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Arbeitsrecht
15.01.2009
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Negative Zukunftsprognose bei verhaltensbedingter Kündigung wegen Schlechtleistung

Sächsisches LAG, Urteil vom 1.10.2008 - 3 Sa 298/08

Leitsätze (des Kommentators)

1. Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Schlechtleistung ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich.

2. Hat eine wegen zu zahlreicher Arbeitsfehler abgemahnte Mitarbeiterin anschließend ihre Fehlerquote um ca. 20 % reduziert kann eine negative Zukunftsprognose nicht aufgestellt werden.

3. Wird in der Abmahnung wegen zu zahlreicher Arbeitsfehler die Kündigung nur für den Fall angedroht, dass „sich die Fehlerquote bei der Arbeitsausführung nicht verbessert" ohne dass gesagt wird, von welcher konkreten Höchstquote von Arbeitsfehlern der Arbeitgeber ausgeht, kann der Mitarbeiter davon ausgehen, dass eine Reduzierung der Fehlerquote um 20 % den Vorstellungen des Arbeitgebers entspricht und damit ausreichend ist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine ordentliche Arbeitgeberkündigung wegen Minderleistung sowie einen Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin.

Die 1956 geborene Klägerin, geschieden, keine Unterhaltsverpflichtungen, steht seit 16.1.1995 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Lager- und Versandarbeiterin mit einer Arbeitszeit von 31 Stunden in der Woche bei einem Durchschnittsverdienst von zuletzt Euro 1 265,00 brutto im Monat (Grundvergütung und leistungsabhängige Prämie). Sie ist im Sorterversand eingesetzt.

Der Sorterversand besteht aus zwei Struktureinheiten (Kostenstellen), nämlich die Sorterpackerei mit ca. 300 Arbeitnehmern und die Kartonagenlieferung mit ca. 30 Arbeitnehmern. Die Mitarbeiter des Sorterversandes können abwechselnd an den Rutschen, am Packbereich, im Kartonagenlager oder in der Auflage eingesetzt werden. Jährlich verlassen ca. 20 Millionen Sendungen das Lager.

Die Beklagte benutzt ein EDV-gestütztes Erfassungssystem. Dieses erstellt für jede Warensendung auf der Grundlage der Kundenbestellung die entsprechenden Warenscheine und Versandpapiere. Auf beiden Papieren erscheinen identische Daten in Form von Barcodes mit Sendungsnummer, Packnummer, Arbeitszettel der betreffenden Sendung, Kartongrößenvorschlag und sog. Rutschennummer, welche auch in der Datenbank des EDV-Systems gespeichert sind. Die Warenstücke einer Sendung sind einer bestimmten Rutschennummer zugeteilt. Das EDV-System legt fest, an welcher Rutsche - hierbei handelt es sich um einen Warenstückauffangbehälter, vgl. die Fotos (Bl. 26 d. A.) - das Warenstück abgeworfen wird.

An den Rutschen arbeiten die Mitarbeiter, u. a. die Klägerin, die Aufträge ab. Zu Schichtbeginn wird die persönliche Identifikationsnummer der Mitarbeiter (Nummer der Klägerin ...) mit den Rutschennummern, die die Mitarbeiter zu bedienen haben, in das EDV-System eingegeben. Das System steuert den Kippschalter-Sorter (vgl. Foto Bl. 26 R. d. A.) und die Rutschen. Jeder Mitarbeiter an den Rutschen hat mehrere dieser Rutschen zu bedienen. Bei Schichtwechsel werden die Rutschen neu zugeordnet. Befinden sich in den Rutschen bei Schichtwechsel noch Sendungen, werden sie von den neu zugeordneten Mitarbeitern der Folgeschicht abgearbeitet. Die Verknüpfung dieser Sendung mit der persönlichen Identifikationsnummer des neu eintretenden Mitarbeiters erfolgt, wenn dieser die Rutsche freigibt.

Die Klägerin war u. a. in den Zeiten vom 1.3. bis 30.6.2003, 1.1. bis 31.3.2004 und 1.7. bis 30.9.2004 mit der Abarbeitung der Aufträge an den Rutschen beschäftigt. Hierbei hatte sie Warenstücke entsprechend den Versandpapieren an den Rutschen in Kartons zu verpacken und durch Betätigen der Druckknöpfe die maschinelle Verknüpfung der Sendung mit ihrer Identifikationsnummer vorzunehmen.

Jedes Versandpapier hatte eine eigene Packnummer. Ferner befindet sich auf dem Versandpapier die Artikelanzahl je Sendung (vgl. Bl. 33 d. A.). Packnummer und Artikelanzahl sind groß und fett gedruckt.

