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Arbeitsrecht
02.02.2023
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Personenbeförderung Annahmeverzug – Entgeltfortzahlung – Eignung – Schlafapnoe

Sächsisches LAG, Urteil vom 7.11.2022 – 2 Sa 173/21

ECLI:DE:LAGSN:2022:1107.2SA173.21.00

Volltext: BB-Online BBL2023-307-4

Leitsätze

1. Ein Berufskraftfahrer in der Personenbeförderung kann die geschuldete Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten, wenn ihm aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen mittels eines ärztlichen Attestes (vorübergehend) die Fahrtauglichkeit abgesprochen wird.

2. Der Arbeitgeber gerät in diesem Fall nicht in Annahmeverzug. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht ebenfalls nicht, soweit die Arbeitsunfähigkeit auf anderen Krankheiten beruht, als derjenigen, die zur gesundheitlichen Ungeeignetheit führt. Es fehlt dann an der erforderlichen Monokausalität.

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Entgeltansprüche für den Zeitraum 18.06.2020 bis 11.12.2020 aus Annahmeverzug der Beklagten und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der Kläger war seit dem 01.07.2019 bei der Beklagten mit einer betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit von 173 Stunden monatlich als Busfahrer beschäftigt. Über die Höhe des zuletzt vereinbarten Stundenlohns besteht Streit.

Unter dem 14.11.2019 erstellte der den Kläger behandelnde Arzt ein Attest mit folgendem Inhalt:

 „Es liegt ein schwergradiges OSAS vor, AHI 35/h. Damit ist die Fahrtauglichkeit im Berufsverkehr nicht mehr gegeben bis die Erkrankung effektiv behandelt wurde. Termin im Schlaflabor zur Einstellung auf CPAP oder Bipap im April 2020, danch TÜV/ oder Dekra-Begutachtung erforderlich zur Klärung Eignung.“

Auf Bl. 17 d.A. erster Instanz wird Bezug genommen. Der Kläger legte der Beklagten dieses Attest im November 2019 vor.

Vom 13.09.2019 bis 15.03.2020 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 16.03.2020 bis 06.04.2020 wurde dem Kläger Urlaub gewährt. Aufgrund der Pandemie bestand bei der Beklagten vom 18.03.2020 bis in den Monat Juni hinein Kurzarbeit. Ab dem 16.06.2020 war der Kläger wieder zum Dienst eingeteilt, am 16.06.2020 und 17.06.2020 hat er auch gearbeitet. Ab dem 18.06.2020 bis zum 05.07.2020 war der Kläger erneut arbeitsunfähig erkrankt, hier mit der Diagnose „M54.2G“.

Vom 24.06.2020 auf den 25.06.2020 war der Kläger zu einer „Therapiekontrolle unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeit mit Tagesmessung (PST = pupillografischer Schläfrigkeitstest)“ im Schlaflabor. Es wurde festgestellt, dass der Kläger das ihm überlassene Therapiegerät lediglich 4 Stunden in Betrieb hatte (seit 06/2020). Er gab bei der Anamnese selbst an, das Gerät unregelmäßig genutzt zu haben; wegen Defekt habe er 06/2020 ein neues Therapiegerät erhalten, dieses habe er nur wenige Stunden genutzt. Er schob dies auf den Stress auf Arbeit mit seinem Chef, seine Ehefrau habe aber bemerkt, dass er bei Therapiegerätnutzung nicht mehr schnarche und tiefer schlafe; subjektiv habe er trotzdem noch keine Verbesserung gespürt. Nach Einsatz des Gerätes in der Nacht wurde am Morgen des 25.06.2020 um 8:12 Uhr der PST durchgeführt. Das Ergebnis war unauffällig. Im Auswertungsgespräch wurde der Kläger ausdrücklich darüber aufgeklärt, dass „eine mögliche Fahrtauglichkeitseinschränkung bei Therapienoncompliance“ besteht. Auf den weiteren Inhalt des Befundbriefs des Schlaflabors (Bl. 21 d.A. erster Instanz) wird Bezug genommen.

Am Montag, den 06.07.2020 erschien der Kläger zum Dienst. Bei Übernahme des Busses stellte er fest, dass dieser derart defekt war, dass dem Kläger bereits beim Einsteigen der Fahrkartendrucker entgegenfiel. Zum weiteren Ablauf des Arbeitstages ist nicht weiter vorgetragen.

Am 07.07.2020 wurde der Kläger von der Beklagten unter Hinweis auf das Attest vom 14.11.2019 nach Hause geschickt. Er wurde nicht mehr in den Dienstplan aufgenommen. Mit Schreiben ebenfalls vom 07.07.2020 forderte die Beklagte den Kläger auf, das ärztlich geforderte Negativattest vom TÜV oder von der Dekra bis zum 10.07.2020 vorzulegen, damit er wieder als Busfahrer eingesetzt werden könne. Weiterhin heißt es dort:

 „In der Übergangszeit werden sie nach Möglichkeit als Begleitperson eingesetzt“.

Auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 32 d.A. erster Instanz) wird Bezug genommen. Bei der Beklagten werden Begleitpersonen bei Schülertransporten mit durchschnittlich ein bis drei Stunden täglich eingesetzt. Zur Zeit der vorstehenden Mitteilung an den Kläger war eine bei der Beklagten als Begleitperson tätige Mitarbeiterin vorübergehend arbeitsunfähig erkrankt. In den Schulferien erfolgt kein Einsatz von Begleitpersonen.

Mit weiterem Schreiben vom 17.07.2020 (Bl. 33 d.A. erster Instanz) teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

 „Wir hatten uns ja aufgrund ihrer häufigen Erkrankungen schon unterhalten. Natürlich machen wir uns als Arbeitgeber Gedanken darüber, wie wir einen geeigneten Arbeitsplatz für Sie finden können. In diesem Zusammenhang haben wir den Arbeitsmedizinischen Dienst um eine für beide Seiten hilfreiche Stellungnahme gebeten. … Der Arbeitsmedizinische Dienst hat einen Termin am

28. Juli 2020 um 9.30 Uhr in … bei der DEKRA Automobil GmbH …

für die Begutachtung vorgeschlagen. Es wäre schön, wenn Sie uns Ihrerseits den Termin sehr zeitnah (bis zum Dienstag) bestätigen könnten.“

Der Kläger hat den Termin weder bestätigt noch wahrgenommen.

Von Dienstag, 07.07.2020, bis Samstag, 15.08.2020 war der Kläger wiederum arbeitsunfähig erkrankt, hier mit der Diagnose „A46GL“. Daran schloss sich mit der Diagnose „M16.9“ eine weitere Erkrankung von Montag, 17.08.2020 bis 08.09.2020 an. Ab dem 09.09.2020 bis Mittwoch, 21.10.2020, nahm der Kläger an einer stationären Reha-Maßnahme teil. Der Entlassungsbericht (Bl. 22 d.A. erster Instanz) lautet auszugsweise wie folgt:

 „Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer ist der Rehabilitand täglich 6 Stunden und mehr leistungsfähig. … Es bestehen keine wesentlichen Einschränkungen. Bei Entlassung besteht Arbeitsfähigkeit.“

Mit Schreiben vom 23.10.2020 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, sich bei der Dekra begutachten zu lassen. Hierfür wurde ein Termin am 06.11.2020 um 9.00 Uhr bei der DEKRA Automobil GmbH vorgeschlagen. Der Kläger nahm auch diesen Termin nicht wahr. Er war dann mit der Diagnose M 54.4 G von Freitag, 30.10.2020 bis 13.11.2020 krankgeschrieben, mit der Diagnose „F33.1“ vom 13.11.2020 bis 04.12.2020 und ab dem 07.12.2020 mit der Diagnose „1197GL“ bis 05.01.2021. Ab dem 11.12.2020 bezog der Kläger Krankengeld.

Für den Monat Juni 2020 zahlte die Beklagten dem Kläger 1.158,29 Euro brutto. Der Lohn wurde nach der vertraglichen Vereinbarung jeweils zum 15. des Folgemonats fällig. Weitere Zahlungen erfolgten für die Zeit ab Mitte Juni 2020 nicht.

Mit der am 22.10.2020 der Beklagten zugestellten Klage macht der Kläger zunächst den Lohn für Juni (anteilig), Juli und August 2020 geltend. Mit am 18.12.2020 zugestellter Klageerweiterung wurde auch der Lohn für die Zeit von September 2020 bis zum 11.12.2020 eingeklagt.

Der Kläger war erstinstanzlich der Auffassung,

die Bescheinigung seines Arztes stünde seiner Beschäftigung als Busfahrer nicht entgegen. Die Beklagte sei zur Zahlung verpflichtet, weil es weder eine Feststellung gebe, dass er nicht fahrgeeignet sei, noch ein behördliches Fahrverbot. Die Beklagte habe ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und ihn entweder als Begleitperson beschäftigen oder kündigen müssen. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien durch verschiedene Erkrankungen veranlasst. Der Kläger behauptet, es sei ein Stundenlohn i.H.v. 13,20 Euro geschuldet, wie zuletzt auch abgerechnet. Auf die Abrechnung z.B. Bl. 42 d.A. erster Instanz für April 2020 wird Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.692,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.125,31 Euro seit dem 15.07.2020, aus 2.283,60 Euro seit dem 15.08.2020 und aus 2.283,60 Euro seit dem 15.9.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.283,60 Euro brutto für September 2020, 2.283,60 Euro brutto für Oktober 2020 und 2.283,60 Euro brutto für November 2020 sowie 1.056,00 Euro brutto für Dezember 2020 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,

