BAG: Persönliche Haftung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 6 AZR 210/08
Rechtsgebiete: InsO, BGB
Vorschriften:
InsO § 60 | |
BGB § 311 Abs. 3 |
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
6 AZR 210/08
Verkündet am 25. Juni 2009
In Sachen
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schmidt und Spiekermann für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich des Hilfsantrags, dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Januar 2008 - 1 Sa 134/07 - stattgegeben hat, für erledigt erklärt.
2. Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den beklagten Insolvenzverwalter persönlich wegen Nichterfüllung von Arbeitsentgeltansprüchen sowie aus Annahmeverzug in Anspruch.
Der Kläger war bei der späteren Insolvenzschuldnerin, der W GmbH, seit dem 1. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2004 beschäftigt. Dieser war seit November 2002 - wie bereits ihrem Geschäftsführer seit September 1998 - die Ausübung des Gewerbes untersagt. Im Jahr 1998 war über das Vermögen ihres Geschäftsführers das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden. Im August 2002 gab dieser außerdem die eidesstattliche Versicherung ab. Ungeachtet der Gewerbeuntersagungen setzte die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb fort. Am 11. August 2004 beauftragte das Amtsgericht Rostock den Beklagten mit der Erstellung eines Gutachtens über die Massezulänglichkeit in einem wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge eingeleiteten Insolvenzantragsverfahren. Am 12. August 2004 ließ sich der Beklagte vom Geschäftsführer der Schuldnerin über den Auftragsbestand informieren. Auf ausdrückliche Nachfrage versicherte dieser dem Beklagten, dass eine Gewerbeanmeldung vorliege und dass diesbezüglich keinerlei Probleme bestünden. Er übersandte mit Schreiben vom 25. August 2004 die Gewerbeanmeldung.
Mit Beschluss vom 20. August 2004 bestellte das Amtsgericht Rostock den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, ohne ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu übertragen (schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter). Am 23. August 2004 hielt der Beklagte in dieser Funktion eine Belegschaftsversammlung ab. In ihr informierte er die sechs Arbeitnehmer der Schuldnerin, dass die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Schuldnerin beantragt worden sei. Der Betrieb solle zunächst aufrechterhalten werden. Der Beklagte überreichte den Arbeitnehmern ein "Merkblatt für Arbeitnehmer im Insolvenzantragsverfahren". In diesem wies er unter anderem darauf hin, dass Lohnansprüche der Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht befriedigt werden könnten, soweit die Insolvenzmasse nicht ausreiche, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.
Im Zusammenhang mit der Frage von Arbeitnehmern der Schuldnerin nach der Erfüllung ihrer Lohnforderungen bei Fortsetzen ihrer Tätigkeit verwies der Beklagte auf seine persönliche Versicherung. Streitig ist, wie dieser Hinweis gemeint und zu verstehen war. Die Arbeitnehmer der Schuldnerin hatten zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich seit drei bis vier Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Auch dem Kläger war seit April 2004 kein Entgelt mehr gezahlt worden. Der Kläger setzte wie die übrigen Arbeitnehmer im Anschluss an die Versammlung seine Tätigkeit bis zum 31. Oktober 2004 fort.
Der Beklagte erstellte am 6. September 2004 das Gutachten über die Massezulänglichkeit der Schuldnerin. Daraus ergibt sich, dass ihm die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Geschäftsführer der Schuldnerin, die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über dessen Vermögen sowie die Einleitung von insgesamt sechs Insolvenzantragsverfahren gegen die Schuldnerin durch Sozialversicherungsträger und das zuständige Finanzamt wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zwischen November 2000 und April 2004 bekannt waren. Durch Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 16. September 2004 wurde am selben Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Am 8. Oktober 2004 erfuhr der Beklagte von der Gewerbeuntersagung gegen die Schuldnerin. Daraufhin legte er den Betrieb zum 31. Oktober still, kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 ordentlich zum 31. Dezember 2004 und stellte ihn zugleich ab dem 1. November 2004 von der Arbeitsleistung frei. Der Kläger erhielt für die Zeit vom 15. Juni 2004 bis 16. September 2004 Insolvenzgeld. Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17. September bis zum 31. Oktober 2004 erhielt er zunächst ebenso wenig wie eine Vergütung für die Zeit seiner Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2004. Ab dem 1. November 2004 bezog er Arbeitslosengeld von täglich 23,25 Euro. Mit Zwischenbericht vom 3. Juni 2005 zeigte der Beklagte gegenüber dem Amtsgericht Rostock Masseunzulänglichkeit an. Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte im Juli 2008 1.702,78 Euro entsprechend einer Quote von 60,85444 % auf die Nettoentgeltansprüche des Klägers für die Zeit vom 17. September 2004 bis 31. Dezember 2004 gezahlt. Davon entfallen 1.084,97 Euro auf die Zeit vom 17. September 2004 bis 31. Oktober 2004 und 617,81 Euro auf die Zeit vom 31. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2004.