Nach der Arbeitsanweisung 01/2003 (Bl. 489 bis 492 d. A.) besteht der Arbeitsgang für die Herstellung einer Sendung aus fünf Schritten:

1. Entnehmen der maximal drei Versandpapiere aus der Rutsche

2. Entnehmen der vorgegebenen Kartongröße aus den Vorräten am Arbeitsplatz

3. Entnehmen der Warenstücke aus der Rutsche und Sortieren nach Packnummer

4. Vergleichen der Anzahl der Warenstücke mit gleicher Packnummer

5. Einlegen der Warenstücke in den Karton und Verschließen der Sendung.

In den Rutschen befinden sich maximal drei Sendungen mit durchschnittlich 15 Warenstücken (vgl. Bl. 493 bis 498 d. A.).

Im Betrieb der Beklagten wurden drei Fehlerarten festgehalten, nämlich:

- unvollständige Sendung durch fehlendes Warenstück,

- Kundenverwechslung, indem mind. ein falsches Warenstück zugeteilt wurde, damit mind. zwei Sendungen fehlerhaft,

- Sendungsverwechselung durch Verwechslung der Versandaufkleber.

Fehler wurden wie folgt festgestellt:

- Abfrage des Sendungsstatus für die überzähligen Warenstücke am Sorterversand,

- Kundenreklamation,

- Stichproben (prüfen auf Übereinstimmung der Warenstücke im Paket mit Versandpapieren),

- Bearbeitung im Retourenbetrieb in ... (dort werden die Sendungsnummern ermittelt).

Die Sendungsnummern werden täglich nach ... per Fax mitgeteilt. Dort werden sie durch Abfrage der Datenbank, welche die Sendungsnummern mit der persönlichen Identifikationsnummer verknüpft, zugeordnet.

Die Beklagte hat nach ihren Angaben bei der Klägerin folgende Fehlerhäufigkeit festgestellt (siehe auch die Aufstellungen Bl. 30 - 110 d. A. sowie in dem Anlagenordner „Fehlerdokumentation"):

In der Zeit vom 1.1.2003 bis 31.3.2003 66 Fehler bei 15 490 Sendungen =

4,26 o/oo,

vom 1.4.2003 bis 30.6.2003 65 Fehler bei 11.945 Sendungen = 5,44 o/oo,

vom 1.1.2004 bis 31.3.2004 73 Fehler bei 14 667 Sendungen = 4,98 o/oo,

vom 1.7.2004 bis 30.9.2004 46 Fehler bei 11 476 Sendungen = 4,01 o/oo.

Die Fehler im III. Quartal 2004 bestanden in fünf Kundenverwechslungen und 41 Vorgängen des Fehlens von Warenstücken. Vom 30.8.2004 bis 17.9.2004 befand sich die Klägerin in Urlaub.

Die durchschnittliche Fehlerquote der 209 eingesetzten Mitarbeiter betrug im III. Quartal 2004 1,34 o/oo.

Mit Schreiben vom 25.8./2.9.2003 (Bl. 112 bis 116 d. A.) sowie mit weiterem Schreiben vom 28.6.2004 (Bl. 117 bis 120 d. A.) wurde die Klägerin wegen Packfehlern im I. und II. Quartal 2003 sowie im I. Quartal 2004 abgemahnt. Den Abmahnungen waren jeweils Fehlerprotokolle mit Angabe der Fehlerart (meist: „1 Wst. fehlt") beigefügt.

Bei der Beklagten gibt es eine Betriebsvereinbarung BVL 9602 über Prämienentlohnung (Bl. 160 - 163 d. A.), welche jedenfalls bis zum 30.4.2004 (die Parteien streiten über eine Fortgeltung darüber hinaus) eine Anlage 3 enthielt. Diese trifft Festlegungen „zur Einhaltung einer Mindestqualität in der Arbeitsausführung ... im Bereich Sorterpackerei". Als Fehler werden erfasst Sendungs- und Kundenverwechslungen. Danach wird als „akzeptable Toleranzgröße" eine Fehlerquote von 2 o/oo der abgefertigten Sendungen festgelegt. Übersteigt die Fehlerquote diesen Satz, so erfolgt ein Prämienabzug in Stufen, so im Bereich von 4,01 bis 5,00 o/oo in Höhe von 50 % (siehe Bl. 129 d. A.).

