LAG Berlin-Brandenburg: OT-Mitgliedschaft, Gleichstellungsabrede, betriebliche Übung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.6.2016 – 5 Sa 347/16
Leitsätze
Die am Vertrauensschutz anzuwendende frühere Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede auf vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge ist auch dann einschlägig, wenn der Arbeitgeber nach Wegfall der Tarifbindung Tariflohnerhöhungen weitergibt, weil er rechtsirrig eine Bindung aufgrund von Bezugnahmeklauseln annimmt.
§ 611 BGB; §§ 3, 4 TVG
Sachverhalt
Die Parteien streiten über tarifvertragliche Vergütungsansprüche.
Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit dem 03.09.1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin bei einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.351,52 EUR als Kraftfahrer beschäftigt. Den zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrag schloss er am 29.04.1991 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Bl. 6 – 8 d. A.), die, wie später auch die Beklagte, Mitglied des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. (im Folgenden: BDE) war. Der Arbeitsvertrag vom 29.04.1991 lautet auszugsweise:
§ 2
Tätigkeit, Lohn, Kündigung, Urlaub
Die Grundlage für die Lohnentwicklung bildet der Vergütungstarifvertrag für die neuen Bundesländer (BDE/ÖTV). Gleiches gilt für die Arbeitszeit.
Im übrigen richtet sich der Arbeitsvertrag nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte.
…
Der Jahresurlaub richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen.
…
Mit Schreiben vom 18.12.1998 (Bl. 75 d. A.) beantragte die Beklagte beim BDE die mit Wirksamkeit eines entsprechenden Präsidiumsbeschlusses wirksam werdende Entlassung aus dem BDE. Der Austritt sollte sich nicht auf die Mitgliedschaft im Fachverband (später: Wirtschaftsverband) des BDE beziehen, dessen Mitglieder nicht tarifgebunden sind.
Vom Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel wurde die Beklagte auf Klage eines Arbeitnehmers mit Urteil vom 18.11.1999 (Bl. 22 – 30 d. A.) zur Zahlung einer von BDE und ÖTV im Februar 1999 vereinbarten Tariflohnerhöhung verurteilt, nachdem die Beklagte diese nicht an ihre Arbeitnehmer weitergegeben hatte. Im Anschluss hieran getroffene Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien erfüllte die Beklagte gegenüber ihren Arbeitnehmern. Bezogen auf einen Tarifvertrag über eine einmalige Pauschalzahlung erklärte der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten in einer „Hausmitteilung“ gegenüber dem Betriebsrat, dass dieser Tarifvertrag für die Beklagte „rechtsverbindlich“ sei (Bl. 81 d. A.).
Nach Inkrafttreten der Satzung des BDE vom 09.05.2012 (Bl. 64 – 74 d. A.) kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2014 (Bl. 62 d. A.) vorsorglich eine etwa noch bestehende Mitgliedschaft im BDE zum Zwecke des Wechsels in die alleinige Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband des BDE (OT-Mitgliedschaft ohne Tarifbindung). Der BDE erklärte mit Schreiben vom 10.06.2014 (Bl. 63 d. A.), die Beklagte bereits seit dem 01.01.1999 als OT-Mitglied zu führen und bestätigte vorsorglich zugleich den Wechsel zur OT-Mitgliedschaft auf Basis der aktuellen Satzung für die Zeit ab dem 18.06.2014. Eine vom BDE und ver.di am 06.05.2015 vereinbarte 3%-ige Vergütungserhöhung und eine mit der Maivergütung fällig werdende Pauschalzahlung von 50,00 EUR zahlte die Beklagte an den Kläger nicht aus.
