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Arbeitsrecht
30.05.2018
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Mehrarbeitsvergütung für Teilzeitbeschäftigte

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.1.2018 – 2 Sa 1364/17

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1331-5

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Für Teilzeitbeschäftigte ist ein Mehrarbeitszuschlag von 33 % zu zahlen, wenn sie nach dem MTV Systemgastronomie mehr als die vereinbarte Jahresarbeitszeit leisten und nicht erst dann, wenn sie die vereinbarte Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten.

§§ 3 Abs. 1; 4 Abs. 1 TVG i.V.m. §§ 4 Ziff. 4 Abs. 2 Satz 4; 4 Ziff. 4 Abs. 5; 4 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 3 MTV Systemgastronomie

Sachverhalt

Die Parteien streiten um tarifliche Mehrarbeitszuschläge für eine Teilzeitbeschäftigte. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung (im Folgenden: MTV).  Dort heißt es in den §§ 4 und 5:

㤠4 Arbeitszeit

1 Regelmäßige Arbeitszeit

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt, ausschließlich der Pausen, 39 Stunden pro Woche bzw. 169 Stunden monatlich.

Die Arbeitszeit wird in der Woche auf 5 Tage verteilt. Soweit durch die Anzahl der Arbeitstage in einem Kalendermonat bedingt eine Unterschreitung von 169 Stunden monatlich eintritt, ist dies im Jahresdurchschnitt wieder auszugleichen.

Eine abweichende Verteilung der Arbeitszeit kann einzelvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Eine solche Vereinbarung kann befristet werden. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sind zu beachten. Auf Wunsch des/der Beschäftigten  kann die Arbeitszeit auf 6 Tage in der Woche verteilt werden, vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien eine Verteilung der Arbeitszeit auf 6 Tage in der Woche, kann diese Regelung von dem/der Beschäftigten mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat einseitig widerrufen werden.

3 Jahresarbeitszeit

Die Arbeitszeit kann einzelvertraglich als Jahresarbeitszeit vereinbart werden. Bezugsgröße ist ein vorher festzulegender Zwölfmonatszeitraum. In diesem Fall beträgt die Jahresarbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit entsprechend weniger.

Bei Ein- beziehungsweise Austritten während des Zwölfmonatszeitraums erfolgt eine Berechnung  der anteiligen Jahresarbeitszeit nach vollen Kalendermonaten. Dies gilt entsprechend für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht.

Beschäftigte haben einen Anspruch auf gleichbleibendes monatliches Arbeitsentgelt von 100 % der monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit für eine  Vollzeittätigkeit.  Für eine Teilzeittätigkeit gilt dies entsprechend nach der durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit, die sich aus der vertraglichen Jahresarbeitszeit ergibt.

Monatlich sind mindestens 85 % der monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit abzunehmen. Monatlich ist eine Überschreitung der monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit um maximal 15 % zulässig. Für eine Teilzeittätigkeit gilt dies entsprechend.

Die Arbeitszeit wird dokumentiert und der/die Beschäftigte erhält auf Wunsch einen entsprechenden monatlichen Bericht.

Fehlzeiten ohne Arbeitsentgelt sowie Zeiten mit Entgeltfortzahlungen werden bei der Berechnung  der Jahresarbeitszeit pro Tag mit der Regelarbeitszeit des/der Beschäftigten pro Arbeitstag angerechnet. Bei Fehlzeiten ohne Arbeitsentgelt wird das Arbeitsentgelt entsprechend gekürzt.

Existierende Minusstunden am Ende des Zwölfmonatszeitraums verfallen. Im Falle des Ausscheidens eines/einer Beschäftigten ist in gleicher Weise zu verfahren.

4 Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschlag

Mehrarbeit im Sinne dieses Tarifvertrages ist diejenige Arbeitsleistung, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit nach Ziff. 1 hinaus geht und ausdrücklich vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde.

Mehrarbeit ist mit einem Zuschlag von 25 % des Bruttostundenentgelts gemäß den Bestimmungen des Entgelttarifvertrages zu vergüten. Für alle Neueinstellungen mit Beschäftigungsbeginn ab dem 1. Januar 2015 ist ein Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 20 % zu gewähren. Ab dem 1. Januar 2018 beträgt er auch für diese Beschäftigten 25 %. Mehrarbeit im Sinne der Jahresarbeitszeit ist mit einem Zuschlag von 33 % zu vergüten.

