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Arbeitsrecht
08.09.2011
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Pflichtenkreis des Arbeitgebers im Rahmen einer Entlassung

ArbG Berlin, Beschluss vom 04.08.2011 - 28 Ca 923/11

leitsätze

1. Dem Anspruch des Kundenberaters einer deutschlandweit agierenden Warenhauskette, der erstinstanzlich im Kündigungsschutzprozess obsiegt und dabei eine Titulierung seines Anspruchs auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach den Grundsätzen in BAG (GS) 27.2.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 ff. erwirkt hat, kann im Vollstreckungsverfahren (§ 888 Abs. 1 ZPO) gegenüber dem Wunsch nach möglichst wohnortnahem Arbeitseinsatz nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, eine solche Beschäftigung sei nicht möglich, weil in den betreffenden Standorten eine "freie Stelle nicht vorhanden" sei.


2. Es gehört im Lichte des allgemeinen Rücksichtnahmegebots (§ 241 Abs. 2 BGB) zum Pflichtenkreis des Arbeitgebers auch im Vollstreckungsverfahren, dem Anspruchsteller objektiv vermeidbare Belastungen möglichst zu ersparen (s. zum Erkenntnisverfahren bereits BAG 17.3.1970 - 5 AZR 263/69 - AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 78: Gebot, "vermeidbare Nachteile bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen vom Arbeitnehmer fernzuhalten"). Bei der sich hiernach ergebenden Rechtsanwendung ist auch den grundrechtlichen Bezügen effektiven Kündigungsschutzes Rechnung zu tragen.


3. Der Anspruchsteller kann daher nicht darauf verwiesen werden, sein Recht auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Kündigungsrechtsstreits statt in rund 3, 18, 19 oder auch 35 Kilometern Entfernung von seiner Wohnung allenfalls an einem Standort des Arbeitgebers in 237 Kilometern Entfernung von seiner Wohnung wahrzunehmen.

sachverhalt

I. 1. Unter dem Datum des 10. Juni 20111 verurteilte die befasste Kammer die Schuldnerin unter anderem, den bei ihr bis zu seiner Freistellung per 1. Februar 2011 als Kundenberater („Kundenmanager") des ehemaligen Standortes (Großmarkts) in Berlin-Marzahn beschäftigten Gläubiger „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Kundenmanager weiterzubeschäftigen". Mit Schriftsatz vom 5. Juli 20112 hat der Gläubiger geltend gemacht, die Schuldnerin komme ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nicht nach: Zwar habe sie ihn eigens „zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung"3 aufgefordert, ab 1. Juli 2011 seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Doch beordere sie ihn dazu nach Wolfsburg, rund 250 Kilometer von seinem Wohnort in Berlin entfernt. Eine solche Anordnung sei weder vom Arbeitsvertrag noch vom Direktionsrecht der Schuldnerin gedeckt, da damit die Grenzen des billigen Ermessens überschritten würden. Des Weiteren schließe das zwischen den Gesamtbetriebsparteien verabredete Reglement der GBV 46/20084 eine derartige Versetzung aus, die obendrein auch deshalb unwirksam sei, weil der nach wie vor amtierende Betriebsrat des Standortes Berlin-Marzahn seine Zustimmung nicht erteilt habe5.

2. Der Gläubiger beantragt,

gegen die Schuldnerin entsprechend des Urteils vom 10. Juni 2011 - 28 Ca 923/11 - Zwangsgeld festzusetzen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

3. Sie hält das Rechtsschutzanliegen des Gläubigers der Sache nach für gegenstandslos, weil sie ihre Verpflichtungen aus dem Urteil vom 10. Juni 2011 erfüllt habe6. Da eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestehe, sei sie allerdings gezwungen, von ihrem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht Gebrauch zu machen und dem Gläubiger den Einsatz in Wolfsburg aufzugeben7. Ob sie ihr Direktionsrecht dabei fehlerfrei ausgeübt habe, sei, wie sie meint, nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens8. Diese Frage sei vielmehr ggf. der Klärung in einem separaten Klageverfahren vorzubehalten9.