Gemäß Ziffer 3.7 der BVL 9602 ist für die Errechnung des Prämienlohnes der täglich erreichte Zeitgrad des Mitarbeiters maßgebend. Ziffer 3.8 lautet:

„Im Rahmen ihrer Arbeitsverträge haben die Mitarbeiter/innen die übertragenen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft zu erledigen. Im Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung entspricht die Normalleistung 100 % Zeitgrad. Darüber hinausgehende Leistung wird lt. Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung vergütet."

In Ziffer 3.11 heißt es:

„Es wird eine Mindestqualität der Arbeitsausführung zugrunde gelegt. Wird diese Mindestqualität nicht eingehalten, erfolgt Prämienabzug." (siehe Bl. 161 d. A.).

Mit Schreiben vom 22.11.2004 (Bl. 125 bis 127 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur Absicht einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin aus verhaltensbedingten Gründen zum 31.3.2005 an und wies auf die Fehlerquote der Klägerin im III. Quartal 2004, auf die Durchschnittsfehlerquote aller Mitarbeiter der Abteilung in diesem Zeitraum, auf die Abmahnungen vom 25.8.2003 und vom 28.6.2004 sowie auf Gespräche mit der Klägerin und Nachschulungen hin.

Der Betriebsrat äußerte mit Schreiben vom 25.11.2004 Bedenken gegen die Kündigungsabsicht, da im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung Prämienentlohnung nicht die gesamten Fehler für eine Kündigung herangezogen werden könnten und eine mangelnde Sorgfalt der Klägerin an anderen Arbeitsplätzen nicht nachgewiesen sei.

Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2004 (Bl. 5 d. A.), der Klägerin am selben Tage zugegangen, zum 31.3.2005.

Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit am 09.12.2004 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage. Sie hat u. a. vorgetragen:

Die Abmahnungen entsprächen nicht den Tatsachen und seien nicht hinreichend konkret. Ein Kündigungsgrund läge nicht vor. Die Zahl der Fehler werde bestritten. Das EDV-System lasse eine Feststellung der Fehler nicht zweifelsfrei zu. Es bestünde die Möglichkeit, dass Kunden auch deshalb reklamierten, um weitere kostenfreie Waren erwirken zu können. Die Betriebsvereinbarung Prämienentlohnung sei nicht beachtet worden. Wenn gleichzeitig Prämien bezahlt würden, könne die Arbeitsleistung nicht als Schlechtleistung gewertet werden, welche zur Kündigung führe. Auch läge ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Die Beklagte sei verpflichtet, die Klägerin in andere Bereiche des Sorterversandes zu versetzen bzw. umzusetzen. Schließlich sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.11.2004 nicht beendet wird;

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lager- und Versandarbeiterin weiterzubeschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die unter dem Datum 25.08.2003 und 02.09.2003 ausgesprochene Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen;

4. die Beklagte zu verurteilen, die unter dem Datum 28.06.2004 ausgesprochene Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat entgegnet, die Klägerin habe fahrlässig ihre Sorgfaltspflichten bei Verrichtung der Tätigkeit verletzt. Es sei mehrfach durch Gespräche, Ermahnungen, Abmahnungen auf sie eingewirkt worden. Das Arbeitsverhältnis sei in erheblichem Maße gestört. Die von der Klägerin überdurchschnittlich verursachten fehlerhaften Sendungen seien mit einem großen Imageverlust verbunden. Bei der Behebung der Fehler entstünden auch nicht unerhebliche Kosten. Eine Wiederholungsgefahr sei gegeben.

Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung Prämienentlohnung sei nicht mehr anwendbar. Nach der neuen Betriebsvereinbarung sei nicht die Qualität, sondern die Quantität für die Prämienentlohnung maßgeblich.

Ein flexibler Einsatz der Klägerin sei unverzichtbar. Die Schlechtleistung sei auch nicht durch den konkreten Arbeitsplatz bedingt.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Herr ..., der verantwortliche Personalberater, habe den Betriebsrat mündlich und ausführlich über die die Kündigung begründenden Tatsachen am 23.11.2004 informiert. Der wesentliche Inhalt der mündlichen Information sei schriftlich übergeben worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.4.2005 unter Abweisung der Klage im Übrigen den Klageanträgen Ziffern 1 und 2 entsprochen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt sowie den Streitwert auf Euro 7 590,00 festgesetzt. Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 243 bis 250 d. A.), u. a. ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, eine Schlechtleistung sei nur vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer sein persönliches subjektives Leistungsvermögen nicht ausschöpfe. Ein objektiver Maßstab sei nicht anzusetzen. Die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer sei nicht Leistungsmaßstab. Andererseits sei ein deutliches und längerfristiges Unterschreiten eines Mittelwertes oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis, dass der Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpfe. Der Konflikt widerstreitender Gesichtspunkte sei durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zu lösen. Neben der Feststellung der Vertragsverletzung und des Verschuldens sei eine Negativprognose und die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sowie eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.

