LAG Berlin-Brandenburg: Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.3.2015 – 23 TaBV 1448/14
Volltext: BB-ONLINE BBL2015-1587-2
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Amtliche Leitsätze
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG setzt ein, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift betriebliche Regelungen zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben (BAG, Beschluss vom 11.12.2012 - 1 ABR 81/11 - AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz).
2. Sehr weit gefasste gesetzliche Generalklauseln zum Gesundheitsschutz (z.B. § 3 Abs. 1 ArbSchG, § 3 a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV) eröffnen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur, sofern eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr vorliegt oder eine zum Gesundheitsschutz durchgeführte Gefährdungsbeurteilung (z.B. § 5 ArbSchG) einen Handlungsbedarf ergibt.
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen des Einzelhandels, betreibt in Berlin ihre Filiale G., für die der beteiligte Betriebsrat gewählt worden ist. Die Beteiligten einigten sich auf die Bildung einer Einigungsstelle zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes. Durch Teilspruch der Einigungsstelle vom 16.01.2014 kam es zu einer „Betriebsvereinbarung über akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ mit folgendem Inhalt:
1. Einarbeitung
(1) Nach Rückkehr von Beschäftigten nach Abwesenheiten von einer Woche oder mehr sind diese von einer Führungskraft bei Wiederaufnahme ihrer Arbeit über etwaige Neuerungen oder Veränderungen in der Abteilung und der Filiale zu informieren. Die Information umfasst je nach Anfall Veränderungen z.B. bezüglich Inventur- und Sicherheitsprioritäten, Kassenroutinen, Rabatt- und andere Aktionen, Kampagnen, nicht gespeicherte Preisreduzierungen, Brandschutz und Sicherheit und welche Bedeutung diese Veränderungen für die Beschäftigten haben. In der Zeit der Unterweisung sind die Führungskraft und die Beschäftigten von anderen Aufgaben freizustellen.
(2) Neu eingestellte Beschäftigte erhalten bei der Aufnahme ihrer Arbeit am ersten Tag eine Information und Einarbeitung von dafür geschulten Personen (z.B. Patenverkäufer), mindestens im Umfang von Absatz 1. Die Patenverkäufer, die die neuen Beschäftigten einarbeiten, sind während der Einarbeitung so einzusetzen, dass sie diese ohne überobligatorische Inanspruchnahme durchführen können.
(3) Sogenannte Unterstützer (tageweise Einstellung) aus anderen Betrieben des Unternehmens erhalten zu Beginn ihrer Tätigkeit in der hiesigen Filiale einen Sicherheitsrundgang sowie eine Unterweisung in die betriebsüblichen Abläufe und Ansprechpartner (z.B. Führungskräfte, Pausenzeiten, Räumlichkeiten, relevante Regelungen in Betriebsvereinbarungen). Die Zeit für diese Unterweisung ist bei der konkreten Tagesplanung zu berücksichtigen.
2. Stehende Tätigkeiten
(1) Mitarbeiter dürfen maximal 4 Stunden pro Schicht eine stehende Tätigkeit ausführen. Die Arbeit an der Kasse, bei der Anprobe sowie am Lagertisch ist so zu organisieren, dass eine Rotation zwischen Steharbeit und bewegender Arbeit stattfindet.
(2) In den in Absatz 1 genannten Bereichen hat jeweils mindestens eine Stehhilfe mit drehbarem Sitz und Sitzneigeverstellung mit einer Höhenverstellbarkeit mittels Gasfeder mindestens im Bereich von 620-890 mm und mit Bodengleitern versehenen Füßen für die dort eingesetzten Beschäftigten zur Verfügung zu stehen. Für das Lager und die Kassenblöcke ist jeweils mindestens eine weitere Stehhilfe zur Verfügung zu stellen.
3. Arbeiten im Dekoraum und in den Schaufenstern
(1) Für den Transport von Torsen und Vollfiguren ist ein Hubplattformwagen Doppelschere mit mindestens zwei Lenkrädern und Stoppfunktion sowie einer Hubhöhe mindestens bis 1200 mm und einer Anhebung mindestens durch ein Pumppedal einzusetzen.
(2) Auf jeder Etage ist für Visual Merchandiser ein rollender Werkzeugkasten mit einer Griffhöhe von ca. 82 cm (beispielsweise der Firma Stanley 1-92-279 Rollende Werkstatt) zur Verfügung zu stellen. Dieser darf auch in den Schaufenstern und im Verkauf benutzt werden.
(3) Während der Arbeiten in den Schaufenstern darf die Lufttemperatur 19°C nicht unter- und 26°C nicht überschreiten. Kann diese Temperatur trotz des Einsatzes von Heiz- und Kühlgeräten nicht erreicht werden, haben die Betriebsparteien weitere Maßnahmen anhand einer angepassten Gefährdungsbeurteilung nach Ziffer 4.4 der ASR 3.5 festzulegen.
(4) Der Dekoraum ist mit einem mindestens im Bereich 680 mm bis 1180 mm elektrisch höhenverstellbaren Arbeitstisch mit den Maßen 1200 mm x 800 mm sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischen auszustatten.
