LAG Berlin-Brandenburg: Ordnungsgemäße Konsultation des Betriebsrats bei Massenentlassung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.11.2015 – 10 Sa 1501/15
Leitsätze
Die Konsultation mit dem Betriebsrat ist bei einer Massenentlassung nur dann ordnungsgemäß, wenn in einem faktisch abhängigen Unternehmen nicht nur die vordergründigen Gründe, sondern die Hintergründe ausführlich mitgeteilt werden.
§ 17 Abs. 3a KSchG
Sachverhalt
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung sowie über die Zahlung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen für die Zeit der Freistellung ab dem 1. April 2015.
1.
Die Klägerin ist 57 Jahre alt und verheiratet. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Sie ist seit dem 1. Februar 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Angestellte im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) auf dem Flughafen T. in Berlin in Vollzeit mit einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von ca. 3.576,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (MTV BVD) Anwendung, nach dem die Gehaltszahlung bis zum 27. eines Monats erfolgen muss. § 16 Abs. 1 MTV BVD sieht Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit vor. Die Klägerin war bis Ende März 2015 regelmäßig sonntags, feiertags und in Nachtstunden eingesetzt. Für Januar erhielt sie diesbezügliche tarifliche Zuschläge in Höhe von 311,90 EUR brutto, für Februar 2015 in Höhe von 335,69 EUR brutto und für März 2015 in Höhe von 414,22 EUR brutto.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der W. Unternehmensgruppe. Die W. erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Aviation, Facility und Industrie. Die W. A. S. Holding ist ein führender Spezialist für Flughafendienstleistungen. Kerngeschäft sind bodennahe Verkehrsdienstleistungen für Flughäfen und Fluggesellschaften, die das Unternehmen überwiegend mit eigenen Mitarbeitern erbringt. Im Einzelnen sind dies Airport Service, Ground Service, Passage Service, Cargo Service und Airport Personal Service.
Die Beklagte erbrachte mit insgesamt ca. 190 Arbeitnehmern weitgehend auf dem Flughafen Berlin-T. sowie mit zuletzt noch 14 Arbeitnehmern auf dem im Bundesland Brandenburg gelegenen Flughafen Berlin-Sch. verschiedene Dienstleistungen im Bereich der Passagierabfertigung (Passage Service). Im Bereich Check-In waren ca. 123 Arbeitnehmer tätig, im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) ca. 41 Arbeitnehmer, davon 14 auf dem Flughafen Sch., im Bereich Datenbasis (IT-seitige Flugvorbereitung) 7 Arbeitnehmer und im Bereich VIP-Service (Betreuung der VIP-Lounge in T.) ca. 3 Arbeitnehmer tätig. Weitere Tätigkeiten entfaltete die Beklagte nicht. Einzige Auftraggeberin der Beklagten war die G. Berlin GmbH & Co. KG (GGB).
Die GGB wurde im Jahre 2008 durch die W. Gruppe erworben. Im Jahre 2011/2012 erfolgten eine organisatorische und eine rechtliche Trennung der verschiedenen Geschäftsbereiche der GGB in Passage bzw. Passagierabfertigung, Rampe bzw. Vorfeld, Verwaltung und Werkstatt. Während die Verwaltung bei der GGB verblieb, wurde der Bereich Werkstatt von der W. A. W. Service Berlin GmbH & Co. KG, der Bereich Rampe bzw. Vorfeld von der AGSB A. G. Service Berlin GmbH & Co. KG und der Betrieb Passage bzw. Passagierabfertigung von der Beklagten fortgeführt.
Ob im Jahre 2013 sämtliche Aufträge von der GGB in die W. C. GmbH & Co. KG transferiert wurden oder ob dieses nur zu ca. einem Drittel geschah, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls beschäftigte die GGB spätestens Ende 2013 keine Arbeitnehmer mehr.
Am 30. Juni 2014 endete der Auftrag der Passagierabfertigung am Flughafen Sch. für die Beklagte und wurde zum 1. Juli 2014 von der GGB der PSS GmbH & Co. KG übertragen. Gesellschafter der Komplementär GmbH, der P. S. Sch. GmbH (PSS), sind die GGB und ein Herr R. S., der nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite im Rahmen eines Treuhandvertrages an Weisungen der W.-Konzernleitung gebunden ist.
Am 15. September 2014 wurde die P. GmbH gegründet. Gegenstand der Gesellschaft ist unter anderem die „Durchführung von Treuhandgeschäften“, Herr R. S. wurde zu deren Geschäftsführer bestellt. Deren Geschäftsadresse befindet sich in einem Mehrfamilienhaus in der A…str. 9, 17489 G….. Unter dieser Anschrift residiert auch die Firma P. Service T. GmbH (PST). Alleingesellschafter der Fa. PST ist laut Handelsregister die Fa. P. GmbH.
Die GGB ist die einzige Kommanditistin der Beklagten. Die Kommanditanteile der GGB werden von einem Unternehmen der W.-Gruppe gehalten. Komplementärinnen der Beklagten sind die A. P. Service Berlin Beteiligungs GmbH und die G. Berlin Beteiligungs GmbH. Deren Gesellschafter sind mit Herrn B. A. einerseits und Herrn G. B. und Herrn Dr. M. Sch. andererseits jeweils natürliche Personen. Die Beklagte gehört deshalb rechtlich weder zum Konzern der GGB noch zum W.-Konzern.
2.
Die GGB kündigte mit Schreiben vom 9. September 2014 die passageseitige Abfertigung der Flüge der Deutschen Lufthansa nach Frankfurt zum 24. September 2014 um 24:00 Uhr sowie die Flüge der Swiss am Flughafen T. zum 30. September 2014 um 24:00 Uhr. In dem Kündigungsschreiben ist als Kündigungsgrund ausgeführt, dass sich die GGB entschieden habe, die in der Kündigung genannten Subunternehmerleistungen an einen nicht zum Konzern gehörenden Anbieter zu vergeben. Dieser werde kein Personal übernehmen. Mit Schreiben vom 22. September 2014 kündigte die GGB zum 7. Oktober 2014 um 24:00 Uhr die passageseitige Abfertigung der Austrian Airlines, zum 3. November 2014 um 24:00 Uhr einerseits die passageseitige Abfertigung der British Airways und andererseits die passageseitige Abfertigung der Deutschen Lufthansa sowohl bezüglich Check-In und Boarding als auch bezüglich der Besetzung der First Class-Schalter und der Baggage Drop-off-Schalter. Weiter wurden in diesem Schreiben die Tätigkeiten Lost & Found, Datenbasis, Pasco und VIP-Service zum 31. März 2015 gekündigt. Alle Aufträge würden zukünftig an konzernfremde Anbieter vergeben. Diese würden kein Personal der Beklagten übernehmen.
Ebenfalls unter dem 22. September 2014 fand im Umlaufverfahren eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. In dieser wurde durch die GGB als alleiniger stimmberechtigter Gesellschafterin der Beschluss gefasst, dass beabsichtigt sei, den Betrieb der Beklagten in T. und Sch. zum 31.3.2015 stillzulegen und die dem Betriebszweck dienende Organisation zu diesem Termin aufzulösen. Hierbei war die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten, die A. P. Service Berlin Beteiligungs GmbH, nicht stimmberechtigt.
Unter dem 20. Januar 2015 wurde der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG zur Kündigung von noch 188 beschäftigten Arbeitnehmern angehört. In diesem Anhörungsschreiben ist u.a. ausgeführt:
Mit Gesellschafterbeschluss vom heutigen Tag haben die Gesellschafter der APSB nach dem Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch einmal formal die Stilllegung des Geschäftsbetriebs der APSB zum 31. März 2015 beschlossen und die Geschäftsführung aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zur Stilllegung zum 31. März 2015 zu ergreifen.
Aufgrund der Schließung des Betriebs entfallen sämtliche Arbeitsplätze im Betrieb spätestens zum 31. März 2015, so dass wir leider gezwungen sind alle Arbeitsverhältnisse zum nächst möglichen Termin zu kündigen.
