LAG Nürnberg: Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung – „3G-Regelung“ – Testpflicht – Arbeitsverweigerung – Annahmeverzug – Zurückbehaltungsrecht
LAG Nürnberg, Urteil vom 12.9.2023 – 7 Sa 8/23
Volltext: BB-Online BBL2024-307-3
Leitsatz
Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, solange der Arbeitgeber auf der Einhaltung der „3G-Regelung“ zum Zutritt zum Betrieb besteht, kann die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
KSchG § 1 Abs. 2; lfSG § 28b; BGB § 273
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.
Der 1972 geborene und ledige Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 15.01.2010 als Bäckerei-Maschinenvorführer im Bereich Vertrieb/Industrie mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt zu im Übrigen den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 12.01.2010 (Bl. 6 f der Akte). Seine Arbeitsaufgaben waren in der Hauptsache die Projektierung von Backmaschinen und im Zusammenhang damit Kundenvorführungen im Technologie Center/B… der Beklagten, Vorbereitung von Kundenvorführungen dort und Kundeninbetriebnahmen vor Ort beim Kunden. Zuletzt verdiente er ausweislich der Gehaltsabrechnungen für September bis November 2021 (Bl. 10 f der Akte) unter Berücksichtigung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Firmenwagens 5.862,00 € brutto.
Die Beklagte produziert am Standort mit ca. 400 Mitarbeitern Bäckereimaschinen. Es besteht ein Betriebsrat.
Mit einer Mitarbeiterinformation vom 10.11.2021 (Bl. 56 f der Akte) teilte die Beklagte der Belegschaft mit, dass bei der Beklagten durch das F…-Krisenteam „die FBT-Corona-Ampel auf „gelb“ geschaltet wird“ und wies die Mitarbeiter an, die sich daraus ergebenden Regelungen einzuhalten und führte diese Regelungen im Einzelnen auf. Ferner wies die Beklagte die Mitarbeiter und auch den Kläger darauf hin, dass seit dem 09.11.2021 bayernweit die 3G-Regel am Arbeitsplatz gelte und bat die Mitarbeiter, ab dem 11.11.2021 einen entsprechenden 3G-Nachweis mit sich zu führen und kündigte entsprechende stichprobenartige Kontrollen an.
Mit weiterer Mitarbeiterinformation vom 16.11.2021 (Bl. 58 der Akte) wurden die Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass sie jeden Tag einen gültigen 3G-Nachweis benötigen würden und den Betrieb umgehend verlassen müssten, wenn sie bei einer Kontrolle keinen gültigen 3G-Nachweis besitzen würden.
Danach setzten sich die Parteien per E-Mail und telefonisch streitig um die Frage auseinander, ob der Kläger verpflichtet sei, vor Betreten des Betriebes einen 3G-Nachweis führen zu müssen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 07.12.2021 (Bl. 61 der Akte) dazu abschließend mit:
„es bleibt dabei, wir erwarten Sie am kommenden Montag auf unserem Firmengelände. Dass Sie die Voraussetzung für das Betreten des Geländes erfüllen ist selbstredend. Die Möglichkeit des mobilen Arbeitens sehe ich nicht.“
Der Kläger arbeitete noch bis Freitag, den 10.12.2021 weiter. Am Montag, den 13.12.2021 und bis Ende Dezember suchte er den Betrieb der Beklagten nicht auf. Die Beklagte erteilte für den Dezember die Gehaltsabrechnung und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus. Sie vergütete nicht alle Tage. Sie vergütete die Arbeitstage, Urlaubstage und Feiertage von Mittwoch, den 01.12. bis Freitag, den 10.12., Donnerstag, den 16.12. bis Donnerstag, den 23.12. und Dienstag, den 28.12. bis Freitag, den 31.12.2021. Unbezahlt blieben Montag, der 13.12. bis Mittwoch, der 15.12., Freitag, der 24.12. und Montag, der 27.12.2021.
Mit E-Mail vom 03.01.2022 (Bl. 32 der Akte) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er zur „vertragsgerechten Arbeitsleistung Willens und in der Lage sei“. Er teilte ferner mit, dass ihm „wegen unberechtigt-einbehaltener und dadurch ausstehender Gehaltszahlungen für Dezember 2021“ „Kundeneinsätze vor Ort bis auf Weiteres verwehrt“ blieben. In der Folgezeit blieb der Kläger dem Betrieb weiterhin fern. Er nahm auch keine Termine bei den Kunden der Beklagten vor Ort wahr. Er meldete in elektronischer Form arbeitstäglich Arbeitszeiten im Home Office bei der Beklagten. Die Beklagte leistete keine Gehaltszahlungen.
Mit einer Mitarbeiterinformation vom 16.03.2022 wurde auch dem Kläger mitgeteilt, dass ab Montag, den 21.03.2022 bei der Arbeit im Betrieb kein „3G-Nachweis“ mehr erforderlich sei. Der Kläger teilte der Beklagten daraufhin mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2022 (Bl. 38 f der Akte) mit, dass im Betrieb der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein „3G-Nachweis“ vorgeschrieben gewesen wäre, die Beklagte seit Monaten mit der Gehaltszahlung im Annahmeverzug sei und der Kläger deshalb ab dem 21.03.2022 von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache.