(5) Sofern Mitarbeiter zur Lackierung oder Bemalung von Dekomaterial eingesetzt werden, sind geeignete Schutzmaßnahmen im Sinne des § 4 ArbSchG zu ergreifen.
4. Maßnahmen im Verkaufsraum/Lager
(1) Die Servicestangen müssen höhenverstellbar sein.
(2) Sofern die Telefongeräte über eine „Silent Ring“-Funktion (Klingeltonunterdrückung) verfügen, ist diese an den Kassenarbeitsplätzen und im Lager zu aktivieren und in dieser Aktivstellung zu belassen.
(3) An allen Kassentresen besteht die Möglichkeit einer Lautsprecherdurchsage mittels eines Mikrofons oder des Telefons.
(4) In den Pausenräumen sind Lautsprecherdurchsagen auf Notdurchsagen zu beschränken. Dies gilt auch für Centerdurchsagen.
5. Maßnahmen im Büro der Storecontroller (SC)
(1) Das SC-Büro ist mit einem mindestens im Bereich 680 mm bis 1180 mm elektrisch höhenverstellbaren Arbeitstisch mit den Maßen 1200 mm x 800 mm sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen auszustatten.
(2) Der Raum unter dem Tisch muss ausreichend Beinfreiheit ermöglichen.
(3) Kabel sind mittels eines Kabelkanals zu sichern.
(4) Im SC-Büro ist ein geräuscharmer Computer (Standardgeräuschpegel am Gerät höchstens 23 dB(A) im Leerlauf) einzusetzen.
(5) Die Tür zum Store Controller Büro hat immer offen zu sein (im Sinne von „nicht abgeschlossen“). Nur beim Öffnen des Tresors darf die Tür verriegelt werden. Dabei müssen dann mindestens zwei Mitarbeiter im SC Büro anwesend sein.
(6) Die Tätigkeit der Kassenverantwortlichen ist so zu organisieren, dass die tägliche Arbeit an den Bildschirmgeräten regelmäßig durch Arbeiten ohne Bildschirmgerät unterbrochen wird.
(7) Der Bildschirm muss frei von störenden Reflexionen und Blendung sein. Er muss frei, leicht drehbar und neigbar sein.
(8) Die Tastatur muss eine reflexionsarme Oberfläche haben.
(9) Die Kassenverantwortlichen (Haupt SC, erste und zweite Stellvertretung) sind für den Gebrauch des genutzten Computerprogramms zu unterweisen, wobei die Unterweisung auch eine Beherrschung der englischen Begrifflichkeiten der Software beinhaltet.
Der Spruch der Einigungsstelle wurde der Arbeitgeberin am 23.01.2014 zugeleitet.
Die Arbeitgeberin hat mit ihrem am 06.02.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Feststellung begehrt, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam sei. Für die getroffenen Regelungen fehle es an einem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, weil mit ihnen Rahmenvorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht ausgefüllt würden. Auch seien unmittelbare Gesundheitsgefahren in dem Betrieb nicht vorhanden. Die Regelungen entsprächen zudem nicht billigem Ermessen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch einen am 27.05.2014 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Die Einigungsstelle habe mit ihrem Spruch im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG die Einigung der Betriebsparteien ersetzt, ohne dass sie die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten hätte. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen diesen ihr am 24.06.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23.07.2014 eingelegte Beschwerde der Arbeitgeberin, die sie mit einem am Montag, den 25.08.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Arbeitgeberin hält den streitbefangenen Spruch der Einigungsstelle weiterhin für rechtsunwirksam. Die getroffenen Regelungen unterfielen teilweise nicht dem Regelungsgegenstand „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ und seien deshalb durch die Einigungsstelle nicht zu regeln gewesen. Der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht eröffnet, weil es an konkret ausfüllungsbedürftigen Rahmenvorschriften des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes fehle. Da in dem Betrieb unmittelbare Gesundheitsgefahren nicht vorhanden seien, habe sich die Einigungsstelle auch nicht auf arbeitsschutzrechtliche Generalklauseln berufen können. Die im Betrieb in der Vergangenheit durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen hätten keine oder nur geringe Gefährdungen ergeben, die sodann beseitigt worden seien. Bei dieser Sachlage habe eine rechtliche Grundlage für den Spruch der Einigungsstelle gefehlt, zumal teilweise nur der Wortlaut von arbeitsschutzrechtlichen Rahmenvorschriften wiederholt werde. Die Einigungsstelle habe zudem in Bezug auf einige Regelungen das ihr eingeräumte Ermessen überschritten, weil diese objektiv ungeeignet seien, dem Gesundheitsschutz zu dienen, angeordnete Maßnahmen von ihr – der Arbeitgeberin – ohnehin durchgeführt würden, einen unnötigen Aufwand mit sich brächten oder die Anschaffung von Hilfsmitteln vorsähen, die nicht benötigt würden.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.05.2014 – 34 BV 1743/14 – zu ändern und festzustellen, dass der Teilspruch II der Einigungsstelle „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ mit dem Titel „Akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ vom 16.01.2014 unwirksam ist.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Mit dem Spruch vom 16.01.2014 habe die Einigungsstelle in wirksamer Weise die Einigung der Beteiligten in Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ersetzt. Mit den Regelungen seien jeweils – näher genannte – Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ausgefüllt und im Hinblick auf die betrieblichen Verhältnisse konkretisiert worden. Hierfür müsse eine konkrete Gesundheitsgefahr nicht festgestellt werden; im Übrigen wirkten die getroffenen Regelungen derartigen Gesundheitsgefahren entgegen. Die Einigungsstelle habe sich vor Erlass des Spruches sehr intensiv mit der Gefahren- und Gefährdungssituation im Betrieb beschäftigt und auf diese Weise inzident Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen, auf denen die getroffenen Regelungen beruhten. Die zuvor durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen seien ohne seine – des Betriebsrats – Beteiligung erfolgt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 25.08., 15.10.2014, 05.01. und 20.02.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die Beschwerde ist überwiegend begründet.