[Es] bestehen aus unserer Sicht keine Alternativen zur Schließung, da wir keine Möglichkeit sehen, am Markt ausreichende Aufträge zur Fortführung der Gesellschaft zu gewinnen. Die genauen Gründe für die Kündigung der Aufträge und die Entscheidung zur Schließung des Geschäftsbetriebs hat uns die G. Berlin GmbH & Co. KG nicht erläutert. Die Gründe dürften jedoch in den aktuellen und perspektivisch hohen Verlusten der APSB und dem Umstand liegen, dass sämtliche Versuche diese perspektivisch dauerhaft zu reduzieren gescheitert sind. Die Gründe für die Verluste liegen insbesondere in den hohen Personalkosten, aber auch in den Restriktionen beim Einsatz der Mitarbeiter, die sich aus der Betriebsvereinbarung zur Dienstplanung ergeben. Wie Ihnen bekannt ist, herrscht im Bereich der Passagierdienstleistungen ein erheblicher Konkurrenzdruck.
Unter dem 27. Januar 2015 widersprach der Betriebsrat sämtlichen Kündigungen. Er wies darauf hin, dass es sich aus Sicht des Betriebsrates um eine gesteuerte Verlustsituation handele. Es würden Gewinne erzielt, die aber im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Verschachtelungen durch Vergabe von Unter- und Unter-Unteraufträgen weder bei der Beklagten noch bei der GGB entstehen würden. Die marktbeherrschende Stellung der W. im Bereich der Flugzeug- und Passagierabfertigung am Flughafen T. ermögliche, im Rahmen ihres komplexen Netzwerkes von Leiharbeits- und Tochterfirmen die Aufträge der Fluggesellschaften nach Belieben durch Unter- und Unter-Unteraufträge dorthin zu verlagern, wo dieses gerade als nützlich angesehen werde. Der Betriebsrat sehe in alldem einen groben Missbrauch gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsrechte zum Zwecke der Umgehung des geltenden Kündigungsschutzrechts und Betriebsverfassungsrechts.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2015, nachdem das Integrationsamt Berlin mit Bescheid vom 30. Januar 2015 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte. Über den gegen diesen Beschluss von der Klägerin eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.
3.
Nach Eingang des Kündigungsschreibens der GGB vom 9. September 2014 hatte der Geschäftsführer der Beklagten den Betriebsrat noch unter dem 9. September 2014 über den Inhalt des Schreibens informiert. Wegen der nach Ansicht der Beklagten daraus resultierenden personellen Folgen forderte der Geschäftsführer der Beklagten den Betriebsrat zu Beratungen betreffend einer Betriebsänderung bzw. eines Interessenausgleichs sowie eines Sozialplans auf. Zugleich wurden verschiedene Verhandlungstermine im September 2014 angeboten.
Nach Eingang des Kündigungsschreibens der GGB vom 22. September 2014 hatte der Geschäftsführer der Beklagten den Betriebsrat noch unter dem 22. September 2014 über den Inhalt des Schreibens informiert und nochmals zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufgefordert.
Am 25. September 2014 und 7. Oktober 2014 verhandelten die Betriebsparteien über den Interessenausgleich und in ersten Ansätzen über einen Sozialplan. Eine Einigung erfolgte nicht. In einem darauf von der Beklagten eingeleiteten Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin zur Einsetzung einer Einigungsstelle vereinbarten die Betriebsparteien am 28. Oktober 2014 eine Einigungsstelle mit vier Beisitzern je Seite mit dem Regelungsgegenstand „geplante Betriebsschließung sowie dazugehörigem Interessenausgleich und Sozialplan“. Zugleich wurde vereinbart, dass zur ersten und zweiten Sitzung der Einigungsstelle die Bundesagentur für Arbeit zur Teilnahme eingeladen werde. Zugleich wurde vereinbart, dass die Beklagte Anhörungsverfahren beim Betriebsrat zu gegebenenfalls beabsichtigten Kündigungen nicht vor Januar 2015 einleiten werde.
Die Einigungsstelle tagte in der Zeit vom 28. November 2014 bis 18. Dezember 2014 viermal jeweils ab 9:00 Uhr. Die ersten drei Sitzungen dauerten jeweils bis 12:55 Uhr, 16:45 Uhr und 17:40 Uhr. An der Sitzung der Einigungsstelle am 18. Dezember 2014 ab 9:00 Uhr nahmen als von der Beklagten bestellte Beisitzer/innen Frau Rechtsanwältin U. Rupp, der Geschäftsführer der Beklagten B. A., die Sachbearbeiterin Personal der Beklagten A. P. sowie Frau Rechtsanwältin Dr. Sch. teil. Ausweislich des Protokolls über die Sitzung der Einigungsstelle erklärte Frau Dr. Sch. nach 15:30 Uhr auf weiteres Informationsverlangen der vom Betriebsrat bestellten Beisitzer, dass der Informationsanspruch des Betriebsrates erfüllt sei. Aus diesem Grunde erkläre die Unternehmensseite die Interessenausgleichsverhandlungen für gescheitert. Der Vorsitzende der Einigungsstelle verwies sodann auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. August 2011 im Verfahren 1 AZR 44/10.
4.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2015 unterrichtete der Geschäftsführer der Beklagten den Betriebsrat „noch einmal formal gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“. Dieses Schreiben lautet auszugsweise:
„Ich hatte Sie bereits mit Schreiben vom 22. und 26. September 2014 über die beabsichtigte Schließung des kompletten Geschäftsbetriebs zum 31. März 2015 und die Gründe hierfür informiert.
…
Von der Betriebsschließung ist die gesamte Belegschaft (aktuell 192 Arbeitnehmer) betroffen.
…
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Betriebsschließung durch die Gesellschafter Ende September 2014 waren noch 223 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt.
5. Kriterien für Abfindungen
Die Kriterien zur Berechnung möglicher Abfindungszahlungen werden sich aus dem Sozialplan ergeben, der aktuell in der Einigungsstelle verhandelt wird. Aktuell steht der APSB jedoch kein Budget für Abfindungen zur Verfügung.
Im Rahmen der Verhandlungen und insbesondere im Rahmen der Einigungsstelle haben wir ja bereits über die Möglichkeiten zur Vermeidung von Entlassungen mit Ihnen beraten, insbesondere die Möglichkeit der Errichtung einer Transfergesellschaft. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank, dass der Betriebsrat eine Information durch die Transfergesellschaft „W.“ für die nächsten Einigungsstellensitzung am 13.Januar 2015 möglich gemacht hat. Wir freuen uns, die Beratungen über die Vermeidung von Entlassungen an dieser Stelle fortsetzen zu können. Gerne stehe ich natürlich auch für Beratungen außerhalb der Einigungsstelle zur Verfügung.“
Hierauf reagierte der Betriebsrat mit Schreiben vom 14. Januar 2015. Er verwies darauf, dass die Folgen für die Belegschaft noch in der Einigungsstelle beraten würden und deshalb darum gebeten werde, von der Massenentlassungsanzeige zunächst abzusehen. Außerdem verwies der Betriebsrat auf ein im Anhang beigefügtes Schreiben seines Rechtsvertreters Rechtsanwalt K. vom 15. Dezember 2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden, welches dem Schreiben beigefügt war. In diesem dreiseitigen Schreiben verwies Rechtsanwalt K. u.a. darauf, dass und warum die bisherige Informationslage für den Beginn von Verhandlungen über den Versuch der Verständigung über einen Interessenausgleich nicht ausreiche. Insbesondere seien dem Betriebsrat bisher betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Gründe für die Betriebsänderung nicht mitgeteilt worden. Da das hiesige Unternehmen keine wirtschaftliche Selbständigkeit besitze, sei davon auszugehen, dass der Inhaber des W.-Konzerns, Herr C. W. auch die wirtschaftlichen Entscheidungen für die APSB treffe. Insofern komme es auch auf Informationen über die höhere Konzernebene an. Auszugsweise lautet das Schreiben wie folgt:
„ (…) Bisher hat die Arbeitgeberseite weder mit unserer Seite über das „Ob“ („Alternativen zur geplanten Betriebsänderung" (…)) noch das „Wie“ (…) beraten, erst recht nicht mit dem „ernsthaften Willen zur Einigung“, noch konnte die Betriebsratsseite konkrete Alternativen oder Modifikationen vorschlagen.