Mit der am 07.07.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und einer Klageerweiterung hat der Kläger die sich aus der Tarifvereinbarung vom 06.05.2015 für ihn ergebende monatliche Mehrvergütung von 70,54 EUR brutto für die Monate April 2015 bis Dezember 2015 sowie die Pauschalzahlung geltend gemacht. Er hat vorgetragen, dass beide Parteien tarifgebunden seien, ferner enthalte sein Arbeitsvertrag eine eigenständige Regelung im Hinblick auf die Vergütung. Jedenfalls ergebe sich der Anspruch auf Zahlung tarifvertraglicher Vergütung aus einer betrieblichen Übung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 684,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 332,16 EUR seit dem 11.07.2015 und auf 684,86 EUR seit dem 03.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei aufgrund der bereits seit 1999 bestehenden OT-Mitgliedschaft im BDE nicht an dessen Tarifverträge gebunden. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass sein Arbeitsvertrag auf die Tarifvereinbarung vom 06.05.2015 Bezug nehme. Jedenfalls enthalte sein Arbeitsvertrag eine Gleichstellungsabrede, aus der mangels Tarifbindung der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche nicht hergeleitet werden könnten. Eine betriebliche Übung scheide aus, weil die Beklagte vor 2015 mit Zahlung der Tarifvergütung lediglich eine vermeintliche Verpflichtung habe erfüllen wollen.
Mit Urteil vom 14.01.2016 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der geltend gemachte Anspruch weder kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit, noch aus § 2 des Arbeitsvertrages ergebe. Die Vertragsklausel stelle eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren und auf vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge weiterhin anzuwendenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, sie führe daher nicht zu Ansprüchen aus nach dem Austritt der Beklagten aus dem tarifgebundenen Arbeitgeberverband des BDE vereinbarten Tarifverträgen. Auch ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheide aus, weil keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Beklagte 1999 bis 2015 Tariflohnerhöhungen und alle weiteren Ergebnisse der Tarifverhandlungen für die private Entsorgungswirtschaft weitergegeben habe, obwohl sie sich nicht dazu verpflichtet sah.
Wegen der sonstigen Gründe und des weiteren Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen (Bl. 97 – 105 d. A.).
Gegen dieses dem Kläger am 02.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich seine am 02.03.2016 eingegangene und am 01.04.2016 begründete Berufung. Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe in § 2 des Arbeitsvertrages zu Unrecht eine Gleichstellungsabrede im Sinn der früheren Rechtsprechung des BAG gesehen, da dort neben konkreten Hinweisen bezüglich des Lohns und des Urlaubs auf die jeweils geltenden Tarifverträge der infrage kommenden Sparte verwiesen und dabei nicht auf die Tarifbindung der Arbeitgeberin eingegangen worden sei. Unabhängig davon läge bei der Beklagten wegen des besonderen Umstandes, dass diese bis 2015 der Auffassung gewesen sei, an die Tarifverträge des BDE gebunden zu sein und deren Vertreter im zeitlichen Zusammenhang mit dem Gütetermin dieses Verfahrens „Altbeschäftigte“ der Beklagten zu einem Verzicht auf die Anwendung tariflicher Regelungen aufgefordert habe, kein schutzwürdiges Vertrauen vor, das eine Anwendung der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede rechtfertigen könne. Schließlich habe das Arbeitsgericht auch eine betriebliche Übung nicht verneinen dürfen, weil deutliche Anhaltspunkte dafür vorhanden gewesen seien, dass sie auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen wolle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 14.01.2016 (Az 4 Ca 641/15) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 684,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 332,16 EUR seit dem 11.07.2015 und auf weitere 352,70 EUR seit dem 03.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe in § 2 des Arbeitsvertrages zu Recht eine Gleichstellungsabrede erkannt. Aus den dort enthaltenen Formulierungen ergebe sich nichts Abweichendes, dort seien die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Tarifverträge genannt und mit dem weiteren Verweis auf die jeweils geltenden Tarifverträge ausgedrückt worden, dass die genannten Tarifverträge nicht dauerhaft gelten sollten. Die Beklagte könne sich hinsichtlich des mit dem Kläger vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrages auch auf die frühere Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede berufen, der Schutz ihres Vertrauens beziehe sich nicht auf die Auslegung der Vertragsklausel, sondern darauf, dass sie nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform nicht gehalten gewesen sei, eine Vertragsänderung herbeizuführen. Auch eine betriebliche Übung liege mangels Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte im Zeitraum 1999 bis 2014 nicht lediglich die jeweilige Tariferhöhung weitergeben und sich dauerhaft binden wollte, nicht vor.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien in der zweiten Instanz wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 01.04.2016 (Bl. 116 – 122 d. A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 18.05.2016 (Bl. 135 – 139 d. A.) sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 09.06.2016 (Bl. 140 und 141 d. A.) verwiesen.
Aus den Gründen
I.