Annahmeverzug sei nicht eingetreten, weil der Kläger aufgrund des ärztlichen Attestes vom 14.11.2019 außer Stande gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es stelle ein Beschäftigungsverbot dar. Das Attest sei versehentlich von der Disposition der Beklagten im Juni 2020 übersehen worden, weshalb der Kläger – insoweit unstreitig - für den 16.06.2020, den 17.06.2020 und ab dem 06.07.2020 zunächst zur Arbeit eingeplant wurde. Eine Beschäftigung als Begleitperson sei dauerhaft nicht möglich gewesen. In den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sei diese nicht alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung gewesen. Der Stundenlohn belaufe sich laut Arbeitsvertrag auf 10,70 Euro brutto mit Leistungsparameter auf 12,00 Euro brutto.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.03.2021 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung/Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 18.06.2020 bis 11.12.2020, da er in diesem Zeitraum durchgehend nicht in der Lage gewesen sei, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Für einen Anspruch aus Schadenersatzgesichtspunkten oder auf Lohn ohne Arbeitsleistung sei eine Rechtsgrundlage nicht gegeben. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges seien nicht erfüllt, weil der Kläger im fraglichen Zeitraum leistungsunfähig gewesen sei. Dies ergebe sich bereits aus dem vom Kläger selbst vorgelegten ärztlichen Attest sowie der Tatsache, dass die dort gemachte Vorgabe für die Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit nicht eingetreten und die Leistungsfähigkeit auch nicht auf andere Weise schlüssig dargelegt sei. Aufgrund des Attestes habe die Beklagte den Kläger aus Gründen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes und zur Wahrung der Interessen Dritter ebenso wie des Klägers selbst nicht beschäftigten müssen bzw. dürfen. Die Indizwirkung des Attestes sei durch die nachfolgenden ärztlichen Feststellungen nicht widerlegt. Der Kläger habe keinen schlüssigen Vortrag dazu gehalten, dass er entsprechend den Vorgaben im Attest medikamentös eingestellt worden sei und sich der geforderten Begutachtung unterzogen habe. Der Befund des Schlaflabors enthalte schon keine Feststellung zur Fahreignung. Der Reha-Bericht lasse nicht erkennen, dass bei der dort abgegebenen Einschätzung der Leistungsfähigkeit die im Attest angesprochenen gesundheitlichen Einschränkungen bekannt gewesen seien und entsprechende Berücksichtigung gefunden haben. Ansprüche auf Schadenersatz seien nicht gegeben, weil der Kläger eine Beschäftigung mit einer anderen Tätigkeit als derjenigen eines Busfahrers von der Beklagten schon nicht verlangt habe. Im Übrigen habe einer solchen Beschäftigung auch entgegen gestanden, dass der Kläger mit verschiedenen Diagnosen arbeitsunfähig geschrieben war.

Gegen das dort am 07.04.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, welche am 05.05.2021 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit Eingang am 07.06.2021 begründet wurde.

Der Kläger führt zur Begründung seiner Berufung aus,

es sei unberücksichtigt geblieben, dass der behandelnde Arzt gegenüber dem Kläger das Schlaflabor für ausreichend erachtet habe, eine Begutachtung durch TÜV oder Dekra sei nicht gefordert gewesen. Es sei ihm bis dato weder der Führerschein noch der Personenbeförderungsschein entzogen. Die Führerscheinstelle habe keine Fahrtauglichkeitseinschränkung gesehen, er habe hier nur die entsprechende Begutachtung bei der Dekra wahrzunehmen gehabt. Er sei nach wie vor fahrtauglich. Die Beklagte habe ihn als Begleitperson beschäftigen können. Sie sei nicht berechtigt gewesen, sich 8 Monate nachdem ihr das Attest vorgelegen habe, allein auf dieses zu beziehen. Vielmehr habe sie sich an der Aussage der Führerscheinstelle orientieren müssen, die eine Feststellung, wonach der Kläger als ungeeignet zum Führen eines Busses anzusehen sei, gerade nicht getroffen habe. Der behandelnde Arzt könne nicht rechtlich wirksam über die Frage der Tauglichkeit entscheiden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Entlassungsbericht geeignet, dass zuvor erteilte Attest zu widerlegen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Chemnitz, Az. 11 Ca 1803/20, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.599,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 1.125,31 EUR seit dem 15.07.2020, aus 2.283,60 EUR seit dem 15.08.2020, aus 2.283,60 EUR seit dem 15.09.2020, aus 2.283,60 EUR seit dem 15.10.2020, aus 2.283,60 EUR seit dem 15.12.2020 und aus 1.056,00 EUR seit dem 15.01.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat sich den Ausführungen des Erstgerichts im Urteil angeschlossen und Letzteres verteidigt. Die Berufung sei mangels ausreichender Begründung bereits unzulässig. Der zweitinstanzlichen Behauptung, wonach der behandelnde Arzt dem Kläger gegenüber die Feststellung des Schlaflabors für ausreichend erachtet habe, tritt die Beklagte entgegen. Gleiches gilt für die Behauptung, die Führerscheinstelle habe den Kläger ihrerseits zur Begutachtung durch die Dekra aufgefordert. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass eine entsprechende Begutachtung, ggfls. mit welchem Ergebnis, durchgeführt worden sei. Auf die Frage, ob dem Kläger der Führerschein entzogen worden sei, komme es nicht an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 07.11.2022.

