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Arbeitsrecht
14.08.2008
Arbeitsrecht
LAG Düsseldorf: Offensichtlich unzuständige Einigungsstelle

LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.2.2008 - 2 TaBV 7/08

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) betreibt in ihrem in  gelegenen Betrieb den Handel, die Reparatur und die Wartung von Kraftfahrzeugen der Marken Audi und VW. Sie beschäftigt dort einschließlich der Auszubildenden 143 Mitarbeiter/innen. Antragsteller ist der im Betrieb gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin ist Mitglied des Verbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes Nordrhein-Westfalen e.V. und wendet die Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe im Land Nordrhein-Westfalen an. Im Mai 2006 verlangte der Betriebsrat die Umgruppierung der `Mitarbeiterinnen an der Tarifgruppe 5 in die Tarifgruppe 6 des einschlägigen. Entgeltrahmenabkommens. Es kam in der Folgezeit auch nach Hinzuziehung der Tarifvertragspartei„ zu keiner Einigung zwischen den Betriebsparteien.

Der Betriebsrat beantragte anschließend, die Angelegenheit der Einigungsstelle vorzulegen. Er berief sich auf § 6 des Entgeltrahmenabkommens und auf § 10 Abs. 2 Unterabs. 2 des Manteltarifvertrages für das KfZ-Gewerbe NRW (MTV).

§ 6 des Entgeltrahmenabkommens lautet:

„Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung dieses Vertrages ist entsprechend § 10 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages zu verfahren."

In § 10 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages heißt es wie folgt:

„2. Kommt bei Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung, Durchführung und Auslegung des Tarifvertrages zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ein Einvernehmen nicht zustande, sind die Tarifvertragsparteien hinzuzuziehen. Erfolgt auch dann keine Einigung, ist der Rechtsweg offen.

Wenn sich die Tarifvertragsparteien auf keinen gemeinsamen Spruch zu der vorgelegten Meinungsverschiedenheit der Betriebsparteien einigen können, ist die Angelegenheit der Einigungsstelle gemäß Betriebsverfassungsgesetz vorzulegen."

Die Arbeitgeberin lehnte die Einrichtung einer Einigungsstelle ab.

Mit seinem am 26.11.2007 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Antrag begehrt der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Er hat die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten den Rechtsweg zur Einigungsstelle verpflichtend normiert.

Der Betriebsrat hat beantragt,.

1. die Richterin am Arbeitsgericht Düsseldorf,

zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle zu bestellen mit dem Regelungsgegenstand „gescheiterte tarifliche Eingruppierung der Mitarbeiterinnen nach Entgeltrahmenabkommen für das Kfz-Gewerbe NRW";

2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf 2

festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen,

hilfsweise,

Herrn     als Vorsitzenden einer Einigungsstelle einzusetzen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Dem Betriebsrat stehe kein Initiativrecht zur Durchführung eines korrigierenden Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG zu. § 10 Ziffer 2 MTV gehe ins Leere, da das Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich. der Ein- und Umgruppierung keine Entscheidung der Einigungsstelle vorsehe. Für die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte gebe es keine gesetzliche Grundlage.

Mit seinem am 17.12.2007 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Wuppertal dem Antrag des Betriebsrates stattgegeben und den Hilfsantrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Im Hinblick auf § 10 Ziffer 2 MTV erscheine die Zuständigkeit der Einigungsstelle zumindest möglich. Die Tarifnorm könne die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz erweitern. Die Ansicht der Arbeitgeberin, dass die Tarifnorm nur Sinn mache, soweit erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates berührt seien, überzeuge nicht. In diesem Fall würde die Regelung leer laufen. Gründe, die gegen die vorgeschlagene Einigungsstellenvorsitzende sprechen könnten, seien nicht vorgetragen worden.