Grundlage hierfür wäre die schon im ersten Anschreiben erwähnte, von uns vermisste Darlegung der konkreten Gründe für die jetzigen Planungen, nachvollziehbar unterlegt mit den in solchen Fällen üblichen betriebswirtschaftlichen Berechnungen und Zahlen. Nur auf dieser Basis könnte unsere Seite sich mit diesen arbeitgeberseitigen Überlegungen auseinandersetzen und versuchen, Alternativen zu der geplanten Betriebsänderung selbst oder Modifikationen zu entwickeln und hierüber eine Verständigung mit der Arbeitgeberseite herbeizuführen. (…)
Gemessen an diesen Anforderungen ist die Informationslage äußerst dürftig. Sie besteht lediglich aus der Vorlage der Vertragskündigungen durch die Muttergesellschaft und pauschalen Hinweisen des Geschäftsführers Herrn A. über nicht konkurrenzfähige Personalkosten. (...)
Die Entscheidung über die Kündigung der Verträge wurde von der Leitung dieses Konzerns bzw. der Leitung der einschlägigen Sparte, zu der die Erbringung von Bodenverkehrsdienstleistungen gehören, getroffen. Das hiesige Unternehmen besitzt außer der formalen juristischen keine eigene wirtschaftliche Selbstständigkeit. Herr A. war gegenüber der GGB verpflichtet, deren Auftragsangebote ohne Rücksicht darauf anzunehmen, ob die Vergütung für die APSB auskömmlich ist. Eigene Verträge durfte er nicht akquirieren. Für den Produktionsbereich verwendet man in derartigen Fällen den – nicht juristischen – Begriff der "verlängerten Werkbank". Auch die GGB ist offensichtlich ohne eine weitere Konzernanbindung wirtschaftlich nicht lebensfähig und (…) auch nur Unterauftragnehmerin. Sie erhält je nach den unternehmerischen Überlegungen, die im W.-Konzern für ihre Sparte getroffen werden, die Weisung, Verträge mit der APSB aufzukündigen. Zudem wird ihr ab und an unter taktischen Erwägungen – je nach dem Stand von Einigungsstellenverfahren – Geld zur Verfügung gestellt, das sie kurzfristig der APSB zur Verfügung stellen darf und soll. (…)
Zu alldem gab es bisher in der vorherigen Einigungsstelle – genauso wie in der hiesigen – keinerlei Auskünfte. Der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft APSB kann sich hinsichtlich der Planungen auf den nächsten Unternehmens- und Konzernebenen jedenfalls nicht hinter seiner relativen Unkenntnis „verstecken". Eine umfassende Information ist nur gegeben, wenn auch die auf höherer Konzernebene vorhandenen Planungen dem Betriebsrat bzw. der Einigungsstelle mitgeteilt und erläutert werden (…)“
Mit Schreiben vom 28. Januar 2015 zeigte die Beklagte bei der Arbeitsagentur in Cottbus die geplante Massenentlassung an. Mit Schreiben vom gleichen Tag erfolgt die Anzeige auch bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord. In diesen nahezu wortgleichen Schreiben führte der Geschäftsführer der Beklagten u.a. zur Beteiligung des Betriebsrates aus:
Mit dem bei der APSB gebildeten Betriebsrat wurden Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen geführt. Weiterhin wurde der Betriebsrat noch einmal gesondert mit dem beigefügten Schreiben vom 2. Januar 2015 gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet. …
Eine gesonderte Stellungnahme hat der Betriebsrat nicht abgegeben. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen wurde jedoch mit dem Betriebsrat am 13., 16. Und 21. Januar 2015 über die Einrichtung einer Transfergesellschaft i.S.d. § 111 SGB III verhandelt. Das Einigungsstellenverfahren wurde am 21. Januar 2015 beendet (siehe Protokoll). Weitere gesonderte Beratungen hat der Betriebsrat nicht verlangt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass es bei der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses an einem betriebsbedingten Grund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes fehle. Die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte sei im Rahmen des W.-Konzerns tätig geworden. Die Aufträge seien nur innerhalb des Konzerns verlagert worden. Die behauptete Betriebsstilllegung stelle nur einen von langer Hand geplanten Versuch dar, sich der Altbelegschaft zu entledigen.
Der W.-Konzern sei durch die Übernahme der GGB in die sogenannte Aviation-Sparte eingestiegen. Dort seien ca. 80% aller Vorfeld- und Passagedienstleistungen der Flughäfen T. und Sch. durchgeführt worden. Die maßgeblichen Entscheidungen würden nun von der W. C. GmbH & Co KG getroffen.
Die hiesige Beklagte habe keinerlei eigene Geschäftstätigkeit entfalten dürfen. Es sei nie eine marktgerechte Vergütung zu erzielen gewiesen.
Die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen hätten nur dazu gedient, sich dem Kündigungsschutz zu entziehen. Wegen des damit einhergehenden Rechtsmissbrauchs müsse der Kündigungsschutz hier konzernweit gelten. Denn die unternehmerische Freiheit gelte nicht schrankenlos. Im Einzelnen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 2. Juni 2015 verwiesen.
Es handele sich um einen verdeckten Betriebsübergang.
Es liege auch ein Verstoß gegen § 17 KSchG vor. Dem Betriebsrat seien die tatsächlichen Gründe für die Stilllegung des Betriebes nicht mitgeteilt worden. Ihm seien nur Vermutungen mitgeteilt worden. Auch hätte der Bundesagentur für Arbeit das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 mitgeteilt werden müssen. Die Stellungnahme des Betriebsrates sei Bestandteil der Massenentlassungsanzeige und die Anzeige ohne eine solche Beifügung unwirksam.
Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG sei ebenfalls unwirksam. Für den Betriebsrat sei unklar gewesen, zu wann das Arbeitsverhältnis hätte beendet werden sollen. Die Mitteilung der Kündigungsfristen reiche hierfür nicht aus. Auch seien dem Betriebsrat keine Gründe für die konzerninterne Beendigung der Auftragsvergabe mitgeteilt worden. Ferner sei das Integrationsamt unzureichend informiert worden. Der Geschäftsführer habe unzutreffend angegeben, dass die GGB ihm die Gründe für die Auftragskündigung nicht mitgeteilt habe.
Der Klägerin stünden auch für die Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung die durchschnittlichen tariflichen Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und Nachtarbeit nebst Verzugszinsen zu.
Die Klägerin hat erstinstanzlich, soweit für die Berufung relevant, beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung vom 9. Februar 2015 aufgelöst werden wird,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 707,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den jeweiligen Teilbetrag von 353,94 EUR seit dem 28. Mai 2015 bzw. 28. Juni 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat, soweit für die Berufung relevant, erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Kündigung sei wegen der beabsichtigten Betriebsschließung gerechtfertigt gewesen. Die genauen Gründe für die Kündigung der Aufträge und die Entscheidung zur Schließung des Geschäftsbetriebes hätte die GGB ihr nicht erläutert. Sie verweise jedoch auf hohe Personalkosten und auf angefallene Defizite. Die GGB habe im Jahre 2011 einen Fehlbetrag von 5,9 Mio. EUR, im Jahre 2012 von 1,7 Mio. EUR und im Jahre 2013 von 1,3 Mio. EUR erwirtschaftet. Die GGB habe nur bestehen können, weil sie an einem sogenannten Cash Pooling Verfahren teilgenommen habe, das die Liquidität gesichert habe. Ende 2014 sei dort ein Saldo von 7,9 Mio. EUR aufgelaufen gewesen. Auch bei der W. C. GmbH & Co. KG, die einen Teil der Verträge mit den Fluggesellschaften halte, finde die ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung der „Gewinnabschöpfung“ nicht statt. Bei einem Umsatzvolumen von 73.047.248,00 EUR sei im Jahre 2013 ein Gewinn von 43.874,00 EUR erzielt worden. Im Jahre 2014 habe der Ertrag 127.388 EUR bei einem Umsatz von 91.084.770,00 EUR betragen. 85.694.296,00 EUR Umsatz und 126.333 EUR Ertrag seien auf die zur Niederlassung Berlin gehörenden Verträge mit Fluggesellschaften am Standort Berlin entfallen.
Der Betrieb sei tatsächlich stillgelegt worden, was sich auch aus der Freistellung der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung und der Kündigung der Geschäftsräume ergebe. Ein Betriebsübergang habe nicht stattgefunden, wobei die Beklagte näher darlegt hat, durch welche sechs Gesellschaften künftig die Passagierabfertigung für welche Fluggesellschaften vorgenommen würde.