Mit Schreiben vom 21.03.2022 (Bl. 36 f der Akte) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung und führte dort aus:
„Sie wurden heute am 21. März 2022 zum Beginn der Kernarbeitszeit um 8.15 in K… erwartet. Urlaub war für diesen Tag nicht genehmigt. Auch war keine sonstige Freistellung vereinbart worden. Dennoch sind Sie heute am 21. März 2022 um 8.15 Uhr nicht zur Arbeit an unserem Standort erschienen. In dem Schreiben Ihres Anwalts vom 19.03.2022 wird Ihre Weigerung der Arbeitsaufnahme dokumentiert. Dieses Verhalten können wir nicht akzeptieren, da angeblich ausstehende Zahlungen kein zukünftiges Arbeitsverweigerungsrecht darstellen.
Sie fehlen somit unentschuldigt. Ihr Verhalten stellt eine Verletzung ihrer Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar. Bei ordnungsgemäßen Verhalten hätten Sie Ihre Arbeit zum vereinbarten Zeitpunkt aufgenommen.
Wir sind nicht gewillt, Ihr oben dargestelltes Fehlverhalten hinzunehmen und erteilen Ihnen hiermit eine
Abmahnung.
Wir fordern Sie außerdem ausdrücklich auf, das oben dargestellte Verhalten sowie gleichartiges Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen.
Sollten Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, müssen Sie im Wiederholungsfall mit weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.“
Mit weiterem Schreiben vom 21.03.2022 (Bl. 37 der Akte) forderte die Beklagte den Kläger „letztmalig auf Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen“. Sie kündigte an, dass sie Maßnahmen zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses umsetzen werde, wenn der Kläger seine Tätigkeit im Unternehmen nicht bis zum kommenden Donnerstag, den 24.03.2022 aufnehmen werde.
Der Kläger nahm die Arbeit nicht auf.
Mit Schreiben vom 19.04.2022 (Bl. 121 f der Akte) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung zum 30.09.2022 an und führte zum Kündigungsgrund aus:
„Mit Schreiben vom 21.12.2021 erhielt Herr H… eine Abmahnung aufgrund seiner Weigerung einen 3-G-Nachweis vor dem Betreten des Unternehmens vorzulegen. Ebenso erhielt er mit gleichem Datum eine weitere Abmahnung aufgrund von Zeitdaten für den Zeitraum 13.12. bis 15.12.2021. Hier war er nach seinen Angaben im mobilen Arbeiten für uns tätig, was jedoch aufgrund seiner Arbeitsaufgabe nicht möglich war. Aufgrund der Weigerung des 3-G-Nachweises ist er seit dem 13.12.2021 nun ohne Entgelt von uns Ausnahmen sind:
16.12. – 17.12.2021, 20.12. – 23.12.2021, 28.12. – 31.12.2021 Urlaub
06.01.2022 Feiertag
Am 04.01.2022 erhielt er eine weitere Abmahnung aufgrund von Zeitmeldungen für den Zeitraum 20.12.21 – 03.01.2022. Hier steht weiterhin der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs im Raum.
Bereits am 03.01.2022 teilte er uns mit, dass er bis zur Begleichung der angeblich zu unrecht einbehaltenen Beträge ein Einsatz bei Kunden nicht erfolgen wird.
Nach Ende der 3-G-Regelung am 21.03.2022 haben wir Ihn erneut abgemahnt, da er nicht zur Arbeit erschienen ist. Gleichzeitig haben wir Ihn mit einem weiteren Schreiben aufgefordert, seine Tätigkeit bis zum 24.03.2022 aufzunehmen. Dies hat er nicht getan. Sein Rechtsanwalt hatte uns am 18.03.2022 darauf hingewiesen, dass er seine Tätigkeit erst dann aufnehmen wird, wenn die ausstehenden Zahlungen für den Zeitraum der 3-GPflicht geleistet wurden.
Aufgrund der Weigerung seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, möchten wir das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung zum 30.09.2022 kündigen.“
Der Betriebsrat nahm das am 20.04.2022 abschließend zur Kenntnis.
Mit Schreiben ohne Datum kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 30.09.2022, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Die Kündigung wurde dem Kläger am 30.04.2022 zugestellt.
Am Montag, den 23.05.2022, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und allgemeine Feststellungsklage.
Er trug vor dem Erstgericht vor:
Einseitige Änderungen der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitgeber könnten nur im Rahmen des § 106 GewO bewirkt werden. Dafür bedürfe es einer Weisung des Arbeitgebers, die rechtmäßig sein müsse und damit auch dem billigem Ermessen entsprechen müsse. Eine solche Weisung sei ihm nicht erteilt worden. Seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen seien daher im November und danach unverändert geblieben. Die vermutlich von der Beklagten und vom Freistaat Bayern vertretene Rechtsauffassung, die auf Grund einer Exekutivverordnung geltenden sogenannten 3G-Regeln seien geeignet, unmittelbar arbeitsvertragliche Verpflichtungen zu modifizieren, sei unzutreffend. Eine Verpflichtung des Klägers, den Betrieb der Beklagten nur nach Vorlage eines Testnachweises zu betreten, gebe es nicht. Nach der Corona-ArbSchV vom 21.01.2021 sei keine Testverpflichtung der Arbeitnehmer mehr vorgesehen. Es gelte nur eine Pflicht zu einem Testangebot für die Arbeitgeber. Jedenfalls sei Voraussetzung für eine wirksame Weisung der Beklagten in diesem Zusammenhang eine Gefährdungsbeurteilung für jeden Arbeitsplatz mit der Feststellung eines Infektionsrisikos sowie ein daraus entwickeltes Schutzkonzept. Beides müsse schriftlich niedergelegt werden.
