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Arbeitsrecht
20.09.2018
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Programmgestaltendes Merkmal bei Kameramann in Rundfunkanstalt

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.4.20182 Sa 1565/17

ECLI:DE:LAGBEBB:2018:0413.2SA1565.17.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-2291-4

Amtlicher Leitsatz

Ein Kameramann, der in einer Rundfunkanstalt nicht bei größeren Produktionen für Spielfilme oder Features selbstständig künstlerisch tätig ist, ist nicht programmgestaltend.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob der als Kameramann tätige Kläger Arbeitnehmer der beklagten Rundfunkanstalt ist und zu ihr in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.

Die Beklagte betreibt den Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland und veröffentlicht Sendungen über Radio, TV und Internet, die von ihr teilweise selbst produziert werden. Sie wendet verschiedene Tarifverträge für Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen an, die im sog. Handbuch der Deutschen W. veröffentlicht sind (sog. DW-Handbuch).

In § 22 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen (TVaP, DW-Handbuch 6.1) heißt es:

„Steuern und Sozialversicherung

Der Steuerabzug und die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung richten sich nach den geltenden Bestimmungen. ...“

In der Anlage 1 zu § 16 TVaP heißt es:

„Als programmgestaltend im Sinne dieses Tarifvertrages gelten bei der Deutschen W. insbesondere die Tätigkeiten folgender Personen:

 „...

Kameramänner bei größeren Produktionen (Spielfilm, Feature), wenn sie selbständig künstlerisch gestaltend tätig sind, ...“

In vier Durchführungstarifverträgen für den Urlaub, Zahlungen im Krankheitsfall, für Altersunterstützungen und bei Schwangerschaft (DW-Handbuch 6.1.1 – 6.1.4) werden besondere Regelungen für die genannten Anwendungsbereiche im Beschäftigungsverhältnis für arbeitnehmerähnliche Personen aufgestellt.

Der Kläger begann seine Tätigkeit ab 1993 fortlaufend bis heute auf Honorarbasis bei einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt durchschnittlich 3.000,00 EUR pro Monat. Auf sein Arbeitsverhältnis wird der TVaP angewandt. Abgerechnet wird sein Beschäftigungsverhältnis dergestalt, dass von seinem Steuerbrutto, KV/PV-Brutto, RV-Brutto und AV-Brutto die gesetzlichen Abzüge für die Lohnsteuer, den Solidaritätsbeitrag, die Kranken- und Pflegeversicherung, die Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung abgezogen werden (vgl. exemplarisch die Lohnabrechnungen Dezember 2014, Anlage K2, Bl. 10 – 12 d.A.).

Der Kläger ist als Kameramann für Studio- und Außendrehs tätig, wobei die Studiodrehs weit überwiegen (ca. 90 %). Im Wesentlichen handelt es sich bei den aufzunehmenden Sendungen um Magazine, Talkshows und Interviews.

Bei den Studioproduktionen ist das Format vorgegeben. Die Kamerapositionen sind festgelegt und es wird von Dritten ein Lichtplan entworfen. Die Vorgaben für die Bildgestaltung einzelner Formate werden bildhaft niedergelegt. Während der Produktionen werden dem Kläger über Kopfhörer vom Regisseur Anweisungen erteilt. Die Umsetzung des Sendungskonzeptes wird vom Ablaufregisseur überwacht.

Für die Produktionen beschäftigt die Beklagte ca. vier festangestellte Kameraleute in Vollzeit und vier als freie Mitarbeiter bezeichnete Kameraleute, die in einem „Pool“ zusammengefasst sind und auf die die Disposition zur Erstellung der Sendungen zurückgreifen kann.