Die Fehlleistungen der Klägerin im III. Quartal 2004 reichten zur Rechtfertigung der Kündigung noch nicht aus. Die Klägerin habe eine hinzunehmende Toleranzgrenze noch nicht überschritten. Die Beklagte habe nicht behauptet, einen bestimmten Leistungsmaßstab im Rahmen des Direktionsrechts vorgegeben zu haben. Es gelte kein bestimmter Grenzwert, sondern maßgebend seien die Umstände des Einzelfalles. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme nur bei einer erheblichen Störung von Leistung und Gegenleistung in Frage, weshalb eine Toleranzgrenze zu ermitteln sei. Als Orientierungshilfe diene der Maßstab des Bundesarbeitsgerichts, der von einer langfristigen und erheblichen Unterschreitung der Normalleistung um ein Drittel spräche. Mit einer Fehlerquote von 4,01 o/oo im III. Quartal 2004 sei eine dreifache Promillegrenze noch nicht erreicht.

Gegen dieses ihr am 10.5.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.5.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 04.6.2005 ausgeführte Berufung der Beklagten.

Diese widerspricht einer absoluten Drittelgrenze gemäß der vom Arbeitsgericht angeführten Entscheidung des BAG, bei welcher es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Der dortige Maßstab bezöge sich auch auf eine quantitative Minderleistung. Bei einer qualitativen Minderleistung sei der Arbeitgeber in höherem Maße geschädigt. Auch würden andere Arbeitsverhältnisse gefährdet.

Ohne die „Schlusslichter", nämlich die 24 Arbeitnehmer, die eine Fehlerquote von mehr als 4 o/oo aufwiesen, läge die durchschnittliche Fehlerquote nur bei 1,19 o/oo. Die Klägerin habe im III. Quartal 2004 die durchschnittliche Fehlerquote um 299 % überschritten, und dies trotz Nachschulungen und Aussprachen. Eine Versetzungsmöglichkeit gebe es nicht. Denn es sei ein flexibler Einsatz notwendig. Im sog. Single-Versand gebe es keinen freien Arbeitsplatz. Auch bestünde im Single- Versand bei Versetzung die Gefahr einer negativen Clusterbildung. Die Abmahnungen seien dem Betriebsrat in Kopie übergeben worden, ebenso die Aufstellung der Fehlerauswertungsgespräche.

Die Beklagte beantragt,

1. Ziff. 1 des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 15.4.2005 - 8 Ca 8012/04 - abzuändern,

2. die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Nach Ansicht der Klägerin seien die angelasteten Fehler weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt worden. Die Klägerin könne sich hierauf nicht einlassen. Im Übrigen seien mögliche Fehlerquellen nicht berücksichtigt Es läge keine erhebliche unterdurchschnittliche Arbeitsleistung vor. Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung Prämienentlohnung 9602 sei weiter in Kraft. Die Klägerin habe im III. Quartal 2004 einen Zeitgrad von durchschnittlich rund 105 % erreicht. Es bleibe im Übrigen unberücksichtigt, dass die Beklagte die quantitative Arbeitsleistung belohne und Anreize für eine höhere Arbeitsgeschwindigkeit schaffe, jedoch diese Mehrleistung bei der Fehlerquote nicht berücksichtige. Arbeitnehmer, die eine Arbeitsleistung weit unter 100 % und deshalb eine geringere Fehlerquote hätten, müssten eine Kündigung nicht fürchten.

Es stelle auch einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar, wenn der Arbeitgeber sich nicht an das festgelegte Verfahren (Gespräche, Nachschulung) halte; eine Unterweisung habe es jedoch nur am 16.8.2001 gegeben (vgl. Anlage B 11, Bl. 111 d. A.).

Es sei der Beklagten auch zumutbar, die Klägerin zumindest vorübergehend auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen, etwa im Single-Versand. Die Beklagte könne die Klägerin im Wege des Direktionsrechts versetzen.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass Fehlerquoten der genannten Art erst seit Beginn des Jahres 2003 aufgetreten seien. Die Klägerin hätte unter sehr starkem Zeitdruck gestanden. Auch sei die Endkontrolle wegrationalisiert worden.

Eine wirksame Abmahnung hätte es nicht gegeben.