Er habe nicht unentschuldigt am Arbeitsplatz gefehlt. Er habe nur den Betrieb nicht mehr betreten und im Home-Office gearbeitet und die erbrachten Arbeitszeiten für die Berechnung der Annahmeverzugsvergütung gemeldet. Die Beklagte habe keine Vergütung mehr bezahlt. Er habe deshalb ab dem 21.03.2022 von seinem Zurückbehaltungsrecht aufgrund des Annahmeverzuges und der daraus sich ergebenden rückständigen Vergütungsansprüche für über zwei Monate Gebrauch gemacht.
Das Erstgericht wies nach Rücknahme der allgemeinen Feststellungsklage in der mündlichen Verhandlung die Kündigungsschutzklage ab. Es wies zur Begründung darauf hin, dass der Kläger mit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten eine Arbeitsverweigerung begangen habe, da er zu diesem Zeitpunkt kein Zurückbehaltungsrecht gehabt habe. Bei der ersten Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes mit E-Mail vom 03.01.2022 habe ein solches schon nicht bestanden. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt habe er unentschuldigt gefehlt. Die Beklagte habe sich deshalb in der Folgezeit nicht im Annahmeverzug befunden. Deshalb habe auch bei der zweiten Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes mit Schreiben vom 18.03.2022 ein solches nicht bestanden. Er habe sich dabei auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Die Arbeitsverweigerung sei bewusst und nachhaltig erfolgt, die Abmahnung vom 21.03.2022 habe er unbeachtet gelassen, die Kündigung verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Die Anhörung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt.
Das Urteil des Arbeitsgerichtes wurde dem Kläger am 08.12.2022 zugestellt. Er legte dagegen am Montag, den 09.01.2023 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Frist bis 08.03.2023 am gleichen Tag.
Der Kläger trägt in der Berufungsbegründung vor:
Er sei am 21.12.2021, 04.01.2022 und 21.03.2022 jeweils abgemahnt worden wegen seiner Weigerung, sich täglich testen zu lassen unter Androhung einer unmittelbaren Kündigung bei wiederholter Weigerung. Zu dieser Testung sei er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet gewesen. Dies prüfe das Erstgericht verfehlt nicht. Es gehe einfach davon aus, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der seit 13.12.2021 bestehenden Rechtslage Folge zu leisten und sich die Frage einer Rechtmäßigkeit einer Weisung nach § 106 GewO damit gar nicht stelle. Das Erstgericht verkenne, dass eine tägliche Testung vertraglich nicht geschuldet gewesen sei. Zum einen sei eine solche Weisung der Beklagten nicht ergangen. Zum anderen wäre eine solche Weisung unbillig gewesen mangels Wahrung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben. Richtig sei, dass es einer Gefährdungsbeurteilung bedurft hätte. Richtig sei auch, dass die Abwesenheit des Klägers vom Betrieb, das Unterbleiben der Zuweisung von Arbeit durch die Beklagte und die Nichterbringung der Arbeitsleistung einzig und allein darauf beruhe, dass die Beklagte sich weigere, die vom Kläger angebotene Arbeitsleistung entgegenzunehmen. Richtigerweise sei davon auszugehen, dass die Verweigerung der Arbeitsleistung durch den Kläger durch ein Zurückbehaltungsrecht gerechtfertigt war. Auch § 28b IfSG sei richtigerweise dahingehend zu verstehen, dass mit der Gesetzesformulierung „physischer Kontakt“ auch ein solcher gemeint sei und nicht irgendwelche Kontakte, die nicht mit einer direkten oder körperlichen Berührung verbunden seien.
Die Beklagte habe sich deshalb im Annahmeverzug befunden. Am 18.03.2022 seien auch schon zweieinhalb Bruttomonatsvergütungen fällig und rückständig gewesen.
Schließlich sei auch eine negative Zukunftsprognose im Hinblick auf die Einzigartigkeit des Geschehens zweifelhaft.
Die Betriebsratsanhörung leide an der fehlenden Mitteilung der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes.