Für den Einsatz des Klägers fragt die Beklagte bei diesem mit einem einmonatigen Vorlauf an, wann er für einen Einsatz nicht zur Verfügung steht. Der Kläger „blockt“ daraufhin die Zeiten, zu denen er für einen Einsatz nicht zur Verfügung steht. Im Durchschnitt blockiert er so bis zu drei Tage im Monat. Innerhalb der so bestimmten Verfügbarkeitszeiten bietet die Beklagte dem Kläger dann in der Regel ein bis zwei Tage vor dem Einsatztag den konkreten Einsatz an. Dabei wird ihm auch mitgeteilt, ob es sich um einen Einsatz mit bis zu 8, 4 bis 6 oder um einen Einsatz mit bis zu 4 Stunden handelt. Die Einsatzzeit bei Kameraarbeiten im Studio beträgt bis zu drei Stunden, bei Außendrehs länger. Erst nach erklärter Annahme dieses Angebots durch den Kläger wird er im Einsatzplan disponiert. Auch danach kann der Kläger den Einsatz noch ohne Begründung unter Benennung eines Ersatz- bzw. Tauschpartners absagen.

Nach dem TVaP erhält der Kläger für 31 Tage Urlaubsentgelt, dessen Gewährung er bei der Beklagten beantragt. Den Urlaub selbst beantragt der Kläger jedoch nicht.

Einer Nebentätigkeitsgenehmigung bedarf der Kläger nicht.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er seine Tätigkeit als Arbeitnehmer der Beklagten erbringe. Seine Einsatzplanung und die inhaltliche Ausübung der Tätigkeit unterschieden sich nicht von der der festangestellten Mitarbeiter. Fachlich unterliege er den Weisungen des jeweiligen Regisseurs. Seine örtliche Weisungsgebundenheit folge daraus, dass er seine Tätigkeit nur in den Geschäftsräumen der Beklagten oder an den von dieser festgelegten Außendrehorten ausüben könne. Zeitlich sei er weisungsgebunden, da die Beklagte ihn nur kurzfristig disponiere und Beginn und Ende des Einsatzes vorab festlege. Auch erwarte sie ständige Dienstbereitschaft von ihm, da die Studiodrehs aufgrund der Kürze der Arbeitszeit fast ausschließlich von den sog. „Freien“ besetzt würden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Kameramann besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass jeder Kameramann durch die Nutzung bestimmter Kameras, Objektive, Filter etc. der Filmaufnahme einen von ihm mitbestimmten eigenen „Look“ verleihe. Trotz der zu beachtenden Vorgaben beim Dreh arbeite der Kläger programmgestaltend, da er z.B. durch die Geschwindigkeit des Zooms und des Kameraschwenks oder dem Blickwinkel der Kamera seine gestalterische Kreativität einbringe.

Auch unterliege der Kläger aufgrund der Möglichkeiten, seinen zeitlichen Einsatz selbst zu planen, keiner zeitlichen Weisungsgebundenheit, sodass er nicht Arbeitnehmer sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger kein Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter sei. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger programmgestaltend tätig sei, da er jedenfalls nicht dem Weisungsrecht der Beklagten hinsichtlich der Lage seiner Arbeitszeit unterliege. Denn zwischen den Parteien liege unstreitig für die Heranziehung des Klägers zu einzelnen Diensten regelmäßig eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten zugrunde. Der Kläger gebe hierzu an, wann er nicht zur Verfügung stehe und bestätige die daraufhin ihm von der Beklagten im Rahmen der von dem Kläger genannten Verfügungszeiten angebotenen Einsätze, sodass diese aufgrund dieser Vereinbarung zustande komme.

Eine Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung entsprechend § 611a Abs. 1 S. 1 BGB über den so jeweils im Einzelfall vereinbarten Zeitraum hinaus bestehe damit gerade nicht. Die Beklagte habe damit auch nicht die Möglichkeit, die Zeit zur Erbringung der Arbeitsleistung durch Ausübung ihres Direktionsrechts nach § 106 GewO einseitig festzulegen. Der Kläger habe nicht einen Fall vermocht vorzutragen, in dem er entgegen einer derartigen Vereinbarung zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei. Vielmehr könne er selbst entscheiden, ob er überhaupt und ggf. an welchen Tagen er eine Tätigkeit erbringe. Dies sei für einen Arbeitnehmer unüblich.