Aus den Gründen

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte und gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete, damit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage mit Ausnahme eines Zahlungsanspruchs für den 06.07.2020 zu Recht abgewiesen, denn sie ist insoweit unbegründet.

I.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung zulässig, denn eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils kann noch bejaht werden.

Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. etwa BAG, Urteil vom 24. Oktober 2017, Az. 1 AZR 166/16, juris). Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (BAG, Urteil vom 24. Oktober 2019, Az. 8 AZR 509/18, juris).

Die Berufungsbegründung wird dem gerecht. Der Kläger macht in erster Linie geltend, dass Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft auf das Attest aus November 2019 abgestellt, dabei weitere ärztliche Bescheinigungen nicht berücksichtigt und verkannt, dass über die Fahreignung rechtsverbindlich allein die Führerscheinstelle entscheiden könne. Damit greift der Kläger auf den konkreten Fall bezogen mit rechtlichen Argumenten die Annahme des Arbeitsgerichts an, es habe ihm im gesamten Zeitraum die Leistungsfähigkeit gefehlt.

II.

Gründe, die zur Unzulässigkeit der Klage führen könnten, sind nicht erkennbar und nicht geltend gemacht.

III.

Die Klage ist überwiegend unbegründet, denn die Beklagte war nicht im Verzug der Annahme der Arbeitsleistung. In den Zeiten, in denen der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, beruht die Nichtleistung der Arbeit nicht ausschließlich auf der Arbeitsunfähigkeit bzw. ist zum Teil vom Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung auszugehen. Lediglich für den 06.07.2020 hat der Kläger Anspruch auf Entgelt. Zwar konnte der Kläger auch hier seine Arbeitsleistung nicht vertragsgerecht anbieten (dazu unten), die Beklagte hat aber von ihrem daraus resultierenden Recht, die Annahme der Arbeitsleistung abzulehnen, noch keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger war unstreitig zur Arbeit erschienen, um zu arbeiten. Seinem Vortrag, warum dies dann nicht möglich war, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Der Grund liegt in der Sphäre der Beklagten. Im Einzelnen:

1.

Der Anspruch auf die Zahlung i.H.v. 105,60 € brutto ergibt sich aus § 611a BGB bzw. § 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.

1.1.

Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts nur, wenn die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Arbeitsleistung erbracht wurde. Als Ausnahme davon kann der Arbeitnehmer nach § 615 BGB die Zahlung des vereinbarten Lohns verlangen, wenn sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befand. Dies setzt in der Regel ein Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers voraus. Trotz eines Angebotes kommt der Arbeitgeber gemäß § 297 BGB nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens ist nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers, sondern nur auf die objektiven Umstände der Leistungsfähigkeit abzustellen. Ist ein Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die vereinbarte Leistung zu erbringen, so kann das fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt werden, dennoch zu arbeiten (zum Ganzen: BAG, Urteil vom 29. Oktober 1998, Az. 2 AZR 666/97, juris).

1.2.

Für den 06.07.2020 hat der Kläger nach Einteilung in den Dienstplan seine Arbeitsleistung vor Ort angeboten. Nach seinem unbestrittenen Vortrag war der überlassene Bus defekt. Wie der Arbeitstag weiter verlaufen ist, wurde nicht vorgetragen. Insbesondere hat die Beklagte für diesen Tag die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht erhoben. Das Gericht muss daher davon ausgehen, dass entweder die Arbeitsleistung erbracht wurde oder die Beklagte nach tatsächlichem Angebot der Arbeitsleistung dadurch in Annahmeverzug geriet, dass sie dem Kläger keinen funktionstüchtigen Bus zur Verfügung stellte. Die Beklagte hat hier auch von ihrem Recht, die angebotene Arbeitsleistung nicht anzunehmen (dazu unten) keinen Gebrauch gemacht, denn dies geschah unstreitig erst am Tag danach, also am 07.07.2020.