Der Kläger begehrt zuletzt noch Schadenersatz vom Beklagten persönlich in Höhe der Entgeltansprüche für die Zeit vom 16. September 2004 bis zum 31. Dezember 2004 abzüglich der zwischenzeitlich gezahlten Quote und abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes. Soweit er bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat beim Hauptantrag die aus der Masse erfolgte Zahlung in Höhe der Quote nicht berücksichtigt hat sowie hilfsweise Schadenersatz in Höhe des ihm für die Zeit vom 17. September 2004 bis 31. Oktober 2004 entgangenen Arbeitslosengeldes begehrt hat, haben die Parteien die Hauptsache im Hinblick auf die Zahlung der Quote übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die Erklärung des Beklagten in der Versammlung vom 23. August 2004 als persönliche Garantieerklärung des Beklagten gewertet. Dieser müsse deshalb für die erlittenen Lohneinbußen ab dem 17. September 2004 einstehen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 16. September 2004 bis zum 29. Oktober 2004 Schadenersatz in Höhe von 2.536,00 Euro brutto abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 1.084,97 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 30. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2004 3.681,00 Euro brutto vermindert um bezogenes Arbeitslosengeld von 1.418,25 Euro netto und zwischenzeitlich gezahlter 617,81 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klagabweisungsantrages vorgetragen, er sei in der Versammlung vom 23. August 2004 gefragt worden, ob man sich denn auf die Mitteilungen im Merkblatt verlassen könne. Darauf habe er geantwortet, dass - soweit diese Mitteilungen falsch seien - er im Übrigen eine Versicherung als Insolvenzverwalter habe. Seiner Äußerung könne nicht der Wille entnommen werden, dass er persönlich für die Lohnzahlungspflichten im Rahmen eines Schuldbeitritts oder einer Garantie haften wolle.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme über die Äußerungen des Beklagten auf der Versammlung vom 23. August 2004 der Klage stattgegeben. Es hat einen Schuldbeitritt des Beklagten bejaht. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des Beklagten teilweise abgeändert und den Beklagten nur nach dem Hilfsantrag zur Zahlung verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich sowohl der Kläger wie auch der Beklagte mit ihren vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Hilfsantrag des Klägers, der Gegenstand der Revision des Beklagten ist und der sich auf Ersatz des negativen Interesses richtet, ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt worden, so dass insoweit nur festzustellen war, dass der Rechtsstreit für erledigt erklärt ist.
I. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten persönlich in Höhe des für die Zeit vom 16. September 2004 bis zum 31. Oktober 2004 geschuldeten Arbeitsentgelts sowie der Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 1. November 2004 bis zum 31. Dezember 2004. Derartige Ansprüche haben ausschließlich gegenüber der Masse bestanden und sind zwischenzeitlich in Höhe der Quote erfüllt.
1. Der auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Hauptantrag setzt voraus, dass der Beklagte am 23. August 2004 eine Garantierklärung abgegeben oder einen Schuldbeitritt erklärt hat. Beides ist nicht der Fall.
a) Der Beklagte hat in der Versammlung vom 23. August 2004 entgegen der Auffassung des Klägers keine Garantieerklärung abgegeben, durch die er sich verpflichtet hat, für die Erfüllung der Entgeltansprüche des Klägers bei dessen Weiterarbeit auch dann persönlich einzustehen, wenn der Betrieb - wie geschehen - wegen der beiden Parteien zu diesem Zeitpunkt unbekannten Gewerbeuntersagung nicht weiter geführt werden konnte. Darum besteht für die in der Zeit vom 17. September 2004 bis 31. Oktober 2004 verdienten Entgeltansprüche des Klägers kein Erfüllungsanspruch gegen den Beklagten.
aa) Durch eine Garantie verpflichtet sich der Garantieschuldner, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder die Gefahr eines künftigen Schadens zu übernehmen. Er gewährleistet also dem Gläubiger, auf jeden Fall die versprochene Leistung zu erhalten. Dabei haftet er auch für alle nicht typischen Zufälle (BGH 13. Juni 1996 - IX ZR 172/95 - NJW 1996, 2569, 2570).