Mehrarbeit einschließlich der Zuschläge ist auf Wunsch des/der Beschäftigten durch Freizeit abzugelten, wenn und soweit keine betrieblichen Belange entgegenstehen.

Es kann einzelvertraglich eine pauschale Abgeltung der Mehrarbeit einschließlich der Zuschläge mit übertariflichen Entgeltbestandteilen vereinbart werden. Diese Regelungen müssen im Jahresdurchschnitt angemessen dotiert sein. Solche Regelungen können arbeitgeberseitig mit einzelnen Beschäftigten oder mit Gruppen von Beschäftigten vereinbart werden. Diese Vereinbarungen müssen die Höchstzahl der erfassten Überstunden und den Bemessungszeitraum beinhalten.

Bei einer festgelegten Jahresarbeitszeit nach Ziff. 3 ist Mehrarbeitszeit diejenige Arbeitsleistung, die vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde und die am Ende des Zwölfmonatszeitraums über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht.

§ 5 Teilzeit

1  Bei Beschäftigten in Teilzeit bestimmen sich die Arbeitszeit und die Lage der Arbeitszeit nach der zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarung.

2 Bei Teilzeitkräften richtet sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach den Bestimmungen des Entgelttarifvertrages und der jeweiligen Teilzeitquote, d. h. dem Verhältnis der vertraglichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft.

3 Die sonstigen tariflichen Leistungen stehen Teilzeitkräften anteilig entsprechend dem Verhältnis der von ihnen regelmäßig (für den Zeitraum von zwölf Monaten) erbrachten tatsächlichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zu, sofern in diesem Tarifvertrag nichts anderes bzw. abweichendes geregelt ist.

4 Sofern regelmäßig (über einen Zeitraum von drei Monaten) Arbeit, die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinausgeht, angeordnet, gebilligt oder geduldet sowie geleistet wird, kann der/die Beschäftigte eine entsprechende Neugestaltung des Arbeitsvertrages verlangen. Dies gilt nicht für Arbeitsverhältnisse mit Jahresarbeitszeitkonten gemäß § 4 Ziff. 3.

5 Bei Teilzeitkräften ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziff. 1 hinausgeht.“

Mit der Klägerin wurde unstreitig eine Jahresarbeitszeit in Höhe von 1298,88 Stunden vereinbart. Ausweislich der Abrechnung für 2016 (vgl. die Abrechnung in Kopie Bl. 10 d. A.) hat die Beklage 82,5 Stunden für den Zeitraum November 2015 bis Oktober 2016 als Mehrarbeit für einen in der Höhe unstreitigen Lohn in Höhe von 9,10 EUR pro Stunde abgerechnet und vergütet, jedoch darauf keine Mehrarbeitszuschläge gezahlt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 18.11.2016 auf der Basis der abgerechneten 82,5 Stunden 247,50 EUR als Mehrarbeitsvergütung gefordert. Das Schreiben ist bei der Beklagten am 06.01.2017 laut Eingangsstempel eingegangen (vgl. das Schreiben in Kopie Bl. 11 d. A.).

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 06.04.2017 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Überstundenzuschläge in Höhe von 247,75 EUR brutto nebst Zinsen (82,5 Stunden x 9,10 x 33 %) sowie eine Verzugspauschale in Höhe von 40,00 EUR netto gemäß § 288 Abs. 5 BGB verlangt und dies auf § 4 Ziff. 4 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 5 MTV gestützt. § 5 Ziff. 5 MTV finde keine Anwendung, da diese Norm nicht den Fall einer Mehrarbeit bei Vereinbarung eines Jahreszeitkontos regele, sondern nur den Fall der monatlichen Mehrarbeit.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 247,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, 40,00 EUR netto an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

                die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass § 5 Ziff. 5 MTV entweder direkt gelte, ein Anspruch der Klägerin also nur dann bestehe, wenn sie monatlich über 169 Stunden gearbeitet hätte, was unstreitig nicht der Fall sei, oder ergänzend jedenfalls so zu verstehen sei, dass ein Mehrarbeitszuschlag bei Teilzeitbeschäftigten, die eine Jahresarbeitszeit vereinbart hätten, erst dann bestehe, wenn sie die Jahresarbeitszeit einer Vollzeitkraft, also 2028 Stunden, überschritten hätte, und beruft sich auf entsprechende Rechtsprechung der Instanzgerichte, u.a. auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 11.07.2017 – 14 Sa 340/17 – Beck RS 2017, 137638 (vgl. die Entscheidung in Kopie Bl. 125 ff. d. A.) und des LAG Niedersachsen vom 06.11.2017 – 8 Sa 672/17 (siehe die Entscheidung in Kopie Bl. 150 ff. d. A.).