Mit weiterem Schriftsatz vom 05.09.2023 macht der Kläger geltend:
Er und sein Prozessbevollmächtigter hätten sich missverstanden. Richtig sei, dass er praktisch seine gesamte Arbeitszeit in der Zeit vom 13.12.2021 bis 18.03.2022 im Home-Office verbracht hätte und dort tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hätte. Er habe schon vor Corona als Teigtechnologe ca. 80% seiner Arbeitszeit im Außendienst bei den Kunden vor Ort verbracht. Dies sei auch während Corona so gewesen, wobei er in enger Abstimmung mit den jeweiligen Vorgesetzten vor Ort die bei den Kunden eingeführten Hygieneregeln und Corona-Schutzmaßnahmen eingehalten hätte. Dies sei letztmals so gewesen in der Zeit vom 29.11. bis 03.12.2021 bei einem Kunden in E…, wo er im Einvernehmen mit dem Kunden ohne Impf- und Testnachweis tätig geworden sei. Zwischen den Parteien sei auch nicht die Weigerung des Klägers, im Betrieb der Beklagten nur nach Vorlage eines Testnachweises tätig zu werden, im Streit. Im Streit sei die Untersagung jedweder Tätigkeit im Außendienst ohne Vorlage eines Testnachweises bei der Beklagten. Deshalb habe der Kläger in der Folgezeit seine Arbeit so gut es ging vom HomeOffice aus gemacht, wie es sich aus seinem Tätigkeitsnachweis für die Zeit vom 13.12.2021 bis 18.03.2022 auch ergebe.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 19.09.2022, dem Kläger zugestellt am 8. Dezember 2022, AZ. 10 Ca 549/22, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die dem Kläger am 30. April 2022 zugegangene ordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:
Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt in der Berufung vor:
Das Erstgericht habe zutreffend entschieden. Nach § 28b IfSG habe in der Zeit des vorwerfbaren Fehlverhaltens des Klägers vom 12.12.2021 bis 03.01.2022 schon 3G am Arbeitsplatz gegolten. Nach der bayerischen Krankenhausampel habe dies schon ab dem 09.11.2021 gegolten. Dies sei für den Arbeitgeber verpflichtend gewesen. Dies habe das Erstgericht auch zutreffend erkannt. Die Beklagte habe das umsetzen müssen. Der Kläger habe deshalb vom 13. bis 15.12.2021 unentschuldigt gefehlt.
Eine Weisung zur täglichen Testung habe es dagegen nicht gegeben. Sie, die Beklagte, habe nur entsprechend dem Betretungsverbot des § 28b IfSG Kontrollmaßnahmen eingeführt und auch vom Kläger die entsprechenden Nachweise gefordert, andernfalls kein Zutritt zum Betriebsgelände möglich sei.
Das Erstgericht habe auch den Begriff des physischen Kontaktes nicht verkannt, sondern sich zutreffend auf den gesetzgeberischen Willen berufen.
Die Kündigung sei nach den wiederholten Abmahnungen auch verhältnismäßig.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2023 teilt der Kläger auf Befragen des Gerichtes mit:
Seine Arbeitsaufgabe bei der Beklagten sei die Projektierung von Backmaschinen bei Kunden und nach deren Fertigung die Inbetriebnahme beim Kunden gewesen. Im Jahresdurchschnitt 2021 sei er nur an zwei bis vier Tagen im Monat im Betrieb gewesen. Im Übrigen sei er beim Kunden oder im Home-Office gewesen. Im Betrieb habe er schon eine erste Inbetriebnahme der Maschinen mit den Backzutaten des Kunden (das von diesem verwendete Mehl und sonstige Stoffe) zur Erprobung vor deren Auslieferung durchgeführt. Die eigentliche Inbetriebnahme beim Kunden vor Ort habe er ebenfalls begleitet.
Die Beklagte teilt dazu mit, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers beim Kunden vor Ort gelegen habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Urteile Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 06.03.2023 und den weiteren Schriftsatz vom 05.09.2023 und die Berufungserwiderung der Beklagten vom 09.05.2023.
Aus den Gründen
A.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2b, 2c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Kündigung ohne Datum hat das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.2022 beendet.
Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG. Die Beteiligung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG ist ordnungsgemäß erfolgt.
Das Erstgericht ist insoweit mit zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Ergänzend ist zum Berufungsvorbringen noch auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:
I. Die Weigerung des Klägers, ab dem 24.03.2022 die Arbeit wieder aufzunehmen, rechtfertigt die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
1. Eine Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.
a. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, in jüngerer Zeit mit Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 –, Rn. 30 grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, BAG, Urteil vom 29.06.2017- 2 AZR 302/16 –, Rn. 28.
b. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach der Rechtsprechung des BAG dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruches zurückzuhalten. Dies folgt aus einer Analogie zu § 320 Abs. 2 BGB, BAG, Urteil vom 25.10.1984 – 2 AZR 417/83 –, Rn. 29. Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten, BAG, Urteil vom 25.10.1984, a.a.O.; BAG, Urteil vom 25.10.2007- 8 AZR 917/06 –, Rn. 52.
c. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist, BAG, Urteil vom 22.10.2015- 2 AZR 569/14 –, Rn. 37 und BAG, Urteil vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17 –, Rn. 29.
d. Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber die Tatsachen darzulegen und – im Bestreitensfalle – auch zu beweisen, die den Kündigungsgrund begründen, nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Dies erstreckt sich auch auf die vom Arbeitnehmer behaupteten Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, soweit er diese hinreichend substantiiert in den Prozess einführt, BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 –, Rn. 23.
2. In Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ergibt sich, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist nach § 1 Abs. 2 KSchG.
a. Der Kläger war verpflichtet, die Arbeit bei der Beklagten aufzunehmen.