Die Höhe der geschuldeten Zahlung ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung von (durchschnittlich) 8 Stunden Arbeitsleistung unter Berücksichtigung eines Stundenlohns i.H.v. 13,20 Euro brutto. Die Beklagte hat hierzu zwar geltend gemacht, es sei arbeitsvertraglich maximal ein Stundenlohn i.H.v. 12,00 Euro vereinbart gewesen. Dem stehen aber die erteilten Abrechnungen entgegen, aus denen sich der vom Kläger geltend gemachte Betrag i.H.v. 13,20 Euro/Stunde ergibt.

2.

Soweit der Kläger Anspruch auf die Zahlung hat, stehen ihm auch die geltend gemachten Zinsen in gesetzlicher Höhe zu, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Zinspflicht trat hier gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 15.08.2020 ein, weil die Parteien die Lohnzahlung jeweils zum 15. des Folgemonats vereinbar hatten und sich die Beklagte also ab dem Folgetag ohne Mahnung mit dem Entgelt für Juli 2020 in Verzug befand.

3.

Weitergehende Ansprüche bestehen nicht. Insbesondere kann der Kläger die begehrte Zahlung auch nicht auf § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) stützen.

3.1.

Für die Zeit vom 18.06.2020 bis zum 05.07.2020 folgt dies bereits daraus, dass hier eine Folgeerkrankung vorliegt, für die der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum schon im Jahr 2019, jedenfalls zu Beginn des Jahres 2020, abgelaufen war.

3.1.1.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder

2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Während die erste Frist (6 Monate) an das Ende der vorausgehenden Erkrankung anknüpft, ist bei der zweiten Frist (12 Monate) auf den Beginn der ersten Erkrankung abzustellen. Die Berechnung erfolgt nach den §§ 187, 188 BGB.

3.1.2.

Die Krankschreibung im Zeitraum November 2019 bis 15. März 2020 beruht ausweislich des Schreibens der AOK Plus vom 22.09.2020 auf derselben Erkrankung wie diejenige ab dem 09.09.2020. Für den letzteren Zeitraum lautete die Diagnose M54.2. Für die Zeit vom 18.06.2020 bis zum 05.07.2020 lautet die Diagnose erneut auf „M54.2G“. Zu diesem Zeitpunkt war ausgehend von derselben Erkrankung - wie bis zum 15. 03.2020 gegeben - offensichtlich weder der oben genannte Zeitraum von 6 Monaten noch der Zeitraum von 12 Monaten, hier anknüpfend an den Beginn im November 2019, bereits abgelaufen. Ein neuer Fortzahlungszeitraum hat daher nicht begonnen.

3.2.

Für die Zeiten von Dienstag, 07.07.2020, bis Samstag, 15.08.2020, von Montag, 17.08.2020 bis 08.09.2020, vom 09.09.2020 bis Mittwoch, 21.10.2020, vom 30.10.2020 bis 13.11.2020, vom 13.11.2020 bis 04.12.2020 und ab dem 07.12.2020 jedenfalls bis 12.12.2020 fehlt es an der erforderlichen Monokausalität der jeweiligen Erkrankungen und daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeiten für die Nichterbringung der Arbeitsleistung. Der Kläger konnte vielmehr ohnehin seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten. Die zwischen den Parteien daneben streitige Frage, ob Folgeerkrankungen bzw. ein einheitlicher Verhinderungsfall vorliegen, bedarf daher keiner Entscheidung.

3.2.1.

Wie oben bereits ausgeführt, hat nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Voraussetzung ist also, dass der Arbeitnehmer krank ist und infolge dieser Krankheit arbeitsunfähig wird. Krankheit allein löst dagegen noch keinen Lohnfortzahlungsanspruch aus, vielmehr muss die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juli 1989, Az. 5 AZR 301/88, juris, damals zur vergleichbaren Lage beim Lohnfortzahlungsgesetz).