Der Teilspruch der Einigungsstelle vom 16.01.2014 „Akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes ist nur bezogen auf die Regelungen zur Rotation zwischen Steharbeit und bewegender Arbeit in den Bereichen Kasse, Anprobe und Lagertisch (Nr. 2 Abs. 1 Satz 2), zur Bereitstellung von Stehhilfen (Nr. 2 Abs. 2), zur Möglichkeit einer Lautsprecherdurchsage an den Kassentresen (Nr. 4 Abs. 3) und zur Bereitstellung eines Arbeitstisches im Büro der Storecontroller (Nr. 5 Abs. 1) rechtswirksam. Für diese Regelungen bestand ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die Einigungsstelle hat insoweit zu Recht die Einigung der Betriebsparteien durch Spruch ersetzt, wobei sich die Regelungen im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bewegen.
Die weiteren Regelungen des Teilspruchs sind rechtsunwirksam, weil für sie ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht bestand und die Beteiligten sich einem Spruch der Einigungsstelle nicht im Voraus unterworfen bzw. sie ihn nicht nachträglich angenommen haben.
1. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift betriebliche Regelungen zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Die gesetzliche Regelung muss Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordern, die zu treffenden Maßnahmen aber nicht selbst detailliert beschreiben, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgeben. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dient, ist unerheblich (BAG, Beschluss vom 11.12.2012 – 1 ABR 81/11 – AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz m.w.N.).
Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nicht so umfassend, dass für andere auf den Gesundheitsschutz bezogene betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften (z.B. § 88 Nr. 1 und § 91 BetrVG) kein nennenswerter Anwendungsbereich mehr verbleibt. Bei sehr weit gefassten, dem Gesundheitsschutz dienenden gesetzlichen Generalklauseln kann deshalb ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nicht ohne Einschränkungen bestehen (BAG, Beschluss vom 08.06.2004 – 1 ABR 13/03 – AP Nr. 13 a.a.O.). Die Mitbestimmung des Betriebsrats besteht bei Anwendung umfassender Generalklauseln der genannten Art, wenn eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr vorliegt (vgl. hierzu Beschluss vom 02.04.1996 – 1 ABR 47/95 – AP Nr. 5 a.a.O.; Beschluss vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 a.a.O.). Ferner hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn konkrete, dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschriften ausgefüllt werden müssen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats ist nach Auffassung der Beschwerdekammer schließlich auch gegeben, wenn eine zum Gesundheitsschutz durchgeführte Gefährdungsbeurteilung (z.B. § 5 ArbSchG, § 3 ArbStättVO, § 3 VO über Sicherheit und Gesundheitsschutz, § 3 LärmVibrationsArbSchV) einen Handlungsbedarf ergibt und es um die Festlegung der dann gebotenen Maßnahmen des Arbeitgebers geht. Die Gefährdungsbeurteilung ist zentraler Bestandteil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und notwendige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung der gesetzlichen Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers (BAG, Beschluss vom 11.01.2011 – 1 ABR 104/09 – AP Nr. 17 a.a.O.); sie unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats (vgl. BAG, Beschluss vom 08.06.2004 – 1 ABR 3/03 – AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; Beschluss vom 30.09.2014 – 1 ABR 106/12 – juris). Werden durch die auf gesetzlicher Grundlage durchgeführte Gefährdungsbeurteilung Gefahren oder Gefährdungen für die Beschäftigten erkannt, denen der Arbeitgeber begegnen muss, ist der Betriebsrat bei der Festlegung der erforderlichen Maßnahmen ebenfalls zu beteiligen. Ist hingegen eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr nicht gegeben und geht es auch nicht um die Ausfüllung konkreter Rahmenvorschriften der genannten Art bzw. um auf einer Gefährdungsbeurteilung beruhende Maßnahmen des Arbeitgebers, liegt ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht vor; für einen Spruch der Einigungsstelle im Sinne des § 76 Abs. 5 BetrVG ist insoweit kein Raum.
2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu folgender Beurteilung der einzelnen Regelungen des streitbefangenen Teilspruchs:
a) Nr. 1 Einarbeitung
aa) Die Regelungen zur Einarbeitung von Beschäftigten nach Abwesenheiten von mindestens einer Woche, von neu eingestellten Beschäftigten und von so genannten „Unterstützern“ können sich nicht auf eine Rahmenvorschrift zum Gesundheitsschutz stützen, die ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnen könnte.
