R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
17.09.2010
Arbeitsrecht
LAG Schleswig-Holstein: Mitteilung der Kündigungsgründe

LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.4.2010 - 5 Sa 420/09

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der 53-jährige Kläger war ab dem 19.09.2003 bei der Fa. W. GmbH als Dreher beschäftigt. Mit Beschluss vom 18.07.2005 eröffnete das Amtsgericht E. das Insolvenz-verfahren über deren Vermögen und bestellte Rechtsanwalt S. zum Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat der Gemeinschuldnerin schlossen am 27.09.2005 sowohl einen Interessenausgleich (Bl. 84 - 88 d. A.) als auch einen Sozialplan (Bl. 80 - 83 d. A.). Soweit hier von Belang ist in Ziff. III. 2. des Interessenausgleichs Folgendes geregelt:

„2. Der Betriebsteil E. wird nach dem jetzigen Stand der Kenntnisse geschlossen werden. Der vorläufige Insolvenzverwalter schließt hierfür Aufhebungsverträge mit den von dieser Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern, in welchen ihm das Bestimmungsrecht für das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses eingeräumt wird. Der Zeitkorridor, in welchem die Arbeitsverhältnisse enden werden, liegt in dem Zeitraum vom 30.09.2005 bis zum 30.06.2006. Für die Ausübung dieses Bestimmungsrechts gilt eine 14tägige Ankündigungsfrist, welche auf das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses abzielt.

Zeitgleich wird den in E. beschäftigten Arbeitnehmern der Eintritt in eine Transfergesellschaft, BeE angeboten werden.

Die Arbeitsverträge mit dieser Transfergesellschaft werden für die Dauer von 8 Monaten befristet werden.

....

Die Betriebsschließung wird längstens über den o. g. Zeitraum vom 01.10.2005 bis zum 30.6.2006 vollzogen werden. Zunächst wird die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer zur Abarbeitung von Aufträgen (Ausproduktion) weiter eingesetzt werden. Es ist jedoch beabsichtigt, einen Teil der Mitarbeiter bereits zum 01.10.2005 aus dem Unternehmen ausscheiden zu lassen und ihnen den Eintritt in die Transfergesellschaft anzubieten."

Es ist zwischen den Parteien streitig, ob der Insolvenzverwalter daraufhin auch mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag gemäß Ziff. III. 2. des Interessenausgleichs in Form des zur Akte gereichten Mustervertrages (Bl. 89 d. A.) abschloss. Der Insolvenzverwalter führte den Betrieb in der Insolvenz fort und übertrug diesen mit Wirkung ab dem 01.08.2006 auf die Beklagte. Der Kläger arbeitete über den 30.06.2006 hinaus im Betrieb der Gemeinschuldnerin. Mit Schreiben vom 31.07.2006 teilte der Insolvenzverwalter dem Kläger mit, dass er dessen Antrag auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages annehme und dass das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2006 ende (Bl. 40 d. A.). Der Kläger quittierte den Empfang des Schreibens und erklärte den Verzicht auf die Einhaltung der Ankündigungsfrist am gleichen Tage (Bl. 40 d. A.). Ebenfalls am 31.07.2006 unterzeichnete der Kläger den Arbeitsvertrag mit der Beklagten (Bl. 4 - 6 d. A.).

Mit Schreiben vom 13.03.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt zum 30.04.2009 (Bl. 8 d. A.). Der Kläger war bei Zugang der Kündigung 52 Jahre alt. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern, denen er Unterhalt gewährt. Auf seiner Lohnsteuerkarte sind diese mit zweimal 0,5 berücksichtigt.