Mündliche Informationen des Betriebsrats würden bestritten. Dem Betriebsrat seien auch nicht die Kopien der Abmahnungsschreiben übergeben worden. Eine Vergleichsgröße bezüglich der Packfehlerquote sei dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 7.4.06 (3 Sa 425/05) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Auf die zugelassene Revision hin hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 17.1.08 das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 07.04.06 aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Mit weiteren Vortrag weist die Beklagte auf die Schwere der Pflichtverletzung der Klägerin hin, die darin bestünde, dass die Klägerin bei einfachsten Arbeiten die notwendige Sorgfalt habe vermissen lassen. Der Zeitgrad aller Mitarbeiter im Sorterversand betrage im Durchschnitt 117 %, bei der Klägerin 101 %. Eine besondere quantitative Belastung sei nicht festzustellen. Gerade bei den häufigsten Packfehlern der Klägerin, nämlich „fehlenden Warenstücken", werde besonders deutlich, dass die Klägerin die erforderliche Sorgfalt nicht aufgewendet habe. Trotz vieler Einwirkungen sei eine Besserung nicht festzustellen. Die Klägerin habe auch keine Bereitschaft erkennen lassen, das eigene Verhalten kritisch zu prüfen. Sie sei sich der Schädigung des Ansehens bei Kunden nicht bewusst.

Die Fehler hätten auch zu zusätzlichen Kosten infolge zusätzlichen Arbeitsaufwandes geführt. Bei großem Wettbewerbsdruck und nachlassender Konsumbereitschaft führten die Fehler zur Kundenunzufriedenheit. Der Einsatz der Klägerin an einem anderen Arbeitsplatz sei nicht möglich.

Eine Interessenabwägung falle zugunsten der Beklagten aus. Die Fehlerquote mittels EDV würde erst seit 2001 erfasst. Seit 2002 hätten Gespräche mit der Klägerin mit dem Ziel einer Besserung der Leistungen stattgefunden.

Die Klägerin bestreitet die Anzahl der Packfehler, die Fehlerquote sowie die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer. „Konkret" werde bestritten, dass jeweils alle vergleichbaren Arbeitnehmer einbezogen worden seien. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass Arbeitnehmer im Sorterversand, die mit anderen Aufgaben betraut worden seien oder die im Singleversand beschäftigt wären, nicht einbezogen worden seien. Auch die nicht berücksichtigten Aushilfskräfte und Leiharbeitnehmer im Sorterversand hätten einbezogen werden müssen. Aus dem Vortrag der Beklagten ergäbe sich nicht, um welche konkreten Fehler es sich handeln solle. Deshalb sei es für die Klägerin auch nicht möglich, ihrerseits plausible Umstände vorzubringen, aus denen sich die Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit ergäbe. Von der Klägerin aufgezeigte Fehlerquellen seien unberücksichtigt geblieben, nämlich fehlerhafte Zuordnung von Packfehlern während des Schichtwechsels, fehlerhafte Zuordnung überzähliger Warenstücke, falsche Kommissionierung, Fälle der Kundenunehrlichkeit.

Es läge keine schwere Arbeitspflichtverletzung vor.

Die Tätigkeit geschehe unter hohem Zeitdruck, sei monoton und erfordere eine ununterbrochene schnelle Auffassungsgabe sowie eine anhaltende Konzentration. Die Klägerin müsse während der Schicht gleichzeitig regelmäßig an 10 bis 12 Warenrutschen arbeiten.

Die im III. Quartal 2004 auf 4,01 o/oo gesenkte Fehlerquote bedeute keine schwere Pflichtverletzung.

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte im Jahre 2000 die Fehlerkontrolle an den Packstationen abgeschafft habe.

Eine konkrete betriebliche Beeinträchtigung sei nicht dargelegt. Die Fehler der Klägerin seien noch hinzunehmen. Behauptete Aufwendungen der Beklagten würden mit Nichtwissen bestritten. Zum Teil würden Packfehler so rechtzeitig erkannt, dass es nicht zu Kundenreklamationen komme. Der zusätzliche Arbeitsaufwand sei bereits in die Preise einkalkuliert. Die Beklagte halte ohnehin eine umfangreiche Retourenlogistik vor, da die Rücksendequote aus verschiedenen Gründen 30 % betrage.

Ein Verlust an Kundenzufriedenheit wegen Packfehlern werde bestritten. Kundenunzufriedenheit entstehe aus anderen Gründen.

Die Klägerin habe im Übrigen ihre Leistungsfähigkeit ausgeschöpft. So habe sie nur selten die persönliche Verteilzeit in Anspruch genommen. Außer vor den beiden Abmahnungen habe es nie Fehlergespräche mit ihr, Nachschulungen oder ähnliches gegeben.