Anders als auch in dem vom Kläger zur Begründung seiner Klage herangezogenen Fall einer in festen Früh- und Spätschichten tätigen Cutterin, in dem das Bundesarbeitsgericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses trotz vergleichbarer Vereinbarungen über die Tätigkeitszeit mit der Begründung bejaht habe, die zeitliche Weisungsgebundenheit der dortigen Klägerin sei insoweit strikt, als sie nur im Rahmen der von der Beklagten für alle Cutterinnen und Cutter vorgeschriebenen Schichtpläne arbeiten könne, womit sie ihre Zeitsouveränität aufgegeben und sich in den vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsrhythmus eingefügt habe, bestünden für den Kläger vergleichbare Schichtpläne nicht. Für die Außendrehs trage der Kläger entsprechendes bereits nicht vor. Auch für die Studiodrehs, die unstreitig nur bis zu 3 Stunden dauerten, gäbe es keine festen Schichten, sondern wie sich aus der als Anlage K1 zur Klageschrift eingereichten Übersicht ergebe, lediglich die Festlegung verschiedener Produktionen zu verschiedenen, vorab festgelegten Produktionszeiten. Damit bleibe der Kläger in seiner Zeitsouveränität wesentlich flexibler, da er durch die konkrete Vereinbarung einzelner Produktionen auch innerhalb eines Tages selbst entscheiden könne, ob er zu den konkreten Tageszeiten tätig werden wolle.

Auch der Umstand, dass der Kläger tatsächlich von der Möglichkeit, Einsätze abzulehnen nur geringen Gebrauch mache, begründe nicht den Arbeitnehmerstatus. Maßgeblich sei insoweit allein das rechtliche Können der Beklagten, einseitig über die Arbeitsleistung des Klägers zu verfügen. Es sei unstreitig, dass die Beklagte den Kläger nicht einseitig verplanen könne.

Auch soweit der Kläger etwaige Einsätze wegen der Befürchtung, nicht weiter berücksichtigt zu werden, nicht ablehne, sei dies nicht Ausdruck einer persönlichen, sondern einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter unterschieden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit könne beim freien Mitarbeiter im Einzelfall zwar eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Freien Mitarbeiter als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lasse, jedoch handelt es sich bei der arbeitnehmerähnlichen Person nicht um einen Arbeitnehmer.

Gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spreche weiter auch, dass dieser nicht vergleichbar einem Arbeitsverhältnis seine Urlaubszeiten vollkommen unabhängig von der Beklagten nehme, ohne diese bei ihr beantragen oder gar genehmigen lassen zu müssen. Typischerweise würden die Urlaubszeiten nach § 7 Abs. 1 BUrlG in einem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers festgelegt. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer sei jedoch der Kläger in jeglicher Weise frei, die Tage, an denen er seine Tätigkeit erbringen wolle, selbst zu bestimmen.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin und dem Vortrag der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil vom 27.09.2017 (Bl. 163 – 172 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 30.10.2017 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 29.11.2017 im Original eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.02.2018 am 02.02.2018 begründete Berufung des Klägers.

Er meint und führt dies im Einzelnen konkret aus, dass die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft sei, da sie den Regelungsgehalt des § 611a BGB verkenne.

Die Tätigkeit des Klägers sei nicht als programmgestaltend einzuordnen. Dies sei wegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der nicht programmgestaltenden Mitarbeit im Hinblick auf den Umstand der zeitlichen (nicht) Weisungsgebundenheit, auf den das Arbeitsgericht in seiner Hauptbegründung abgestellt habe, von entscheidender Bedeutung, da das Bundesarbeitsgericht die zeitliche Weisungsgebundenheit bei der nicht programmgestaltenden Mitarbeit nur als ein Indiz von geringer Bedeutung angesehen habe und die Art der zu verrichtenden Tätigkeit als wesentlich ansehe.

Der Kläger sei weisungsgebunden bezüglich Inhalt und Durchführung der Tätigkeit. Er sei schon daher eng in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden, weil er seine Tätigkeit

- nicht allein, sondern nach den Weisungen insbesondere des Regisseurs/Redakteurs der Beklagten

- unter Inanspruchnahme der von der Beklagten zur Verfügung gestellten und nach deren Vorstellungen eingerichteten technischen Einrichtungen

- gemäß den von dieser aufgestellten arbeitsorganisatorischen Vorgaben zu leisten habe.