Der Kläger hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung bestritten Betriebsbedingte Kündigungsgründe lägen nicht vor. Zudem habe die Beklagte die soziale Auswahl fehlerhaft durchgeführt. Der Mitarbeiter J., sei erst 41 Jahre alt, verheiratet, Vater von drei Kindern und erst seit dem 15.10.2007 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Er habe eine Beschäftigungszeit ab dem 19.09.2003, weil sein Arbeitsverhältnis am 31.07.2006 im Rahmen eines Betriebsüberganges auf die Be-klagte übertragen worden sei. Deswegen stimme ggf. auch die Kündigungsfrist nicht. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger hat beantragt:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13. März 2009 nicht aufgelöst wird, sondern auch über den 30. April 2009 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 31. Juli 2006 als Dreher bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Dreherei sei nicht ausgelastet gewesen. Die Kündigung sei deshalb aus betriebs-bedingten Gründen erfolgt. Sie habe im Rahmen der Sozialauswahl die maßgeblichen Sozialkriterien ausreichend berücksichtigt. Sie halte den Mitarbeiter J. aufgrund seiner drei unterhaltsberechtigten Kinder für sozial schwächer. Im Übrigen könne zugunsten des Klägers nur von einer Beschäftigungszeit seit dem 01.08.2006 aus-gegangen werden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei nicht durch Betriebsübergang auf sie übergegangen. Vielmehr hätten der Kläger und der Insolvenzverwalter im September/Oktober 2005 nach Abschluss des entsprechenden Interessenausgleichs und Sozialplanes einen dem Mustervertrag (Bl. 89 d. A.) entsprechenden Aufhebungsvertrag geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt seien alle Beteiligten, insbesondere der Insolvenzverwalter und der im Betrieb gebildete Betriebsrat davon aus-gegangen, dass der Betrieb nach Abwicklung würde stillgelegt werden müssen. Der Insolvenzverwalter habe ausweislich der Ziffer I. des Aufhebungsvertrages das Recht gehabt, den Beendigungszeitpunkt in dem Zeitraum 30.09.2005 bis spätestens zum 30.06.2006 einseitig zu bestimmen. Diese Regelung entspreche wiederum dem Interessenausgleich / Sozialplan. Der Kläger habe mit Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses einen Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft geschlossen. Der Insolvenzverwalter habe mit seinem Schreiben vom 31.07.2007 lediglich den Endzeitpunkt gemäß Ziffer I. des Aufhebungsvertrages bestimmt. Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Der Betriebsrats-vorsitzende sei von Anfang an in den Entscheidungsprozess, fünf Arbeitnehmern wegen Auftragsmangels zu kündigen, eingebunden gewesen. Auch an der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter sei der Betriebsratsvorsitzende beteiligt gewesen. Zusätzlich habe sie den Betriebsrat am 05.03.2009 über den geplanten Arbeitsplatzabbau zu Lasten des Klägers informiert. Der Betriebsrat habe die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen Parteivorbringens wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.09.2009 der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei sozialwidrig, da die Beklagte eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen habe. Zugunsten des Klägers sei von einer 5 ½-jährigen Beschäftigungszeit auszugehen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Gemeinschuldnerin habe nicht durch Aufhebungsvertrag am 31.07.2006 geendet. Nach dem Mustervertrag habe der Insolvenzverwalter auf der Grundlage des Interessenausgleichs/Sozialplans sein Bestimmungsrecht nur bis zum 30.06.2006 ausüben können. Diese letztmögliche Beendigungsfrist hätten der Insolvenzverwalter und der Kläger auch nicht einvernehmlich verlängern können. Denn Rechtsgrundlage des Aufhebungsvertrages sei der Interessenausgleich gewesen. Angesichts dessen sei der Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 31.07.2006 alleine im Hinblick auf die Übernahme des Klägers durch die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.08.2006 geschlossen worden. Das sei objektiv eine Umgehung des § 613 a BGB mit der Folge, dass die alten Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Gemeinschuldnerin auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzurechnen seien. Bei der Sozialauswahl habe die Beklagte im Verhältnis des Klägers zu Herrn J. das Lebensalter des Klägers und dessen Beschäftigungszeit nicht aus-reichend berücksichtigt. Trotz der Unterhaltspflichten des Herrn J. (drei Kinder) gegenüber dem Kläger (ein Kind ausweislich der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte) weise der Kläger eine fast viermal so lange Beschäftigungszeit auf, da Herr J. erst anderthalb Jahre bei der Beklagten beschäftigt sei. Zudem sei der Kläger (52 Jahre) deutlich älter als Herr J. (41 Jahre), sodass es der Kläger viel schwerer habe, neue Arbeit zu finden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Kündigung den Kläger um so viel härter treffe als sie Herrn J. getroffen hätte, dass von einer ausreichenden Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers und seiner Betriebszugehörigkeit i. S. v. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nicht mehr ausgegangen werden konnte. Danach komme es nicht mehr darauf an, ob die Kündigung auf dringende betriebsbedingte Erfordernisse gestützt werden könne und ob der Betriebsrat vor Ausspruch derselben ordnungsgemäß angehört worden sei.

Gegen dieses ihr am 08.10.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.11.2009 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 08.01.2010 am 23.12.2009 begründet.