Die Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 3 und 4 und Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 ZPO.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die zulässige Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung gem. §§ 611 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG in Höhe von insgesamt 684,86 EUR brutto für die Monate April 2015 bis Dezember 2015.
1.
Der Kläger kann den Klageanspruch nicht aus §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG i. V. m. der Tarifeinigung vom 06.05.2015 herleiten. Es bestand bei Tarifvertragsabschluss keine beiderseitige Tarifgebundenheit, da die Beklagte am 06.05.2015 nicht Mitglied im BDE mit Verbandstarifbindung gem. § 3 Abs. 4 1. Alt. der BDE-Satzung war. Die bestehende Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband (OT-Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung, § 3 Abs. 4 2. Alt. BDE-Satzung) begründet keine Tarifbindung i. S. d. § 3 Abs. 1 TVG.
Nicht jedes vereinsrechtliche Mitglied einer tarifvertragsschließenden Koalition ist notwendig tarifgebunden i. S. v. § 3 Abs. 1 TVG. Die Begründung eines OT-Status innerhalb eines Arbeitgeberverbandes ist zulässig und setzt voraus, dass die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung i. S. v. § 3 Abs. 1 TVG von einer Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar und eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ausgeschlossen ist (BAG v. 22. 4. 2009 - 4 AZR 111/08). Diese Voraussetzungen sind nach der BDE-Satzung vom 09.05.2012 gegeben. Es ist eine deutliche Trennung von T- und OT-Mitgliedschaft in § 3 Abs. 4 der Satzung geregelt, § 17 der Satzung sieht eine deutliche Trennung der Befugnisse vor, da die tarifpolitische Arbeit des BDE ausschließlich von den Tarifkommissionen wahrgenommen wird, die sich ausschließlich aus tarifgebundenen Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes zusammensetzen (§ 17 Abs. 1 und 2 der Satzung). Mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft ist unmittelbar der Verlust des Amtes in den Tarifkommissionen verbunden (§ 17 Abs. 5 der Satzung). Dass die Kündigung zum Wechsel der Mitgliedschaftsform gem. § 5 Abs. 2 S. 3 der Satzung mit zweiwöchiger Frist erfolgen kann, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Auf Grund der grundgesetzlich gewährleisteten Satzungsautonomie steht den Verbänden das Recht zu, die Fristen für den Austritt oder den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung frei zu bestimmen (BAG v. 4. 6. 2008 - 4 AZR 419/07, Rz. 46). Jedenfalls aufgrund des Schreibens der Beklagten an den BDE vom 30.05.2014, das ausweislich des Antwortschreibens des BDE vom 04.06.2014 zuging, kam es daher spätestens zum 18.06.2014 zur Begründung der OT-Mitgliedschaft der Beklagten. Ob sie bereits zuvor gegeben war, kann dahin stehen.
2.
Es besteht auch kein Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 2 des Arbeitsvertrages vom 29.04.1991. Aus § 2 des Arbeitsvertrages ergibt sich nicht, dass die Beklagte zur Erfüllung von Verpflichtungen aus vom BDE abgeschlossenen Tarifverträgen verpflichtet ist, ohne an diese gem. § 3 Abs. 1 TVG gebunden zu sein.
Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist zwar jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird („unbedingte zeitdynamische Verweisung”). Für die Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in bis zum 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen („Altverträge”) gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiter die durch die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung (z.B.: BAG v. 26.09.2001 – 4 AZR 544/00) angewendete Auslegungsregel, wonach die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt und eine von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers unabhängige Bindung an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nur begründet, wenn besondere Umstände hierfür sprechen (BAG v. 14.12.2005 - 4 AZR 536/04; BAG v. 18.04.2007 - 4 AZR 652/05; zuletzt BAG v. 24.02.2016 – 4 AZR 990/13).
Vorliegend beruft sich der Kläger auf einen vor dem 01.01.2002 mit einer seinerzeit tarifgebundenen Arbeitgeberin abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Nach den genannten Grundsätzen gilt daher die Auslegungsregel, dass im Zweifel eine Gleichstellungsabrede i. S. d. früheren Rechtsprechung vorliegt.
a)
Entgegen Auffassung des Klägers ist diese Auslegungsregel aus Vertrauensschutzgesichtspunkten hier anzuwenden, obwohl die Beklagte auch nach dem möglicherweise bereits 1999 eingetretenen Wegfall der Tarifbindung Verpflichtungen aus vom BDE abgeschlossenen Tarifverträgen gegenüber ihren Arbeitnehmern erfüllte.