Der Kläger unterliege entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch einem Weisungsrecht bezüglich der Zeit seiner Tätigkeit. Selbst wenn der Ansatz, die zeitliche Weisungsgebundenheit stelle ein zentrales Kriterium dar, zutreffend wäre, wäre in dem vorliegenden Fall schon wegen der strikten Vorgabe des Rasters der (Studio) Produktionszeiten und der praktisch von der Beklagten erwarteten jederzeitigen, kurzfristigen Verfügbarkeit des Klägers und seiner drei als Studiokameraleute autorisierten „freien“ Kolleginnen und Kollegen H., B. und H. und der festangestellten Kolleginnen und Kollegen K., E., P. und S. die zeitliche Weisungsgebundenheit und damit die Arbeitnehmereigenschaft im vorliegenden Fall zu bejahen.

Im Übrigen ergebe sich aus der Übersicht in der Anlage K1 unzweifelhaft, dass die Beklagte für die einzelnen, im Studio produzierten Sendeformate für die einzelnen Wochentage in bestimmten Zeiträumen (06.02.-10.03., 11.03.-31.05., ab 01.06.) ganz konkrete Produktionszeiten verbindlich vorschreibe, an welche sich der Kläger, wenn er für eine der Produktionen verpflichtet worden sei, selbstverständlich auch zu halten hätte (vgl. die Anlage 1 in Kopie Bl. 9 als Einsatzzeit für 2017).

Die aktuell von der Beklagten vorgegebenen Produktionszeiten für die Studioproduktionen, an denen ein oder zwei Kameraleute teilnehmen, verteilten sich z.B. wie folgt:

Sendung „Shababtalk“          Dienstag               13:00 – 15:00

Sendung „Misch dich ein“                    Mittwoch               13:00 – 15:00

Sendung “Quadriga“          Donnerstags            08:00 – 15:00

Sendung „Euroma...“         Montags                    16:30 – 23:15

                                                               Dienstags                 16:30 – 23:15                 

Mittwochs                 16:30 – 23:15                 

Donnerstags            16:30 – 23:15                 

Freitags                    11:30 – 19:00

Der Kläger unterliege hinsichtlich der zeitlichen Weisungsgebundenheit keinen anderen Beschränkungen oder Freiheiten als die festangestellten Kameramänner. Auch diese würden vor der Aufstellung eines Dienstplanes beteiligt, ihre Wünsche würden soweit wie möglich berücksichtigt werden (MTV DW, Ziff. 5.1.1 des DW-Handbuchs, Rz. 312.4 des Tarifvertrages).

Der Kläger wäre auch weisungsgebunden hinsichtlich des Orts der Tätigkeit, da nicht nur die Kameraleute, sondern auch alle anderen an den jeweiligen Produktionen Beteiligten sich nach den arbeitsorganisatorischen Vorstellungen der Beklagten zu richten hätten und in die entsprechenden Prozesse eingebunden seien.

Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer für den Kläger sei vom Arbeitsgericht gar nicht berücksichtigt worden. Dabei bestimme sich der Arbeitnehmerbegriff nach den wesentlich gleichen Kriterien wie der Begriff des Beschäftigten iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV. Werde jemand als Beschäftigter iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV behandelt, sei er auch Arbeitnehmer, wie das Bundessozialgericht jüngst entschieden habe (BSG 26.09.2017 – B 1 KR 31/16 R).

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.09.2017 – 56 Ca 2614/17 – festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Kameramann besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass der Kläger bereits programmgestaltend tätig sei. Ihr komme kein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu weder in örtlicher, noch in fachlicher, inhaltlicher, noch in zeitlicher Hinsicht. Der Kläger könne anders als Arbeitnehmer völlig frei über seinen Urlaub verfügen und ihn eigenverantwortlich festlegen. Er sei nicht in die Organisation der Beklagten eingebunden und könne seine Dienste auch anderen Fernsehsendern oder Filmproduktionsfirmen anbieten. Er sei nicht mit festangestellten Kameraleuten zu vergleichen.