Krankheit im medizinischen Sinne ist jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand (BAG, Urteil vom 26. Juli 1989, a.a.O.). Deshalb fallen z.B. Erkrankungen aufgrund starken Übergewichts (Adipositas) unter den Krankheitsbegriff des Entgeltfortzahlungsgesetzes (ErfK/Reinhard, 23. Aufl. 2023, EFZG § 3 Rn. 6 unter Hinweis auf BAG, 07.08.1991, AP LohnFG § 1 Nr. 94 mwN). Eine Krankheit führt aber nicht automatisch zur Arbeitsverhinderung, die letztlich den Entgeltfortzahlungsanspruch auslöst. Vielmehr muss die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führen, die wiederum alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein muss (MüKoBGB/Müller-Glöge, § 3 EFZG Rn. 7). Von Arbeitsunfähigkeit ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird (allg. hins. der Verschlimmerungsgefahr BAG, Urteil vom 26.07.1989, NZA 1990, 140; Urteil vom 07.08.1991, NZA 1992, 69). Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt den Umstand, dass Arbeitsunfähigkeit nicht den gesundheitlichen Zusammenbruch voraussetzt, der den Arbeitnehmer unmittelbar daran hindert, die vertragsmäßige Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urteil vom 17. März 1960 – 2 AZR 471/58 - AP Nr. 15 zu § 1 ArbKrankhG; Schelp, Anmerkung zu BAG AP Nr. 15 bis 17 zu § 1 ArbKrankhG). Der Schutz des erkrankten Arbeiters setzt vielmehr früher ein. Für die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist aber auf objektive Gesichtspunkte abzustellen. Maßgebend ist die vom Arzt nach objektiven medizinischen Kriterien vorzunehmende Bewertung (BAG, Urteil vom 26. Juli 1989, Az. 5 AZR 301/88, juris).

3.2.2.

Vorliegend war der Kläger wegen des Schlafapnoes nicht arbeitsunfähig erkrankt im vorstehenden Sinn. Es fehlt insoweit auch bereits an einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Krankschreibung im Zeitraum November 2019 bis März 2020 beruht, wie oben bereits ausgeführt, auf der Diagnose M54.2, nach ICD somit auf Zervikalneuralgie. Grund für die Erkrankung waren also letztlich Rückenschmerzen. Für die Zeit vom November 2019 bis März 2020 liegt somit keine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vor, welche aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen wegen des Schlafapnoes resultierte.

3.2.3.

Das Attest vom 14.11.2019 bescheinigt demnach keine Arbeitsunfähigkeit, sondern die jedenfalls vorübergehend fehlende Tauglichkeit für einen Einsatz im Berufsverkehr. Dem Kläger wurde vom behandelnden Arzt krankheitsbedingt die Eignung zur Personenbeförderung abgesprochen, obwohl objektiv die Erbringung der Arbeitsleistung unter körperlichen Gesichtspunkten möglich gewesen wäre, auch ohne dass damit für ihn die Gefahr verbunden war, den Zustand zu verschlimmern. Der Kläger bot nur nicht mehr die erforderliche Gewähr hinreichender Aufmerksamkeit im Straßenverkehr. Letztere war aus folgenden Erwägungen erforderlich:

Gemäß § 48 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bedarf derjenige, der ein Kraftfahrzeug führt, einer zusätzlichen Erlaubnis, wenn in dem Fahrzeug Fahrgäste befördert werden und für diese Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist (Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, FzF). Letzteres ist dann der Fall, wenn mit Kraftfahrzeugen im Linien- oder Gelegenheitsverkehr entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen erfolgt, § 2 i.V.m. § 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Nach § 48 Abs. 4 Nr. 3 FeV ist diese Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung neben anderen, hier nicht interessierenden Voraussetzungen dann zu erteilen, wenn der Bewerber seine geistige und körperliche Eignung gemäß § 11 Abs. 9 FeV i.V.m. deren Anlage 5 nachweist. Die Erteilung erfolgt für eine Dauer von nicht mehr als fünf Jahren. Auf Antrag des Inhabers wird die Erlaubnis gemäß § 48 Abs. 5 Nr. 1 FeV jeweils bis zu fünf Jahren verlängert, wenn er u.a. seine geistige und körperliche Eignung gemäß § 11 Abs. 9 FeV i.V.m. deren Anlage 5 nachweist. Begründen Tatsachen Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung des Inhabers einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung, § 48 Abs. 8 FeV. Die Erlaubnis ist gemäß § 48 Abs. 9 FeV von der Fahrerlaubnisbehörde zu entziehen, wenn eine der aus Absatz 4 ersichtlichen Voraussetzungen fehlt.

§ 11 FeV trifft zur körperlichen Eignung folgende Regelung:

„(1)

Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird.