Bei der Interessenabwägung sei ihre lange Betriebszugehörigkeit, ihr ungünstiges Lebensalter angesichts der Arbeitsmarktsituation sowie die Feststellung einer Packfehlerquote erst seit Beginn des Jahres 2003 zu berücksichtigen. Es sei davon aus3 zugehen, dass die Klägerin vor 2003 unbeanstandet gearbeitet habe. Ferner sei der Zeitdruck, der Stress und die hohe Krankheitsquote in dem maßgeblichen Arbeitsbereich zu berücksichtigten. Die Beklagte habe auch nicht erwogen, die Klägerin zumindest vorübergehend auf einen weniger belastenden Arbeitsplatz zu setzen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze bei den Akten Bezug genommen.

Aus den Gründen

             

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Berufungsinstanz angefallen ist der Streitstoff mit den Klageanträgen Ziff. 1 und 2. Zwar bezieht sich der Berufungsantrag der Beklagten lediglich auf den Klageantrag Ziff. 1. Der Klageantrag Ziff. 2 ist jedoch mit dem Klageantrag Ziff. 1 im Sinne der Eventual-Kumulation verbunden.

Keine Auswirkungen auf das Verfahren hat die mit Schriftsatz der Beklagten vom 16.03.2006 (Bl. 371 d. A.) mitgeteilte Rechtsnachfolge auf Beklagtenseite auf die ... GmbH ab 01.01.2006 (§ 325 Abs. 1 ZPO). Die Existenz der Beklagten steht, wie sich auch durch Nachfrage in der ersten Berufungsverhandlung ergeben hat, nicht im Zweifel.

             

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 30.11.2004 ist rechtsunwirksam. Sie vermochte deshalb das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zu beenden. Der Klägerin steht ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu.

             

1. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.1.2008 mit Bindungswirkung gemäß den §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO folgende rechtliche Vorgaben gemacht:

a) Die insbesondere als verhaltensbedingter Grund geeignete rechts- oder vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis erfordert regelmäßig ein Verschulden; die Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.

b) Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

c) Ist die Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag, wie meistens, nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber in Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach den persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Die Leistungspflicht ist dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen.

d) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, ergibt sich nicht zwangsläufig, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.

e) Der Konflikt zwischen diesen widerstreitenden Gesichtspunkten kann nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast angemessen gelöst werden.

Dabei ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass der Arbeitnehmer die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitet. Dies ist dann der Fall, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist.

Hat der Arbeitgeber insoweit seiner Darlegungslast genügt, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu reagieren, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seinen deutlich unterdurchschnittlichen Leistungen dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hierbei können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen. Legt der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel dar, so ist es als dann Sache des Arbeitgebers, diese zu widerlegen. Andernfalls gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden. Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeiten nicht ausschöpft.

Im Falle qualitativer Minderleistung sind die auf die bloße Fehlerhäufigkeit wie bei quantitativen Minderleistungen abstellenden Grenzen für sich nicht geeignet, die Kündigungsrelevanz hinreichend sicher einzugrenzen. Den qualitativen Fehlern kann ein sehr unterschiedliches kündigungsrelevantes Gewicht beizumessen sein. Eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsanforderungen und der konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes ist deshalb geboten.

Der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten bietet deshalb für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss, ob durch die fehlerhafte Arbeit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Der Arbeitgeber muss deshalb weitere Umstände darlegen. So ist anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Es ist auch darzulegen, welche betriebliche Beeinträchtigungen durch die konkret darzulegenden Fehler verursacht werden und dass es sich insoweit nicht lediglich um Fehler handelt, die trotz einer gewissen Häufigkeit angesichts der konkreten Umstände der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber hinzunehmen sind.

Legt der Arbeitgeber dies dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.

f) Es ist vorliegend nicht gerechtfertigt, aus der Betriebsvereinbarung „Prämienentlohnung BVL 9602" und der ihr beigefügten Anlage 3 (Bl. 129 d. A.) bei einer Fehlerhäufigkeit, die 2 °/oo erheblich überschreitet, abstrakte Grenzwerte zu entnehmen, ab deren Erreichung eine Vertragspflichtverletzung schon oder noch nicht anzunehmen ist.

