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Arbeitsrecht
15.03.2012
Arbeitsrecht
ArbG Leipzig: Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einstellung von Leiharbeitnehmern

ArbG Leipzig, Urteil vom 15.2.2012 - 11 BV 79/11


Leitsatz


1. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat im Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht unterrichten über sachliche Gründe für seine Entscheidung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern.




2. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach die Überlassung von Leiharbeitnehmern vorübergehend erfolgt, stellt keine Verbotsnorm iSv § 99 Abs. Nr. 1 BetrVG dar. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern nicht mit der Begründung verweigern, die Einstellung sei nicht "vorübergehend".




3. Die vorläufige Besetzung von Arbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern, zu deren Einstellung die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch das Gericht ersetzt wird, ist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.


sachverhalt


I. Die Beteiligten streiten um die Einstellung von 33 Leiharbeitnehmern und ihren vorläufigen Einsatz im Werk Leipzig.


Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie mit mehreren 10 000 Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten.


Antragsgegner ist der im Werk Leipzig gewählte Betriebsrat. Er hat die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG dem dafür gebildeten Personalausschuss übertragen.


Im Werk Leipzig ist die Stammbelegschaft von 2.405 im Jahr 2005 bis gegenwärtig ca. 2.800 Mitarbeiter angestiegen. Neben der Stammbelegschaft kommen Leiharbeitnehmer in jährlich unterschiedlicher Anzahl, häufig mit aufeinander folgenden Befristungen, zum Einsatz. So wurden 398 Leiharbeitnehmer im Jahr 2005 und 1.663 Leiharbeitnehmer im Jahr 2011 beschäftigt. Die der Antragstellerin überlassenen Leiharbeitnehmer erhalten Grundentgelt in gleicher Höhe wie das Stammpersonal.


Die Antragstellerin beabsichtigt für das Jahr 2012 im Werk Leipzig den Einsatz von ca. 1.100 Leiharbeitnehmern, davon 33 als Produktionsmitarbeiter im Presswerk. Die 33 Produktionsmitarbeiter waren ausnahmslos bereits bis zum 31.12.2011 als Leiharbeitnehmer im Werk Leipzig beschäftigt.


Am 12.12.2011 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat schriftlich die Zustimmung zur Einstellung von 33 Leiharbeitnehmern für das Presswerk zum 01.01.2012. Am 19.12.2011 verweigerte der Personalausschuss mit Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG schriftlich seine Zustimmung. In einzelnen, inhaltsgleichen schriftlichen Stellungnahmen begründete der Personalausschuss seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:


- die nicht mehr „vorübergehende" Überlassung verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG,


- der überdimensionierte Einsatz von Leiharbeitnehmern nehme dem Betriebsrat Zeitanteile für die Stammbelegschaft und notwendiges Anlernen der Leiharbeitnehmer beeinträchtige Arbeitsabläufe,


- die betroffenen Leiharbeitnehmer würden benachteiligt, weil für sie nicht die bestehenden Betriebsvereinbarungen und Umgangsnormen zählten.


Die 33 Leiharbeitnehmer werden inzwischen im Werk Leipzig beschäftigt. Auf Hinweis der Antragstellerin vom 16.12.2011, die vorläufige Einstellung der 33 Mitarbeiter sei aus sachlichen Gründen erforderlich, bestritt der Personalausschuss mit Schreiben vom 19.12.2011 die Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.


Mit am 22.12.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag, zugestellt 30.12.2011, begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung und die Feststellung der Erforderlichkeit deren vorläufigen Einstellung.


Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, der vollständig unterrichtete Betriebsrat könne mit den binnen Wochenfrist vorgetragenen Gründen die Zustimmung nicht verweigern.


Die Unterrichtung sei ordnungsgemäß erfolgt, so die Arbeitgeberin. Sachliche Gründe für die Entscheidung zum befristeten Einsatz von Leiharbeitnehmern müssten dem Betriebsrat nicht mitgeteilt werden.