• Die Aufträge zur Abfertigung der Flüge der Austrian Airways und Swiss seien ebenso wie die Abfertigung der Flüge der Lufthansa nach Frankfurt/Main an die Firma P. Service T. GmbH (PST) vergeben worden. An der Fa. PST seien nach Kenntnis der Beklagten weder die GGB noch eine andere Gesellschaft der W. Gruppe beteiligt. Alleingesellschafter der Fa. PST sei laut Handelsregister die Fa. P. GmbH, deren Alleingesellschafter Herr Robert S. sei.
• Die Abfertigung der Lufthansaflüge nach Düsseldorf und München seien an die Fa. A. P. Service GmbH & Co. KG vergeben worden. Auch an dieser Firma seien nach Kenntnis der Beklagten weder die GGB noch ein Unternehmen der W. Gruppe beteiligt. Die Gesellschaftsanteile an dieser Fa. sowie deren Komplementärin würden direkt oder indirekt von der Familie L. gehalten, die insbesondere auch am Flughafen Stuttgart Dienstleistungen erbringe.
• Die Aufträge zur Abfertigung der Flüge der British Airways (inklusive Baggage Drop-off) seien an die Firma A. C. Service Berlin GmbH & Co KG (ACSB), deren Anteile die GGB halte, vergeben worden.
• Der Auftrag zur Betreuung des Lufthansa Baggage Drop-Off Schalters (Gepäckabgabeschalter) sei an die Firma W. P. Service Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG vergeben worden.
• Der Auftrag bezüglich der Lufthansaflüge nach Tel Aviv sei angesichts der Einstellung dieser Strecke nicht neu vergeben.
Die Beklagte habe den Betriebsrat ordnungsgemäß am 2. Januar 2015 über die geplante Massenentlassung unterrichtet und zu Konsultationen hierüber im Rahmen der Einigungsstellenverhandlungen oder daneben aufgefordert. Das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 habe der Bundesagentur entsprechend der Rechtsprechung des BAG nicht mitgeteilt werden müssen, da es sich nicht um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats gehandelt habe. Soweit der Betriebsrat auf das Schreiben des Rechtsanwalts K. vom 15. Dezember 2014 Bezug genommen habe, sei diese Sichtweise überholt, da der Versuch des Interessenausgleichs zwischenzeitlich für gescheitert erklärt worden sei. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG habe die Beklagte eingehalten.
Die geltend gemachten Zuschläge stünden der Klägerin nicht zu. Der Wortlaut der tariflichen Regelungen, der „geleistete“ Arbeitsstunden verlange, stehe dem schon entgegen. Aber auch der Sinn und Zweck spreche gegen die Gewährung der Zuschläge während der Freistellung, da es sich um einen Belastungsausgleich handele und diese Belastung während der Freistellung nicht mehr gegeben sei.
Mit Urteil vom 23. Juli 2015 hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Betrieb sei zum 31. März 2015 stillgelegt worden und infolgedessen seien die Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 17 KSchG unwirksam. Der Betriebsrat sei mit Schreiben vom 2. Januar 2015 über die Gründe der beabsichtigten Massenentlassung unterrichtet worden. Die Anzeige der Massenentlassung genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG. Die Stellungnahme des Betriebsrates vom 14. Januar 2015 sei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch nicht mitzuteilen gewesen, da es sich nicht um eine abschließende Stellungnahme gehandelt habe. Indem die Beklagte das Schreiben vom 2. Januar 2015 und den Stand der Verhandlungen in der Einigungsstelle mitgeteilt habe, habe er eine den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG genügende Information erteilt.
Der Anspruch auf die Fortzahlung der Zuschläge für Dienste zu ungünstigen Zeiten könne die Klägerin für die Zeit der Freistellung nicht mehr beanspruchen. Wenn Arbeitnehmer zu solch ungünstigen Zeiten keine Dienste leisten würden, könnten sie keine Zuschläge mehr beanspruchen. § 615 BGB sei keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern setze einen entsprechenden Vergütungsanspruch nach § 611 BGB voraus.
Im Übrigen hatte das Arbeitsgericht auch den hilfsweise von der Klägerin im Rahmen des § 113 Abs. 3 BetrVG geltend gemachten und mit mindestens 64.368,-- EUR als angemessen bezeichneten Nachteilsausgleichsanspruch abgewiesen. Diesen hat die Klägerin in der zweiten Instanz nicht mehr weiter verfolgt.
Gegen dieses den Klägerinvertretern am 29. Juli 2015 zugestellte Urteil legten diese für die Klägerin am 27. August 2015 Berufung ein und begründeten diese unter dem 21. September 2015.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung. Die Massenentlassungsanzeige sei auch unwirksam, weil mit der Agentur für Arbeit in Cottbus die falsche Arbeitsagentur beteiligt worden sei. Der Betrieb der Beklagten habe sich in Berlin auf dem Flughafen T. befunden. Der Sitz der Gesellschaft befinde sich in Frankfurt/Main. In Sch. befinde sich nur eine Postadresse. Dennoch habe die Beklagte in der Massenentlassungsanzeige die M.str. … in 12529 Sch. als Absenderadresse angegeben. Weiter habe sie angegeben, dass das Unternehmen „bisher Abfertigungsdienstleistungen an den Berliner Flughäfen in T. und Sch. erbracht“ habe, obwohl dieses bereits seit rund einem halben Jahr für Sch. nicht mehr zutreffend gewesen sei.
Die Information über die Gründe der Entlassung sei unzureichend geblieben. Die Beklagte sei von vornherein gegründet worden, um eine vermeintlich unwirtschaftlich arbeitende Abteilung auszugliedern und den damit verbundenen Ballast los zu werden. Den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers sei die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Tatsächlich sei es um die Zerlegung des zunächst einheitlichen Betriebes mit dem Ziel der Neuverteilung der Aufträge innerhalb des Konzerns gegangen. Danach habe die Möglichkeit bestanden, den verbliebenen (Rest-)Betrieb der Beklagten mit überwiegend langjährigen Beschäftigten zu schließen. Nach Kenntnis der Klägerin seien die Dienstleistungen nach Übertragung auf andere Gesellschaften zu den gleichen Bedingungen erbracht worden. Lediglich die Personalkosten seien durch den Einsatz von neuem Personal deutlich niedriger. Da die Beklagte am Markt keine eigenen Aufträge habe einwerben dürfen, sei die Aufspaltung von vornherein auf die zuvor darlegten Ziele ausgerichtet gewesen. Mangels ausreichender, wahrheitsgemäßer Information des Betriebsrats vor Erstattung der Anzeige der Massenentlassung sei diese unwirksam.
Die Klägerin meint, dass das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 eine Stellungnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG gewesen sei. Mindestens wäre sie aber im Rahmen von § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG beizufügen gewesen. Ausgehend vom Zweck des § 17 KSchG, Maßnahmen zur Vermeidung oder der Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten, solle die Stellungnahme des Betriebsrates der Agentur für Arbeit Auskunft darüber geben, ob und welche Möglichkeiten der Betriebsrat sehe, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden und belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihnen beraten und ggf. getroffen worden seien.
Der Anspruch auf die durchschnittlichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bestehe, weil § 615 BGB verlange, dass der Arbeitnehmer so gestellt werde, als wäre der Annahmeverzug nicht eingetreten. Auch im Falle von Arbeitsunfähigkeit seien die Zuschläge fortzuzahlen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Juli 2015 - 38 Ca 2754/15
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 9. Februar 2015 nicht aufgelöst werden wird.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 707,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den jeweiligen Teilbetrag von 353,94 EUR seit dem 28. Mai 2015 bzw. 28. Juni 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags meint die Beklagte, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts zutreffend sei. Das Arbeitsgericht habe die Unterrichtungs- und Beratungspflicht des § 17 Abs. 2 KSchG sachgerecht beurteilt. Die Beklagte habe ihre entsprechenden Pflichten umfassend erfüllt, jedenfalls auch mit dem Schreiben vom 2. Januar 2015. Die Gründe für die Entlassungen lägen allein in der Betriebsstilllegung, die aufgrund des Verlustes sämtlicher Aufträge notwendig geworden sei. Eine prozessualen Anforderungen genügende weitere Substantiierung sei nicht zu verlangen. Es sei aber auch darüber hinaus auf die aktuellen und perspektivisch hohen Verluste der APSB, die gescheiterten Versuche, die Kostenbasis zu verändern, den bestehenden Konkurrenzdruck usw. verwiesen worden. Sämtliche dieser Themen seien auch mehrfach mündlich zum Thema der zahlreichen Verhandlungssitzungen mit dem Betriebsrat gemacht worden.