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage bis auf einen Betrag in Höhe von nur 0,25 EUR stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Anspruch der Klägerin aus § 4 Ziff. 4 Abs. 2 Satz 1 MTV ergebe, da die 82,5 Stunden im Sinne des § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV über die zwischen den Parteien vereinbarte Jahresarbeitszeit hinaus gearbeitet und jedenfalls von der Arbeitgeberin geduldet und gebilligt wurden, wie sich aus der Berücksichtigung dieser Stunden in der von der Arbeitgeberseite für Oktober 2016 erstellten Abrechnung, insbesondere der Auszahlung dieser Stunden  mit der Stundengrundvergütung an die Klägerin folgern lasse.

Dem stehe nicht entgegen, dass gem. § 5 Ziff. 5 MTV bei Teilzeitkräften nur diejenige Arbeitszeit Mehrarbeit sei, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziff. 1 MTV hinausgehe. Zwar werde durch diese Regelung die den Zuschlagsanspruch auslösende Mehrregelung bei Teilzeitarbeitnehmern dahingehend definiert, dass sie nicht bereits mit der Überschreitung der individuell vereinbarten Arbeitszeit  des in Teilzeit Beschäftigten beginne, sondern erst dann, wenn die Regelarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten werde. Die Bestimmung gelte hingegen bereits dem Wortlaut nach ausschließlich für diejenigen, die mit einer Wochen- oder Monatsarbeitszeit zu beschäftigen seien, wie die ausdrückliche Benennung des § 4 Ziff. 1 MTV einerseits und die Formulierung des § 5 Ziff. 5 MTV erkennen ließen. Dort sei wie in § 4 Ziff. 1 MTV von regelmäßiger Arbeitszeit die Rede, während die Klägerin mit einer Jahreszeitarbeitsvereinbarung nach § 4 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. MTV tätig sei. Für die Bestimmung der Mehrarbeit werde gemäß § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV bei der Jahresarbeitszeit nicht die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten (oder das Verhältnis der vertraglichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft), sondern die vereinbarte Arbeitszeit, d. h. die der vertraglichen Übereinkunft mit dem jeweiligen Arbeitnehmer individuell entsprechende Arbeitszeit herangezogen.

In Ansehung der unterschiedlichen, eigenständigen Anknüpfungspunkte, nämlich der regelmäßigen Arbeitszeit für die Wochen- und Monatsarbeitszeit einerseits und der vereinbarten Arbeitszeit für die Jahresarbeitszeit andererseits sei die Jahresarbeitszeit nicht bloßer Unterfall der Wochen- oder Monatsarbeitszeit, § 5 Abs. 5 MTV damit nicht die speziellere Norm im Verhältnis zu § 4 Abs. 4 Ziff. 5 MTV, die letztere regele die Mehrarbeit bei Jahresarbeitszeitvereinbarungen, während erstere die Mehrarbeit bei Teilzeitarbeitnehmern in Wochen- oder Monatsarbeitszeit zum Gegenstand habe.