Die Einstellung der Leiharbeitnehmer, so die Antragstellerin weiter, verstoße nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Vorgenannte Regelung begrenze die Überlassungsdauer nicht. Eine Analogie zum Befristungsrecht scheide aus. „Vorübergehende Überlassung" betreffe vielmehr das Verhältnis zwischen der Überlassung und dem Arbeitsvertragsverhältnis des Leiharbeitnehmers zum Verleiher. Die Überlassung sei hier nur vorübergehend, weil nicht als endgültig geplant. Der Betriebsrat könne außerdem der Einstellung nur widersprechen, wenn die tatsächliche Beschäftigung in dem Arbeitsbereich gesetzeswidrig wäre. Das sei nicht der Fall. Der Betriebsrat begehre selbst die Beschäftigung der Betroffenen, nur eben als Stammpersonal.


Eine Benachteiligung der Stammbelegschaft sei nicht ersichtlich, so die Arbeitgeberin. Sie bestreite eine Mehrbelastung des Betriebsrates und der Stammarbeitnehmer infolge des Einsatzes von Leiharbeitnehmern. Eine etwaige Mehrbelastung stelle keine Benachteiligung im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG dar. Mit der im Verfahren neuen, aber auf keine Tatsachen gestützten Behauptung, Aufstiegschancen der Stammbelegschaft seien wegen der nur befristeten Ausschreibung der Stellen beeinträchtigt, sei der Betriebsrat präkludiert.


Eine Benachteiligung der betroffenen Leiharbeitnehmer scheide aus, so die Antragstellerin, da es sich bei der personellen Maßnahme um eine Einstellung handele.


Die vorläufige Durchführung der Einstellung sei zur Aufrechterhaltung der Produktion dringend erforderlich gewesen.


Die Antragstellerin beantragt,


die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung der nachfolgenden Mitarbeiter zum 1. Januar 2012, sofern nachfolgend kein abweichender Einsatzbeginn angegeben ist, zu ersetzen:


und festzustellen, dass die vorläufige Einstellung der vorstehenden Mitarbeiter aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.


Der Antragsgegner beantragt,


die Anträge zurückzuweisen.


Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, erst die Unterrichtung über sachliche Gründe für den Einsatz der 33 Leiharbeitnehmer hätte ihm die Prüfung ermöglicht, ob deren erneuter Einsatz „vorübergehend" sei oder gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verstoße.


Die Einstellung der 33 Mitarbeiter sei nicht vorübergehend. Sie überschreite anzunehmende Fristen ohne konkreten Sachgrund. Die Dauer der „sachgrundlosen" Überlassung dürfe die zeitlich zulässige Grenze eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses nicht übersteigen. Bei 19 der 33 betroffenen Leiharbeitnehmer sei diese Grenze überschritten. Deren weiterer Einsatz erfordere konkrete Sachgründe, die es aber nicht gebe.


Eine Benachteiligung der Stammbelegschaft liege vor, so der Betriebsrat weiter. Auf die teils qualifizierte Arbeitsplätze betreffende Stellen bewerbe sich niemand des Stammpersonals, weil die Ausschreibung nur befristet erfolge. Nachteile bei den Aufstiegschancen seien die Folge.


Die betroffenen Leiharbeitnehmer würden benachteiligt, weil bereits erworbenen Rechtspositionen durch die erneute befristete Überlassung beeinträchtigt würden, so der Betriebsrat, der abschließend meint, die Antragstellerin habe den Personalengpass selbst verursacht und sei damit gehindert, die vorläufige Durchführung der Maßnahme mit Betriebsablaufstörungen zu begründen.


Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.


aus den gründen


II. Der Antrag ist zulässig.


Die Rechtswegzulässigkeit folgt aus § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Rechte der Betriebsparteien gem. §§ 99, 100 BetrVG stehen im Streit, der im Beschlussverfahren auszutragen ist. Beteiligt sind der Arbeitgeber und der Betriebsrat, nicht jedoch die von der Einstellung betroffenen Leiharbeitnehmer.


Das Arbeitsgericht Leipzig ist für das den Betrieb Leipzig betreffende Beschlussverfahren örtlich zuständig (§ 82 Abs.1 ArbGG).