Der Betriebsrat habe einen Anspruch auf Beratung mit dem Arbeitgeber, nicht aber mit anderen Unternehmen eines Konzerns, Muttergesellschaften o.ä. Es sei einer Betriebsstilllegung häufig immanent, dass es wenige bis gar keine Möglichkeiten gebe, die Entlassungen zu vermeiden. Die Gründe der GGB seien im Ergebnis nicht relevant. Es komme allein auf eine Beschäftigungsmöglichkeit beim Arbeitgeber an.
Die Wertung des Arbeitsgerichts zu § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sei zutreffend. Am 28. Januar 2015 habe die Beklagte eine wirksame Anzeige der geplanten Massenentlassung vorgenommen. Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass das Schreiben des Betriebsrates vom 14. Januar 2015 keine abschließende Stellungnahme gewesen sei. Wenn es sich aber nicht um eine abschließende Stellungnahme gehandelt habe, genüge es, wenn der Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat dargelegt werde. Der Verlauf der Beratungen müsse nicht mitgeteilt werden.
Es sei ausgeführt worden, dass der Betriebsrat am 2. Januar 2015 ausführlich informiert worden sei. Weiter sei ausgeführt worden, dass am 13., 16. und 21. Januar 2015 im Rahmen der Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat über die Einrichtung einer Transfergesellschaft verhandelt worden sei. Weiter sei dargelegt worden, dass die Einigungsstelle am 21. Januar 2015 durch einen Spruch beendet worden sei. Es seien das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle, der beschlossene Sozialplan, die von beiden Seiten gestellten Anträge sowie der Hinweis, dass der Betriebsrat keine weitere Beratung verlangt habe, mitgeteilt worden. In der Einigungsstelle sei am 13. und 16. Januar 2015 mit dem Betriebsrat umfassend über die Möglichkeiten zur Vermeidung oder Einschränkung von Entlassungen beraten worden. Es sei auch über Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Fa. S. am Flughafen T. gesprochen worden. Die Konsultationspflicht diene nicht nur der Vermeidung oder Beschränkung von Entlassungen, sondern auch der Möglichkeit, die Folgen der Entlassung zu mildern wie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 5/12 entschieden habe. Deshalb seien die Verhandlungen zur Transfergesellschaft, zu Abfindungen und anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten nicht nur ausreichend, sondern das Musterbeispiel einer gesetzmäßigen Konsultation. Dem Betriebsrat hätte es freigestanden, weitere Themen zum Gegenstand der Konsultation zu machen. Auch Gespräche außerhalb der Einigungsstelle seien angeboten, jedoch vom Betriebsrat nicht wahrgenommen worden. Es sei seitens der Arbeitgeberin ergebnisoffen verhandelt worden. Eine Verbindung beider Verhandlungen sei zulässig, auch in der Einigungsstelle. Entsprechend habe sich die Beklagte im Schreiben vom 2. Januar 2015 erklärt. Ähnlich sei auch das Schreiben des Betriebsrates vom 14. Januar 2015 formuliert gewesen. Der arbeitsgerichtliche Vergleich vom 28. Oktober 2014 habe als Gegenstand der Einigungsstelle alle Aspekte der geplanten Betriebsänderung beinhaltet, also auch § 17 KSchG. Informationspflichten im Zusammenhang mit § 111 BetrVG seien auch in der Einigungsstelle erfüllbar. Entsprechend sei nicht ausgeschlossen, dort auch eine Meinungsverschiedenheit im Rahmen des § 17 KSchG zu behandeln. Im Übrigen sei am 2. Januar 2015 der gesamte Betriebsrat aufgefordert worden, die Beratungen in der Einigungsstelle zu führen. Demgemäß hätte der Betriebsrat insgesamt in der Einigungsstelle erscheinen können. Es seien neben den vom Betriebsrat bestellten Beisitzern auch immer weitere Betriebsratsmitglieder als Parteiöffentlichkeit bei den Sitzungen der Einigungsstelle dabei gewesen. Am 16. Januar 2015 sei die Einigungsstellensitzung ausdrücklich für eine Beratung im Gremium unterbrochen worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 21. September 2015 sowie den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung der Beklagten vom 5. November 2015 und das Sitzungsprotokoll vom 26. November 2015 Bezug genommen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 25. November 2015 blieb bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt.
Aus den Gründen
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Kündigung ist - unstreitig – Teil einer Massenentlassung, für die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG erfüllt sind. Das danach erforderliche Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG wurde nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Dem Betriebsrat wurden die Gründe der geplanten Massenentlassung nicht in ausreichendem Umfang mitgeteilt (1.) und der Betriebsrat wurde nicht korrekt zu Konsultationen im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG aufgefordert (2.).
1.
Die Beklagte hat dem bei ihr gebildeten Betriebsrat nicht die „zweckdienlichen“ Auskünfte hinsichtlich der Gründe für die geplanten Entlassungen mitgeteilt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KSchG).
1.1
Nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen. Nach der folgenden Nummer 1 gehören dazu auch die Gründe für die geplanten Entlassungen. Der Zweck der Unterrichtung besteht in erster Linie darin, dass dem Betriebsrat die (ernsthafte) Möglichkeit zu geben ist, „konstruktive Vorschläge unterbreiten“ zu können und mit der Beklagten zu beraten, wie Entlassungen vermieden oder eingeschränkt werden können [vgl. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen (RL 98/59/EG)]. Sie sind entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht auf die „für sie“ maßgeblichen Gründe beschränkt. Der Betriebsrat soll gerade in die Lage versetzt werden, ernsthafte Alternativen zu entwickeln.
Sämtliche diesbezügliche Informationen hat die Beklagte dem bei ihr gebildeten Betriebsrat schriftlich zu übermitteln. Das kann zwar je nach Kenntnisstand sukzessive erfolgen [EuGH, Urteil vom 10. September 2009 – C 44/08 (Akavan Erityisalojen Keskusliitto)], aber nur ein so informierter Betriebsrat kann dann qualifizierte Alternativen für eine vollständige oder teilweise Weiterbeschäftigung der von Entlassung bedrohten Beschäftigten entwickeln. Deshalb gehören zu den Gründen auch die Hinter-Gründe der zu Massenentlassungen führenden Überlegungen.
Dass es sich nicht nur um eine oberflächliche, sondern in die Tiefe gehende Informationspflicht handelt, zeigt sich zum einen an der lediglich beispielhaften („insbesondere“) Aufzählung in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die die standardmäßigen Informationen für einen Standardfall beinhalten, jedoch nicht besondere Informationen für einen vom Standard abweichenden Fall. Zum anderen zeigt sich die Notwendigkeit der in die Tiefe gehenden Information an dem Begriff „zweckdienlich“. Denn damit sind sämtliche Informationen zu geben, die dem Zweck des Konsultationsverfahrens dienen. Zweckdienlich bedeutet z.B. nach den Angaben im Duden „brauchbar“, „förderlich“, „geeignet“ oder „nützlich“.
Der Sinn und Zweck sowie die Effizienz der Konsultationen mit dem Betriebsrat setzen voraus, dass in den Konsultationen die Kriterien feststehen, also die tatsächlichen Gründe, die im Zuge dieser Konsultationen zu berücksichtigen sind. Denn es ist nicht möglich, Konsultationen in angemessener Weise und im Einklang mit ihren Zielen durchzuführen, wenn es an einschlägigen Gründen für die beabsichtigte Massenentlassung fehlt. Diese Ziele bestehen gemäß dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 RL 98/59/EG neben der Milderung der Folgen der Massenentlassung vor allem darin, Massenentlassungen zu vermeiden oder zumindest zu beschränken [vgl. EuGH, Urteil vom 27. Januar 2005 – C 188/03 (Junk)]. Ist eine unternehmerische Entscheidung, von der angenommen wird, dass sie zu Massenentlassungen führen wird, beabsichtigt und sind die einschlägigen Gründe für die Konsultationen nicht bekannt, so können diese Ziele nicht erreicht werden [EuGH, Urteil vom 10. September 2009 – C 44/08 (Akavan Erityisalojen Keskusliitto)].
