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Arbeitsrecht
27.06.2014
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Loyalitätspflicht und Gefühlsimpuls des Arbeitnehmers

ArbG Berlin, Urteil vom 20.12.2013 – 28 Ca 13574/13

 

Leitsätze

 

I. Es stellt für sich genommen im Lichte (auch) grundrechtlicher Gewährleistungen im Arbeitsverhältnis (Art. 1 Abs. 1,2 Abs.1,5 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2 GG) weder eine Verletzung vertraglicher Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers (§ 241 Ab. 2 BGB) dar, als bloßen Gefühlsimpuls die innere Regung zu verspüren, dem Arbeitgeber „am liebsten eine zu scheuern“, noch, einem Arbeitskollegen fernab des Geschehens hiervon zu berichten. Das gilt erst Recht, wenn der Arbeitnehmer nach den Umständen solcher Selbstoffenbarung davon ausgehen darf, dass darüber Vertraulichkeit gewahrt bleibt.

 

II. Lässt sich der Arbeitgeber entsprechende Begebenheiten von Dritten zutragen, so ist er vor Ausspruch einer darauf gestützten Kündigung regelmäßig gehalten, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sich zu den betreffenden Schilderungen der fraglichen Gewährsperson zu äußern (s. dahin schon BAG 14.07.1960 – 2 AZR 64/59 – AP § 123 BGB Nr. 14 [IV.6 b]; s. auch bereits BGH 29.11.1956 – III ZR 50/55 – BGHZ 22, 258, 267: „Fundamentalgrundsatz jeder rechtsstaatlichen Ordnung“). Kündigt der Arbeitgeber ohne einen solchen Klärungsversuch, so ist die Kündigung schon wegen fehlender Anhörung der Zielperson unwirksam.

 

Sachverhalt

 

Es geht (zunächst) um auf vertragliches Fehlverhalten gestützte – vorzugsweise fristlose – Kündigung. - Vorgefallen ist folgendes:

 

I. Der (heute[1]) 46-jährige Kläger trat im August 2008 als „Berufsfachschullehrer für Fotografie“(2) (Kopie Anstellungsvertrag: Urteilsanlage I.) in die Dienste der Beklagten, die mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten(3) auf dem Bildungsmarkt „etabliert“ ist und eigenen Angaben zufolge „zu den größten Bildungsträgern in Berlin“ zählt(4). Hier bezog er zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, als „Fachbereichsleiter und Dozent Foto“(5) ein Monatsgehalt von durchschnittlich 3.016,69 Euro(6) (brutto).

 

II. Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

 

1. Am 20. August 2013 veranstaltete die Beklagte eine Foto-Ausstellung im „F. F. Kreuzberg“(7). Diese richtete sich neben den Schülern und Mitarbeitern der Beklagten an deren Angehörige, zukünftige Schüler, potentielle Interessenten und Pressevertreter(8). Bei dieser Gelegenheit kam es zu Äußerungen des Klägers, über deren Inhalt, Beteiligte und situativen Rahmen die Darstellungen der Parteien (weit) auseinander gehen.

 

a. Die Beklagte lässt hierzu – und zu den Anschlussaktivitäten ihres Geschäftsführers - folgendes vortragen(9):

 

 „Im Rahmen dieser Veranstaltung äußerte der Kläger gegenüber Dritten wiederholt, er hätte den Geschäftsführer der Beklagten am liebsten ,ins Gesicht gespuckt‘, bzw. ihm ,am liebsten ins Gesicht geschlagen‘. [Beweis: Zeugnis Herren A. B.(10); M. K.(11); Frau H. T.(12)].

 

Die Beklagte erhielt hiervon am 23. August 2013 in einem persönlichen Gespräch mit dem Zeugen B. Kenntnis und konnte den Sachverhalt durch Befragen von Teilnehmern der Veranstaltung am 26. August 2013 bestätigen. [Beweis: wie zuvor].