Auf Nachfrage des Gerichts im Termin am 13.04.2018, woraus sich die Steuer- und Sozialversicherungsabführungspflicht konkret ergeben solle, da es in den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen eine derartige Abführungspflicht nicht gefunden habe, konnte die Beklagte eine konkrete Norm nicht benennen, aber hat darauf verwiesen, dass zum einen der Beschäftigtenbegriff nach dem Sozialversicherungsrecht und der Arbeitnehmerbegriff nach dem Arbeitsrecht nicht deckungsgleich seien, als auch darauf, dass eine ggf. freiwillige Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem Kläger keinen Arbeitnehmer machen würden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 01.02.2018 (Bl. 225 ff. d.A.) und 10.04.2018 (Bl. 307 ff. d.A.) sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 03.04.2018 (Bl. 290 ff. d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2018 (Bl. 343 – 345 d.A.) verwiesen.

Aus den Gründen

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe c), Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers ist auch in der Sache begründet. Der Kläger ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts als Kameramann als Arbeitnehmer unbefristet für die Beklagte tätig.

1. Nach den allgemein anzuwendenden Grundsätzen für die Beurteilung der Statusfrage, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, die seit dem Jahr 2017 nach § 611 a Abs. 1 BGB vorzunehmen ist, wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeiten persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

2. Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen anzuwenden, wobei der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten ist. Allgemein müssen die Gerichte Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Das verlangt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite. Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen. Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen – wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden – zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit (vgl. nur BAG 17.04.2013 – 10 AZR 272/12 – BAGE 145, 26 ff. = EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 24 zu Rz. 16 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als „programmgestaltend“ der Kreis derjenigen Rundfunkmitarbeiter anzusehen, „die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist.“ Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben (BAG 17.04.2013, a.a.O., Rz. 17; BVerfG 13.01.1982 – 1 BvR 848/77 u.a. – zu C II 1b d. Gr. BVerfGE 59, 231).

Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (BAG 17.04.2013, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).

Bei nicht programmgestaltenden Mitarbeitern von Rundfunkanstalten ist die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen. Auch sie können je nach Lage des Falls freie Mitarbeiter sein. Das Bundesarbeitsgericht hat verschiedentlich ausgeführt, nicht programmgestaltende Tätigkeiten in Rundfunkanstalten lassen sich regelmäßig nur in Arbeitsverhältnissen ausführen. Soweit darin die Aufstellung einer verbindlichen rechtlichen Regelung zu sehen wäre, hat das BAG in jüngster Zeit daran nicht mehr festgehalten. In Wahrheit habe es sich bei jener Aussage um einen Rechtssatz in dem Sinne gehandelt, dass mit dem Fehlen der programmgestaltenden Qualität eines Rundfunkmitarbeiters zugleich dessen Status als Arbeitnehmer feststünde und es entbehrlich wäre, die Arbeitnehmereigenschaft von nicht programmgestaltenden Mitarbeitern anhand der allgemeinen Kriterien zu überprüfen. Vielmehr ist die genannte Aussage des Bundesarbeitsgerichts lediglich als Hinweis auf einen Erfahrungswert zu verstehen: So werden nichtprogrammgestaltende Mitarbeiter häufiger die Kriterien eines Arbeitnehmers erfüllen als es bei programmgestaltenden Mitarbeitern zu erwarten ist (BAG, 17.04.2013, a.a.O., Rz. 19 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

3. So ist es hier:

a) Der Kläger übt keine programmgestaltende Tätigkeit aus. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, hat bereits das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung vom 13.01.1982 das betriebstechnische Personal von der programmgestaltenden Tätigkeit ausgenommen. Es hat ausdrücklich die Kameramänner dem Produktionsbereich zugeordnet (BVerfG 13.01.1982, a.a.O., zitiert nach Juris Rz. 5).

b) Die Beklagte ist dem in ihrer Anlage 1 zu § 16 TVAP nachgekommen und hat definiert, dass Kameramänner nur dann programmgestaltend tätig seien, wenn sie bei größeren Produktionen (Spielfilmen, Features) selbstständig künstlerisch gestaltend tätig sind. Das Gericht und die Parteien im Termin am 13.04.2018 haben einen derartigen Kameramann als „kleinen Michael Ballhaus“ verstanden.