Die Beklagte hatte mit der Mitarbeiterinformation vom 16.03.2022 der Belegschaft und auch dem Kläger mitgeteilt, dass ab dem 21.03.2022 kein „3G-Nachweis“ mehr erforderlich sei für das Betreten des Betriebes und die Aufnahme der Arbeit dort. Eben diese „3G-Regel“ war es gewesen, die dazu geführt hatte, dass der Kläger im Dezember des Vorjahres den Betrieb der Beklagten nicht mehr aufgesucht und die Arbeit dort nicht mehr aufgenommen hatte. Dem Kläger war bei seinem unbestrittenen geistigen Horizont damit ohne weiteres klar, dass er ab dem 21.03.2022 wieder den Betrieb der Beklagten ohne Testung aufsuchen und die Arbeit dort aufnehmen konnte.
Der Kläger nahm die Arbeit am 21.03.2022 nicht auf.
Aus der Abmahnung vom 21.03.2022 war für den Kläger unproblematisch ersichtlich, dass die Beklagte die Arbeitsaufnahme bereits an diesem Tag von ihm erwartet hatte. Sie hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für diesen Tag weder Urlaub für ihn genehmigt war noch eine sonstige Freistellung. Die Beklagte hatte ihn auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er dieses Fehlverhalten zukünftig unterlassen und seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß erfüllen solle. Soweit dieser Text für den Kläger nicht eindeutig genug war, war es jedenfalls die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme spätestens bis zum Donnerstag, den 24.03.2022 mit weiterem Schreiben vom 21.03.2022.
Der Kläger nahm auch zu diesem Zeitpunkt die Arbeit nicht auf.
b. Der Kläger war nicht berechtigt, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten. Er hat die Arbeit beharrlich verweigert.
Die Erbringung der Arbeitsleistung war ihm zumutbar.
Der Kläger hat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2022 im Hinblick auf die Erbringung seiner Arbeitsleistung ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Er hat auch angekündigt, bei dieser Haltung zu bleiben, solange nicht die rückständige Vergütung nachbezahlt wird und hat den aus seiner Sicht rückständigen Betrag mit über zweieinhalb Monatsvergütungen konkretisiert.
Seine Arbeitsverweigerung war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes gerechtfertigt. Ein entsprechender Gehaltsrückstand in geltend gemachter Höhe, der ein Zurückbehaltungsrecht ohne weiteres begründen kann, lag nicht vor.
Die Beklagte hatte den Kläger mit E-Mail vom 07.12.2021 aufgefordert, am kommenden Montag, den 13.12.2021 in den Betrieb zu kommen unter Hinweis darauf, dass die Möglichkeit mobilen Arbeitens nicht gesehen wird. Diese Weisung zur Arbeitsaufnahme im Betrieb am 13.12.2021 war eindeutig und auch rechtmäßig. Vertraglich vereinbarte Hauptleistungspflicht des Klägers war Projektierung und Inbetriebnahme von Backmaschinen für die Bäckereiindustrie. In diesem Rahmen konnte die Beklagte dem Kläger Weisungen nach § 106 GewO erteilen. Sie konnte ihn deshalb auch im Einzelnen anweisen, an welchen Tagen er im Betrieb, im Home-Office oder beim Kunden zu arbeiten hatte.
Der Kläger kam dieser Weisung nicht nach, erschien am 13.12.2021 nicht im Betrieb und nahm die Arbeit dort auch nicht auf.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass er berechtigt gewesen wäre, am Montag, den 13.12.2021 nicht zum Betrieb zu kommen.
Nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 10.12.2021 durften Arbeitnehmer Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden konnten, nur betreten, wenn sie einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder beim Arbeitgeber hinterlegt hatten (sog. „3G-Regelung“). Nach § 28b Abs. 3 Satz 2 IfSG bestand für Arbeitnehmer grundsätzlich die Pflicht, vor Betreten des Betriebs auf Verlangen einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Der Arbeitgeber war verpflichtet nach § 28b Abs. 1 Satz 4 IfSG, seine Arbeitnehmer darüber zu informieren. Verfügte der Arbeitnehmer nicht über einen solchen Nachweis, musste der Arbeitgeber ihn nach § 28b Abs. 1 IfSG daran hindern, den Betrieb zu betreten, da er nur Arbeitnehmern Zutritt zur Arbeitsstätte gewähren sollte, die keine Gefahr für andere darstellten und auf diese Weise soweit wie möglich vermieden werden sollte, dass sich weitere Arbeitnehmer mit dem Corona-Virus im Betrieb anstecken könnten. Nach § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG traf den Arbeitgeber die Pflicht, die Befolgung der Nachweispflichten seiner Arbeitnehmer täglich zu überwachen und die Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes zu hindern, die den Nachweispflichten nicht genügten. Diese Pflicht des Arbeitgebers war auch nach § 73 Abs. 1a Nr. 11d IfSG bußgeldbewehrt.
Die Beklagte hatte den Kläger bereits mit der Mitarbeiterinformation vom 10.11.2021 zu diesem Zeitpunkt noch Bezug nehmend auf Bayerisches Landesrecht entsprechend informiert. Mit der weiteren Mitarbeiterinformation vom 16.11.2021 wurde der Kläger erneut über diese „3G-Regelung“ informiert. Er wurde informiert, dass die Beklagte den „3G-Nachweis“ an zwei Tagen in der Woche kontrollieren würde. Er wurde auch informiert, dass sich die Beklagte ferner vorbehielt, die Kontrolle stichprobenartig auch an anderen Tagen als Dienstag und Donnerstag durchzuführen und Mitarbeiter ohne entsprechenden Nachweis des Betriebes verweisen würde.