 

Im Rahmen der Gespräche wurde deutlich, dass der Kläger vergleichbare Veranstaltungen regelmäßig für despektierliche, abwertende und geschäftsschädigende Äußerungen im Bezug auf den Geschäftsführer der Beklagten und andere leitende Mitarbeiter nutzt. So z.B. auch während der Fotoausstellung in der Landesvertretung Brandenburg in der Zeit 13. Dezember bis 21. Dezember 2012. [Beweis: … ].

 

Der Kläger stellt den Sachverhalt auch unstreitig, insbesondere wiederholte er seine Aussage im Gütetermin am 23. Oktober 2013“.

 

b. Dem lässt der Kläger folgendes entgegen halten(13):

 

„Bestritten wird die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe wiederholt gegenüber Dritten geäußert, er hätte den Geschäftsführer der Beklagten am liebsten ,ins Gesicht gespuckt‘, bzw. ihm ,am liebsten ins Gesicht geschlagen‘. [Gegenbeweis: Zeugnis Herren(14)K. und T.].

 

Die Zeugen K. und T. haben die von der Beklagten behaupteten Äußerungen ebenso wenig gehört, wie die nachfolgend zugestandene.

 

Der Kläger stellte diesen Vortrag auch nicht in der Güteverhandlung unstreitig. Der Kläger hatte lediglich eingeräumt, gegenüber dem Zeugen B.(15) von einer Gefühlsaufwallung berichtet zu haben, die ihn am 17.08.2013 anlässlich einer sehr ausschweifenden Abschlussveranstaltung überkam. In den Vorjahren wurden solche Abschlussveranstaltungen mit einem Budget von 10.000 – 15.000 EUR durchgeführt. Auf den Veranstaltungen wurden lediglich die 3 Fachbereiche Foto/Grafik/Mode der Designschule und 2 Klassen der Fachoberschule verabschiedet. Zu den Veranstaltungen kamen in den letzten Jahren immer weniger Besucher, im Schnitt geschätzt ca. 600 Gäste.

 

Im Jahr 2013 sollte die Veranstaltung für alle Berufsausbildungs-Abschlussklassen von BEST-Sabel durchgeführt werden. Man erwartete sich eine Potenzierung der Besucherzahlen und der medialen Aufmerksamkeit. Insbesondere die Öffentlichkeit sollte zu dieser Veranstaltung gezogen werden. Zu diesem Zweck wurden 2 Etagen des Postbahnhofs am Ostbahnhof und der benachbarte F.-Club angemietet. Nach der Einschätzung des Klägers wurde für die Veranstaltung ein Budget von ca. 50.000 EUR ausgegeben (ohne Personal, das von der Beklagten gestellt wurde). Alleine das für Absolventen und Angehörige kostenlose Buffet hat nach Aussage [des] Zeugen B. vom 20.08.2013 14.000 EUR gekostet. Eine Steigerung der externen Besucherzahlen oder von Pressevertretern war an dem Abend für den Kläger nicht erkennbar, die Hallen waren zum größten Teil leer. [Beweis: Zeugnis B., K., T.].

 

Wenige Wochen zuvor kündigte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger in einem Gespräch an, im Rahmen einer einvernehmlichen Vereinbarung oder Änderungskündigung die Wochen-Stundenzahl zu reduzieren. Zur Begründung verwies der Geschäftsführer auf die schlechte wirtschaftliche Lage. Für den Kläger ergab sich ein deutliches Missverhältnis zwischen der beabsichtigten Änderungskündigung und der opulenten Feier. Als ihn dann der Geschäftsführer am Abend des 17.08.2013 zudem sehr distanziert begrüßte und ihm die Hand gab, stieg Ärger im Kläger auf, den er am 20.08.2013 verbalisierte.