Eine gegenüber dem Abteilungsdurchschnitt dreifach höhere Fehlerquote ist ein deutlicher Anhaltspunkt für ein mögliches pflichtwidriges Verhalten der Klägerin, als absoluter Wert aber ungeeignet.

g) Eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung stellt vorliegend kein milderes Mittel gegenüber der Kündigung dar.

h) Von einer Unbestimmtheit der Abmahnungen ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

i) Gegebenenfalls ist eine abschließende Interessenabwägung nachzuholen.

2. Es ist davon auszugehen, dass die Fehlerquote der Klägerin auch in dem der Kündigung vorausgehenden Quartal ziemlich genau dreimal höher war als die durchschnittliche Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer.

Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin ist unbeachtlich. Es erfüllt nicht die Substantiierungspflichten des § 138 ZPO. So hat die Beklagte die Prozentzahlen der Fehlerquote der Klägerin und der vergleichbaren Arbeitnehmer durch ein um3 fangreiches Zahlenwerk, welches wiederum auf EDV-gestützten Auszählungen beruht, untermauert. Die Klägerin hat nicht angegeben, an welcher Stelle hier ein Fehler aufgetreten sein soll. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Klägerin bestreitet, dass jeweils alle vergleichbaren Arbeitnehmer einbezogen worden sind. Zutreffend hat die Beklagte Aushilfskräfte und sog. Leiharbeitnehmer, die im Sorterversand eingesetzt waren, nicht berücksichtigt. Diese nur vorübergehend eingesetzten Mitarbeiter sind mit den Stammarbeitskräften nicht vergleichbar. Im Übrigen hätte sich eine Berücksichtigung dieser Mitarbeiter, wie von der Beklagten unbestritten vorgetragen, sogar zu Lasten der Klägerin ausgewirkt.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch an keiner Stelle, dass Arbeitnehmer des Sorterversands, die mit anderen Aufgaben als denen der Sorterpackerei betraut waren, oder im Singleversand beschäftigte Arbeitnehmer in den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer, aus denen wiederum die Durchschnittsfehlerquote gebildet wurde, einbezogen worden seien.

Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Fehlerquote der Klägerin einen deutlichen Anhaltspunkt für ein pflichtwidriges Verhalten bietet.

             

3. Die Fehler bestehen in fehlerhaft zusammengestellten Paketen, vor allem im Fehlen von Warenstücken. Dies wiederum kann nur beruhen auf Unaufmerksamkeit. Denn bei genauer Beachtung der der Klägerin zur Verfügung stehenden Unterlagen wären derartige Fehler auszuschließen.

Es handelt sich somit um Unaufmerksamkeiten bei einer „Massenproduktion". Ein gewisser Zeitdruck ist derartigen Arbeiten, wie im Übrigen regelmäßig bei den im Rahmen von Arbeits- und Dienstverhältnissen zu verrichtenden Arbeiten, eigen. Ein übermäßiger oder sogar unzumutbarer besonderer Zeitdruck ist dagegen weder ersichtlich noch von der Klägerin näher vorgetragen worden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zeigten sich jedoch gerade vor der Kündigung deutliche Anzeichen einer Leistungsverbesserung. Die Fehlerquote im III. Quartal 2004 sank gegenüber dem I. Quartal 2004 (aus dem II. Quartal 2004 liegen keine Zahlen vor) um fast ein Promille. Bereits angesichts dessen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie habe sich nicht um eine Besserung bemüht. Dass die Klä3 gerin in ihrer Verfahrensargumentation möglicherweise Argumente benutzt hat, ihre Schlechtleistung zu „bagatellisieren", ist eher der Prozesssituation geschuldet.

             

4. Die fehlerhafte Leistung der Klägerin führt zu betrieblichen Beeinträchtigungen, nämlich zu zusätzlichen Kosten und zusätzlichem Arbeitsaufwand, ferner zwangsläufig zu einer Unzufriedenheit der betroffenen Kunden. Dies ist bei einem sich verschärfenden Wettbewerb und einem nachlassenden Konsumverhalten der Bevölkerung durchaus zu berücksichtigen.

             

5. Der signifikante Rückgang der Fehlerquote bei der Klägerin im letzten Abschnitt vor der Kündigung hätte für die Beklagte Anlass zu einer anderen Bewertung der im Rahmen der Kündigung anzustellenden Zukunftsprognose bieten müssen. Es wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass gegenüber dem dritten Vergleichszeitraum, welchen die Beklagte angegriffen hat, nämlich dem II. Quartal 2003, sogar ein Rückgang der Fehlerquote um knapp 1,5 o/oo festzustellen war.