Die Arbeitgeberin wird mit diesen Regelungen vor allem verpflichtet, die genannten Beschäftigten – in unterschiedlichem Umfang – über die betrieblichen Arbeitsabläufe und ihre Änderungen zu informieren und sie einzuarbeiten. Für diese Bestimmungen konnte sich die Einigungsstelle nicht auf § 3 Abs. 1 ArbSchG berufen, wonach „der Arbeitgeber verpflichtet (ist), die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen sowie eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.“ § 3 Abs. 1 ArbSchG stellt eine derart unbestimmte, weit gefasste gesetzliche Generalklausel dar, dass sie ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur bei einer unmittelbaren objektiven Gesundheitsgefahr begründen kann. Dass es im vorliegenden Fall galt, eine derartige Gesundheitsgefahr abzuwenden, ist nicht ersichtlich.
Eine Regelungskompetenz der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3 ArbSchG. Dieser Bestimmung ist nur zu entnehmen, dass der Arbeitgeber „bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen (hat)“; ob Maßnahmen – bei zwingender Mitbestimmung des Betriebsrats – zu ergreifen sind, lässt sich der Vorschrift hingegen nicht entnehmen. Auch aus § 5 Abs. 3 Nr. 5 ArbSchG ergibt sich nur, dass eine „unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten“ zu einer mit der Arbeit verbundenen Gefährdung führen kann, ohne dass die Vorschrift eine eigene Handlungspflicht des Arbeitgebers begründet.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 12 Abs. 1 ArbSchG, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen, trägt die in Nr. 1 des Teilspruchs getroffenen Regelungen ebenfalls nicht. Zwar hat der Betriebsrat bei Regelungen über die Art und den Inhalt der Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSchG grundsätzlich mitzubestimmen (BAG, Beschluss vom 11.01.2011 – 1 ABR 104/09 – a.a.O.). Die in Nr. 1 des Teilspruchs festgelegten Unterrichtungen beziehen sich jedoch ganz überwiegend nicht auf die mit dem jeweiligen Arbeitsplatz oder Arbeitsbereich verbundenen Gesundheitsgefahren, sondern auf alle Arbeitsabläufe bzw. deren Veränderungen. Bei der geregelten „Einarbeitung“ handelt es sich deshalb insgesamt nicht um eine Unterweisung im Sinne des § 12 Abs. 1 ArbSchG; dass in Nr. 1 Abs. 1 auch „Brandschutz und Sicherheit“ zum Gegenstand der Information gehören und nach Nr. 1 Abs. 3 ein „Sicherheitsrundgang“ stattfinden soll, ändert hieran nichts.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats stellen § 3 und § 4 Abs. 4 Satz 2 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) ebenfalls keine öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschriften dar, die mit Nr. 1 des Teilspruchs hätten ausgefüllt werden können. § 3 ArbStättVO betrifft die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG in Bezug auf die Arbeitsstätten, nicht aber die geregelte „Einarbeitung“ der Beschäftigten. § 4 Abs. 4 Satz 2 ArbStättVO gibt dem Arbeitgeber vor, Vorkehrungen zu treffen, damit die Beschäftigten sich bei Gefahr unverzüglich in Sicherheit bringen und schnell gerettet werden können; es geht jedoch nicht um die Information über derartige Vorkehrungen, wie sie – teilweise – in Nr. 1 des Teilspruchs vorgesehen ist.
Eine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle folgt schließlich nicht aus Nr. 6.1 der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A 2.2 – Maßnahmen gegen Brände. Die ASR beinhalten selbst keine öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, sondern geben nur den Standard wieder, bei dessen Einhaltung der Arbeitgeber seine Verpflichtungen nach der ArbStättVO erfüllt hat. Im Übrigen handelt es sich bei der in Nr. 1 geregelten „Einarbeitung“ nicht um eine Brandschutzunterweisung, sondern – wie ausgeführt – um eine auf alle Arbeitsumstände bezogene Maßnahme, die nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG fällt.