Dies nahm der Kläger nach E-Mailverkehr mit der Beklagten zum Anlass, am 13.12.2021 nicht im Betrieb zu erscheinen. Damit geriet die Beklagte an diesem Tag auch nicht in Annahmeverzug. Dieser erfordert nach § 294 BGB, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung so anbietet, wie sie zu bewirken ist.
Die Leistung ist so zu bewirken, wie der Arbeitgeber sie im Rahmen seines Direktionsrechtes nach § 106 GewO näher bestimmt. Dies hatte der Arbeitgeber getan mit seiner Weisung mit E-Mail vom 07.12.2021, am 13.12.2021 im Betrieb zu erscheinen. Eine Arbeitsleistung von zu Hause aus hatte die Beklagte ausdrücklich abgelehnt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Weisung zum Erscheinen im Betrieb rechtswidrig oder unbillig gewesen wäre. Der Kläger hatte keinen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nur beim Kunden und von zu Hause aus zu arbeiten. Der Arbeitsort des Klägers war vertraglich nicht bestimmt. Der jeweilige Arbeitsort ergab sich aus den von ihm betreuten Projekten mit Arbeit vor Ort beim Kunden, Arbeit im Betrieb und gegebenenfalls Arbeit von zu Hause aus nach näherer Vorgabe der Beklagten. Den Ort der Arbeit konnte mithin die Beklagte jederzeit im Rahmen des billigen Ermessens gemäß § 106 GewO konkretisieren und damit Arbeit von zu Hause aus untersagen und Arbeit im Betrieb anordnen. Ein fehlerhafter Gebrauch des billigen Ermessens seitens der Beklagten ist nicht ersichtlich.
Die Berufung macht geltend, nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom Januar 2021 sei keine Testverpflichtung mehr vorgesehen gewesen. Das Vorbringen ist unbehelflich.
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021, in Kraft getreten am 27.01.2021, sieht eine Testverpflichtung nicht vor. Nach § 1 Abs. 2 SARS-Cov-2-Arbeitsschutzverordnung bleiben die dort genannten Regelungen von der Anwendung der Arbeitsschutzverordnung unberührt. Dazu zählen auch Kontrollen zum Zutritt des Betriebes und zur Reduzierung des Zutrittes nach anderen Vorschriften, wie oben bereits dargestellt, vergleiche auch Kollmer, Klindt, Schucht, Arbeitsschutzgesetz, Kommentar, 4. Auflage, § 1 Corona-ArbSchV, Rn.
3. Die Berufung macht geltend, nicht der Kläger habe es abgelehnt, im Betrieb nur nach Vorlage eines Testnachweises zu erscheinen, sondern die Beklagte habe ihm jedwede Tätigkeit im Außendienst untersagt. Dieses Vorbringen findet keinerlei Niederschlag in der Akte. Nur im internen Emailverkehr zwischen Mitarbeitern der Beklagten findet sich in der Email vom 19.11.2021 (Bl. 59 der Akte) der Hinweis, dass mit einer Novellierung des IfSG am kommenden Wochenende zu rechnen sei und dies im Ergebnis bedeute, dass auch die Kunden der Beklagten eine entsprechende Umsetzungsverpflichtung hätten. Eine Untersagung jedweder Tätigkeit im Außendienst ist in schriftlicher Form nicht zur Akte gelangt noch in mündlicher Form konkret vorgetragen worden.
Ab dem 03.01.2022 verweigerte der Kläger dann dauerhaft die Erbringung der Arbeitsleistung mit der E-Mail vom gleichen Tag mit der Behauptung, dass ihm wegen unberechtigt einbehaltener Gehaltszahlung für Dezember 2021 Kundeneinsätze vor Ort bis auf weiteres verwehrt blieben. Unstreitig hatte die Beklagte dem Kläger für Dezember Gehalt gezahlt für die Tage Mittwoch, den 01.12. bis Freitag, den 10.12., Donnerstag, den 16.12. bis Donnerstag, den 23.12. und Dienstag, den 28.12. bis Freitag, den 31.12.2021. Bei einem Streit um Arbeitsentgelt für fünf Tage besteht kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers, insbesondere, wenn der Anspruch zwischen den Parteien streitig ist.
Ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers an seiner Arbeitsleistung bestand daher zu diesem Zeitpunkt nicht. Auch der Kläger geht nach seinem Berufungsvorbringen davon aus, dass der zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes erforderliche Gehaltszahlungsrückstand des Arbeitgebers jedenfalls ein Monatsgehalt übersteigen muss.