Der Kläger ist in seiner Tätigkeit für die Beklagte kein „Michael Ballhaus“, auch kein „kleiner“, wobei dies nicht abwertend gemeint sein soll. Er ist nicht bei größeren Produktionen für Spielfilme oder Features selbstständig künstlerisch tätig, sondern verrichtet seine Arbeit zu festgelegten Produktionszeiten für festgelegte Sendungen in einem bestimmten Schema für Magazine, Talkshows und Interviews.

c) Dies sieht auch die Beklagte selbst so, da sie die Kameramänner nach der Dienstanweisung (DA) Honorarrahmen der Deutschen W. (DW-Handbuch 6.2.2) nicht als programmgestaltend ansieht. Gemäß § 2 Abs. 3 DA Honorarrahmen werden diejenigen Tätigkeiten bzw. Mitarbeiter, die nach § 16 TVAP als programmgestaltend gelten, durch den Buchstaben „P“ in der dritten Spalte der Anlage gekennzeichnet. Dieses große „P“ fehlt bei den Kameramännern nach Nr. 3300 ff.

4. Da der Kläger nicht programmgestaltender Mitarbeiter der Beklagten ist, ist seine Arbeitnehmereigenschaft anhand der obigen allgemeinen Kriterien zu ermitteln. Deren Anwendung in Form einer Gesamtabwägung führt zum Ergebnis, dass der Kläger zur Beklagten in einem Arbeitsverhältnis steht.

a) Der Kläger ist fachlich weisungsgebunden. Er untersteht bei der Produktion dem Ablaufregisseur, der verantwortlich für die Umsetzung der im Sendungskonzept erarbeiteten Vorgaben ist. Dem Kläger wird vorab bildhaft vorgegeben, wie sich die Beklagte die Kameraeinstellungen und –schnitte vorstellt. Während der Produktion trägt der Kläger Kopfhörer und folgt den Anweisungen des Ablaufregisseurs.

b) Der Kläger ist örtlich bei seiner Tätigkeit gebunden. Wenn er seinen Dienst verrichtet, hat das stets an dem von der Beklagten vorgegebenen Ort zu erfolgen. Der Kläger muss in das Studio der Beklagten und dort mit dem Equipment der Beklagten arbeiten. Er nimmt gerade nicht außerhalb des Studios mit eigener Kamera nach eigenen Vorstellungen Geschehensabläufe auf, die er dann dem Sender anbietet.

c) Der Kläger ist auch sonst in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden. Er verrichtet seine Tätigkeit nicht allein, sondern ist in das Studioteam unter Weisung des Ablaufregisseurs eingebunden. Selbst dieser ist nach der DA Honorarrahmen nach Nr. 3220 f. nicht programmgestaltend tätig. Er benutzt das von der Beklagten am Ort bereitgestellte Equipment unter Beachtung der von der Beklagten aufgestellten arbeitsorganisatorischen Aufgaben. Auch dies ist Ausdruck des Willens der Beklagten, die Kameratätigkeit in den von ihr gestalteten Arbeitszusammenhang einzupassen und sie damit zu leiten und zu beherrschen.

d) Auch die zeitliche Weisungsgebundenheit des Klägers ist jedenfalls im Gesamtergebnis im Rahmen einer Gesamtabwägung der eines Arbeitnehmers näher als der eines freien Mitarbeiters.

aa) Denn die zeitliche Weisungsgebundenheit des Klägers ist insofern eingeschränkt, als er nur im Rahmen der in Anlage K 1 bereits beispielhaft beschriebenen und in der Berufungsbegründung nochmals für die aktuellen Produktionen erneut aufgeführten Einsatzpläne arbeiten kann. Die Anfangs- und Endzeiten der Produktionen liegen ebenso fest wie die Abfolge der Arbeiten an den Tagen, an denen er Dienst hat und die entsprechenden Produktionen filmen muss. Insoweit gibt der Kläger seine Zeitsouveränität auf und fügt sich in den von der Beklagten vorgegebenen Arbeitsrahmen ein. Er hat keine Möglichkeit, früher oder später seine Kameraschicht beginnen zu lassen, das Team ist auf ihn angewiesen wie er auf die anderen Mitglieder des Teams, damit die Produktion im vorgegebenen Rahmen stattfinden kann.