1.2
Nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 RL 98/59/EG treffen die Informations-, Konsultations- und Meldepflichten ebenso wie im Rahmen des § 17 KSchG allein die Beklagte als die juristische Person, mit der die Arbeitnehmer, die entlassen werden könnten, in einem Beschäftigungsverhältnis stehen [EuGH, Urteil vom 10. September 2009 – C 44/08 (Akavan Erityisalojen Keskusliitto)]. Die Informations-, Konsultations- und Meldepflichten gelten aber auch dann, wenn die Entscheidung über die Massenentlassungen nicht von dem Vertrags-Arbeitgeber, sondern von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Auch wenn im Schrifttum vielfach ausgeführt wird, dass hinsichtlich des Begriffs des herrschenden Unternehmens auf §§ 17, 18 AktG abzustellen sei (vgl. etwa Erfurter Kommentar/Kiel § 17 KSchG Rn. 38 KR-Weigand § 17 KSchG Rn. 98b), wird der Konzernbegriff in der RL 98/59/EG nicht unmittelbar verwendet. Es findet sich der Begriff „beherrschendes Unternehmen“, § 17 Absatz 3a Satz 1 KSchG übernimmt diesen Begriff „eins zu eins” in das deutsche Recht. Der Begriff ist unionsrechtlich autonom auszulegen. Ein Rückgriff auf die Vorschriften der §§ 17, 18 AktG ist nicht möglich (vgl. Forst, NZA 2010, 144, 147). Im Sekundärrecht der Union existiert kein einheitlicher „Konzern“begriff. In verschiedenen Richtlinien ist er jeweils nur für den Anwendungsbereich der jeweiligen Richtlinie definiert (Überblick bei Forst, ZESAR 2010, 154, 155 ff.). die Auslegung des Begriffs des „beherrschenden Unternehmens“ in der RL 98/59/EG ist aus ihrer spezifischen Zielrichtung abzuleiten [Ch. Weber in Schlachter/Heinig (Hrsg.) Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EnzEuR Bd. 7) § 9 Rn. 79]. Danach ist als beherrschendes Unternehmen im Sinne des Art. 2 Abs. 4 RL 98/59/EG das Unternehmen anzusehen, das die Beklagte dazu zwingen kann, bei sich Massenentlassungen durchzuführen (Forst, NZA 2010, 144, 147). Denn nach dem Erwägungsgrund 11 der RL 98/59/EG, der wie Erwägungsgründe generell als Auslegungshilfe heranzuziehen ist (vgl. Mankowski, IHR 2015, 189, 193), soll sichergestellt sein, dass die Informations-, Konsultations- und Meldepflichten des Arbeitgebers unabhängig davon gelten, ob die Entscheidung über die Massenentlassungen von dem Arbeitgeber oder von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wird. Auch wenn das so gefundene Ergebnis meist mit dem Abhängigkeitsbegriff von § 6 EBRG, Artikel 3 der RL 2009/38/EG und auch §§ 17, 18 AktG übereinstimmen, ist das nicht zwingend.
1.3
Es ist offensichtlich, dass die Beklagte von einem anderen Unternehmen beherrscht wird.
1.3.1
Die GGB hatte der Beklagten unter dem 9. September 2014 mitgeteilt, dass sie sich entschieden habe, die Subunternehmerleistungen zur passageseitigen Abfertigung mehrerer Flüge in Berlin-T. „anderweitig zu vergeben“. Eine Begründung fand sich in dem Schreiben nicht. Es wurde weiter mitgeteilt, dass die Neuvergabe an einen „nicht zum Konzern gehörenden Arbeitgeber“ erfolgen werde. In dem Kündigungsschreiben vom 22. September 2014 teilte die GGB, die keine eigenen Arbeitnehmer, sondern nur eine Geschäftsführerin beschäftigt, der Beklagten mit, dass „nach erneuten internen Überlegungen“ entschieden worden sei, den Systemwechsel der Deutschen Lufthansa sowie der Austrian Airlines nicht mehr mit der Beklagten zu vollziehen und die passageseitige Abfertigung am Flughafen T. zukünftig insgesamt durch anderer Anbieter erbringen zu lassen. Alle Aufträge würden, mit Ausnahme der Abfertigung der British Airways an verschiedene konzernfremde Anbieter vergeben.
1.3.2
Die Beklagte bemühte sich nicht um Aufträge am Markt. Ob dieses rechtlich oder nur tatsächlich untersagt war, wie der Kläger vorgetragen hat und dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, ist unerheblich. Eine solche Beschränkung ist jedenfalls kein übliches unternehmerisches Handeln. Damit der Betriebsrat hierzu ernsthafte Alternativen zum Erhalt der Arbeitsplätze der Arbeitnehmer unterbreiten kann, müssten ihm die Informationen zugehen, weshalb ein normales unternehmerisches Handeln nicht gewollt ist.
1.3.3
Weiter spricht der zeitliche Ablauf zum Beschluss über die Betriebsauflösung für eine Beherrschung durch ein anderes Unternehmen. Denn wenn die Kündigung am 22. September 2015 unter nicht näher dargelegten „internen Überlegungen“ der GGB erfolgte und noch am selben Tag sofort der Auflösungsbeschluss - und dann noch im Umlaufverfahren - getroffen wird, handelt es sich um eine Beherrschung der Beklagten durch ein anderes Unternehmen. Denn ansonsten ist ein so überstürztes Handeln mit so weitreichenden Folgen insbesondere für die beschäftigten Arbeitnehmer nicht nachvollziehbar.
1.3.4
Nach dem Vortrag der Beklagten konnte die GGB nur bestehen, weil sie an einem sogenannten Cash Pooling Verfahren teilgenommen hatte, das die Liquidität sicherte, was nicht verwundert, wenn es einer Gesellschaft rechtlich oder tatsächlich untersagt ist, frei am Markt zu agieren. Ende 2014 war nach Angaben der Beklagten im Cash Pool ein Saldo von minus 7,9 Mio. EUR zu Lasten der Beklagten aufgelaufen.
Beim Cash Pooling findet typischerweise banktäglich ein Liquiditätsausgleich innerhalb verbundener Unternehmen statt. Freie Liquidität eines Konzernunternehmens wird typischerweise auf ein bei einer sogenannten „Betreibergesellschaft“ für den Konzern zentral geführtes Konto transferiert, die betreffende Pool-Teilnehmerin erhält hierfür einen Ausgleichsanspruch. Umgekehrt verpflichtet sich die Betreibergesellschaft, einen negativen Saldo auf dem an das Cash Pooling angeschlossenen Unterkonto der Pool-Teilnehmer auszugleichen (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Auflage, § 30 Rn. 78). Mit der zum 1. November 2008 eingeführten Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG wurde klargestellt, dass ein Cash Pooling nur bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages oder bei einem vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen die Gesellschafter zulässig ist. In der Begründung des Gesetzes ist ausdrücklich festgehalten:
„Keineswegs soll diese klärende Regelung das Ausplündern von Gesellschaften ermöglichen oder erleichtern. Dies wird durch die ausdrückliche Einführung des Vollwertigkeits- und des Deckungsgebots gewährleistet. Die Vollwertigkeit der Rückzahlungsforderung ist eine nicht geringe Schutzschwelle. Ist der Gesellschafter z.B. eine mit geringen Mitteln ausgestattete Erwerbsgesellschaft oder ist die Durchsetzbarkeit der Forderung aus anderen Gründen absehbar in Frage gestellt, dürfte die Vollwertigkeit regelmäßig zu verneinen sein. Das Deckungsgebot bedeutet, dass bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand decken muss. Die Gläubigerschutzvorschrift des § 30 ist im Übrigen vor dem Hintergrund anderer Schutzinstrumente im Gesellschaftsrecht zu sehen, dem Deliktsrecht, den Rechtsprechungsregeln über den existenzvernichtenden Eingriff, der Geschäftsführerhaftung nach § 43 und der Insolvenzanfechtung. Sie ist auch vor dem Hintergrund des neuen § 64 Abs. 2 zu sehen, der ausdrücklich und zielgenau Ausplünderungen durch Gesellschafter im Vorfeld der Insolvenz adressiert (BT-Drs. 16/6140, S. 41).
Damit ist aber allein schon durch die Teilnahme der Beklagten als einer nur in Abhängigkeit der GGB und damit äußerst beschränkt am Markt tätigen Gesellschaft am Cash Pooling Verfahren der W. Gruppe die Beherrschung durch ein anderes Unternehmen offensichtlich.
1.3.5
Schließlich spricht für die Beherrschung der Beklagten durch ein anderes Unternehmen der W. Gruppe, dass nur die Abfertigung der Lufthansaflüge nach Düsseldorf und München wohl tatsächlich an einen Konkurrenten außerhalb der W.-Gruppe vergeben wurde.