Im Hinblick auf die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes an seiner Arbeitsleistung durch den Kläger konnten deshalb auch in der Folgezeit keine Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus Annahmeverzug entstehen, die ihn zu einem späteren Zeitpunkt zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes berechtigt hätten.
c. Der Kläger befand sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum. Nach der zitierten Rechtsprechung des BAG liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht. Hier ist nicht ersichtlich, woraus der Kläger ableitet, dass der Gesetzgeber nicht berechtigt gewesen wäre, den Zutritt von Arbeitnehmern zum Betrieb nur unter bestimmten Voraussetzungen zu gewähren. Eine Verfassungswidrigkeit des § 28b IfSG macht er nicht geltend. Physische Kontakte der Arbeitnehmer der Beklagten im Betrieb als Industriebetrieb mit ca. 400 Arbeitnehmern können zuverlässig von der Beklagten nicht ausgeschlossen werden.
d. Die Kündigung ist auch verhältnismäßig. Das mildere Mittel der Abmahnung war der Beklagten nicht mehr zumutbar. Sie hatte schon mit dem Schreiben vom 21.03.2022 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass bei Nichtaufnahme der Tätigkeit bis Donnerstag, den 24.03.2022 das Kündigungsverfahren eingeleitet werden würde. Es bestand keinerlei Notwendigkeit für den Kläger, den Streit zwischen den Parteien um die Pflichten im Zusammenhang mit der CORONA-Pandemie weiter zu eskalieren. Er konnte nach Aufhebung der entsprechenden staatlichen Maßnahmen wieder zur Arbeit gehen ohne Testpflichten und die Frage der Zahlungspflichten der Beklagten für die zurückliegende Zeit einer notfalls auch gerichtlichen Klärung zuführen. Mit einer Änderung seines Verhaltens war auch nicht zu rechnen, nachdem er schon Anfang Januar wegen eines zwischen den Parteien streitigen Zahlungsrückstandes für maximal fünf Arbeitstage die Arbeitsleistung unter Geltendmachung eines vermeintlichen Zurückbehaltungsrechtes verweigert hatte.
Die Kündigung ist auch verhältnismäßig unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers und seiner Betriebszugehörigkeit. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für Fachkräfte derzeit gut.
e. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht aus:
aa) Die Berufung macht geltend, § 28b IfSG stelle auf „physische Kontakte“ ab. Das Erstgericht gehe verfehlt davon aus, dass „physische Kontakte“ auch schon vorlägen ohne körperlichen Kontakt. Die Auffassung, es genüge eine Begegnung mit nahem Abstand, sei verfehlt.
Dazu ist festzustellen, dass das Verständnis des Erstgerichtes vom „physischen Kontakt“ iSd § 28b IfSG zutreffend ist, wenn es dies nicht auf den unmittelbaren und direkten Kontakt beschränkt. Dieses Verständnis findet sich auch in der Begründung des Gesetzentwurfes vom 06.12.2021, BT-Drs. 20/188, S. 46: Von physischen Kontakten ist grundsätzlich auszugehen, wenn bei der Tätigkeit ein Zusammentreffen mit anderen Personen nicht ausgeschlossen werden kann, auch wenn es zu keinem direkten Körperkontakt kommt.
Dementsprechend wird der Begriff vom Erstgericht ausgelegt. Dabei orientiert sich das Erstgericht zutreffend an den Regeln der Gesetzesauslegung. Das vom Kläger favorisierte Festhalten am reinen Wortlaut ohne Berücksichtigung des Sinnzusammenhanges ist verfehlt.
Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichend Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, in jüngster Zeit BAG, Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 158/22 –, Rn. 10.
Daran hat sich das Erstgericht in der Begründung und im Ergebnis zutreffend orientiert. Soweit der Kläger meint, damit würde jegliche Tätigkeit in einer Betriebsstätte ohne Einhaltung der 3G-Regeln verhindert, ist das in dieser Verallgemeinerung schlicht unzutreffend.
Des Weiteren ist nicht ersichtlich, wie die Beklagte als Industriebetrieb mit ca. 400 Arbeitnehmern ausschließen könnte, dass die Arbeitnehmer keinen – auch keinen unabsichtlichen – direkten Kontakt haben können, wenn sie im Betrieb ihrer Arbeit nachgehen.
bb) Die Berufung macht geltend, das Erstgericht gehe von einer unmittelbaren Veränderung arbeitsvertraglicher Pflichten im Arbeitsverhältnis durch hoheitlichen Akt aus ohne Notwendigkeit der Umsetzung des hoheitlichen Aktes durch eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers.
Dazu ist festzustellen, dass das Erstgericht zutreffend davon ausgeht, dass der Arbeitgeber mangels Prüfungs- und Verwerfungskompetenz für Bundesgesetze angehalten ist, diese zu befolgen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Beklagte verpflichtet war, das Betretungsverbot des § 28b IfSG in ihrem Betrieb umzusetzen. Dies hat sie auch getan mit ihren verschiedenen Mitarbeiterinformationen und den dort enthaltenen Verhaltenshinweisen für die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der 3G-Regelung.
cc) Die Berufung macht mit ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 05.09.2023 geltend, es habe ein sachliches Missverständnis zwischen Prozessbevollmächtigtem und Kläger gegeben. Entgegen dem Berufungsvorbringen habe der Kläger gar nicht die Arbeitsleistung verweigert, sondern die Arbeitsleistung in der Zeit vom 13.12.2021 bis 18.03.2022 im Home-Office erbracht. Er bringt dazu den Tätigkeitsbericht vom 13.12.2021 bis 18.03.2022 (Bl. 271 ff der Akte) in Vorlage.