Der Zustimmungsersetzungsantrag und der Feststellungsantrag sind nach §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 BetrVG zulässig.


Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin liegt vor. Sie beschäftigt mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Daher bedarf es bei einer Einstellung gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Den im Ersetzungsantrag angegebenen Daten „zum 1. Januar 2012 ... Einsatzbeginn Einsatzende 31.12.2012 ..." und die Angabe der Planstelle und der Vergütungsgruppe kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Zustimmungsersetzungsanträge sind nicht vergangenheits, sondern zukunftsbezogen. Für den Ersetzungsantrag ist die Tätigkeitsbezeichnung der 33 betroffenen Leiharbeitnehmer ausreichend. Auf Planstellen, auf denen sie zu Einsatz kommen und Vergütungsgruppen kommt es in diesem Beschlussverfahren nicht an. Der Ersetzungsantrag ist dahin auszulegen.


Die formellen Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 BetrVG liegen vor. Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist fristgerecht innerhalb von drei Tagen nach Ablehnung durch den Betriebsrat beim Arbeitsgericht eingegangen (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).


Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat wurde ausreichend über die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen unterrichtet (A). Zustimmungsverweigerungsgründe stehen dem Betriebsrat nicht zur Seite; teils ist der Betriebsrat damit präkludiert (B). Die vorläufige Maßnahme ist sachlich begründet (C).


A


Bei der begehrten (verlängert befristeten) Eingliederung von 33 Produktionsarbeitern in das Presswerk in Leipzig handelt es sich um eine der Mitbestimmung unterliegende Einstellung iSv. §§ 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG (vgl. BAG 23.01.2008, 1 ABR 74/06, BAGE 125, 306 ff.). Die Arbeitgeberin hat das dazu vorgesehene Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und den Betriebsrat ausreichend iSv. § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG iVm. § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unterrichtet.


Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat bei einer personellen Einzelmaßnahme so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs.2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (vgl. BAG 27.10.2010, 7 ABR 86/09, NZA 2011, 418 ff.). Hierzu gehört im Verfahren über die Zustimmung der Einstellung von Leiharbeitnehmern die Unterrichtung über die Personalien der Leiharbeitnehmerin, ihren Einsatzbereich und -umfang, den Einstellungstermin und die Einsatzdauer sowie die schriftliche Erklärung des Verleihunternehmens entsprechend §§ 14 Abs. 3 Satz2, 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG.


Die Unterrichtung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin vom 12.12.2011 genügt vorgenannten Anforderungen. Sie unterrichtete über die Personalien der 33 Leiharbeitnehmer, deren Einsatzbereich- und Umfang, den 01.01.2012 als Einstellungstermin und die zum 31.12.2012 endende Überlassungsdauer. Vorgelegt wurden die Entleiherverträge einschließlich der Erklärung gem. § 12 AÜG. Die Antragstellerin informierte weiter über Bewerber auf die intern erfolgte Stellenausschreibung.


Der Betriebsrat war zur Abgabe einer sachgerechten Stellungnahme in die Lage versetzt. Die Antragstellerin musste dem Betriebsrat keinen sachlichen Grund für ihre Entscheidung zum befristeten Einsatz von Leiharbeitnehmern angeben. Die Einstellung von Leiharbeitnehmern erfordert gemäß den Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) keinen Sachgrund.


Unterstellt, die Überlassung von Leiharbeitnehmern erfordere nach den, gegebenenfalls so auszulegenden Regelungen des AÜG einen Sachgrund, würde bei fehlender Unterrichtung eines Sachgrundes im Zustimmungsverfahren gleichwohl der Lauf der Wochenfrist zur Stellungnahme beginnen. Der Betriebsrat ist in die Lage versetzt, aus der fehlenden Angabe eines Sachgrundes für die Überlassung auf einen Gesetzesverstoß zu schließen und diesen Verstoß geltend zu machen. Im Zustimmungsersetzungsverfahren ist dann der fehlende Sachgrund bei der Prüfung der Verweigerungsgründe zu würdigen.