Der Garantieschuldner hat den Gläubiger so zu stellen, als ob der garantierte Erfolg eingetreten oder der Schaden nicht entstanden wäre, und damit das Erfüllungsinteresse zu ersetzen (BGH 10. Februar 1999 - VIII ZR 70/98 - NJW 1999, 1542, 1544).
bb) Eine derartige Erklärung, die zu einer vertraglichen Einstandspflicht des Beklagten geführt hätte, hat dieser am 23. August 2004 nicht abgegeben. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt. Es hat ausgeführt, dass der Beklagte in der Versammlung vom 23. August 2004 auf entsprechende Nachfrage auf seine persönliche Versicherung als Gewähr für die Auszahlung künftiger Gehälter im Falle der Betriebsfortführung verwiesen habe. Dieser Hinweis könne sich nur auf eine für Handlungen des Beklagten in seiner Funktion als (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestehende Versicherung beziehen. Eine persönliche Haftung des Beklagten mit eigenem Vermögen für Lohnzahlungspflichten der Schuldnerin lasse sich deshalb nicht feststellen.
Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt und die Bestimmung des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht richtig angewandt. Es habe die Umstände der Erklärung des Beklagten in der Versammlung vom 23. August 2004 nicht berücksichtigt. Der Beklagte habe erklärt, es gebe keinen Lohnausfall, wenn für ihn weiter gearbeitet werde. In diesem Zusammenhang habe er auf seine Versicherung verwiesen. Es sei also um eine Versicherung zur Absicherung der Lohnzahlungen bei der vom Beklagen verlangten Weiterarbeit gegangen. Das Landesarbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Beklagte erklärt habe, er stelle - wenn auch über eine Versicherung - die Zahlung der Löhne sicher. Er sei damit eine eigene, durch eine Versicherung abgesicherte Verpflichtung eingegangen.
Diese Angriffe sind nicht geeignet, der Revision des Klägers zum Erfolg zu verhelfen.
(1) Die Auslegung nicht typisierter Willenserklärungen ist Aufgabe des Tatsachengerichts. Werden die vorliegend auf einer Beweisaufnahme beruhenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dass und welche Erklärungen abgegeben worden sind, wie hier nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, sind sie für das Revisionsgericht bindend, § 559 Abs. 2 ZPO. Das Revisionsgericht prüft in derartigen Fällen deshalb nur, ob bei der Auslegung einer Willenserklärung die Rechtsvorschriften über die Auslegung richtig angewandt worden sind, ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet worden ist, ob bei der Auslegung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist, ob eine gebotene Auslegung unterlassen worden ist und ob die Auslegung rechtlich möglich ist (Senat 23. April 2009 - 6 AZR 533/08 - Rn. 24). Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung ausgehend vom Wortlaut der Erklärung der wirkliche Wille zu erforschen.
(2) Diesem Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis stand.
Die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Erklärung des Beklagten kann nur vor dem Hintergrund der Frage des Zeugen K verstanden werden, auf die hin sie unstreitig abgegeben worden ist. Auch der Kläger verweist zur Begründung seiner Revision auf den Zusammenhang, in dem der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Hinweis des Beklagten auf seine Versicherung erfolgt sei, der sich aus den protokollierten Zeugenaussagen ergebe. Dieser Zusammenhang rechtfertigt den vom Kläger gezogenen Rückschluss auf eine umfassende Garantiezusage des Beklagten aber gerade nicht. Im Gegenteil ergibt sich daraus lediglich, dass der Beklagte die Arbeitnehmer der Schuldnerin zur Weiterarbeit motivieren wollte. Deshalb wollte er mit der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerung persönlich nur dann für die mit ihrer Weiterarbeit von den Arbeitnehmern verdienten Löhnen einstehen, wenn es zu Liquiditätsproblemen der Schuldnerin wegen Säumigkeit der Auftraggeber trotz vollständiger Auftragsabwicklung kommen sollte. Nur dieses Risiko war von den Arbeitnehmern in der Versammlung vom 23. August 2004 angesprochen. Dies folgt insbesondere aus der Aussage des Zeugen K. Dieser hat bekundet, zunächst darauf hingewiesen zu haben, dass die Firma immer Aufträge gehabt habe und auch künftig Aufträge habe. Er habe dann gefragt, wie es sich verhalte, wenn ein Auftraggeber mit der Zahlung säumig sei. Daraufhin habe der Beklagte erklärt, die Arbeitnehmer sollten die Aufträge abarbeiten. Wenn ein Auftraggeber nicht zahlen werde, sei er gut versichert. Zwar hat der Zeuge K im Anschluss daran bekundet, dass er sich fest auf die Worte des Beklagten verlassen habe, dass die Arbeitnehmer in jedem Fall ihren Lohn bekämen, wenn sie weiterarbeiteten. Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont die Aussage des Beklagten als umfassende Garantie zu verstehen war. Der Zeuge K hat nämlich weiter zu Protokoll gegeben, dass er sich an die Äußerung des Beklagten, "wir bekommen auf jeden Fall unseren Lohn, und wenn da einer bei ist, der nicht zahlt, ist er gut versichert", ganz genau erinnere. Der Zeuge S hat bekundet, der Beklagte habe erklärt, er habe eine Versicherung, die eintrete, wenn keine Gelder mehr reinkommen. Der Zeuge G hat erklärt, der Beklagte habe sinngemäß erklärt, die Arbeitnehmer müssten sich keine Gedanken machen, wenn Auftraggeber nicht zahlten. Gegen Zahlungsausfall sei er versichert.