(2)

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.“

In Anlage 4 FeV lautete es in der Aufstellung häufiger vorkommender Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können zu Nr. 11.2.3. wie folgt:

 

Krankheiten, Mängel

Eignung oder bedingte Eignung

Beschränkungen/Auflagen bei bedingter Eignung

   

Klassen A, A1, A2

Klassen C, C1,

Klassen A, A1, A2

Klassen C, C1,

B, BE, AM, L, T

CE, C1E, D, D1,

B, BE, AM, L, T

CE, C1E, D, D1,

 

DE, D1E, FzF

 

DE, D1E, FzF

11.2.3.

obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS)

ja unter geeigneter Therapie

ja unter geeigneter Therapie

ärztliche Begutachtung,

ärztliche Begutachtung,

         

mittelschwer/schwer

Therapie

Therapie

regelmäßige ärztliche

regelmäßige ärztliche

(mittelschwer: Apnoe-Hypopnoe-Index zwischen

und wenn

und wenn

Kontrollen

Kontrollen

15 und 29 pro Stunde; schwer: Apnoe-Hypopnoe-Index von

keine messbare

keine messbare

in Abständen

in Abständen

mind. 30 pro Stunde)

auffällige Tages-schläfrigkeit

auffällige Tagesschläfrig-keit

von höchstens

von höchstens

 

mehr vorliegt

mehr vorliegt

drei Jahren

einem Jahr

 

In Anlage 5 der FeV ist geregelt, dass sich Bewerber um die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung untersuchen lassen müssen, ob Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können. Sie müssen außerdem besondere Anforderungen hinsichtlich

a) Belastbarkeit,

b) Orientierungsleistung,

c) Konzentrationsleistung,

d) Aufmerksamkeitsleistung,

e) Reaktionsfähigkeit

erfüllen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Arzt des Klägers im Attest vom November 2019 aufgrund des OSAS die Tauglichkeit vorübergehend verneint, bis beim Kläger unter geeigneter Therapie eine auffällige Tagesschläfrigkeit messbar nicht mehr vorlag.

3.2.4.

Die Erlaubnis selbst war damit noch nicht entzogen, der Kläger konnte dennoch seine geschuldete Arbeitsleistung im Sinne des § 297 BGB nicht ordnungsgemäß anbieten mit der Folge, dass die Beklagte diese nicht annehmen musste (dazu, dass sie es dennoch konnte, schon oben). Die Beklagte befand sich somit nicht im Annahme-, sondern der Kläger im Schuldnerverzug.

Aus den obenstehenden Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung ergibt sich, dass der Kläger für seine Tätigkeit dauerhaft die Voraussetzungen der Erlaubnis erfüllen musste, um seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbringen zu können. Die Überprüfungsmöglichkeiten durch die Behörde mit ihren zeitlichen Verzögerungen führen nicht dazu, dass rein formal auf das Vorliegen der Erlaubnis abzustellen wäre. Die genannten gesundheitlichen Voraussetzungen sind vielmehr Grundbedingung für eine Tätigkeit in der Personenbeförderung. Bietet der Inhaber der Erlaubnis bekanntermaßen nicht mehr die erforderliche Gewähr dafür, dass insbesondere Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit ausreichend gegeben sind, kann er die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr ordnungsgemäß anbieten. Dies folgt aus den damit für die beförderten Personen, für den Straßenverkehr im Allgemeinen und für den Kläger selbst verbundenen erheblichen Risiken, hier in Form eines drohenden Unfalls durch Sekundenschlaf. Dass ihm die Eignung fehlt, ergibt sich wiederum aus dem vorgelegten ärztlichen Attest. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auf dieses abzustellen, denn wie allen Attesten wohnt ihm ein hoher Beweiswert inne. Der Kläger hat hier keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die ärztlichen Feststellungen unzutreffend sein und der Beweiswert damit erschüttert sein sollte. Die Aussage des Attestes bzgl. der Fahrtauglichkeit als solche ist eindeutig: sie wird ihm bis auf weiteres abgesprochen.

Insofern unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt von demjenigen, welcher dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Februar 1998 (Az. 9 AZR 130/97, juris) zugrunde lag. Dort wurde dem Kläger ärztlich nur bescheinigt, dass er besonders empfindlich gegen Staub, Dämpfe und Gase und ein Arbeitsplatzwechsel deshalb dringend erforderlich sei. Hier dagegen wurde dem Kläger mit ärztlichem Attest die Tauglichkeit für den Einsatz in der Personenbeförderung abgesprochen, so dass ihm die Eignung für die geschuldete Arbeitsleistung – jedenfalls vorübergehend - fehlte. Der Sachverhalt ist vielmehr vergleichbar demjenigen, welcher der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein im Urteil vom 28. November 1988 (Az. 4 Sa 382/88, juris) zugrunde lag. Das Gericht ist dort davon ausgegangen, dass ein wiederholt unter Alkoholeinwirkung stehender Maschinenarbeiter regelmäßig dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung für den Maschinenarbeitsplatz nicht vertragsgerecht anbieten kann. Dem dortigen Kläger fehlte aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit wegen der damit verbundenen Gefahren die Eignung, an einer mit einem Druck von 500 Atü arbeitenden Stanze zu arbeiten. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ist dabei auch davon ausgegangen, dass die dortige Beklagte den fraglichen Arbeitnehmer an der Stanze nicht beschäftigen konnte und durfte. So liegt der Fall auch hier.