Die Aufträge zur Abfertigung der Flüge der British Airways (inklusive Baggage Drop-off) an die Firma A. C. Service Berlin GmbH & Co KG (ACSB) und der Auftrag zur Betreuung des Lufthansa Baggage Drop-Off Schalters (Gepäckabgabeschalter) an die Firma W. P. Service Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG stellten lediglich eine Verlagerung innerhalb der W. Gruppe dar. Dass der Auftrag beispielsweise von der GGB an die W. P. Service Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG vergeben wurde und nicht an die hiesige Beklagte, deutet auf eine Entscheidung durch ein anderes Unternehmen hin.
Auch die Behauptung der Beklagten, dass mit der Firma P. Service T. GmbH (PST) und deren Gesellschafterin P. GmbH eine nicht zum W.-Konzern gehörende Firma einen Teil der Aufträge übernommen habe, erscheint vorgeschoben. Denn unstreitig hat die GGB zusammen mit dem Geschäftsführer der P. GmbH bereits die P. Service Sch. GmbH (PSS) gegründet. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite war Herr R. S. mit einem Treuhandvertrag an die W. Gruppe bzw. den W. Konzern gebunden. Dass dann die Übertragung des Auftrags auf die PST nur eine zufällige Parallelität aufweist, erschien der Kammer nicht zutreffend.
1.4
Zwar hat die Beklagte ausgeführt, dass sie keine weiteren Informationen über die Hintergründe der Kündigung besitze, aber nach § 17 Abs. 3a KSchG bzw. Art. 2 Abs. 4 RL 98/59/EG kann sie mit diesem Einwand nicht gehört werden. Ohne eine detaillierte schriftliche Mitteilung aller zweckdienlichen Informationen, also auch über die tatsächlichen Hinter-Gründe der Kündigung aus Sicht der die Beklagte zumindest faktisch beherrschenden Unternehmen kann das Konsultationsverfahren nicht abgeschlossen werden und wäre auch jede weitere Kündigung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG unwirksam.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es in diesem Kündigungsschutzverfahren im Dunkeln geblieben ist, welches einzelne oder welche mehreren Unternehmen diese Beherrschung über die Beklagte ausgeübt haben. Damit blieb unklar, wer die Entscheidung getroffen hat, dass die GGB der Beklagten die Aufträge entziehen und diese weitgehend an andere Unternehmen der W.-Gruppe oder mit der W.-Gruppe verflochtene Gesellschaften zu vergeben. Dieses muss jedoch in diesem Rechtsstreit auch nicht festgestellt werden.
Es wäre zwar erforderlich gewesen, wenn die Kammer den Rechtsmissbrauch durch Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses hätte feststellen wollen, im Rahmen des Konsultationsverfahrens ist es jedoch Sache der Beklagten, die dem Zweck des Konsultationsverfahrens dienlichen Informationen schriftlich zu erteilen. Denn der unmittelbare Arbeitgeber hat auch bei einer Entscheidung an anderer Stelle das Konsultationsverfahren weiter eigenständig durchzuführen. Nach Art. 2 Absatz 4 RL 98/59/EG gilt die Konsultationspflicht nämlich allein unabhängig davon, ob die Entscheidung über die Massenentlassungen von dem Arbeitgeber oder von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Es ändert sich am Inhalt der Konsultationspflicht nichts dadurch, dass die Massenentlassung von jemand anderem angeordnet wird – sie trifft stets den Arbeitgeber. Anders sind auch § 17 Absatz 3a Satz 2 KSchG und Art. 2 Abs. 4 Satz 2 RL 98/59/EG nicht zu erklären, wonach sich der Arbeitgeber nicht damit verteidigen kann, das herrschende Unternehmen stelle ihm die erforderlichen Informationen nicht zur Verfügung.
Das Konsultationsverfahren muss bei dem unmittelbaren Arbeitgeber abgeschlossen sein, ehe dieser damit beginnen darf, Kündigungserklärungen auszusprechen (EuGH, Urteil vom 10. September 2009 – C 44/08).
Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, innerhalb des W. Konzerns bzw. der W. Gruppe aufzuklären, weshalb an welcher Stelle welche strategischen oder betriebswirtschaftlichen Entscheidungen letztlich dieses Auftragsverhalten bedingt haben. Wie der EuGH in der Entscheidung vom 10. September 2009 (C 44/08) festgestellt hat, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der RL 98/59/EG nämlich, dass sich die Konsultationen insbesondere auf die Möglichkeit erstrecken sollen, geplante Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken. Eine Konsultation, die beginnt, obwohl bereits eine Entscheidung getroffen wurde, die derartige Massenentlassungen notwendig macht, könnte sich nicht mehr auf die Prüfung etwaiger Alternativen erstrecken, um diese Massenentlassungen zu vermeiden.
Dass es sich dabei auch nicht nur um einen reinen Formalismus handelt, sondern ernsthafte Konsultationen mit dem Betriebsrat dieses zwingend verlangen, liegt auf der Hand. Denn wenn die bisherige Vermutung der Beklagten zutreffend sein sollte, dass allein wegen eines hohen Preises die Beklagte bei der Auftragsvergabe nicht mehr hätte berücksichtigt werden sollen, hätte bei Kenntnis des notwendigen (niedrigeren) Preises versucht werden können, diesen Preis auch bei der Beklagten zu erreichen. Kollektivrechtliche Maßnahmen sind dabei das übliche Mittel, um Massenentlassungen zu vermeiden. Sofern die bisherige Vermutung der Beklagten sich im Rahmen der Nachforschungen der Beklagten nicht bestätigen sollte, wäre erst recht im Rahmen der Konsultationen zu erörtern gewesen, welche Gründe bzw. Hintergründe für die veränderte Auftragsvergabe sprechen. Denn wenn es keine wirtschaftlichen Gründe gewesen sein sollten, hätte man umso eher versuchen können, mit dem Betriebsrat diese Gründe anzugehen, um eine Massenentlassung zu vermeiden.
2.
Auch im Übrigen ist das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Denn der Betriebsrat wurde von der Beklagten nicht korrekt zu Konsultationen im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG aufgefordert, sie wurden auch unabhängig von den unter 1.) beschriebenen Informationsdefiziten nicht ordnungsgemäß durchgeführt.
2.1
Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeit zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Wird kein Konsultationsverfahren im Sinne dieser Norm durchgeführt, ist eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB rechtsunwirksam (BAG, Urteil vom 21. März 2013 - 2 AZR 60/12). Solche Unwirksamkeitsgründe sind bereits von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sie sich aus einem Vortrag des Arbeitgebers oder eingereichten Unterlagen ergeben (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12). Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsgericht zuvor einen Hinweis nach § 6 KSchG gegeben hat (BAG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung oder Einschränkung und über die Folgen der Entlassungen ernstlich zu verhandeln, ihm dies zumindest anzubieten (BAG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13).
Verhandlungen sind mit dem Betriebsrat als Gremium durchzuführen, denn dieser handelt als Kollegialorgan (BAG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13). Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 KSchG oder § 102 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen. Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss hierbei jedoch hinreichend klargestellt werden (BAG, Urteil vom 20. September 2012 - 6 AZR 155/11). Das Führen der Verhandlungen im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ist nicht wirksam möglich, da die Einigungsstelle als unparteiischer Dritter nicht bevollmächtigt ist, Verhandlungen anstelle der Betriebsparteien zu führen (BAG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06).
2.2
Bei Anwendung dieser Kriterien fand eine den Anforderungen des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG entsprechende Beratung mit dem Betriebsrat nicht statt. Der Verlauf der Verhandlungen ergibt sich schon aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten und den dort eingereichten Unterlagen.
2.2.1
Vor dem Informationsschreiben vom 2. Januar 2015 fanden keinerlei Verhandlungen nach § 17 KSchG statt. Hiervon gehen die Parteien zu Recht aus. Die Beklagte hat in der Berufungsverhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich durch Ziffer 2 des Vergleiches vom 28. Oktober 2014 daran auch rechtlich gehindert gesehen habe. Ausweislich der Schreiben der Beklagten vom 9. und 22. September 2014 sollte über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandelt werden. Eine Verbindung der Verhandlungen nach § 111 BetrVG mit denen nach § 17 KSchG ist dabei durch die Beklagte - nach den Bekundungen in der Berufungsverhandlung - bewusst nicht erfolgt.