4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen verwiesen.

aus den gründen

II. Dem Vollstreckungsantrag war zu entsprechen, ein Zwangsgeld wie beantragt gegen die Schuldnerin festzusetzen. - Im Einzelnen:

1. Nach § 888 Abs. 1 ZPO10, der im arbeitsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist (s. § 62 Abs. 1 Satz 111, Abs. 2 Satz 112 ArbGG in Verbindung mit §§ 704 ff. ZPO13), kann der Schuldner einer Handlung auf Antrag des Gläubigers zu deren Vornahme durch Zwangsgeld oder Zwangshaft angehalten werden, wenn die betreffende Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Die Vorschrift ist nach ebenso eingespielter wie zutreffender Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen auch zur Durchsetzung des - wie hier - titulierten Anspruchs des Arbeitnehmers auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess anzuwenden14, den die Arbeitsjustiz bekanntlich im Lichte grundrechtlicher Schutzpflichten und der Einsicht, dass dieser zur Absicherung des anderenfalls als Bestandsschutz weithin leerlaufenden Kündigungsschutzes bitter nötig war15, dem einfachen Gesetzesrecht (hier: §§ 611 Abs. 116, 61317 und 242 BGB18) abgewonnen hat19.

2. Diese normativen Vorgaben gebieten es hier, ein Zwangsgeld wie beantragt festzusetzen. Daran können die Einwände der Schuldnerin nichts ändern. Weder hat sie ihre Verpflichtungen aus dem Beschäftigungstitel bisher erfüllt (s. sogleich, S. 4-10 [a.]), noch lässt sich feststellen, dass ihr die geschuldete Mitwirkung an der Realisierung seines grundrechtlich inspirierten Beschäftigungsanspruchs nicht möglich wäre (s. unten, S. 10-14 [b.]). - Der Reihe nach:

a. Der Schuldnerin ist zwar darin zu folgen, dass der Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren - selbstverständlich - beachtlich ist20. Es kann aber keine Rede davon sein, dass ihre Aufforderung an den Gläubiger, sich zur tagtäglichen Dienstleistung im (wohl21) mehr als 230 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernten Wolfsburg einzufinden, als Erfüllung der ihr obliegenden Mitwirkung klassifiziert werden könnte:

aa. Stehen dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung Alternativen zur Wahl, so obliegt es ihm schon nach ältesten Geboten zur Rücksichtnahme weit vor deren Kodifizierung im heutigen § 241 Abs. 2 BGB22, die Intensität der dem Vertragspartner bereiteten Belastungen möglichst gering zu halten: Bekanntlich verlangt schon die altehrwürdige allgemeine Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber nach der berühmten, von Arthur Nikisch geprägten23 und seinerzeit vom Bundesarbeitsgericht (BAG) nahezu „druckfrisch" übernommenen Formel, dass dieser „bei allen seinen Maßnahmen, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen seines Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen" hat24. Nichts anderes gilt im Rahmen der Ausübung des Weisungsrechts aus § 106 Satz 1 GewO25: Auch bei der dort dem Arbeitgeber eingeräumten Dispositionsmacht ist „billiges Ermessen" zu wahren, dessen an sich äußerst differenziertes Prüfprogramm26 schon vor mehr als einem halben Jahrhundert auf die griffige Faustformel gebracht worden ist, der Arbeitgeber habe seinem Personal jede vermeidbare Belastung zu ersparen27.