bb) Die Einigungsstelle war zu den in Nr. 1 des Teilspruchs getroffenen Regelungen auch nicht im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berechtigt. Die Beteiligten haben die Einigungsstelle lediglich eingesetzt, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten betrieblich zu regeln. Sie besaß nicht die Kompetenz, durch Spruch die Einigung der Beteiligten über Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer zu ersetzen. Ob und ggf. in welchem Umfang das genannte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch Nr. 1 des Teilspruchs betroffen ist, bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
b) Nr. 2 Stehende Tätigkeiten
aa) Die in Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 des Teilspruchs getroffene Regelung über die Dauer einer stehenden Tätigkeit je Arbeitsschicht unterfällt nicht dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Es besteht keine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift über die Länge der Steharbeit, deren inhaltliche Ausgestaltung den Betriebsparteien und damit letztlich der Einigungsstelle obliegt. Nach der getroffenen Regelungen dürfen Mitarbeiter – unabhängig von ihrem Einsatzort, der Art ihrer Tätigkeit und einer Abwechslung zwischen stehender und bewegender Arbeit – längstens vier Stunden je Schicht eine stehende Arbeit ausüben. Die Einigungsstelle hat mit dieser Bestimmung ein Beschäftigungsverbot aufgestellt, für das es keine rechtliche Grundlage gibt. Ihr oblag es, den Gesundheitsgefahren entgegen zu wirken, die durch eine stehende Tätigkeit entstehen können, nicht jedoch, die Dauer dieser Tätigkeit zu bestimmen. Nach der getroffenen Regelung ist eine stehende Tätigkeit über vier Stunden je Schicht auch dann verboten, wenn sie – z.B. im Hinblick auf weitere Maßnahmen des Gesundheitsschutzes – zu keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Eine derartige Festlegung überschreitet die Regelungskompetenz der Betriebsparteien und der Einigungsstelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
bb) Die in Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 des Teilspruchs getroffene Regelung begegnet demgegenüber keinen rechtlichen Bedenken. Die Einigungsstelle konnte sich insoweit auf § 3 Abs. 1 ArbSchG stützen, auch wenn es sich – wie ausgeführt – um eine umfassende Generalklausel des Gesundheitsschutzes handelt, die für sich genommen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht eröffnet. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution hat die durch eine stehende Tätigkeit entstehenden Gesundheitsgefahren in ihrem Merkblatt M 88 (Bl. 116 ff.) aufgeführt. Sind Arbeiten über einen längeren Zeitraum im Stehen auszuüben, werden die Beschäftigten danach einer starken körperlichen Belastung ausgesetzt, wobei insbesondere der Bewegungsapparat und der Kreislauf in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Einigungsstelle für die Bereiche Kasse, Anprobe und Lagertisch, in denen Steharbeit nach ihrer Auffassung anfällt, eine Abwechslung von stehender und bewegender Arbeit festgelegt hat. Nach den Ausführungen der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution in dem genannten Merkblatt kann eine Mischarbeit zwischen stehender, sitzender und mit viel bewegender Tätigkeit am besten den durch langes Stehen hervorgerufenen Gesundheitsgefahren entgegenwirken; dem hat die Einigungsstelle mit ihrer Regelung Rechnung getragen. Dass die Betriebsparteien darüber streiten, ob eine Abwechslung zwischen Steharbeit und bewegender Arbeit nicht bereits stattfindet, führt dabei nicht zur Unwirksamkeit der Regelung. Die Arbeitgeberin ist nunmehr aus Gründen des Gesundheitsschutzes grundsätzlich gehindert, in den Bereichen Kasse, Anprobe und Lagertisch ausschließlich Steharbeit verrichten zu lassen und sie kann auch zukünftig eine derartige Arbeitsorganisation nicht vornehmen; ob sie dieser Verpflichtung bereits bislang von sich aus nachkam, ist für die rechtliche Wirksamkeit der Regelung ohne Belang.
Die Wirksamkeit der Regelung wird auch nicht dadurch berührt, dass der Teilspruch in weiten Teilen rechtsunwirksam ist. Die einzelnen Regelungen zum Gesundheitsschutz stehen unabhängig voneinander, d.h., die Unwirksamkeit einzelner Regelungen wirkt sich nicht auf die Wirksamkeit anderer Regelungen aus, für die ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestand und bei denen sich die Einigungsstelle im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens gehalten hat.
cc) Der Teilspruch ist auch insoweit rechtswirksam, als die Einigungsstelle in Nr. 2 Abs. 2 die Bereitstellung von bestimmten Stehhilfen beschlossen hat. Für diese Regelung, mit der ebenfalls den durch Steharbeit verursachten Gesundheitsgefahren vorgebeugt werden soll, bestand – wie ausgeführt – eine Regelungskompetenz der Einigungsstelle, die in Ausübung ihres Ermessens den Einsatz von konkreten Stehhilfen zur kurzzeitigen Entlastung bei stehender Tätigkeit vorsehen durfte. Ob die Arbeitgeberin bereits Stehhilfen zur Verfügung stellt, ist dabei ohne rechtliche Bedeutung. Die Einigungsstelle war nicht gehindert, den Einsatz von Stehhilfen festzulegen und damit auf eine normative Grundlage zu stellen. Wenn die vorhandenen Stehhilfen den Anforderungen des Teilspruchs genügen, bedarf es lediglich insoweit keiner Umsetzung des Spruchs mehr, ohne dass die Wirksamkeit der Regelung hiervon berührt wird.
c) Nr. 3 Arbeiten im Dekoraum und in den Schaufenstern.
aa) Die Regelungen in Nr. 3 Abs. 1 und 2 des Teilspruchs können sich nicht auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG stützen. Es besteht keine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift, die – ggf. nach einer Gefährdungsbeurteilung – durch die Regelungen ausgefüllt werden könnte.
Eine Regelungskompetenz der Einigungsstelle folgt nicht aus § 2 Abs. 1 der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV). Danach hat der Arbeitgeber „geeignete Maßnahmen zu treffen oder geeignete Arbeitsmittel, insbesondere mechanische Ausrüstungen, einzusetzen, um manuelle Handhabungen von Lasten, die für die Beschäftigten eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit, insbesondere der Lendenwirbelsäule mit sich bringen, zu vermeiden.“ Es handelt sich erneut um eine weit gefasste gesetzliche Generalklausel zum Gesundheitsschutz, die nur bei dem Bestehen einer objektiven Gesundheitsgefahr ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründet. Nicht jede Handhabung von Lasten führt auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen; es kommt vielmehr – wie aus dem Anhang zur LasthandhabV ersichtlich – auf die zu handhabende Last, die zu erfüllende Arbeitsaufgabe und auf die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung an. Dass eine Handhabung von Lasten generell zu Gesundheitsgefährdungen führen kann, genügt mit anderen Worten nicht, um im konkreten Einzelfall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und damit eine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle zu begründen.