Der Betriebsrat verweigerte auf die Unterrichtung vom 12.12.2011 binnen Wochenfrist (§ 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) am 19.12.2011 schriftlich seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung unter Angabe von Gründen nach § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung gilt nicht als erteilt.


B


Die vom Betriebsrat nach ordnungsgemäßer Unterrichtung verweigerte Zustimmung zur Einstellung ist zu ersetzen. Die Einstellung der 33 Produktionsmitarbeiter in das Presswerk verstößt nicht gegen ein Gesetz (aa) und benachteiligt weder die Stammbelegschaft (bb), noch die betroffenen Leiharbeitnehmer (cc).


aa Die Einstellung der 33 Leiharbeitnehmer in das Presswerk der Antragstellerin in Leipzig verstößt nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.


Nach den durch die zutreffende Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätzen kann ein Verstoß gegen ein Gesetz bei einer Einstellung nur vorliegen, wenn die Einstellung als solche durch die Gesetzesnorm hinreichend deutlich untersagt ist (vgl. BAG 01.06.2011, 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435). Rechtswidrigkeit einzelner Vertragsbedingungen genügt es nicht. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (vgl. BAG 14.12.2004, 1 ABR 54/03 BAGE 113, 102) In Betracht kommen etwa Normen, mit denen Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten selbst oder auch für Dritte ausgeschlossen werden sollen. Das Verbot der Beschäftigung kann auch arbeitsmarktpolitische oder sozialpolitische Ziele verfolgen (vgl. BAG 28.06.1993, 1 ABR 59/93, BAGE 77, 165).


Ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats hat das BAG z.B. angenommen


- bei der Einstellung eines Leiharbeitnehmers, die von vornherein auf einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten beabsichtigt war und gegen die damalige Höchstüberlassungsdauer von Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG verstieß (vgl. BAG 28.09.1988, 1 ABR 85/87 BAGE 59, 380 ff.)


- bei der Einstellung einer Verkäuferin mit weniger als 20 Wochenstunden bei tarifvertraglichen Verbots des Abschlusses von Arbeitsverträgen mit weniger als 20 Wochenarbeitsstunden (vgl. BAG 28. Januar 1992, 1 ABR 45/91, AP Nr. 95 zu § 99 BetrVG 1972).


Unter Berücksichtigung der vom BAG entwickelten Grundsätze ist vorliegend ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dann anzunehmen, wenn


1. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine Verbotsnorm enthält,


2. der Zweck der Verbotsnorm nur durch Verhinderung der Einstellung erreicht werden kann und


3. die beabsichtigte Einstellung gegen das etwaige Verbot verstößt.


Nach Auffassung der Kammer enthält § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG schon keine Verbotsnorm. Enthielte die Regelung ein Verbot der nicht nur vorübergehenden Überlassung von Leiharbeitnehmern ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Norm nur durch Verbot der Einstellung erreicht werden kann. Ob die beabsichtigte Einstellung der 33 Leiharbeitnehmer nur vorübergehend ist, d.h. auf die Definition „vorübergehend", kommt es nicht an.


§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt, untersagt die dauerhafte Einstellung von Leiharbeitnehmern nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Die Grenze einer zulässigen Überlassungsdauer ist ihr nicht zu entnehmen. Ihr kommt lediglich klarstellende Bedeutung bezüglich des Begriffs „Leiharbeit" zu. Dies entnimmt die erkennende Kammer aus der Begründung zum Entwurf des AÜG vom 17.02.2009. Demnach regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein auf vorübergehende Überlassungen angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher im Verhältnis zum Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vorübergehend ist. Dabei wird der Begriff „vorübergehend" im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie als flexible Zeitkomponente verstanden und insbesondere auf genau bestimmte Höchstüberlassungsfristen verzichtet (vgl. BT-Drucks. 17/4804 unter B zu Art. 1 Nr. 2 lit. a).


Aus dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesbegründung folgt für die Kammer, dass der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG bewusst keine Höchstfristen für die Überlassung von Leiharbeitnehmern festgesetzt hat. Durch diese Vorschrift wird somit nicht bestimmt, dass eine bestimmte Überlassungsdauer nicht überschritten werden dürfte. Ein gesetzliches Verbot iSv § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegt nicht vor.