Das BAG hat die Auslegungsregel in jahrelanger Rechtsprechung entwickelt und durch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts veröffentlichte Urteile bis 2005 immer wieder bekräftigt. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte hat diese Rechtsprechung ebenso wie die beratende und forensische Praxis von Anwälten und Verbänden - auch auf Arbeitnehmerseite - verbreitet als gefestigt angesehen. Die Arbeitgeber und ihre Berater haben deshalb, soweit sie nur Gleichstellungsklauseln bezweckt hatten, i. d. R. keine Versuche unternommen, den Wortlaut der von ihnen abgeschlossenen Verträge in dem angestrebten Sinne klarzustellen und so ihren teilweise erheblichen wirtschaftlichen Interessen, etwa im Zusammenhang mit geplanten Betriebs- oder Betriebsteilveräußerungen, Rechnung zu tragen. Im Schrifttum ist eine rückwirkende Änderung der Rechtsprechung überwiegend auch weder erwartet noch gefordert worden.
Dieser Befund rechtfertigt es, die Auslegungsregel unverändert auf Altverträge anzuwenden, die ausschließlich Gegenstand der früheren BAG-Rechtsprechung waren. Dies folgt aus einer aus Gründen des Vertrauensschutzes durchzuführenden Abwägung der Parteiinteressen. Da es bei der hier streitigen Konstellation um eine inhaltlich häufig verwandte Vertragsklausel geht, die in der Rechtsprechung und Literatur als „kleine dynamische Verweisungsklausel” typisiert ist, hat auch die Interessenabwägung typisiert stattzufinden. Diese führt im Ergebnis zu einer Stichtagsregelung. Als Stichtag für die Änderung der Rechtsprechung erscheint es geboten, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Schulrechtsmodernisierungsgesetzes, den 01.01.2002 zu Grunde zu legen. Seitdem ist die AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge und damit auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln ausdrücklich gesetzlich angeordnet. Seit dieser Zeit konnte von Arbeitgebern verlangt werden, dass sie in Bezugnahmeklauseln das von ihnen Gewollte hinreichend klar formulieren (BAG v. 14. 12. 2005 - 4 AZR 536/04, Rz. 24 ff.; BAG v. 18. 4. 2007 - 4 AZR 652/05, Rzrn. 54 u. 57).
Der Umstand, dass ein Arbeitgeber nach Wegfall seiner Bindung an einen Tarifvertrag in der Zeit danach vereinbarte Tarifabschlüsse weitergibt, steht der Anwendung der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede auf Altverträge aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht entgegen (BAG v. 24.02.2016 – 4 AZR 990/13). Das ist auch hier anzunehmen: Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat es bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 29.04.1991 unterlassen, auf eine Klarstellung der Klausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede hinzuwirken; bereits zu diesem Zeitpunkt wurden Klauseln der verwendeten Art in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend verstanden, dass die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages die Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer erreicht (BAG v. 20.03.1991 - 4 AZR 455/90). Schon dieses begründet schutzwürdiges Vertrauen, auf dass sich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin berufen kann. Aus dem Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18.11.1999 (1 Ca 1613/99) ergibt sich zudem, dass auch die Beklagte im Zusammenhang mit der Erklärung ihres Austritts aus dem tarifgebundenen Arbeitgeberverband mit Schreiben vom 18.12.1998 davon ausging, an nachfolgende Tarifabschlüsse nicht aufgrund vereinbarter Bezugnahmeklauseln gebunden zu sein. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hatten es also unterlassen, bei Arbeitsvertragsabschluss und bis zur Erklärung des Arbeitgeberverbandsaustritts auf eine Klarstellung der Klauseln dahingehend hinzuwirken, dass mit diesen lediglich die Gleichstellung tarifungebundener mit tarifgebundenen AN erreicht werden sollte. Im Rahmen des auf einer typisierten Interessenabwägung beruhenden Vertrauensschutzes ist bereits dieses Verhalten schutzwürdig und führt zur Anwendbarkeit der früheren Rechtsprechung. Dass die Beklagte nach ihrem Vortrag im Anschluss an mehrere zu ihren Lasten gehende arbeitsgerichtliche Urteile sodann rechtsirrig annahm, dass die Klauseln auch in Altverträgen eine Bindung an nach Verbandsaustritt abgeschlossene Tarifverträge herbeiführten, beseitigt diesen Tatbestand nicht. Sie kann sich auch danach noch auf den Vertrauensschutz für Altverträge berufen, der darauf beruht, dass die Klausel bei Vertragsabschluss und Geltung einer in höchstrichterlicher Rechtsprechung ständig verwendeten Auslegungsregel hinsichtlich ihres Gleichstellungszweckes nicht deutlicher gefasst wurde.