Die Beklagte trägt vor,

das Arbeitsgericht habe in unzulässiger Weise bei der Prüfung der Sozialauswahl seine eigene Beurteilung über die Gewichtung der Sozialkriterien an ihre, der Beklagten, Stelle gesetzt. Der Arbeitgeber müsse die Kriterien nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG ausreichend berücksichtigen und hierbei stehe ihm ein Wertungsspielraum zu. Die Auswirkung der Kündigung träfe den Arbeitnehmer J. aufgrund seiner Unterhaltspflichten deutlich härter. Die Arbeitsmarktchancen im Bereich der Drehereien seien im Großraum O. ungeachtet des Alters gleich gut oder gleich schlecht. Bei der Beschäftigungszeit sei zu berücksichtigen, dass diese zumindest teilidentisch sei mit dem Lebensalter. Die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Gemeinschuldnerin seien nicht zu berücksichtigen. Mit im Berufungstermin überreichtem Schriftsatz vom 27.04.2010 trägt die Beklagte weitergehend zur Betriebsratsanhörung vor. Der Betriebsratsvorsitzende sei seit Bestehen der Beklagten an allen unternehmerischen Entscheidungen beteiligt gewesen. Als Fertigungsleiter habe er größten Einblick in alle Abläufe gehabt. Er habe alle in der Produktion tätigen Arbeitnehmer gekannt. Er sei unmittelbar an der Entscheidung beteiligt gewesen, welchem Arbeitnehmer gekündigt werden sollte. Auf dieser Basis habe sie den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu der streitgegenständlichen Kündigung angehört. Sie habe dem Betriebsrat sodann das Anhörungsschreiben vom 26.02.2009 (Anlage B 12, Bl. 210 d. A.) nebst der beigefügten Anlage 1 (Bl. 211 d. A.) überreicht. Dem Betriebsrat seien - wie im Anhörungsschreiben angekündigt - am 05.03.2009 die Sozialdaten nachgereicht worden (Anlage B 13, Bl. 213 d. A.). Ausweislich des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 06.03.2009 habe der Betriebsrat die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis genommen.

Die Beklagte hat Herrn Rechtsanwalt S. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. W. GmbH den Streit verkündet, der auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten ist.

Der Streitverkündete meint,

die Wirksamkeit des am 31.07.2006 zwischen ihm und dem Kläger geschlossenen Aufhebungsvertrages hinge nicht von der Einhaltung des für sein Bestimmungsrecht vorgesehenen Zeitkorridors ab. Selbst wenn die Regelung zum Zeitkorridor unwirksam wäre, hätte dies analog § 139 BGB keinen Einfluss auf die verbleibende Aufhebungsvereinbarung. Der Kläger hätte den Aufhebungsvertrag auch ohne Einhaltung des Zeitkorridors abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seien beide Vertragspartner von der Stilllegung des Betriebs ausgegangen. Eine Umgehung von § 613 a BGB sei dann ausgeschlossen.

Die Beklagte und der Streitverkündete beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.09.2009, Az. 3 Ca 1003/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er sei im Verhältnis zum Arbeitnehmer J. sozial schutzwürdiger. Seine Beschäftigungszeiten bei der Gemeinschuldnerin seien bei den Sozialauswahlkriterien mit zu berücksichtigen. Die Beklagte habe auch gewusst, dass er zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Spätestens im Rahmen der Betriebsratsanhörung habe sie hiervon Kenntnis erlangt, da der Betriebsratsvorsitzende wisse, dass er zwei Kindern gegenüber Unterhalt zahle. Im Übrigen hält der Kläger seine erstinstanzlich vorgetragenen Einwände gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung aufrecht. Er erhebt die Verspätungsrüge in Bezug auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 27.04.2010.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 27.04.2010 verwiesen.

Aus den Gründen

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. c; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

1. Die streitgegenständliche Kündigung ist bereits wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d. h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam (BAG Urt. v. 23.10.2008 - 2 AZR 163/07 -, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste‘). Die Anforderungen an die Mitteilungspflichten gegenüber dem Betriebsrat unterscheiden sich allerdings von der prozessualen Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren. Sie sind subjektiv determiniert, d. h. der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die von ihm für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitteilen (BAG Urt. v. 06.07.2006 - 2 AZR 520/05 -, AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969). Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber bedarf es nur dann nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sach-gerechte Stellungnahme abgeben zu können (BAG Urt. v. 20.05.1999 - 2 AZR 532/98 -, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste‘).

b) Hieran gemessen hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen, dass sie den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung vom 13.03.2009 über die aus ihrer Sicht tragenden Kündigungsgründe umfassend informiert hat. Dies gilt auch im Hinblick auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 27.04.2010.