Hätten die Tarifvertragsparteien bei Teilzeitarbeitnehmern mit Jahresarbeitszeitvereinbarung den Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst dann gewähren wollen, wenn diese die Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten hätten, wäre dies durch entsprechende Formulierung insbesondere des § 5 Ziff. 5 MTV unschwer möglich gewesen, z. B., indem die Worte „regelmäßige monatliche“ einerseits und die Benennung des § 4 Ziff. 1 MTV andererseits unterblieben wären. Wäre das gegenteilige Ergebnis gewollt gewesen, so ergäbe die Aufnahme dieser Worte keinen Sinn.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Teilzeitarbeitskräfte hinsichtlich der Mehrarbeitsdefinition ausschließlich wie andere Teilzeitarbeitskräfte behandelt, ihre Mehrarbeit (nur) bei Überschreitung einer regelmäßigen Monatsarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten ermittelt werden solle, lägen nicht vor, zumal in diesem Fall die mit der Jahresarbeitszeitvereinbarung bezweckte erhöhte Flexibilität gemäß § 4 Ziff. 3 Abs. 4 MTV entfiele. Auch das nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für die Teilzeitbeschäftigten mit Jahresarbeitszeit, welche dem Arbeitgeber gegenüber anderen Teilzeitbeschäftigten weitergehende Zeitdispositionen ermöglichten, einer „Doppelschranke“ gelten solle, Mehrarbeit also erst vorliegen solle, wenn sowohl die regelmäßige Vollarbeitszeit von 169 Stunden monatlich als auch die Arbeitszeit von 2028 Stunden jährlich überschritten wäre (womit diese Arbeitnehmergruppe regelmäßig vollständig von Ansprüchen auf Mehrarbeitszuschläge nach § 4 Ziff. 4 Abs. 2 MTV ausgeschlossen wäre), sei mangels entsprechender Anknüpfungspunkte nicht anzunehmen.

Die entsprechend ausgelegten Bestimmungen des MTV verstießen auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.

Der Anspruch der Klägerin sei nur in Höhe von 0,25 EUR brutto mangels Wahrung der ersten Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach §  15 Abs. 1 MTV erloschen, da die Forderung nicht binnen 4 Monaten nach ihrer Fälligkeit gemäß § 3 Nr. 6 MTV in voller Höhe geltend gemacht worden sei.

Der Zinsanspruch der Klägerin beruhe auf §§ 291; 288 Abs. 1; 247 BGB. Der Klägerin stehe daneben auch eine Verzugspauschale in Höhe von 40,00 EUR netto gemäß § 288 Abs. 5 BGB zu. § 288 Abs. 5 BGB finde auch auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Die Berufung werde für die Beklagte zugelassen.

 

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.08.2017 (Bl. 78 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 15.09.2017 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 11.10.2017 im Original eingegangene und am 14.11.2017 im Original begründete Berufung der Beklagten.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag unter Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Urteilsbegründung und meint im Wesentlichen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 5 Ziff. 5 MTV Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten nur diejenige Arbeitszeit sei, die über die monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziffer 1 MTV hinausgehe, also pro Monat 169 Stunden überschreite. Dies sei bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall. § 5 Ziffer 5 MTV enthalte eine Sonderregelung für Teilzeitkräfte, egal ob diese in der Jahresarbeitszeitregelung oder in einer monatlichen Arbeitszeit arbeiteten. § 5 Ziffer 5 MTV gehe § 4 Ziffer 3 Abs. 1 in Verbindung mit Ziffer 4 Abs. 2 und Absatz 5 MTV als Spezialregelung vor.

Bei einem anderen Verständnis der tarifvertraglichen Regelungen würden diejenigen Teilzeitbeschäftigten mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit gegenüber den Teilzeitbeschäftigten ohne Jahresarbeitszeit bessergestellt, da die Teilzeitbeschäftigten mit Jahresarbeitszeit Zuschläge erhalten würden, sofern deren Jahresarbeitszeitkonto überschritten sei. Die Teilzeitbeschäftigten ohne Jahresarbeitszeit würden jedoch – nach dem Wortlaut des § 5 Ziffer 5 MTV – Zuschläge erst dann erhalten, wenn sie mehr Stunden als eine Vollzeitkraft leisten würden. Eine derartige Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten mit und ohne vereinbarte Jahresarbeitszeit könne auch von den Tarifvertragsparteien so nicht gewollt sein, da die eine Gruppe der anderen gegenüber erheblich bessergestellt würde, ohne dass es dafür einen sachlich nachvollziehbaren Grund gebe. Auch hiermit setzt sich das erkennende Gericht nicht auseinander.

Selbst wenn man § 5 Ziffer 5 MTV wie das LAG Düsseldorf oder das LAG Niedersachsen ergänzend so lesen würde, dass im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm bei Teilzeitbeschäftigten mit Jahresarbeitszeitkonten Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit sei, die über die Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehe, wäre dies vorliegend unstreitig nicht erfüllt, da die Klägerin nicht über 2028 Stunden im Jahr gearbeitet habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin die Klägerin mit ihrer Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das LAG Düsseldorf ergänze in unzulässiger Weise eine Tarifnorm, ohne nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Norm auszulegen.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 13.11.2017 (Bl. 115 ff. d. A.) und der Klägerin vom 09.01.2018 (Bl. 144 ff. d. A.) verwiesen.