Gegen den ihr am 27.12.2Ö07 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit einem am 10.01.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie macht insbesondere geltend:

Die Anträge seien bereits unzulässig. Der Betriebsrat habe nicht dargelegt, dass das Beschlussverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und der das Verfahren führende Rechtsanwalt bevollmächtigt worden sei. Erst recht fehle den Anträgen jedenfalls in bezug auf die Arbeitnehmerin die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund von Elternzeit schon beinahe ein halbes

Jahr nicht in ihrem Betrieb befunden habe, das Rechtsschutzbedürfnis. Die Anträge seien auch unbegründet. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Sinne des § 99 BetrVG würden durch § 6 des Entgeltrahmenabkommens nicht erweitert. Selbst wenn man dies annehmen würde, wäre eine solche Erweiterung unzulässig. Unabhängig davon lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 des Entgeltrahmenabkommens nicht vor. Dieser betreffe allein die Auslegung des Abkommens, nicht jedoch dessen Anwendung. Selbst wenn Mitbestimmungsrechte bei der Eingruppierung angenommen würden, hätte der Betriebsrat diese mit der in der Vergangenheit einvernehmlich erfolgten Eingruppierung verbraucht. Ihm stehe kein Initiativrecht zu, bei gleich gebliebenem Sachverhalt die Überprüfung der Eingruppierungsentscheidung zu verlangen. Frau Richterin am Arbeitsgericht sei nicht zur Einigungsstellenvorsitzenden zu bestimmen, da sie ihr nicht mit der nötigen Unvoreingenommenheit begegnen könne.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom abzuändern und die Anträge zurückzuweisen,

hilfsweise

zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „gescheiterte tarifliche Eingruppierung der Mitarbeiterinnen             nachdem Entgeltrahmenabkommen für das Kfz-Gewerbe NRW" Herrn Direktor des Arbeitsgerichts Hamm,  , zu bestimmen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt in der Beschwerdeerwiderung den angefochtenen Beschluss und führt unter Darlegung der näheren Umstände zum Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und zur Verfahrensbevollmächtigung im Weiteren aus:

Die Rüge nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung und Verfahrensbevollmächtigung erstmals in der Beschwerdeinstanz sei verspätet, in der Sache auch unbegründet. Die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Es sei möglich, dass die Tarifvertragsparteien die Kontrollrechte des Betriebsrates nach § 80 BetrVG durch die Regelung in § 2 und § 6 Entgeltrahmenabkommen i.V.m. § 10 MTV erweitert hätten. Allein die Auseinandersetzung der Arbeitgeberin mit dem Für und Wider etwaiger durch die Tarifvertragsparteien erweiterter Rechte für den Betriebsrat mache deutlich, dass es keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle geben könne. Die Bedenken gegen die als Einigungsstellenvorsitzende vorgeschlagene Richterin seien unerheblich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Beschwerde der Arbeitgeberin,: gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist begründet. Denn die Anträge des Betriebsrates sind zwar

zulässig, entgegen der Auffassung der Vorinstanz aber unbegründet.

I. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Soweit die Arbeitgeberin erstmals in der Beschwerdeinstanz bestritten hat, dass der Einleitung des Beschlussverfahrens und der Vollmachterteilung des Verfahrensvertreters ein wirksamer Beschluss des Betriebsrates zugrundegelegen habe, konnte das Vorbringen entgegen der Auffassung des Betriebsrates nicht schon als verspätet zurückgewiesen werden. Eine Zurückweisung nach § 87 Abs. 3 Satz 2 ArbGG scheidet aus, weil das Arbeitsgericht keine Fristen nach § 83 Abs. 1 a ArbGG gesetzt hat. Auch bei einem Verstoß der Arbeitgeberin gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, die wegen § 67, Abs. 3 ArbGG jedenfalls im Urteilsverfahren gilt, kann neues Vorbringen nur dann nicht mehr zugelassen werden, wenn dies die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Unabhängig davon, ob § 67 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 282 Abs. 1, Abs. 2 ZPO auch im Beschlussverfahren Anwendung finden kann, führt die Zulassung des neuen Vorbringens jedenfalls nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens.