Im vorliegenden Fall konnte die Einigungsstelle auch nicht aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG davon ausgehen, dass die Arbeiten im Dekoraum und in den Schaufenster es zum Zwecke des Gesundheitsschutzes erforderten, Hubplattwagen und rollende Werkzeugkästen zur Verfügung zu stellen. Es liegt keine Gefährdungsbeurteilung vor, die § 2 Abs. 1 LasthandhabV konkretisiert und nach der Maßnahmen des Gesundheitsschutzes in Bezug auf die Handhabung von Lasten erforderlich waren. Dabei kann der Betriebsrat nicht mit Erfolg geltend machen, die Einigungsstelle habe sich umfangreich mit der Gefahren- bzw. Gefährdungssituation im Betrieb auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage den angefochtenen Teilspruch erlassen. Dass sich die Einigungsstelle mit den betrieblichen Gegebenheiten und den für die Beschäftigten auftretenden oder zu befürchtenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen befasst hat, kann ohne weiteres unterstellt werden. Es handelt sich jedoch nicht um eine Gefährdungsbeurteilung im Sinne des § 5 ArbSchG, die zunächst dem Arbeitgeber – bei Mitbestimmung des Betriebsrats – obliegt und nicht von der Einigungsstelle inzident vorgenommen werden kann; zudem hat die Einigungsstelle keine Feststellungen über konkrete Gefährdungen getroffen.
bb) Die Regelungen in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 des Teilspruchs zur Lufttemperatur während der Arbeiten in den Schaufenstern unterlagen ebenfalls nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. § 3 a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV, wonach „der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen“, stellt eine weitere umfassende Generalklausel dar, die ohne eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht eröffnet. Eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV, auf deren Grundlage der Arbeitgeber Maßnahmen unter Beteiligung des Betriebsrats ergreifen müsste, liegt nicht vor; sie kann – wie ausgeführt – nicht darin gesehen werden, dass die Einigungsstelle sich mit den Arbeitsbedingungen in den Schaufenstern vertraut gemacht hat. Dass die ASR A3.5 Nr. 4.2 Vorgaben zur Raumtemperatur macht, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ASR sind von dem Arbeitgeber bei Errichten und Betreiben von Arbeitsstätten zu berücksichtigen (§ 3 a Abs. 1 Satz 2 ArbStättVO); sie beinhalten jedoch für sich genommen keine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und können deshalb für sich genommen auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Zudem handelt es sich bei den Tätigkeiten in den Schaufenstern nach den Tabellen in Nr. 4.2 Abs. 2 ASR A3.5 um leichte Arbeiten, die im Stehen und Gehen zu verrichten sind. Danach beträgt die Mindesttemperatur 19 Grad/Celsius, die gemäß Nr. 4.2 Abs. 3 ASR 26 Grad/Celsius nicht überschreiten soll. Dies entspricht dem in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 des Teilspruchs genannten Temperaturbereich, der deshalb entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einen vorgegebenen Regelungsrahmen nicht näher konkretisiert.
Soweit den Betriebsparteien durch Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 des Teilspruchs aufgegeben wird, bei höheren bzw. niedrigeren Temperaturen „weitere Maßnahmen“ festzulegen, unterfällt dies ebenfalls nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Mit der genannten Regelung wird eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift zum Gesundheitsschutz nicht ausgefüllt, sondern es wird lediglich bestimmt, dass die Betriebsparteien auf der Grundlage einer „angepassten“ Gefährdungsbeurteilung tätig werden sollen. Der Arbeitgeber ist ohnehin nach § 3 a ArbStättVO verpflichtet, die sich aus einer konkreten Gefährdungsbeurteilung ergebenden Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit auszuschließen, wobei er den Betriebsrat zu beteiligen hat. Für einen diesbezüglichen Spruch der Einigungsstelle besteht im Rahmen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG daneben kein Raum.
cc) Für die in Nr. 3 Abs. 4 des Teilspruchs getroffene Regelung bestand ebenfalls kein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die festgelegte Ausstattung des Dekoraums mit einem näher beschriebenen Arbeitstisch sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen kann sich nicht auf § 3 ArbSchG stützen, weil erneut eine objektive Gesundheitsgefahr, der durch die genannten Arbeitsmittel entgegengewirkt werden müsste, nicht festzustellen ist. Eine Regelungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 1, § 4 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Danach hat der Arbeitgeber bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG die notwendigen Maßnahmen für die sichere Bereitstellung und Benutzung der Arbeitsmittel zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass den Beschäftigten nur Arbeitsmittel bereitgestellt bzw. nur solche von ihnen benutzt werden, die für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet und bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet sind. Es geht daher allein um die Frage, wie die bereitgestellten und zu benutzenden Arbeitsmittel beschaffen sein müssen, nicht jedoch darum, ob ein Arbeitsmittel im Interesse des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden muss. Eine Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die Arbeiten im Dekoraum, auf deren Grundlage der Betriebsrat über die Bereitstellung von Arbeitsmitteln mitzubestimmen hätte, liegt erneut nicht vor.