aa) Aus dem jetzt erst eingereichten Anhörungsbogen vom 26.02.2010 (Anlage B 12) erschließen sich die für die Beklagte maßgeblichen Kündigungsgründe nicht hinreichend. Hierin gibt die Beklagte lediglich an, dass abweichend von der Planung die Auftragseingänge nicht in beabsichtigter Anzahl eingegangen seien und bereits bestehende Aufträge zum Teil storniert worden seien. Dies habe Auswirkungen auf die Produktion und bedinge eine Änderung des Personalbedarfs. Der Betriebsrat sei über die Hintergründe „ausführlich mündlich informiert worden". Hierbei handelt es sich um eine pauschale und lediglich schlagwortartige Begründung (Auftragsrückgang, Produktions- und Personalanpassung), die den Anforderungen des § 102 BetrVG nicht entspricht. Vielmehr hat der Arbeitgeber bei einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung aufgrund außerbetrieblicher Gründe (Auftragsmangel) diese Gründe und ihre unmittelbaren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz dem Betriebsrat im Einzelnen darzulegen. Bei innerbetrieblichen Gründen (Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionsumstellung oder -reduzierung, Personalabbau) muss er diese Gründe und die deshalb beabsichtigten organisatorischen Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze dem Betriebsrat näher erläutern. Auch aus der diesem Schreiben beigefügten Anlage 1 erschließen sich im vorgenannten Sinne keine konkreten Kündigungsgründe.

bb) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Betriebs-ratsvorsitzende und Produktionsleiter „ausführlich mündlich" über die Kündigungsgründe im Einzelnen informiert worden sei. Wann genau sie mit dem Betriebsratsvorsitzenden über welche konkrete Auftragslage und Produktionsanpassung im Einzelnen und den sich daraus ergebenden Personalabbau gesprochen hat, trägt die Beklagte nicht vor. Sofern sich der Arbeitgeber indessen darauf beruft, dass der Betriebsrat bzw. dessen Vorsitzender bei Einleitung des Anhörungsverfahrens über den Kündigungssachverhalt umfassende Kenntnis gehabt habe, sodass eine pauschale Bezugnahme darauf im Anhörungsbogen genüge, muss er im Kündigungsrechtsstreit substantiiert vortragen, wann er über welche Kündigungsgründe im Einzelnen mit dem Betriebsrat gesprochen hat. Dies kann beispielsweise im Rahmen von Interessenausgleichsverhandlungen oder bei einer verhaltensbedingten Kündigung während der Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung geschehen sein. Nicht aus-reichend ist indessen, wenn der Arbeitgeber pauschal darauf verweist, dass der Be-triebsratsvorsitzende aus seiner arbeitsvertraglichen Position heraus die Auftragslage und Betriebsabläufe im Einzelnen kenne und an den Planungen zur Kapazitätsanpassung maßgeblich beteiligt gewesen sei. Ein solcher Vortrag ist pauschal und lässt keine Rückschlüsse auf konkretes Wissen des Betriebsrats über die Kündigungsgründe im Einzelnen zu. Vielmehr muss der Arbeitgeber dann vortragen, wann er dem Betriebsrat konkret seine Kündigungsgründe erläutert hat. Es ist nicht Sache des Betriebsratsvorsitzenden, sich aufgrund seiner Stellung im Betrieb selbst die (möglichen) Kündigungsgründe an Hand irgendwelcher Betriebsdaten herauszusuchen. Diese müssen ihm durch den Arbeitgeber mitgeteilt werden.

Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, wann genau dem Betriebsratsvorsitzenden welche Informationen über welche konkrete Auftragslage, welche Kapazitäts- und Arbeitskräftebedarfsberechnungen etc. unterbreitet worden sind. Es bleibt auch das Geheimnis der Beklagten, von welchen konkreten Zahlen der Betriebsrat ausgehen konnte. Beruft sich der Arbeitgeber auf einen durch Auftragsmangel ausgelösten Beschäftigungsrückgang, muss er dem Betriebsrat substantiiert und nachvollziehbar darlegen, aus welchen betriebswirtschaftlichen Gründen von einem bestimmten Auftragsrückgang auf einen bestimmten Arbeitskräfteüberhang geschlossen werden kann. Er muss dem Betriebsrat seine Kapazitätsberechnungen zum zukünftigen Arbeitskräftebedarf offenlegen. So hat die Beklagte nicht vorgetragen, ob und wann der Betriebsrat über die im Prozess vorgelegten Tabellen zur Fertigungsauftragsinformation (Auslastung der Maschinen, Anlage B 2, Bl. 41 - 42 d. A.) und zur Arbeitsauslastung (Anlagen B 3, B 4 und B 5, Bl. 43 - 45 d. A.) Kenntnis erlangt hat.

2. Nach alledem war die Kündigung bereits wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Berufung war infolgedessen mit der Kostenfolge des § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

stats