b)
Nach der somit auf den vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers anzuwendenden Auslegungsregel i. S. d. früheren BAG-Rechtsprechung ist vorliegend davon auszugehen, dass eine Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Zweifel als dynamische Verweisung auszulegen und eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise eine Gleichstellungsabrede ist. Eine Gleichstellungsabrede hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer unabhängig von seiner Tarifgebundenheit an der Tarifentwicklung des in Bezug genommenen Tarifvertrags teilnimmt, wie wenn er tarifgebunden wäre. Der Arbeitnehmer mit einer Gleichstellungsabrede nimmt nach dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ebenso wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer nicht mehr an der Tarifentwicklung teil. Dies gilt auch für Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen mit organisierten Arbeitnehmern (BAG v. 26.09.2001 - 4 AZR 544/00). Diese Grundsätze gelten auch für Bezugnahmeklauseln, nach der sich das Anstellungsverhältnis nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte richtet (BAG v. 14.12.2011 – 4 AZR 79/10, Rz. 17).
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war bei Abschluss des Arbeitsvertrages unstreitig an die vom BDE abgeschlossenen Tarifverträge kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden und vereinbarte mit dem Kläger durch die Bezugnahmen auf den „Vergütungstarifvertrag für die neuen Bundesländer (BDE/ÖTV)“ hinsichtlich der „Lohnentwicklung“ in § 2 S. 7 des Arbeitsvertrages, nach Auffassung der Beklagten auch hinsichtlich der Arbeitszeit in § 2 S. 8 des Arbeitsvertrages, auf die „tariflichen Bestimmungen“ hinsichtlich des Jahresurlaubs in § 2 S. 15 des Arbeitsvertrages und auf die jeweils geltenden Tarifverträge „der infrage kommenden Sparte“ hinsichtlich der Bedingungen „im übrigen“ hinsichtlich aller Regelungsgegenstände in § 2 S. 12 des Arbeitsvertrages eine von der Tarifgebundenheit der Beklagten nicht unabhängige Gleichstellungsabrede im vorgenannten Sinne. Besondere Umstände, wonach vorliegend eine von der Tarifbindung des Arbeitgebers unabhängige Bezugnahme vereinbart werden sollte, liegen nicht vor. Dass im Arbeitsverhältnis hinsichtlich des Lohns – und anders als hinsichtlich des Urlaubs und der Bedingungen „im Übrigen“ – konkret auf einen Tarifvertrag, nämlich den „Vergütungstarifvertrag für die neuen Bundesländer (BDE/ÖTV)“ verwiesen wird, stellt keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass zumindest insoweit oder gar insgesamt eine von der Tarifbindung der Rechtsvorgängerin der Beklagten unabhängige dynamische Bezugnahme, also mehr als eine Gleichstellung tarifungebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern gewollt war. Diese besondere Erwähnung des für die neuen Bundesländer geltenden Vergütungstarifvertrages kann auch lediglich ein Hinweis darauf sein, dass nicht die in den alten Bundesländern zu zahlende Vergütung maßgeblich sein sollte. Es kann aber auch so sein, dass der z. Zt. des Arbeitsvertragsabschlusses geltende VTV benannt und mit § 2 S. 12 u. S. 15 umfassend und für alle Regelungsgegenstände, also auch den Lohn, dynamisch auf die für den Arbeitgeber jeweils künftig geltenden Tarifverträge verwiesen werden sollte. Jedenfalls bietet die vom Wortlaut her unterschiedliche Ausgestaltung der Bezugnahmen keinen zwingenden Anhaltspunkt für eine über die bloße Gleichstellung hinausgehende und von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers unabhängige Dynamik. Dass – worauf der Kläger in der Berufungsbegründung hinweist – in den in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Bezugnahmeklauseln zur Vergütung, zum Urlaub und zu den Bedingungen „im Übrigen“ nicht in irgend einer Weise auf die damalige Tarifbindung der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingegangen wird, stellt keinen Hinweis auf einen von einer Gleichstellungsabrede abweichenden Willen der Vertragsparteien dar. Es ist gerade Inhalt der von der früheren Rechtsprechung vertretenen und für Altverträge weiterhin angewendeten Auslegungsregel, dass Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede auszulegen sind, auch wenn sie keinen Hinweis auf die Tarifbindung des Arbeitgebers enthalten.