dd) Die in Nr. 3 Abs. 5 des Teilspruchs getroffene Bestimmung, dass bei einem Einsatz von Mitarbeitern „zur Lackierung oder Bemalung von Dekomaterial…geeignete Schutzmaßnahmen im Sinne des § 4 ArbSchG zu ergreifen“ sind, enthält keine ausfüllende Regelung einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift, sondern lediglich eine Wiederholung einer gesetzlichen Vorgabe, für die ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht besteht. Für einen diesbezüglichen Spruch der Einigungsstelle bestand daher kein Raum.
d) Nr. 4 Maßnahmen im Verkaufsraum/Lager
aa) Für die in Nr. 4 Abs. 1 des Teilspruchs getroffene Festlegung, dass „die Servicestangen…höhenverstellbar sein (müssen)“, fehlt erneut eine ausreichende Regelungsgrundlage. Die Einigungsstelle konnte sich insoweit aus den bereits genannten Gründen (vgl. II. 2 c) aa) der Beschlussgründe) nicht auf § 2 Abs. 1 LasthandhabV stützen; auch liegt eine Gefährdungsbeurteilung, auf deren Grundlage die Bereitstellung von höhenverstellbaren Servicestangen festgelegt werden könnte, nicht vor.
bb) Für die Bestimmung in Nr. 4 Abs. 2 des Teilspruchs zur Aktivierung der Klingeltonunterdrückung bestand ebenfalls kein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und damit auch keine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle. Dabei scheidet § 7 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) bereits deshalb als auszufüllende öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift aus, weil der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet ist. Nach § 2 Abs. 1 ist „Lärm im Sinne dieser Verordnung…jeder Schall, der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten führen kann“. Das – zumal häufige – Klingeln eines Telefons mag für die Mitarbeiter im Verkaufsraum oder Lager eine Belästigung darstellen; dass es für sich genommen deren Sicherheit und Gesundheit gefährden könnte, ist nach Auffassung der Beschwerdekammer jedoch ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist auch der Anwendungsbereich des § 3 a ArbStättVO i.V.m. Nr. 3.7 des Anhangs zur ArbStättVO nicht eröffnet. Eine Gefährdungsbeurteilung, auf deren Grundlage Regelungen zur Klingeltonunterdrückung getroffen werden könnten, liegt nicht vor.
cc) Die in Nr. 4 Abs. 3 des Teilspruchs getroffene Regelung, dass „an allen Kassentresen…die Möglichkeit einer Lautsprecherdurchsage mittels eines Mikrofons oder des Telefons (besteht)“, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für diese Bestimmung folgt aus § 25 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift BGV A1 der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution, wonach „der Unternehmer…unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse durch Meldeeinrichtungen und organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen (hat), dass unverzüglich die notwendige Hilfe herbeigerufen und an den Einsatzort geleitet werden kann.“ Da jederzeit in jedem Bereich des Betriebs medizinische Notfälle auftreten können, ohne dass dies vorhersehbar ist, besteht eine objektive Gesundheitsgefahr und damit ein unmittelbares Regelungsbedürfnis. Dem hat die Einigungsstelle entsprochen, wobei nicht erkennbar ist, dass sie dabei das ihr eingeräumte Ermessen überschritten hätte.
Die Unwirksamkeit weiterer Teile des Teilspruchs beeinträchtigt die Wirksamkeit von Nr. 4 Abs. 3 des Teilspruchs nicht, weil – wie ausgeführt – die einzelnen Regelungen zum Gesundheitsschutz unabhängig voneinander bestehen können.
dd) Die in Nr. 4 Abs. 5 des Teilspruchs getroffene Regelung unterfiel demgegenüber nicht dem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Soweit Nr. 4.1 Abs. 8 der ASR A 4.2 (Pausen- und Bereitschaftsräume) vorsieht, dass „Pausenräume und Pausenbereiche frei von arbeitsbedingten Störungen (z.B. durch Produktionsabläufe, Publikumsverkehr, Telefonate) sein (müssen)“, handelt es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift, die von den Betriebsparteien auszufüllen wäre. Ein Rückgriff auf § 3 Abs. 1 ArbSchG ist nicht möglich, weil eine unmittelbare Gesundheitsgefahr in Bezug auf Lautsprecherdurchsagen nicht festzustellen ist. Auch liegt eine Gefährdungsbeurteilung, auf deren Grundlage Regelungen zu Lautsprecherdurchsagen zu regeln wären, nicht vor.
e) Nr. 5 Maßnahmen im Büro der Storecontroller (SC)
aa) Die in Nr. 5 Abs. 1 des Teilspruchs getroffene Regelung ist teilweise wirksam, teilweise unwirksam, wobei sich erneut die Unwirksamkeit weiterer Regelungen des Teilspruchs nicht auf die Wirksamkeit einer Regelung auswirkt.