Es mag sein, dass es in besonderen Konstellationen auch im Rahmen von Einigungsstellenverfahren zu gesetzmäßigen Konsultationen nach § 17 KSchG kommen kann, so etwa, wenn der vollständig versammelte Betriebsrat und die Geschäftsführung des Arbeitgebers an den Verhandlungen in der Einigungsstelle teilnehmen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Einigungsstelle selbst ist rechtlich ein „Dritter“. Die von den Betriebsparteien benannten Beisitzer sind in aller Regel wie auch hier nicht identisch mit den Betriebsparteien. Die Beisitzer sind nach allgemeiner Auffassung auch nicht an Weisungen gebunden (vgl. BAG, Beschlüsse vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 und 27. Juni 1995 – 1 ABR 3/95). Auch wenn der im Vergleich vom 28. Oktober 2014 genannte Regelungsgegenstand nicht nur „Interessenausgleich und Sozialplan“ lautete, sondern „geplante Betriebsschließung sowie dazugehöriger Interessenausgleich und Sozialplan“, umfasst das nicht die Konsultation der Betriebsparteien. Denn bei der Konsultation handelt es sich nicht um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung (§ 76 Abs. 5 BetrVG) und im Rahmen einer freiwilligen Einigungsstelle (§ 76 Abs. 6 BetrVG) kann die Einigungsstelle diese freiwilligen Verhandlungen nur abschließend behandeln, wenn sich beide Seiten zuvor einem Spruch der Einigungsstelle unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben. Beides hat es hier jedoch nicht gegeben.
Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, ging es in der Einigungsstelle im Januar 2015 nur noch um den Sozialplan, also den Ausgleich oder die Milderung der durch die geplante Stilllegung bei den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile. Mit dem von der Beklagten festgestellten Scheitern der Verhandlungen über den Interessenausgleich am 18. Dezember 2014 waren die Verhandlungen über das Ob, Wann und Wie der Betriebsänderung beendet. Insofern ging es ausgehend von den zwingenden Inhalten der Konsultationspflicht ab Januar nur noch um die Milderung der Folgen der Entlassungen. Die Konsultationspflicht erstreckt jedoch zunächst auf den Versuch, die Entlassungen ganz zu vermeiden oder zumindest teilweise zu vermeiden (einzuschränken). Eine Konsultation über Möglichkeiten der Milderung der Folgen der Entlassungen ersetzt nicht die Konsultation über die Möglichkeiten zur Vermeidung oder Einschränkung der Entlassungen. Dass diese beiden Beratungsziele selbständig nebeneinander stehen, ergibt sich bereits aus der Verwendung des Wortes „und“. Noch deutlicher ergibt sich das aus Art. 2 Abs. 2 der RL 98/59/EG, wo das Wort „sowie“ verwendet ist.
Die drei Einigungsstellensitzungen im Januar 2015 stellen jedenfalls keine Beratungen der Beklagten mit dem Betriebsrat im Sinne von § 17 KSchG dar. Andere Beratungen haben unstreitig nicht stattgefunden.
2.2.2
Die Beklagte hat die Verpflichtung zu ernstlichen Verhandlung auch nicht dadurch erfüllt, dass sie dem Betriebsrat vollumfängliche Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle zumindest angeboten hätte. Das einzige hierfür in Betracht kommende Schreiben vom 2. Januar 2015 konnte der Betriebsrat nicht als umfassendes Verhandlungsangebot auch zur Vermeidung von Entlassungen auffassen.
Schon ausweislich des Betreffs und des Einleitungssatzes ging es der Beklagten nur um die Informierung und nochmalige „formale“ Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG. Der Betriebsrat wurde in dem Schreiben nicht aufgefordert, eine abschließende Stellungnahme zu den beabsichtigten Massenentlassungen abzugeben. Die Beklagte hat an keiner Stelle angesprochen, dass nunmehr über die Unterrichtung hinaus weitere Verhandlungen eingeleitet werden sollten. Soweit am Ende des Schreibens auf einen Termin in der Einigungsstelle zur Präsentation der Leistungen von Transfergesellschaften „zur Vermeidung von Entlassungen“ verwiesen wird, handelt es sich ersichtlich nicht um die Aufforderung zur Konsultation im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG.
2.2.3
Der Betriebsrat hat auf die Durchführung des Konsultationsverfahrens auch nicht verzichtet. Ein solcher Verzicht ergibt sich nicht aus seiner einzigen Stellungnahme vom 14. Januar 2015. Dem ersten Satz lässt sich allenfalls eine Beschreibung des momentanen Zustands entnehmen, wonach die Einigungsstelle noch berate und deswegen eine Massenentlassungsanzeige durch die Beklagte noch nicht erstattet werden solle. Der Hinweis auf das dort beigefügte Schreiben von Rechtsanwalt K. belegt, dass nach Ansicht des Betriebsrats als relevant eingestufte Informationen immer noch nicht geliefert worden waren. An keiner Stelle dieses kurzen Schreibens wird erkennbar, dass der Betriebsrat meinte, ihm selbst stünden Rechte zu, auf deren Ausübung er aber nicht bestehen wolle.
3. Da die Kündigung schon wegen des nicht ordnungsgemäß durchgeführten Beratungsverfahrens im Sinne des §§ 17 Abs. 2 S. 2 KSchG unwirksam ist, kann offen bleiben, ob auch weitere Unwirksamkeitsgründe im Sinne des § 17 KSchG vorliegen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die Beklagte der Anzeige vom 28. Januar 2015 auch das Schreiben des Betriebsrates vom 14. Januar 2015 hätte beifügen oder dessen Inhalt wenigstens darstellen müssen, und ob die fehlerhafte Angabe des Betriebssitzes an dieser Stelle relevant ist.
4. Ob die Kündigung im Übrigen auch sozial ungerechtfertigt oder rechtsmissbräuchlich wäre, ob sie ausnahmsweise wegen der Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung im Konzern oder aufgrund von Mängeln in der Beteiligung des Betriebsrats unwirksam ist, bedarf angesichts der Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen keiner Entscheidung.
5. Auch der Zahlungsanspruch der Klägerin im Umfang der durchschnittlichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit besteht während der Freistellung fort.
Die Vergütung der Klägerin, die für die infolge des Annahmeverzugs nicht geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vereinbart war, bestand im tariflichen Grundlohn zuzüglich der tariflich vorgesehenen Zeitzuschläge. Nach der Vorschrift des § 615 Satz 1 BGB erhält der Gläubiger keinen eigenständigen, neuen Anspruch, insbesondere keinen Schadensersatzanspruch. Er behält vielmehr den ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Für die Höhe des Anspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte er vertragsgemäß gearbeitet. Dabei sind alle Entgeltbestandteile zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Zuschläge, soweit diese Teil der vereinbarten Vergütung sind und Lohncharakter haben. Auf die tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit trifft dies zu. Anders als Zulagen, die eine bestimmte reale Mehrbelastung abgelten sollen, wie etwa Schmutzzulagen, Essenszuschüsse, Aufwendungs- oder Spesenersatz, haben die Zeitzuschläge Entgeltcharakter. Zwar stellen auch sie einen Ausgleich für erschwerte Arbeitsbedingungen dar. Sie fallen aber nicht nur an, wenn tatsächlich Spät- oder Nachtarbeit geleistet wurde. Der Anspruch auf sie erlischt auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zu den betreffenden Zeiten keine Arbeitsleistung erbringt (vgl. BAG, Urteil vom 18. September 2002 – 1 AZR 668/01).
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 247, 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 614 BGB begründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1, ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens sowie des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen, soweit der Streitgegenstand in der Berufung anhängig war. Soweit im Tenor nur die Kosten der Berufung genannt sind, handelte es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die von Amts wegen zu berichtigen war. Denn der Hilfsantrag der Klägerin bezüglich des Nachteilsausgleich, den das Arbeitsgericht zutreffend mit dem von der Klägerin in der Begründung des Anspruchs angegebenem Wert in Höhe von 64.368,-- EUR bemessen hat, war bei der Kostenentscheidung für die erste Instanz zu berücksichtigen. Insofern entfiel auf die Klägerin bei einem Streitwert von insgesamt 75.803,88 EUR eine Kostenquote von 85% für die erste Instanz.
Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die Reichweite des § 17 Abs. 3a KSchG außerhalb eines förmlichen Konzerns.