Aus den Gründen

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 a, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache ist die Berufung der Beklagten jedoch nicht begründet. Zu Recht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage zum größten Teil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und verweist im Hinblick auf den Vortrag in der Berufungsinstanz und insbesondere im Hinblick auf die beiden von den Parteien diskutierten Entscheidungen des LAG Düsseldorf und des LAG Niedersachsen nur auf Folgendes:

1.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe von unstreitigen 82,5 Stunden x 9,10 EUR x 33 % Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 247,75 EUR entstanden ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 4 Ziffer 4 Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 4 Ziffer. 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Ziffer 3 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbs. MTV. Denn die Klägerin hat unstreitig in der Jahresarbeitszeit gearbeitet, am Ende des Zwölfmonatszeitraums hatte die Klägerin unstreitig 82,5 Stunden Mehrarbeit geleistet und deshalb steht ihr ein Anspruch in Höhe von 33 % Mehrarbeitsvergütungszuschläge zu.

b)

Dem steht nicht § 5 Ziffer 5 MTV entgegen, wonach bei Teilzeitbeschäftigten Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit ist, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziffer 1 MTV hinausgeht.

aa)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG 26.04.2017 – 10 AZR 589/15 – zitiert nach juris Rz. 14 m. w. N.).

bb)

Danach könnte man nach dem Wortlaut des § 5 Ziffer 5 MTV der Meinung sein, dass auch bei der Vereinbarung eines Jahresarbeitszeitkontos bei Teilzeitbeschäftigten Mehrarbeit nur vorliegt, wenn die regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 169 Stunden, also die Tätigkeit einer Vollzeitkraft überschritten wird (so LAG Düsseldorf, a. a. O., Rz. 43 ff.).

cc)

Eine derartige Auslegung würde die Sonderregelung des MTV systemwidrig nicht beachten, die die Jahresarbeitszeit regeln und diese vergüten (so auch LAG Düsseldorf, a. a. O., Rz. 44). Würde man § 5 Ziffer 5 MTV wörtlich nehmen und beispielsweise eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 150 Stunden im Monat annehmen, wäre diese Tätigkeit zum einen noch erfasst in der in § 4 Ziffer 3 Abs. 4 geregelten Bandbreite von 85 % bis 115 %, wenn ein Teilzeitarbeitnehmer 172,5 Stunden im Monat arbeitete. Er hätte nach der wörtlichen Auslegung von § 5 Ziffer 5 MTV Mehrarbeit geleistet und müsste für einen derartigen Monat Mehrarbeitszuschläge erhalten. Demgegenüber wollten die Tarifvertragsparteien gerade nicht auf die monatliche Arbeitszeit abstellen, sondern bei einem Jahresarbeitszeitkonto die Mehrarbeit nicht auf den einzelnen Monat beziehen, sondern auf einen Jahreszeitraum von zwölf Monaten, wie dies § 4 Ziffer 4 Abs. 5 MTV ausdrücklich regelt. Entgegen der Auslegung des LAG Düsseldorf und des LAG Niedersachsen ist § 5 Abs. 5 MTV gerade nicht lex spezialis gegenüber § 4 Ziffer 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Ziffer 3 Abs. 1 MTV, sondern umgekehrt ist § 4 Ziffer 4 Abs. 5 MTV die speziellere Regelung für Mehrarbeit in Jahresarbeitszeitverhältnissen, die für Teilzeitbeschäftigte in § 5 Ziffer 5 MTV nicht erfasst werden.

dd)

Entgegen der Auffassung insbesondere des LAG Düsseldorf (a. a. O., Rz. 47) kann auch § 5 Abs. 5 MTV nicht dahingehend ergänzt werden, dass es heißen muss: „…Bei Teilzeitkräften ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziffer 1 bzw. bei Vereinbarung eines Jahresarbeitszeitkontos über die Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgeht.“ Eine derartige ergänzende Auslegung würde voraussetzen, dass damit kein Eingriff in die durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrages scheidet nämlich aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. nur BAG 14.09.2016 – 4 AZR 1006/13 – zitiert nach juris, Rz. 21 m. w. N.).

ee)