2. Die Anträge sind auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens nicht wegen Fehlens eines ordnungsgemäßen Beschlusses über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens unzulässig.

a. Ein von einem Verfahrensbevollmächtigten namens des Betriebsrats gestellter Antrag in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bedarf einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Kollegialorgans über die Einleitung des Verfahrens. Fehlt es hieran, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BAG 1. 10. 1991 - 1 ABR 81/90 - n.v., zu B 11 der Gründe; 18. 2. 2003 - 1 ABR 17/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11; 29.4.2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3, zu B 11 1 aa der Gründe). Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses setzt voraus, dass er in einer Betriebsratssitzung gefasst worden ist, zu der die Mitglieder des Betriebsrats gemäß § 29 Abs. 2 Satz,3 BetrVG rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (BAG 28. 4. 1988 - 6 AZR 405/86 - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu II 3a der Gründe; 1. 10. 1991 - 1 ABR 81/90 - n.v. zu B l 2 der Gründe). Der Betriebsrat muss sich auf Grund einer ordnungsgemäßen Ladung als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben (BAG 14. 2. 1996 - 7 ABR 25/95 - AP BetrVG 1972 § 76a Nr. 5, zu B 114 der Gründe mwN). Dabei müssen die in dem Beschlussverfahren zu stellenden Anträge nicht bereits im Einzelnen formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet sind (BAG 29.4.2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3, zu B II 1 aa der Gründe).

b. Der Betriebsrat hat am 14.11. 2007 einen Beschluss gefasst, der die streitgegenständlichen Anträge abdeckt. Er hat auf das Bestreiten der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz und deren Aufforderung zur näheren Darlegung vorgetragen, er habe einstimmig entschieden. Inhaltlich habe er in der „Angelegenheit Eingruppierung" beschlossen, ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten und . Herrn Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Den neuen Sachvortrag hat die Arbeitgeberin anschließend nicht in Abrede gestellt. Er gilt mithin als zugestanden. Der danach gefasste Beschluss des Betriebsrates entspricht der Mitteilung der Tagesordnung in der Ladung zur Betriebsratssitzung, in der es unter Punkt 3 heißt „Prozessbevollmächtigung in der Angelegenheit Eingruppierung durch Kanzlei     mit Beschlussfassung". Dabei verfolgte der Betriebsrat erkennbar die Einleitung eines Verfahrens nach § 98 ArbGG. Ausweislich des vorgelegten Schreibens an die Geschäftsleitung vom 24.10.2007 hatte er nämlich in der vorausgegangenen Sitzung am 19.10.2007 beschlossen, dass die Angelegenheit Eingruppierung der Mitarbeiterinnen       durch eine Einigungsstelle nach § 76 BetrVG entschieden werden solle und als Vorsitzende die Richterin am Arbeitsgericht Buschkröger und je zwei Beisitzern vorgeschlagen. Er hatte der Geschäftsleitung eine Frist zur Stellungnahme von sieben Tagen eingeräumt und für den Fall eines ergebnislosen Ablaufs der Frist einen entsprechenden Antrag an das Arbeitsgericht angekündigt. Nachdem es innerhalb der vorgegebenen Frist zu keiner einvernehmlichen Regelung zwischen den Betriebspartnern gekommen war, ging es dem Betriebsrat darum, die angekündigte Maßnahme umzusetzen und die rechtliche Grundlage für die

Einleitung des Beschlussverfahrens zu schaffen. Damit konnte aber kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Verfahren die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Gegenstand haben sollte. Diesem Ziel dienen die in dem vorliegenden Beschlussverfahren gestellten Anträge, die zugleich auch die ursprünglichen Vorschläge des Betriebsrates hinsichtlich der Einigungsstellenvorsitzenden und der Anzahl der Beisitzer umsetzen.

c. Zweifel an der Beschlussfähigkeit des Betriebsrats nach § 33 Abs. 2 BetrVG bestehen nicht. Nach den unwidersprochenen Angaben des Betriebsrates waren in der Sitzung vom 14. 11. 2007 acht seiner Mitglieder und damit weit mehr als die Hälfte anwesend.

d. Angesichts des vorausgegangenen Beschlusses des Betriebsrates vom 19.10.2007 bestehen entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch keine Bedenken im Hinblick auf eine hinreichend deutliche Mitteilung der Tagesordnung in der Ladung zur Betriebsratssitzung: Die Aufstellung der Tagesordnung und ihre Mitteilung an die Betriebsratsmitglieder dienen dem Zweck, dass sich alle Betriebsratsmitglieder auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorbereiten können. In Hinblick darauf muss die Tagesordnung die zu behandelnden Punkte möglichst konkret angeben. Ihren Zweck erfüllt sie aber bereits dann, wenn den Betriebsratsmitgliedern aufgrund der Themenbezeichnung hinreichend klar ist, um welche Angelegenheit es_ sich handelt. Es dürfen deshalb keine zu hohen Anforderungen an die Tagesordnung gestellt werden. Angesichts der vorausgegangenen Gespräche mit der Arbeitgeberin und des zuvor gefassten Beschlusses zum Thema „Eingruppierung" muss den Betriebsratsmitgliedern, da es weitere vergleichbare Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern nicht gab, jedenfalls die Arbeitgeberin selbst dies nicht behauptet hat, klar gewesen sein, dass es dabei um die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und die Einrichtung einer Einigungsstelle ging.