Auch der Umstand, dass der Kläger selbst tarifgebundener Arbeitnehmer ist und somit die Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede für ihn weder zu Zeiten der Tarifbindung der Arbeitgeberin, noch zum jetzigen Zeitpunkt von konstitutiver Bedeutung war und ist, ändert an der hier ausschlaggebenden Auslegungsregel nichts (vgl. BAG v. 26.09.2001 - 4 AZR 544/00).
c)
Schließlich ist der Klageanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung gerechtfertigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn aus der Sicht des Erklärungsempfängers der Erklärende einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat.
Gibt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet weiter, entsteht hiernach regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben. Er will sich – für die Arbeitnehmer erkennbar – grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Eine solche betriebliche Übung kann nur dann entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, dass er die Erhöhungen – auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung – künftig, das heißt auf Dauer übernehmen will (BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13).
Deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich dadurch, dass sie auch nach 1998, also dem Zeitpunkt, zu dem nach ihrem Vortrag die Tarifbindung entfiel, bis Mitte 2014 gegenüber ihren Arbeitnehmern Leistungen aus vom BDE abgeschlossenen Tarifverträgen erbrachte, auf Dauer auch zur Erfüllung weiterer tarifvertraglicher Vereinbarungen des BDE verpflichten wollte, bestanden aus Sicht des Klägers nicht. Sie folgen nicht aus der „Hausmitteilung“ vom 27.12.2006. Mit der Anerkennung als „rechtsverbindlich“ wurde darin entsprechend den vorgenannten Grundsätzen nicht mehr erklärt, als dass (allein) der Tarifvertrag zur einmaligen Pauschalzahlung von der Beklagten als „verbindlich“ angesehen werde, eine Erklärung hinsichtlich zukünftiger Tarifabschlüsse enthält die „Hausmitteilung“ nicht. Wollte man demgegenüber annehmen, der ehemalige Geschäftsführer habe erklärt, den Tarifvertrag aufgrund einer (unabhängig von der fehlenden Tarifgebundenheit der Beklagten) bestehenden Rechtsverpflichtung zur Übernahme von Verbandstarifabschlüssen anwenden zu müssen, läge keine betriebliche Übung vor, weil die Beklagte den Tarifabschluss dann erkennbar nicht aus freien Stücken, sondern deshalb vollzog, weil sie sich aus anderen Rechtsgründen dazu verpflichtet sah. (BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 571/11).
Auch die vom Kläger behauptete, im Zusammenhang mit dem arbeitsgerichtlichen Gütetermin abgegebene Erklärung eines Vertreters der Beklagten stellt keinen deutlichen Anhaltspunkt dafür dar, die Beklagte wolle sich auf Dauer an die vom BDE abgeschlossenen Tarifverträge binden. Diese Erklärung wurde im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren abgegeben, in dem sich die Beklagte gerade gegen eine Weitergabe des Tarifabschlusses vom 06.05.2015 zur Wehr setzt. Das behauptete Verlangen auf Erklärung eines Verzichts auf Anwendung tarifvertraglicher Regelungen durch „Altbeschäftigte“ konnte daher lediglich vorsorglicher Natur sein und nicht im Sinne eines Anerkenntnisses einer Verpflichtung zur Weitergabe künftiger Tarifabschlüsse verstanden werden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Die Kammer folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung, eine durch diese noch nicht geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nicht betroffen.
Der Kläger wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) hingewiesen.