 

Nur davon hatte er berichtet mit dem Worten: ,da hätte ich ihm am liebsten eine gescheuert‘. …

 

Die Äußerung gegenüber dem Zeugen B. stellt keine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht dar. Es war eine rein persönliche, nicht öffentliche und noch dazu vertrauliche Bekundung einer emotionalen Regung gegenüber einem Arbeitskollegen“.

 

2. Fest steht, dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 2. September 2013(16) (Kopie: Urteilsanlage II.), das diesen am selben Tage erreichte, durch ihren Geschäftsführer folgendes wissen ließ:

 

„Fristlose Kündigung Ihres Anstellungsvertrages

 

… ich kündige Ihren Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2005 fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

 

Zum Sachverhalt:

 

Die Kündigung erfolgt wegen Beleidigung und Herabwürdigung des Geschäftsführers bei einer öffentlichen Veranstaltung am 17. August 2013 gegenüber Mitarbeitern und Besuchern.

 

Am 23. August 2013 erhielt ich erste Hinweise die sich dann am 26. August 2013 bestätigten.

 

Durch dieses massive Fehl[v(17)]erhalten sehe ich keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit.

 

Bitte vereinbaren Sie mit Ihrem Abteilungsleiter einen Termin für die Übergabe aller Ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialien. … “.

 

III. Gegen diese Kündigung(en) richtet sich die vorab per Fax am 16. September 2013 bei Gericht eingegangene und der Beklagten eine Woche später (23. September 2013) zugestellte Kündigungsschutzklage. Der Kläger bestreitet, der Beklagten einen Grund für eine – gar abrupte – Kündigung gegeben zu haben(18). Er hat in der Klageschrift für den Fall der Stattgabe zugleich seine Prozessbeschäftigung verlangt. - Mit einem zum Kammertermin am 13. Dezember 2013 gestellten Schriftsatz erstreckte der Kläger seine Antragsbegehren um den Wunsch nach gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung (nicht unter 24.000,-- Euro) und nach Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise Endzeugnisses.

 

IV. Der Kläger beantragt zuletzt,

 

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. September 2013 nicht aufgelöst worden ist;

 

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht;

 

3. die Beklagte für den Fall, dass sie nicht im Gütetermin zu Protokoll des Gerichts erklärt, ihn weiterzubeschäftigen, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, zu verurteilen, ihn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Berufsfachschullehrer für Fotografie zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.016,69 Euro weiter zu beschäftigen;

 

4. das Arbeitsverhältnis für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. zum 31. Dezember 2013 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Abfindung zu zahlen, die den Betrag von 24.000,-- Euro nicht unterschreiten sollte;

 

5. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis – für den Fall des Obsiegens mit dem Auflösungsantrag ein Endzeugnis – zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Leistung und Verhalten(19) erstreckt.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

V. Sie hält die Klagebegehren der Sache nach für insgesamt haltlos. Insbesondere habe der Kläger einen Grund zur fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB(20) verwirklicht(21): Denn die Äußerung, „jemandem ins Gesicht spucken zu wollen oder ins Gesicht zu schlagen“, zeuge „von einer charakterlosen, menschenverachtenden und zutiefst verletzenden Form der Beleidigung“(22). Seine „beleidigenden und geschäftsschädigenden Äußerungen“ bei der Veranstaltung „insbesondere als Repräsentant einer elitären Bildungseinrichtung der Beklagten“ stellten, wie sie meint, für sich genommenen „einen fristlosen Kündigungsgrund“ dar(23). Mit diesem Verhalten zerstöre der Arbeitnehmer regelmäßig das „Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit“(24). Angesichts „der Charakterlosigkeit und der – auch weiterhin – fehlenden Reue des Klägers“ bestehe, wie die Beklagte meint, weiter die Gefahr, dass er sich gegenüber seinen Schülern, deren Angehörigen oder Dritten „weiterhin abfällig und geschäftsschädigend“ äußere(25). Er habe mit allem „bewusst und steuerbar die Grenzen in seinem Arbeitsverhältnis erheblich überschritten und schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen“(26).