e. Soweit die Arbeitgeberin mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Einladung sämtliche ordentlichen Mitglieder des Betriebsrates erreicht habe, hat der Betriebsrat klar gestellt, sein Vorsitzender habe die Einladungen nebst Tagesordnung persönlich am 13.11.2007 an die Betriebsratsmitglieder über geben. Nur das Betriebsratsmitglied Gossmann habe der Vorsitzende wegen dessen Arbeitsunfähigkeit nicht angetroffen und statt seiner das Ersatzmitglied Kunz geladen, ebenfalls persönlich. Erst kurzfristig vor der Betriebsratssitzung am 14.11.2007 habe dieser wegen Unabkömmlichkeit am Arbeitsplatz abgesagt. Die Bemühungen des Betriebsratsvorsitzenden, noch ein anderes Ersatzmitglied zu laden, seien erfolglos gewesen. Ausgehend von diesem Sachvortrag, dem die Arbeitgeberin nicht mehr entgegengetreten ist, bestehen keine Zweifel an dem Zugang der Ladungen an die Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder. Ebenso wenig sind Bedenken gegen die Rechtzeitigkeit der Ladung geltend gemacht worden.

3. Es fehlt des Weiteren nicht an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrates zur wirksamen Beauftragung des Verfahrensvertreters: Auch wenn der Betriebsrat ausdrücklich nur Herrn Rechtsanwalt in seinem Beschluss genannt hat, erscheint doch eine erweiternde Auslegung des Beschlusses (§§ 133, 157 BGB analog) auch auf den in der Kanzlei tätigen Verfahrensvertreter angesichts der ausdrücklichen Benennung der Kanzlei schon in der Tagesordnung zur Betriebsratssitzung am 14.11.2007 durchaus möglich. Jedenfalls hat der Betriebsrat aber einen dahingehenden Mangel bei der Beschlussfassung durch den am 7.2.2008 gefassten und mit der Beschwerdebeantwortungsschrift vorgelegten Beschluss, mit dem er die Bevollmächtigung seines Verfahrensvertreters umfassend genehmigt hat, geheilt.

a. Die von oder gegenüber einem Vertreter ohne Vollmacht vorgenommenen Prozesshandlungen können nach § 89 Abs. 2 ZPO von der Partei nachträglich genehmigt werden. Die Genehmigung der Prozessführung kann dabei nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgen, auf Grund deren ein wegen fehlender Vollmacht des Vertreters die Klage zurückweisendes oder das Rechtsmittel verwerfendes Urteil ergeht. Eine genehmigende Nachreichung der Vollmacht für die Klage ist deshalb in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr möglich, nach dem. die Vorinstanz die Klage wegen des Mangels zu Recht als unzulässig abgewiesen hatte. Mit Erlass des Prozessurteils besteht keine genehmigungsfähige Rechtslage mehr; eine nachträgliche Genehmigung würde nicht den Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern nur dem richtigen Prozessurteil die Grundlage entziehen (BAG 18.12.1964 - 5 AZR 109/64 - AP ZPO § 89 Nr. 1; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 17.4.1984 - GemS-OBG 2/83 - NJW 1984, 2149) Diese Grundsätze können auf das Fehlen eines ordnungsgemäßen Beschlusses des ;Betriebsrates, der der Vollmachterteilung zugrunde liegt, übertragen werden (vgl. BAG 18.2.2003 - 1 ABR 17/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11, zu B 13a der Gründe).

b. Eine rechtzeitige Heilung des Mangels der Vollmacht bzw. entsprechend des Mangels der der Vollmacht zugrunde liegenden Beschlussfassung ist aber gegeben, wenn - wie hier - der Mangel in der unteren Instanz unentdeckt geblieben ist. In diesem Fall ist auch in der Rechtsmittelinstanz eine Genehmigung noch möglich. Die ohne Vollmacht vorgenommenen Prozesshandlungen, die schwebend unwirksam sind, sind nämlich ohne diesbezügliche Zurückweisung durch die instanzbeendende Entscheidung noch nicht endgültig unwirksam geworden (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO § 89 Rdn. 11 m.w.N.).