ab. Von diesen Obliegenheiten ist der Arbeitgeber auch nicht entbunden, wenn es um die Frage der Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO geht. - Umgekehrt gilt: Wollte man der Schuldnerin in ihrer diesbezüglichen Ansicht folgen, so hätten es unredliche Arbeitgeber mit entsprechender Bandbreite örtlicher und sonstiger Einsatzmodalitäten in der Hand, dem Anspruchsteller durch Maximierung verfügbarer Belastungen die Verfolgung seiner Rechte so gründlich zu verleiden, dass diese für ihn praktisch unerreichbar werden. Damit verlöre nicht nur der Beschäftigungsanspruch seinen guten Sinn28. Vielmehr untergrübe eine solche Rechtsanwendung auch ohne jede Not seinen grundrechtlich fundierten Geltungsgrund29. Sie liefe damit auf das Gegenteil dessen hinaus, was bekanntlich den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts durch die sogenannte Schutzpflichtenlehre30 (s. auch Art. 1 Abs. 3 GG31) im Bezug auf die Wertgehalte der Grundrechte aufgegeben ist. Danach haben sich die Gerichte „schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen [zu] stellen" und dies wiederum „ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht"32. - Und weiter: „Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte", so das BVerfG (a.a.O.) klipp und klar, „zu verhindern"33.

ac. Ist somit auch bei Aktivierung des Versetzungsvorbehalts, den sich die Schuldnerin formularvertraglich ausbedungen hat34, die Wahrung „billigen Ermessens" rechtlicher Kontrolle ausgesetzt, so kann der Schuldnerin nicht zugebilligt werden, die gebotene Rücksicht auf den Gläubiger gewahrt zu haben. Im Gegenteil: Die Verfehlung der gestellten Anforderungen erscheint im Streitfall evident. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:

(1.) Wie bereits vorausgeschickt (s. oben, S. 4-5 [aa.]), stellen sich Fragen nach Rücksichtnahme und schonender Direktion naturgemäß nur dann, wenn der Arbeitgeber wegen der in Rede stehenden Modalitäten der Arbeitsleistung eine Alternative hat, er somit anders „könnte" als geschehen. - Das ist hier aber, soweit feststellbar, der Fall:

(a.) Denn die hiesige Schuldnerin betreibt neben ihrem in Berlin-Marzahn mittlerweile geschlossenen Großmarkt nicht nur als zweiten Standort den von ihr hier ins Spiel gebrachten Großmarkt in Wolfsburg. Sie unterhält vielmehr, wie aus der Vielzahl von Kündigungsschutzklagen der letzten Monate speziell in Berlin ebenso gerichts- wie allgemeinkundig und auch den Parteien zur Genüge bekannt, unter ihren deutschlandweit noch immer rund 60 Standorten35 selbst in Berlin und Schönefeld vier Märkte, nämlich in Berlin-Spandau (N.allee ...., 13599 Berlin), Berlin-Marienfelde (B. Chaussee ......, 12277 Berlin), Berlin-Friedrichshain (An der O......., 10243 Berlin) und Schönefeld (G. Straße .., 12529 Schönefeld). In allen diesen Standorten will die dort frequentierende Kundschaft beraten sein. Genau dafür bietet sich der Gläubiger, den die Schuldnerin als Kundenberater unter Vertrag genommen hat, somit zum Einsatz an.

(b.) Was auf diesem Hintergrund die Intensität der ihm bereiteten Belastungen anbelangt, so könnten die Unterschiede zwischen wahlweisem Einsatz in Berlin oder Schönefeld und dem von der Schuldnerin stattdessen angeordneten Dienst in Wolfsburg kaum größer sein: Während sich der dem Gläubiger zugewiesene Markt in Wolfsburg nach Daten von „Google maps" in einer Entfernung von 237 Kilometern von seiner Wohnung an der W.Straße 115 (12526 Berlin) befindet (s. Karte und Routenberechnung - Kopie: Beschlussanlage I.), die unter günstigen36 Verkehrsbedingungen binnen 2 Stunden und 10 Minuten zu erreichen ist, verhält es sich bei den allein in Berlin gelegenen Märkten (s. dazu auch Beschlussanlagen II. bis V.) wie folgt:

Ort     

 Entfernung

   (einfache) Wegezeit

                          

I. Wolfsburg

 237 Kilometer

 2:10 Stunden

                          

Zum Vergleich:

                  

                           