Sämtliche Äußerungen des Beklagten in der Versammlung vom 23. August 2004, die sich auf eine Versicherung bezogen, standen also im Zusammenhang mit dem ihm und allen Gesprächsteilnehmern erkennbaren Ziel der Arbeitnehmer der Schuldnerin, bei ihrer Weiterarbeit das Risiko säumiger Auftraggeber nicht tragen zu wollen. Der Wille, weitergehende Risiken, insbesondere die Haftung für unbekannte Hindernisse, die der Fortführung des Betriebs entgegenstehen könnten, zu übernehmen, lässt sich aus dem Zusammenhang, in dem der Beklagte auf seine Versicherung verwiesen hat, deshalb nicht entnehmen.
Zur vollständigen Abwicklung der im August 2004 vorhandenen Aufträge ist es wegen der unstreitig dem Beklagten bei der Versammlung noch unbekannten Gewerbeuntersagung nicht mehr gekommen. Vielmehr ist der Betrieb plötzlich stillgelegt worden. Das Risiko, für das der Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätte einstehen müssen, hat sich gerade nicht verwirklicht.
b) Ein Schuldbeitritt des Beklagten zu den gegen die Masse gerichteten Ansprüchen für die Zeit vom 17. September 2004 bis zum 31. Oktober 2004 scheidet aus den vorstehend genannten Gründen ebenfalls aus.
c) Eine persönliche Haftung für den Fall der Freistellung des Klägers hat der Beklagte auch nach dem Vortrag des Klägers nicht übernommen. Der Kläger wollte nur sichergestellt wissen, dass bei Weiterarbeit das verdiente Entgelt bezahlt wird. Bereits deshalb haftet der Beklagte nicht persönlich für die Erfüllung der Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers für die Zeit vom 1. November 2004 bis 31. Dezember 2004.
2. Alle weiteren denkbaren Anspruchsgrundlagen begründen keinen Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses und können deshalb dem Hauptantrag des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen. Der Schadensersatzanspruch des § 60 InsO ist regelmäßig nur auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet (BGH 6. Mai 2004 - IX ZR 48/03 - BGHZ 159, 104, 118; 25. Januar 2007 - IX ZR 216/05 - Rn. 14, ZIP 2007, 539), ebenso der jetzt in § 311 Abs. 3 BGB geregelte Anspruch auf Schadenersatz wegen der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens (vgl. BGH 14. März 1991 - VII ZR 342/89 - BGHZ 114, 87, 94). Ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen dieser Normen vorliegen, kann deshalb dahinstehen. Insbesondere ist nicht entscheidungserheblich, ob sich der Beklagte angesichts der Häufung massiver Indizien, die für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Schuldnerin oder ihres Geschäftsführers sprachen, mit der bloßen Versicherung des Geschäftsführers, gewerberechtlich bestünden keine Probleme, und der Übersendung der Jahre zurückliegenden Gewerbeanmeldung begnügen durfte oder ob er eigene Erkundigungen bei der zuständigen Behörde hätte einholen müssen.
II. Der vor dem Landesarbeitsgericht erfolgreiche Hilfsantrag des Klägers, der Gegenstand der Revision des Beklagten ist, ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsrechtszug erklärt werden (BGH 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87 - BGHZ 106, 359, 368). Damit ist der Urteilsausspruch des Landesarbeitsgerichts zum Hilfsanspruch wirkungslos geworden (BGH 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, 335, 342). Deshalb war insoweit nur noch zur Klarstellung festzustellen, dass der Rechtsstreit für erledigt erklärt ist (Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 91a Rn. 23; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 29. Aufl. § 91a Rn. 25).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 91a ZPO. Der Senat hat dem Kläger auch hinsichtlich seines Hilfsantrages die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Kläger behauptet auch nach rechtlichem Hinweis des Senats nicht, dass er den gesetzlich höchstmöglichen Anspruchszeitraum nach § 127 SGB III nicht ausgeschöpft hat. Dass ihm bei wirtschaftlicher Betrachtung aus dem erst seit dem 1. November 2004 erfolgten Bezug von Arbeitslosengeld überhaupt ein Schaden entstanden ist, hat der Kläger deshalb nicht dargelegt.
Stichworte: | Persönliche Haftung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters |
Verfahrensgang: | LAG Mecklenburg-Vorpommern, 1 Sa 134/07 vom 10.01.2008 ArbG Rostock, 1 Ca 2148/06 vom 03.04.2007 |