bb) Allerdings bestand für den Kläger ein hohes Maß an Ungebundenheit in zeitlicher Hinsicht, weil er grundsätzlich die Übernahme von Diensten trotz vorliegender grundsätzlicher Zusage ablehnen konnte und dies auch nach eigener Aussage vier bis fünfmal im Jahr tat. Das Arbeitsgericht Berlin hat dem überragende Bedeutung bei der Gesamtabwägung beigemessen, weil dies ein Arbeitnehmer nicht tun könne.

cc) Dem folgt das Landesarbeitsgericht nicht. Zwar spricht diese Ablehnungsbefugnis in der Tat zunächst nicht für eine Arbeitnehmereigenschaft. Allerdings haben die festangestellten Kameramänner aufgrund der besonderen Dienstplangestaltung der Beklagten ebenfalls die Möglichkeit, sehr flexibel ihre Einsätze zu planen. Denn der Kläger hat zutreffend auf Ziff. 312.4 des MTV DW verwiesen, wonach die Arbeitnehmer/innen bei der Erstellung eines Dienstplanes beteiligt und ihre Wünsche soweit wie möglich berücksichtigt werden müssen.

d) Endlich hat die Beklagte selbst den Kläger steuerlich und sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer betrachtet, indem sie für ihn Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ausgerechnet und abgeführt hat. Dies ist vorliegend besonders beachtlich, weil die Tarifvertragsparteien dies für arbeitnehmerähnliche Personen gerade nicht vorgesehen haben, sondern ihnen als „Surrogat“ für die Zeiten von Krankheit einen Zuschuss gewähren (Durchführungstarifvertrag Nr. 2 zum TVAP, Ziff. 6.1.2 im DW-Handbuch), sie im Alter unterstützen (Durchführungstarifvertrag Nr. 3 zum TVAP, Ziff. 6.1.3 im DW-Handbuch) und Zahlungszuschüsse bei Schwangerschaften vorsehen (Durchführungstarifvertrag Nr. 4 zum TVAP, Ziff. 6.1.4 im DW-Handbuch).

Umso mehr spricht es für die Einordnung in ein Arbeitsverhältnis, wenn der Kläger auch insofern als Arbeitnehmer behandelt wird. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 26.09.2017 – B 1 KR 31/16 R – zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen, zitiert nach Juris Rz. 24) gibt es in tatsächlicher Hinsicht regelmäßig keine Anhaltspunkte dafür, einen Mitarbeiter einer Rundfunk- oder Fernsehanstalt, den diese im Rahmen ihrer sozialversicherungsrechtlichen Pflichten als abhängig beschäftigt melden und für den sie dementsprechend Beiträge abführen, hinsichtlich anderer Zahlungspflichten (im BSG-Fall die Umlage U 2) als freien Mitarbeiter zu qualifizieren, der nicht in einem Arbeitsverhältnis steht.

f) Schließlich ist bei der Gesamtabwägung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten auch die Regelung im Urlaubstarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen anders zu sehen und bei Gesamtabwägung zu berücksichtigen: Denn nach dem Durchführungstarifvertrag Nr. 1 zum TVAP muss gemäß Ziff. 2.3 der Urlaub innerhalb des laufenden Kalenderjahres beantragt und nach Möglichkeit zusammenhängend gewährt und genommen werden. Dies entspricht dem Bundesurlaubsgesetz, welches sowohl für Arbeitnehmer als auch für arbeitnehmerähnliche Personen gemäß § 2 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz anwendbar ist.

5. Der Kläger steht daher in einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Kameramann mit der Beklagten, welcher durch das in der Vergangenheit schlüssige Verhalten von Arbeitsleistung und Vergütung geschlossen worden ist (vgl. dazu nur BAG 17.04.2013, a.a.O., Rz. 13).

III.

Die Beklagte trägt daher die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Die Kammer hat die obergerichtlichen Rechtsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts auf den vorliegenden Einzelfall angewendet.

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