II. Berlin-Spandau

  35 Kilometer

  31 Minuten

                          

III. Berlin-Mariendorf

  19 Kilometer

  26 Minuten

                          

IV. Berlin-Friedrichshain

  18 Kilometer

  27 Minuten

                          

V. Schönefeld

  3 Kilometer

  4 Minuten

Nimmt man - wie in der Tabelle schon eingearbeitet - den Großmarkt in Schönefeld hinzu, der sich in rund 3,2 Kilometern Entfernung von der Wohnung des Gläubigers befindet und unter besagten Verhältnissen binnen vier Minuten erreichbar wäre, so erübrigt sich weiterer Kommentar.

(2.) Freilich besteht in der Tat kein absoluter Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber darauf, die ihm jeweils genehmsten Bedingungen der Arbeit zu erfahren. Wie bereits erwähnt (s. oben, S. 5 [vor ab.]), hat dieser lediglich „billiges Ermessen" walten zu lassen, was im Einzelfall nicht ausschließt, dass seinen Belangen im Rahmen der von den Gerichten hierzu praktizierten Interessenabwägung37 der Vorrang gebührt. In diesem Zusammenhang bleibt jedoch im Auge zu behalten, dass für die Wahrung billigen Ermessens den Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast trifft38. Dass sich hier daraus ergäbe, dass die Schuldnerin den Gläubiger nicht gleichsam „vor der Haustür" (s. Schönefeld: 3,2 Kilometer), sondern auch unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Belange nur in mehr als 230 Kilometer Entfernung als Kundenberater einsetzen könnte, ist allerdings nicht feststellbar:

(a.) Was ihre Beweggründe für die Entsendung des Gläubigers nach Wolfsburg betrifft, so erläutert die Schuldnerin diese nicht. Sie gibt lediglich an (s. oben, S. 3 [3.]), in Ermangelung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen zu müssen, das sie im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kontrollfrei gestellt sehen will.

(b.) Damit macht sie es sich aber, wie bereits ausgeführt (s. oben, S. 5-6 [ab.]), zu leicht. Bei dieser Sachlage lässt sich zugunsten der Schuldnerin allenfalls vermuten, dass diese sich frei darin wähnt, über die personelle Besetzung ihrer Großmärkte nach Gutdünken zu verfügen. Daran mag zwar in anderen Problemzusammenhängen vieles richtig sein, im Blick auf den Beschäftigungsanspruch griffe dies jedoch zu kurz: Insofern hat bekanntlich der Zweite Senat des BAG der damals beteiligten Arbeitgeberin schon vor mehr 55 Jahren39 vorgehalten, sie könne sich ihrer Beschäftigungspflicht nicht durch einseitige Organisationsmaßnahmen entziehen: Sie habe ihren Betrieb vielmehr „so einzurichten", dass die Klägerin ihre Tätigkeit weiter ausüben könne40. Dem entspricht die Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen in der Folgezeit41 und bis heute42 (s. dazu auch noch unten, S. 13-14 [(b.)]). - Nichts anderes muss auch die hiesige Schuldnerin gegen sich gelten lassen.