3.2.5.

Entgegen der Ansicht des Klägers stellt der Befundbericht des Schlaflabors keine ärztliche Bescheinigung dar, aus der sich ergeben würde, dass nunmehr die Tauglichkeit wiederhergestellt sei. Soweit er sich auf die dort genannten guten Werte bezieht, sind diese unter den Bedingungen des Labors nach einer Nacht mit Maske festgestellt. Mit dem Bericht wird dem Kläger aber auch eine bis dato schlechte Compliance bescheinigt. Er ist daher nicht geeignet, die Beweiskraft des ursprünglichen Attests zu beseitigen und nunmehr Gegenteiliges zu belegen. Wie in dem Attest gefordert, wäre hierfür ein Gutachten von TÜV oder Dekra vorzulegen gewesen. Ein solches hat der Kläger unstreitig im hier gegenständlichen Zeitraum nicht erstellen lassen.

3.2.6.

Konnte der Kläger seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten, geriet er für die einzelnen Tage in Schuldnerverzug (trotz der eigentlich eintretenden Unmöglichkeit wird in diesem Zusammenhang von Schuldnerverzug ausgegangen, vgl. z.B. Reinhard in Erfurter Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 21). Befindet sich der Arbeitnehmer im Schuldnerverzug, ist für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit vom Fortbestand des Schuldnerverzugs auszugehen mit der Folge, dass es an der erforderlichen Monokausalität (dazu Reinhard, a.a.O., § 3 EFZG Rn. 14) der jeweiligen Erkrankungen für den Arbeitsausfall fehlt (Reinhard, a.a.O., § 3 EFZG Rn. 21). Die Erkrankungen beruhen hier sämtlich auch nicht etwa auf dem Schlafapnoe, sodass dieselbe Ursache zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätte. Der Kläger hat folgende Diagnosen vorgetragen:

A46GL = nach ICD: sonstige bakterielle Krankheiten

M16.9. = nach ICD: Koxarthrose (Arthrose im Hüftgelenk)

M 54.4. = Lumboischialgie

F 33.1. = Rezidivierende depressive Störung

1197GL = nach ICD: nicht feststellbar

Der Kläger, welcher als Anspruchsteller für die Voraussetzungen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs darlegungs- und beweispflichtig ist, hat somit nicht nachvollziehbar dazu vorgetragen, dass eine der Arbeitsunfähigkeitszeiten auf derselben Ursache beruhen würde, wie sein Schuldnerverzug, nämlich den gesundheitlichen Auswirkungen des Schlafapnoes.

3.3.

Für die Woche vom 22.10.2020 bis 30.10.2020 (nach der Reha) wurde dem Kläger keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Dazu, dass er seine Arbeitsleistung zum damaligen Zeitpunkt angeboten hätte, ist nicht vorgetragen. Die Beklagte ist aber schon deswegen nicht in Annahmeverzug geraten, weil zum ordnungsgemäßen Angebot eine unstreitig nicht vorgelegte Bescheinigung erforderlich gewesen wäre, wonach der Kläger die Voraussetzungen für die Tätigkeit wieder erfüllte. Trotz der dem Kläger mit dem Entlassungsbericht ausdrücklich bescheinigten Arbeitsfähigkeit bestand nach wie vor das Leistungshindernis in Form der nicht feststellbaren (wiedererlangten) Eignung. Entsprechendes lässt sich insbesondere dem Entlassungsbericht nicht entnehmen, denn – wie oben ausgeführt – ist zwischen der Arbeitsfähigkeit als solcher und der gesundheitlichen Eignung zur Personenbeförderung zu unterscheiden.

3.4.

Der Kläger kann etwaige Ansprüche auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, ihn als Begleitperson zu beschäftigen. Für die überwiegenden Zeiträume folgt dies schon daraus, dass eine Beschäftigungspflicht aufgrund der bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund anderer Erkrankungen nicht bestand. Für die Woche nach der Reha ist schon nicht erkennbar, dass der Beklagten bekannt gewesen wäre, dass Arbeitsfähigkeit grundsätzlich bestand. Es ist weiterhin nicht erkennbar, dass auch in diesem Zeitraum die Möglichkeit bestanden hätte, den Kläger als Begleitperson einzusetzen.

4.

Nachdem keine weitergehenden Hauptansprüche bestehen, besteht insoweit auch kein Zinsanspruch, die Klage war diesbezüglich abzuweisen.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, im Übrigen aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind weder erkennbar noch vorgebracht. Es liegt insbesondere keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, die Kammer hat vielmehr einen Einzelfall unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

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