Soweit die Einigungsstelle vorgesehen hat, dass im Büro der Storecontroller ein elektrisch höhenverstellbarer Arbeitstisch mit näher bestimmten Maßen vorhanden sein muss, ergibt sich ihre Regelungsbefugnis aus § 4 Abs. 1 Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) i.V.m. Nr. 10 des Anhangs zur BildscharbV. Die Storecontroller haben in ihrem Büro an einem Bildschirmgerät zu arbeiten. Der hierzu verwendete Arbeitstisch muss nach Nr. 10 Satz 1 des Anhangs zur BildscharbV eine „ausreichend große und reflexionsarme Oberfläche besitzen und eine flexible Anordnung des Bildschirmgeräts, der Tastatur, des Schriftguts und der sonstigen Arbeitsmittel ermöglichen“. Diese öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschriften waren in Bezug auf den im Büro der Storecontroller verwendeten Arbeitstisch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu konkretisieren, was zur Regelungsbefugnis der Einigungsstelle führt. Dass die Einigungsstelle dabei ihren Regelungsspielraum überschritten hat, ist nicht ersichtlich.
Demgegenüber enthält die Festlegung der Einigungsstelle, dass das Büro der Storecontroller mit „zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen“ auszustatten ist, keine Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift, weil nach Nr. 11 des Anhangs zur BildscharbV bereits vorgeschrieben ist, dass der Arbeitsstuhl „ergonomisch gestaltet“ sein muss. Für eine inhaltsgleiche Regelung der Betriebsparteien und der Einigungsstelle bestand kein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
bb) Die in Nr. 5 Abs. 2 des Teilspruchs erfolgte Bestimmung, dass „der Raum unter dem Tisch…ausreichend Beinfreiheit ermöglichen (muss)“, gibt mit anderen Worten lediglich die Bestimmung der Nr. 10 Satz 2 des Anhangs zur BildscharbV wieder, ohne eine Konkretisierung der Vorschrift zu enthalten; für eine derart wiederholende „Festlegung“ besteht keine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle.
cc) Für die in Nr. 5 Abs. 3 des Teilspruchs erfolgte Bestimmung, dass „Kabel mittels eines Kabelkanals zu sichern (sind)“, fehlt erneut eine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle. Sie konnte sich insbesondere nicht auf § 3 a ArbStättV stützen, der – wie ausgeführt – lediglich eine umfassende Generalklausel zum Gesundheitsschutz enthält, die ohne eine objektive Gesundheitsgefahr ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht begründet. Eine Gefährdungsbeurteilung, die als Grundlage für die Regelung dienen könnte, liegt nicht vor.
dd) Soweit die Einigungsstelle in Nr. 5 Abs. 4 des Teilspruchs bestimmt hat, dass im Büro der Storecontroller „ein geräuscharmer Computer mit einem Standardgeräuschpegel am Gerät von höchstens 23 dB (A) im Leerlauf einzusetzen (ist)“, fehlt erneut eine ausfüllungsbedürftige öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift zum Gesundheitsschutz. § 3 a ArbStättV ist hierfür auch unter Berücksichtigung von Nr. 3.7 des Anhangs zur ArbStättVO nicht ausreichend, weil eine objektive Gesundheitsgefahr durch das Betreiben eines Computers nicht feststellbar ist; eine von den Betriebsparteien auszufüllende Gefährdungsbeurteilung liegt nicht vor.
ee) Die in Nr. 5 Abs. 5 des Teilspruchs erfolgte Festlegung zur Öffnung des Büros der Storecontrollers unterfiel aus den in II. 2. e) cc) genannten Gründen nicht der Regelungsbefugnis der Einigungsstelle.
ff) Die Einigungsstelle hat mit den Bestimmungen in Nr. 5 Abs. 6 bis 8 des Teilspruchs lediglich die Anforderungen an eine Bildschirmarbeit und an einen Bildschirmarbeitsplatz wiedergegeben, die bereits in § 5 BildscharbV und in Nr. 4, 5 und 8 des Anhangs zur BildscharbV enthalten sind. Für derart wiederholende „Regelungen“ besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
gg) Die in Nr. 5 Abs. 9 des Teilspruchs getroffene Regelung zur Unterweisung der Kassenverantwortlichen kann sich nicht auf eine ausfüllungsbedürftige öffentlich-rechtliche Vorschrift zum Gesundheitsschutz stützen, so dass auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und eine Regelungsbefugnis der Einigungsstelle nicht bestehen. § 5 Abs. 3 Nr. 5 ArbSchG begründet insoweit – wie ausgeführt – keine Handlungspflicht des Arbeitgebers. Dass eine fehlende Unterweisung im Betrieb der Arbeitgeberin zu einer objektiven Gesundheitsgefahr führt, ist nicht ersichtlich; auch liegt insoweit eine Gefährdungsbeurteilung nicht vor.
III.
Die Beschwerdekammer hat die Rechtsbeschwerde der Beteiligten nach § 92 Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen, wann eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift des Gesundheitsschutzes i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorliegt und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen vor einer inhaltlichen Regelung zunächst eine mitbestimmte Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist, haben grundsätzliche Bedeutung.
(Der Berichtigungsbeschluss vom 28.04.2015 wurde von juris bereits in den oben stehenden Text eingearbeitet)