Nur ergänzend sei auf diesem Hintergrund noch darauf verwiesen, dass die hier von ihrer Direktion im Schreiben vom 27. Juni 2011 (s. oben, S. 2 Fn. 3) betroffenen Belange des Gläubigers gegenüber rechtlich etwaig schutzwürdigen Interessen der Schuldnerin alles andere als gering zu veranschlagen wären: Immerhin geht es bei dem ihm tagtäglich angesonnenen Arbeitsweg um den - mutmaßlich unproduktiven - Verbrauch von Lebenszeit. Hält man sich dafür an den Hinweis im informierten Schrifttum 43, dass der Berufstätige „seinen Vorgesetzten und Kollegen in der Regel mehr Zeit" widmet, „als dem Partner, der Familie und den Freunden zusammen", so wird der Belastungswert solcher lebenszeitlich vergleichsweise nutzlosen Fahrtwegeinsätze (hoffentlich) anschaulich. Es ist daher wohl auch kein Zufall, dass sich der Gläubiger für seine gegenläufigen Belange, abgesehen vom nicht näher erläuterten Hinweis auf seine „besondere" (?) familiäre Situation44 lediglich (aber: immerhin!) auf einen „zeitlichen Mehraufwand" von zwei bis drei Stunden pro Tag beruft. - Jedenfalls gilt: Verschlingt allein die Arbeit vor Ort den weitaus größten Teil der aktiv nutzbaren Lebenszeit des Einzelnen (s. Hesse/Schrader a.a.O.), so tendiert der objektiv unnötige Raubbau an den zur Restgröße schrumpfenden Zeitreserven als Zeichen mehr oder minder offener Missachtung elementarster Persönlichkeitsbelange zugleich zum Härtetest für die gesundheitlichen Ressourcen der Zielperson45. - Dies aufzuwiegen, wird dem Arbeitgeber vielfach nicht leicht fallen.

b. Nun verhielte es sich zwar - wie bereits vorausgeschickt (s. oben, S. 4-5 [aa.]: keine Verfügbarkeit von Alternativen) - ganz anders, wenn die hiesige Schuldnerin gar keine Möglichkeit hätte, dem Gläubiger die Chance zur aktiven Beteiligung an der betrieblichen Wertschöpfung an anderer Stelle als in Wolfsburg zu verschaffen. Gerade darauf läuft ihre Rechtsverteidigung - wie schon im Erkenntnisverfahren46 - auch im hiesigen prozeduralen „Nachspiel" denn auch hinaus. Von einer solchen Mangellage kann aber nicht ausgegangen werden. Insofern, letztmalig, der Reihe nach:

ba. Dass es den Schuldner ggf. entlasten könnte, dass ihm die Vornahme der in Rede stehenden Handlung nicht (mehr) möglich wäre, steht angesichts des Zwecks des § 888 Abs. 1 ZPO als Beugemittel an sich völlig außer Frage47.

Darüber sind auch die Gerichte für Arbeitssachen sich einig48. Allerdings hat der Schuldner solche Verhältnisse ggf. im Einzelnen substantiiert darzutun49.

bb. Dem wird das Vorbringen der Schuldnerin abermals nicht gerecht: Zwar lässt diese beharrlich vortragen (s. auch schon oben, S. 3 [3.]), eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Gläubiger als die in Wolfsburg „bestehe" nicht50. - Das erscheint aber nicht nachvollziehbar:

(1.) Wie bereits erwähnt (s. oben, S. 7 [(1 a.)]), steht der Gläubiger als „Kundenberater" unter Vertrag, unterhält die Schuldnerin auch eine Vielzahl von Standorten diesseits von Wolfsburg. Damit liegt ihre objektive Möglichkeit, ihn vertragsgerecht einzusetzen, offen zutage. Genau dazu, die nötige Entschlusskraft eines Schuldners zur Erfüllung seiner Rechtspflichten zu stärken, ist das Instrument des Zwangsgeldes aber bewusst geschaffen.

(2.) Bei dieser Würdigung verkennt das befasste Gericht nicht, dass die Gerichte für Arbeitssachen im Widerstreit zwischen betätigten Organisationsakten auf der einen und den Konsequenzen des Weiterbeschäftigungsanspruchs auf der anderen Seite zuweilen großzügigere Maßstäbe anzulegen scheinen. - Das hilft der hiesigen Schuldnerin aber nicht weiter:

(a.) Richtig ist, dass sich in der Judikatur der Arbeitsjustiz häufig Aussagen wie diejenige finden, der „Wegfall" des bisherigen Arbeitsplatzes mache die Weiterbeschäftigung des bisherigen Inhabers unmöglich51. Darüber hinaus wird zuweilen postuliert, ein Arbeitnehmer könne auch im Rahmen vorläufiger Weiterbeschäftigung nicht fordern, dass die zugrunde liegende Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers revidiert werde52. Allerdings wird dies gelegentlich auch anders gesehen: Namentlich dann, wenn es um (ggf.: vorgeblich) im Nachhinein verfügte Umstrukturierungen geht, bestehen manche Instanzgerichte darauf, dass sich der Arbeitgeber titulierter Weiterbeschäftigungspflicht nicht per Organisationsänderung entziehen könne53. Andere wiederum verweisen zutreffend54 darauf, dass sich insofern in Wahrheit nicht Fragen der „Unmöglichkeit" stellten, sondern Interessen abzuwägen sind und in diesem Kontext nach sachgerechten Bewertungskriterien Ausschau zu halten ist55.

(b.) Die sich diesbezüglich stellenden - und zweifellos reizvollen - Fragen können vorliegend indessen auf sich beruhen. Im hiesigen Verfahren geht es nämlich nicht darum, die von der Schuldnerin getroffene Maßnahme (Schließung ihres Großmarkts in Berlin-Marzahn) als solche in Zweifel zu ziehen. Es geht vielmehr allein um Probleme der Folgenbewältigung, kraft derer namentlich die Unterbringung des Gläubigers, der nach dem Inhalt des Urteils vom 10. Juni 2011 in sozialauswahlrechtlicher Hinsicht mutmaßlich gesetzwidrig benachteiligt worden ist, in einem der diesseits von Wolfsburg gelegenen Märkte - wohlwollend - zu arrangieren wäre. - Für solche Fallgestaltungen wird der in der Kündigung verlautbarte Unternehmerwille, sich vom betroffenen Arbeitnehmer zu trennen, im Blick auf den Beschäftigungsanspruch denn auch keineswegs als sakrosankt behandelt: So zieht beispielsweise das LAG Hamm in einem Beschluss vom 22. Januar 198656 aus dem Umstand, dass die Schuldnerin den Betrieb von der früheren Arbeitgeberin des Gläubigers übernommen und einen Teil der Angestellten weiter beschäftigt habe, ohne Wenn und Aber den (zutreffenden) Schluss, dass der zu den Angestellten des früheren Betriebes gehörige Gläubiger „bei entsprechendem Willen der Schuldnerin" gleichfalls beschäftigt werden könne57. Im selben Sinne heißt es im schon erwähnten Beschluss des LAG Düsseldorf aus dem Jahre 199858:

„Die Schuldnerin hat ihren Personalbestand ausgedünnt. Facheinkäufer werden weiter beschäftigt. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, dass keine Arbeiten mehr durchgeführt werden, die auch der Gläubiger erledigen könnte".

(c.) Man sieht: Auf die Frage, ob der jeweilige Arbeitgeber vor Ort eine „Stelle" für den Anspruchsteller zu schaffen bereit ist, wird - begreiflicherweise! - nicht abgestellt. Es genügt, wenn diesem bei gutem Willen und unter Überwindung innerer Widerstände des Arbeitgebers die Gelegenheit verschafft werden kann, in der betreffenden Arbeitsstätte einfach mit „anzupacken". Nichts anderes gilt auch für einen Einsatz des hiesigen Gläubigers als Kundenberater (s. oben, S. 7 [(1 a.)]): Das etwaige Interesse der Schuldnerin, die Personalausstattung ihrer Märkte auf deren offiziellen „Stellenplan" zu fixieren, stellt keinen statthaften Gesichtspunkt dar, dem der Anspruch des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu zumutbaren Bedingungen eine unübersteigbare Schranke setzen könnte.

3. Sind die Voraussetzungen zur Verhängung eines Zwangsgeldes nach allem dem Grunde nach gegeben, verbleibt seine Bemessung, die das Gericht mit 5.000,-- Euro veranschlagt hat. Dieser Betrag erscheint einerseits nötig, andererseits aber auch vorläufig ausreichend, die Schuldnerin zur Respektierung des titulierten Beschäftigungsanspruchs anzuhalten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf 891 ZPO59 in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO60.

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