4. Für den Antrag besteht schließlich entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Auch wenn die Mitarbeiterin schon mehrere Monate wegen Elternzeit nicht mehr im Betrieb der Arbeitgeberin eingesetzt ist, muss doch mit ihrer Rückkehr gerechnet werden. In diesem Fall ist es auch für die Arbeitgeberin wichtig zu wissen, mit Tätigkeiten welcher Wertigkeit die Mitarbeiterin zu beauftragen ist. Dies richtet sich danach, in welche Vergütungsgruppe sie bislang eingruppiert war. Der Klärung dieser Frage dient das vom Betriebsrat begehrte Einigungsstellenverfahren.

II. Die Anträge des Betriebsrats sind jedoch unbegründet. Die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem vom Betriebsrat begehrten Regelungsgegenstand

kommt nicht in Betracht.

1. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. z.B. LAG Niedersachsen 2.11.2006 - 1 TaBV 83/06 - NZA-RR 2007, 134; LAG Hamm 9.10.2006 - 10 TaBV 84/06 -; LAG Hamm 9.8.2004 - 10 TaBV 81/04 -AP ArbGG 1979 § 98 N r. 14 m.w.N.).

2. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle in diesem Sinne liegt nach Auffassung des Beschwerdegerichts vor. Hinsichtlich der begehrten neuen - korrigierenden - Eingruppierung der Mitarbeiterinnen steht dem Betriebsrat kein Initiativrecht zu, das er über die Einigungsstelle durchsetzen könnte.

a. Die Zuständigkeit. der Einigungsstelle ergibt sich nicht aus §§ 99 ff BetrVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat bei Bestehen einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht zur Ein- oder Umgruppierung, der der Arbeitgeber nicht nachkommt, gemäß § 101 BetrVG verlangen, dem Arbeitgeber zunächst die Ein- oder Umgruppierung in die maßgebliche Vergütungsordnung aufzugeben und ihn sodann zur Einholung seiner - des Betriebsrats - Zustimmung sowie bei deren Verweigerung zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten (vgl. näher BAG 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29 mwN). Zur Entscheidung des Streits berufen sind die Arbeitsgerichte. Die Bildung einer betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle ist bei streitigen Ein - und Umgruppierungen gesetzlich nicht vorgesehen. Ob es sich bei der vom Betriebsrat begehrten neuen Eingruppierung der Mitarbeiterinnen nicht tatsächlich um eine Umgruppierung handelt, bei der dem Betriebsrat ein Initiativrecht auf Durchführung eines neuen Verfahrens nach §§ 99 ff BetrVG zustehen könnte, konnte danach dahingestellt bleiben.

b. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle folgt auch nicht aus § 10 Ziffer 2 MTV. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die dort geregelte Vorlagepflicht an die Einigungsstelle, wenn die Tarifvertragsparteien sich auf keinen gemeinsamen Spruch der Meinungsverschiedenheit der Betriebsparteien haben einigen können, für alle dort geregelten Meinungsverschiedenheiten gilt oder nur dann, wenn die Einigungsstelle auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz zuständig ist und damit ein echtes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht. Die Tarifnorm regelt nur die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung, Durchführung und Auslegung „des Tarifvertrages", d.h. des Manteltarifvertrages. Vorliegend streiten die Betriebspartner aber über die Eingruppierung von Mitarbeitern in die Entgeltgruppen des Entgeltrahmenabkommens. Dieser regelt unter § 6, dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung „dieses Vertrages" § 10 Ziffer 2 MTV entsprechend gilt. Die Tarifvertragsparteien sind damit selbst davon ausgegangen, dass Meinungsverschiedenheiten betreffend das Entgeltrahmenabkommen jedenfalls nicht unmittelbar von § 10 Ziffer 2 MTV erfasst werden. Maßgebend ist insoweit § 6 Entgeltrahmenabkommen.