             

6. Zwar sind die meisten der von der Klägerin vorgebrachten Argumente, die für eine Leistungsausschöpfung ihrer Arbeitskraft sprechen sollen, nicht überzeugend. So weist sie auf die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung hin, womit wohl Monotonie, Notwendigkeit einer hohen Konzentration und schnellen Auffassungsgabe gemeint sind. Denn diese Umstände gelten für alle vergleichbaren Arbeitnehmer.

Allerdings bleibt bei der Beklagten unberücksichtigt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung bereits das 48. Lebensalter erreicht hatte. Regelmäßig nimmt jedoch die Konzentrationsfähigkeit unter Druck mit zunehmendem Alter ab. Das weitere Argument der Klägerin, sie habe persönliche Verteilzeiten nur selten in Anspruch genommen, ist wiederum wenig aussagekräftig. Denn die persönlichen Verteilzeiten sind arbeitszeitunabhängig.

             

7. Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest bemüht war, ihre persönliche Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auszuschöpfen und eine Zukunftsprognose ergeben hätte, dass eine solche Ausschöpfung zu erwarten gewesen wäre.

             

8. Für den Fall, dass dennoch von einer vorwerfbaren Leistungsstörung ausgegangen werden müsste, fällt eine abschließende Interessenabwägung zugunsten der Klägerin aus.

Zwar führten die Fehler der Klägerin zu Betriebsablaufstörungen, Vermögensschäden sowie zu einem Ansehensverlust bei Kunden in dem geschilderten Ausmaß. Dagegen war nicht von einer Negativprognose zu Lasten der Klägerin auszugehen, wie ausgeführt. Zu berücksichtigen war zugunsten der Klägerin ferner ihre fast 10jährige Betriebszugehörigkeit und ihr Lebensalter, welches sich erschwerend auf dem Arbeitsmarkt auswirken würde. In Abwägung dieser Faktoren müssen die Interessen der Klägerin, zu betonen ist: insbesondere wegen der Tendenzen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Vorrang genießen.

             

9. Die Entscheidung selbst tragend liegt ferner in folgendem Gesichtspunkt: Die Beklagte hatte mit der der Kündigung vorausgehenden zweiten Abmahnung vom 28.06.2004 (Bl. 117/118 d. A.) die Arbeitsleistung der Klägerin im Hinblick auf eine Fehlerquote von 4,98 o/oo im I. Quartal 2004 gerügt und im Anschluss an den fettgedruckten Hinweis auf eine Abmahnung ausgeführt:

„Wir erwarten, dass Sie sich künftig an die Bestimmungen Ihres Arbeitsvertrages und der Betriebsordnung Punkt 1 halten werden und fordern Sie hiermit erneut auf, Ihre Fehlerquote zu senken bzw. abzustellen. Wenn sich die Fehlerquote bei der Arbeitsausführung nicht verbessert, haben Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, zu rechnen."

Nach das Berufungsgericht bindender Auffassung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich hierbei um eine dem Klarheitsgebot entsprechende Abmahnung. Die Klägerin soll nach dieser Entscheidung die Abmahnung auch verstanden haben, denn sie habe „zunächst ihre Fehlerquote deutlich verringert".

Von einer „deutlichen Verringerung der Fehlerquote" in dem der Kündigung vorausgehenden III. Quartal 2004 geht das Berufungsgericht aus. Ist dem so, so ist die Klägerin der Forderung der Abmahnung, die „Fehlerquote zu senken", nachgekommen. Die für eine zulässige Abmahnung bedeutsame Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bezog sich auf einen Zustand, in dem sich „die Fehlerquote bei der Arbeitsausführung nicht verbessert".

Da die Fehlerquote der Klägerin vor der Kündigung sich um ca. ein Promille, somit um ca. 1/5 bzw., bezogen auf die Quote über dem Durchschnitt, um mehr als 1/4 verbessert hatte, steht die Kündigung in Widerspruch zu der Abmahnung und ist schon deshalb sozial ungerechtfertigt. Nicht unwichtig ist hierbei, dass die Beklagte in der Abmahnung weder eine Durchschnittsfehlerquote noch eine bestimmte Marge genannt hat, ab der sie von einer Verbesserung der Fehlerquote, welche nicht zu einer Kündigung führte, ausginge. Die Abmahnung konnte deshalb nur dahin ausgelegt werden, dass jedenfalls bei der hier vorliegenden relevanten Verringerung der Fehlerquote um 1/5 bzw. sogar um 1/4 keine Kündigung erfolgen wird.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. Eine nochmalige Zulassung

der Revision war nicht veranlasst. Die Entscheidung folgt den Vorgaben des BAG.

Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird

jedoch hingewiesen.

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