Etwas anderes ergibt sich nicht bei Auslegung der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nach den Vorgaben der EG-Leiharbeitsrichtlinie (RL 2008/104 EG vom 19.11.2008), die bis zum 05.12.2011 in nationales Recht umgesetzt werden musste. Die Richtlinie enthält ebenfalls kein Verbot dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung. Ein solches Verbot ergibt sich weder aus deren Präambel, noch aus dem in Art. 2 enthaltenen Ziel, noch aus den Begriffsbestimmungen in Art. 3 RL 2008/104 EG. Art. 5 Abs. 5 RL 2008/104 EG verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere aufeinander folgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen. Aufeinanderfolgende Überlassungen von Leiharbeitnehmern sind damit nicht generell untersagt. Die EG-Leiharbeitsrichtlinie verpflichtet zu Maßnahmen gegen die Umgehung der Bestimmungen der Richtlinie. Ein grundsätzliches Verbot der dauerhaften Überlassung regelt die Richtlinie nicht und erfordert die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht nicht.


Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass bei einem Verstoß gegen das (von der Kammer so nicht gesehene) Verbot der länger als nur „vorübergehenden Überlassung", der Zweck dieser (etwaigen) Verbotsnorm nur durch die Verhinderung der Einstellung erzielt werden kann. Eine solche Sanktion sieht das AÜG nicht vor. Zur Zweckermittlung eines solchen (etwaigen) Verbots ist somit auf die durch die EG-Leiharbeitsrichtlinie vorgegebene Zielsetzung zurückzugreifen. Nach Art. 2 RL 2008/104 EG müssen- bezogen auf die Leiharbeitnehmer - die Einhaltung des Grundsatzes deren Gleichbehandlung gesichert und ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden. Dieses Ziel erfordert nicht zwingend ein gesetzliches Verbot der Einstellung von Leiharbeitnehmern über eine bestimmte Zeit hinaus oder nur gekoppelt an einen Sachgrund. Näherliegend sind für die Kammer gesetzliche Verpflichtungen, die dauerhaft nur einem einzigen Entleiher überlassene Mitarbeiter nicht nur beim Bruttostundenlohn, sondern auch bei allen anderen wesentlichen, vor allem werthaltigen Konditionen wie Weihnachts-und Urlaubsgeld, leistungsabhängige Vergütung oder auch Urlaubsdauer der Stammbelegschaft gleichstellen.


bb Die Einstellung der 33 Leiharbeitnehmer führt bei der Stammbelegschaft nicht zu sonstigen Nachteilen wie vom Betriebsrat behauptet. Der Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG liegt nicht vor. Zum Teil ist der Betriebsrat mit diesem Grund ausgeschlossen.


Die Benachteiligung der Stammbelegschaft kann der Betriebsrat bei der Einstellung geltend machen, wenn Tatsachen die entsprechende Besorgnis begründen. Nachteile iSv § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG können z.B. im Verlust von Rechtspositionen oder in der Verschlechterung der gegenwärtigen Stellung eines Stammarbeitnehmers liegen.


Die dazu vom Betriebsrat zunächst abgegeben Begründung, die überdimensionierte Einstellung von Leiharbeitnehmern verursacht einerseits höheren (ca. 10-fachen) Aufwand bei der Betriebsratsarbeit und nimmt Zeitanteile für die Stammbelegschaft und beeinträchtigt andererseits Arbeitsabläufe wegen des erforderlichen Anlernens, trägt diesen Verweigerungsgrund nicht. Dafür, dass die Einstellung von Leiharbeitnehmer anstelle einer gleichgroßen Zahl Stammarbeitnehmer zu einem 10-fachen Mehraufwand bei der Betriebsratsarbeit und beim Anlernen der Mitarbeiter führt, sind Tatsachen vom Betriebsrat nicht behauptet und auch nicht ersichtlich. Ebenso fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Betriebsrats zu gefährdeten Rechtspositionen und/oder gegenwärtigen beruflichen Stellungen der Stammbelegschaft, verursacht durch Leiharbeit bedingten Mehraufwand in der Betriebsratsarbeit. Zu den pauschal behaupteten Störungen in den Arbeitsabläufen des Presswerkes kann es schon deshalb nicht kommen, weil die 33 betroffenen Leiharbeitnehmer unstreitig mit den Arbeitsabläufen vertraut sind.