In Ausfüllung dieser Grundsätze ist vorliegend schon keine unbewusste Lücke in der Regelung des Tarifvertrages zu sehen. Denn gerade in § 5 MTV haben die Tarifvertragsparteien bei den speziellen Regeln für Teilzeittätigkeiten gesehen, dass es auch Jahresarbeitszeitkonten für Teilzeitkräfte gibt. Sie haben in unmittelbarer Nähe von § 5 Ziffer 5 MTV in § 5 Ziffer 4 MTV geregelt, dass Teilzeitbeschäftigte, die regelmäßig über einen Zeitraum von drei Monaten Mehrarbeit leisten, eine entsprechende Neugestaltung ihres Arbeitsvertrages verlangen können. Dies gilt ausdrücklich nicht für Arbeitsverhältnisse mit Jahresarbeitszeitkonten gemäß § 4 Ziffer 3 MTV. Wenn dann unmittelbar danach im MTV die Mehrarbeit für Teilzeitkräfte ohne den Bezug auf Arbeitsverhältnisse mit Jahresarbeitszeitkonten geregelt wird, kann von einer unbewussten Lücke nicht ausgegangen werden. Vielmehr bleibt es dabei, dass bei der Vereinbarung von Jahresarbeitszeitkonten die Mehrarbeit nach Abschluss des Zwölfmonatszeitraums nicht nur vergütet wird, sondern auch mit einem Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 33 % zu vergüten ist.

ff)

Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den aus Artikel 3 GG abgeleiteten Gleichheitsgrundsatz. Denn wie die Tarifvertragsparteien selbst entschieden haben, bestehen Unterschiede zwischen Teilzeitbeschäftigten mit und ohne Jahresarbeitszeitkonten. Während Teilzeitbeschäftigte ohne Jahresarbeitszeitkonten bereits in einem Monat Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschläge verlangen können, wenn sie über 169 Stunden arbeiten (was je nach Fall durchaus nicht selten sein muss, siehe das obige ausgeführte Beispiel), werden Überstunden im Jahresdurchschnitt eher seltener sein, weil das Jahresarbeitszeitkonto ja gerade dazu bestimmt ist, Überstundenvergütungen zu vermeiden, die in einzelnen Monaten anfällt, während es in anderen Monaten eher weniger zu tun gibt. Da Teilzeitbeschäftigte mit Jahresarbeitszeitkonto ihre monatliche Arbeitszeit auch nicht aufstocken können gemäß § 5 Ziffer 4 MTV, gibt § 4 Ziffer 4 Abs. 2 MTV einen Ausgleich. Damit werden ungleiche Sachverhalte ungleich geregelt.

Es besteht auch gegenüber Vollzeitbeschäftigten kein Verstoß gegen Artikel 3 GG. Die Tarifvertragsparteien können die Regelung von Mehrarbeitszuschlägen an die Regelungen für Vollzeitkräfte anknüpfen, sie müssen dies aber nicht.

2.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Berlin auch entschieden, dass der Anspruch der Klägerin in Höhe von 0,25 EUR verfallen ist, da die Klägerin diesen Differenzbetrag nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Insofern ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin rechtskräftig geworden.

3.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin der Klägerin auch die Zinspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB in Höhe von 40,00 EUR netto zugesprochen. Die Beklagte war in Verzug, § 288 Abs. 5 BGB gilt auch für Arbeitsverhältnisse (vgl. nur die Begründung des LAG Berlin-Brandenburg 14.11.2017 – 11 Sa 1102/17 – zitiert nach juris, Rz. 135 ff; LAG Baden-Württemberg 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 – zitiert nach juris; LAG Berlin-Brandenburg 22.03.2017 – 15 Sa 1992/16 – zitiert nach juris; LAG Düsseldorf 27.10.2017 – 10 Sa 308/17 – zitiert nach juris; LAG Baden-Württemberg 09.10.2017 – 4 Sa 8/17 – zitiert nach juris; LAG Köln 16.08.2017 – 3 Sa 15/17 – zitiert nach juris).

III.

Die Beklagte trägt daher die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO bei einem Streitwert von 247,50 EUR in der zweiten Instanz.

IV.

Für die Beklagte war die Revision sowohl wegen der Divergenz zu den angesprochenen Entscheidungen des LAG Düsseldorf und des LAG Niedersachsen als auch wegen grundlegender Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und Ziffer 2 ArbGG zuzulassen.

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