c. Aber auch § 6 Entgeltrahmenabkommen begründet nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrages.

aa. Tarifverträge sind grundsätzlich wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit dies in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien- geschlossen und nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAG 22.10.2002 - 3 AZR 664/01 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185; BAG 12.09.1984 - 4 AZR 336/82-- BAGE 46, 308). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch der praktischen Tarifübung geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 22.10.2002 - 3 AZR 664/01 - a.a.O.; BAG 05.10.1999 - 4 AZR 578/98 - AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15).

bb. Der Tarifwortlaut ist eindeutig. Die Tarifnorm regelt ausdrücklich nur Meinungsverschiedenheiten über die „Auslegung" des Vertrages. Nur wenn es darum geht festzustellen, welchen Inhalt die Tarifnormen haben bzw. wie sie zu verstehen sind, wird der in § 10 Abs. 2 MTV vorgegebene Schlichtungsweg, in den die Tarifvertragsparteien und die Einigungsstelle eingebunden sind, für verbindlich erklärt. Hinsichtlich der „Anwendung" und „Durchführung" des Entgeltrahmenabkommens enthält der Tarifvertrag keine Vorgaben, mit der Folge, dass es insoweit bei den gesetzlichen Regelungen verbleibt. Der Vergleich der Regelungen in § 6 Entgeltrahmenabkommen und in § 10 MTV zeigt 'auch, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich etwaiger Meinungsverschiedenheiten bewusst differenziert haben. Während § 10 MTV die „Anwendung, Durchführung und Auslegung des Tarifvertrages" erfasst, regelt das Entgeltrahmenabkommen ausdrücklich nur wie bei Streitigkeiten hinsichtlich der Auslegung der Normen zu verfahren ist.

cc. Dieses tarifliche Verständnis ist' auch sachgerecht. Bei der Auslegung des Entgeltrahmenabkommens haben die Tarifvertragsparteien, die im Streitfall nach § 10 Abs. 2 MTV hinzuzuziehen sind, als Normgeber besondere Sachkunde. Sie wissen, warum und mit welchen Absichten die tarifvertraglichen Regelungen vereinbart worden sind. Es handelt sich insoweit um Regelungsfragen, die den Tarifvertragsparteien obliegen und bei denen es deshalb sinnvoll erscheint, wenn diese in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Bei der Anwendung und Durchführung des Tarifvertrages handelt es sich dagegen um Rechtsfragen, deren Entscheidung grundsätzlich den Gerichten vorbehalten ist.

dd. Die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen        in die Entgeltgruppe 5 oder .6 des Entgeltrahmenabkommens ist eine Frage nicht der Auslegung der Tarifnorm, sondern eine Frage der Anwendung des Tarifvertrages. Zu prüfen ist, ob die im Tarifvertrag genannten Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind. Die Arbeitgeberin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass allein die Subsumtionsebene betroffen ist. Diese wird von § 6 Entgeltrahmenabkommen nicht geregelt.

d. Die Tarifvertragsparteien haben dem Betriebsrat im Entgeltrahmenabkommen auch keine über die gesetzlichen Regelungen hinausgehenden Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Eingruppierung von Mitarbeitern eingeräumt. Angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben in §§ 99 ff BetrVG wird eine Erweiterung der Beteiligungsrechte nur angenommen werden können, wenn dies hinreichend deutlich im Tarifvertrag zu Ausdruck kommt. Derartige Regelungen sind im Entgeltrahmenabkommen aber nicht vorhanden. Im Gegenteil bestimmt § 2 Ziffer 1 nur, dass die Einstufung durch den Arbeitgeber unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Bestimmung erfolgt. § 2 Ziffer 7 regelt weiter, dass der Arbeitnehmer das Recht hat, gegen die erfolgte Eingruppierung innerhalb von 14 Tagen Einspruch einzulegen, und in diesem Fall Geschäftsführung und Betriebsrat unverzüglich zusammentreten. Für ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehendes Mitbestimmungsrecht finden sich im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte.

Angesichts dieses klaren Befundes kommt die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage. Auf die weiteren Bedenken der Arbeitgeberin kam es nach alledem nicht an.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

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