Dazu ist festzustellen, dass der Kläger diesen Tätigkeitsbericht bereits als Anlage K9 (Bl. 64 ff der Akte) zu dem Schriftsatz vom 29.07.2022 in erster Instanz vorgelegt hat durch den Prozessbevollmächtigen, der ihn auch in der Berufungsinstanz vertritt. In dem genannten Schriftsatz hat er auch ausdrücklich darauf Bezug genommen bei seinen Ausführungen, dass der Kläger ankündigungsgemäß für die Berechnung des Annahmeverzuges nur die tatsächlich im Home-Office erbrachten Arbeitszeiten sowie die regulären Arbeitszeiten meldete. Das geltend gemachte Missverständnis ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Darauf kommt es im Ergebnis nicht an. Der Kläger teilt selbst mit, dass er reguläre Arbeitszeiten in Abgrenzung zu im Home-Office erbrachten Arbeitszeiten darstellte. Dies entspricht dem vorgelegten Tätigkeitsbericht. Für Februar und März 2022 enthält sein Tätigkeitsbericht nur den arbeitstäglichen Vermerk, dass er Arbeitszeit online eingereicht hat ohne jede Angabe zu der aus seiner Sicht ausgeübten Arbeit. Aus Sicht des Gerichtes hat er an diesen Tagen nicht für die Beklagte gearbeitet, sondern nur seine regulären Arbeitszeiten gemeldet. Eine Ausnahme bilden hier nur die Tage 22.02., 07.03. und 08.03.2022. Für diese Tage hat er wiederum ohne nähere Zeitangaben „Telkos“ mit verschiedenen Mitarbeitern der Beklagten notiert. Die Beklagte hatte dies erstinstanzlich bestritten, abgesehen von einer Telefonkonferenz mit Herrn S…, einem Online-Meeting mit Frau W… und einer Telefonkonferenz mit Frau P… von jeweils 30 bis 60 Minuten. Daraus ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger in diesem Zeitraum seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung von 39 Stunden in der Woche erbracht hätte.
Nichts anderes gilt für seinen Tätigkeitsbericht für Dezember 2021 und Januar 2022.
Das dort dargestellte organisatorische Arbeiten an 23 Arbeitstagen ohne jede Konkretisierung, was es in diesem zeitlichen Umfang zu organisieren gab, und das ebenfalls dort dargestellte Selbststudium an 22 Arbeitstagen ohne entsprechende Weisung der Beklagten stellt sich schon nicht als Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung des Klägers dar. Das ergibt sich schon aus seinem eigenen Vorbringen zu seiner vertraglich geschuldeten Arbeit, der Projektierung und Inbetriebnahme von Backmaschinen verschiedener Art im Betrieb der Beklagten, im Home-Office und beim Kunden vor Ort. Vertraglich geschuldete Arbeit mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch hat er – zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellt – allenfalls nach seinem eigenen Vortrag in der Zeit vom 13.12.2021 bis 18.03.2022 an 13 Tagen entfaltet und dies auch nur stundenweise. Ein Vergütungsanspruch in einer Höhe, die ein Monatsgehalt deutlich übersteigt, ergibt sich daraus nicht. Eine gesetzliche Grundlage, für wochenlanges Selbststudium Anspruch auf Arbeitsentgelt zu haben, besteht nicht. Eine tarifliche oder einzelarbeitsvertragliche Grundlage für dieses Begehren benennt der Kläger nicht. Eine solche Anspruchsgrundlage ist auch nicht aus der Akte ersichtlich.
II. Die Kündigung scheitert auch nicht an einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates.
Auch dies hat das Erstgericht zutreffend festgestellt. Auf die Ausführungen des Erstgerichtes dazu wird Bezug genommen.
Die Berufung macht dazu geltend, der Betriebsrat sei nicht über die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes informiert worden. Es sei für die Angemessenheit einer Kündigung von entscheidender Bedeutung, ob ein Arbeitnehmer nur beharrlich die Arbeit verweigert oder ob er ausstehende Vergütungsansprüche mit umstrittener Grundlage geltend macht.
Das Berufungsvorbringen ist in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar.
In der Anhörung des Betriebsrates ist ausgeführt, welche Arbeitstage im Dezember vergütet wurden. Ferner ist ausgeführt, dass der Kläger schon am 03.01.2022 mitteilte, dass bis zur Begleichung angeblich zu Unrecht einbehaltener Beträge ein Einsatz beim Kunden nicht erfolgen werde. Genau das hatte der Kläger mit seiner E-Mail vom 03.01.2022 erklärt.
In der Anhörung des Betriebsrates ist auch ausgeführt, dass sein Rechtsanwalt mit Schreiben vom 18.03.2022 darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger die Tätigkeit erst wieder aufnehmen werde, wenn die ausstehenden Zahlungen für den Zeitraum der 3-G-Pflichten geleistet werde. Genau das hatte der Prozessbevollmächtigte in seinem Schreiben vom 18.03.2022 geltend gemacht.
C.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass, (§ 72 Abs. 2 ArbGG).