3 (Seite 12 bis Seite 16) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest und sieht aufgrund der Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe von weiteren Ausführungen ab. Soweit die Beklagte unverändert der Meinung ist, der Kläger habe einen versuchten Prozessbetrug dadurch begangen, dass er im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren bestreitet, was er im familiengerichtlichen Verfahren unstreitig gestellt hat, verkennt sie, dass der Kläger im Zivilprozess grundsätzlich frei darin ist, auch prozesstaktisch Sachverhalte unstreitig zu stellen. Daraus folgt in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren, in dem er diesen Sachverhalt nicht unstreitig stellt, noch nicht automatisch, dass hier eine Täuschungshandlung begangen und ein Betrug versucht würde. Die Verletzung der Wahrheitspflicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren aber hätte die Beklagte dem Kläger nachweisen müssen, da hier keine Verdachts-, sondern eine Tatkündigung ausgesprochen wurde. Dieser Beweis ist nicht allein mit dem Prozessvorbringen im familiengerichtlichen Verfahren zu führen, solange die Beklagte die hierfür maßgeblichen Beweggründe des Klägers nicht widerlegt. Es hilft ihr auch nicht der Verweis auf die Sitzungsniederschrift des OLG Düsseldorf vom 16.12.2015 sowie darauf, dass es sich hierbei um eine öffentliche Urkunde handelt. Denn die Sitzungsniederschrift erbringt nur Beweis dafür, dass die protokollierten Erklärungen durch den Kläger tatsächlich in der mündlichen Verhandlung des Oberlandesgerichts abgegeben wurden. Sie erbringt keinen Beweis für die inhaltliche Richtigkeit der entsprechenden Erklärungen (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Auflage, § 415 Rn. 5 m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs.1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg betriebenen Berufungsverfahrens zu tragen.
IV.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.