Soweit der Betriebsrat darauf verweist, die Maßnahmen benachteilige Stammarbeitnehmer in ihrem beruflichen Aufstieg, ist er mit diesem Grund ausgeschlossen.


Der Betriebsrat hat erst im vorliegenden Beschlussverfahren, nicht aber schon im Zustimmungsverfahren behauptet, ein Teil der letztlich mit über 1.100 Leiharbeitnehmern besetzten Stellen, seien gehobenere Stellen oder solche mit besonderen fachlichen Anforderungen, auf die sich Stammarbeitnehmer im Rahmen der internen Ausschreibung der Stellen nur deshalb nicht bewerben, weil die Ausschreibung dieser Stellen nur befristet erfolgt. Dies benachteiligt die Stammarbeitnehmer im beruflichen Aufstieg.


Vorgenannter Grund ist tatsächlicher Art und hätte vom Betriebsrat innerhalb der einwöchigen Ausschlussfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG im Zustimmungsverfahren geltend gemacht werden müssen. Mit der Geltendmachung dieses Grundes erst im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren ist der Betriebsrat ausgeschlossen. Unabhängig davon ist vom Betriebsrat nicht behauptet, auch nur eine der hier zu besetzenden 33 Produktionsarbeiterstellen im Presswerk sei eine „Beförderungsstelle".


cc Dem Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG steht entgegen, dass es sich bei vorliegenden Maßnahme um Einstellungen handelt. Die Einstellung selbst kann bei den betroffenen 33 Leiharbeitnehmern nicht zu sonstigen Nachteilen führen.


Die Verlängerung des befristeten Einsatzes eines Leiharbeitnehmers stellt ein Einstellung iSv § 99 Abs. 1 BetrVG dar (vgl. BAG 23.01.2008, 1 ABR 17/06, BAGE 125; 306 ff.). Ansonsten wäre sie nicht mitbestimmungspflichtig nach vorgenannter Bestimmung. In der Einstellung kann für die Betroffenen keine Benachteiligung iSv § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG liegen (vgl. BAG 09.07.1996, 1 ABR 55/95, AP Nr 9 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung = NZA 1997, 447 ff), selbst wenn, wie der Betriebsrat meint, die Einstellung mit Verlusten in Rechtspositionen verbunden wäre. Hierauf hat die Arbeitgeberin zutreffend hingewiesen.


C


Der Feststellungsantrag ist begründet.


Der nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG vom Arbeitgeber zu stellende Feststellungsantrag ist nur dann unbegründet, wenn die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Das Merkmal "offensichtlich" erfordert eine grobe Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung der Personalmaßnahme seitens des Arbeitgebers (vgl. BAG 07.11.1977, 1 ABR 55/75, BAGE 29, 345 ff.). Für die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung einer Personalmaßnahme kommt es allein darauf an, ob es mit dem ordnungsgemäßen betrieblichen Ablauf zu vereinbaren ist, dass der Arbeitsplatz etwa für längere Zeit unbesetzt bleibt (vgl. BAG 06.10.1978, 1 ABR 51/77, AP Nr. 10 zu § 99 BetrVG 1972).


Die Antragstellerin hat bei der vorläufigen Einstellung der 33 Mitarbeiter die dafür erforderliche sachlich-betrieblichen Notwendigkeit nicht grob verkannt. Mit den von ihm erhobenen Gründen durfte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung der 33 Arbeitnehmer nicht verweigern. Die Antragstellerin musste die durch das erforderliche Zustimmungsersetzungsverfahren entstehende Verzögerung bei der Besetzung der 33 Arbeitsplätze, die zur Störung des Betriebsablaufs im Presswerk geführt hätte, nicht hinnehmen.


Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 2 a Abs. 1 ArbGG).

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