 

VI. Hierzu legt der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013 unter anderem Wert auf die Feststellung, er habe bereits in der Güteverhandlung betont, gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten zu keinem Zeitpunkt körperlich oder verbal beleidigend aufgetreten zu sein(27). Er habe seinen Gefühlen auch am 17. August 2013 in keiner Weise Ausdruck verliehen und mit niemandem darüber gesprochen(28). Er habe lediglich in einem Gespräch mit Herrn B. am 20. August 2013 von seiner emotionalen Bewegung berichtet(29). Zudem habe er in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass er dieser Regung irgendwann einmal folgen würde(30). - Mit ihrer gegenläufigen Sicht verkenne die Beklagte deutlich die Situation und werte diese daher ihren Worten von einer „charakterlosen, menschenverachtenden und zutiefst verletzenden Form der Beleidigung“ fehlerhaft(31). Es habe sich, wie bereits erwähnt (s. oben, S. 4 [vor 2.]), um „eine rein persönliche, nicht öffentliche und noch dazu vertrauliche Bekundung einer emotionalen Regung gegenüber einem Arbeitskollegen“ gehandelt(32). Demgegenüber argumentiere die Beklagte, als habe er tatsächlich gespuckt, geschlagen oder sich gegenüber Dritten darüber geäußert, dass er dies getan habe(33). Nichts davon sei jedoch der Fall und werde auch nicht behauptet(34). - Da sich seine Bemerkung als höchstpersönliche Meinungsäußerung darstelle, seien im Übrigen die diesbezüglichen Grundsätze zum Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG[35]) zu berücksichtigen(36). Auf diesem Hintergrund stelle sich als angemessene Reaktion – sofern ein Fehlverhalten überhaupt zu bejahen sei – allenfalls die Abmahnung dar(37). - Unabhängig davon habe er bereits im Gütetermin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich für die bewusste Äußerung entschuldige und bitte nochmals und dennoch aus echt empfundener Reue um Entschuldigung(38).

 

VII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen des Klägers im vorerwähnten Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, weil die Beklagte dazu kein ausreichendes rechtliches Gehör erhalten hat. Soweit hier aus diesem Schriftsatz zitiert (s. oben, S. 3-4 [b.]) oder berichtet wird (s. oben, S. 5 [VI.]), geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.

 

Aus den Gründen

 

A. Da der Rechtsstreit im aus dem Tenor ersichtlichen Umfange entscheidungsreif ist, hat das Gericht insoweit aufgrund der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG(39), §§ 495 Abs. 1(40), 301 Abs. 1 Satz 1(41) ZPO Teilurteil erlassen.

 

B. Diesbezüglich ist den Klagebegehren der erstrebte Erfolg nicht zu versagen. - Im Einzelnen:

 

I. Der Kündigungsschutz (Klageantrag zu 1.)

 

Die Kündigungsschutzklage erweist sich als begründet: Die Kündigung im Schreiben vom 2. September 2013 (Urteilsanlage II.) hat das Arbeitsverhältnis des Klägers weder sofort mit Zugang aufgelöst, noch wird sie Lösungswirkung mit Ablauf einer Kündigungsfrist erzielen. Sie ist unwirksam. - Der Reihe nach:

 

1. Der Kläger hat seine Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (2. September 2013) bei Gericht einreichen lassen (16. September 2013). Die Zustellung ist am 23. September 2013 bewirkt worden. Damit hat der Kläger selbst ohne die anderenfalls rechtlich gebotene(42) Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO(43) die ihm durch die §§ 13 Abs. 1 Satz 2(44), 4 Satz 1(45) KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2(46), 7 (1. Halbsatz)(47) KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier in erster Linie sogenannten „wichtigen“) Grundes und darf – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.

 

2. Diesen Anforderungen genügt die hiesige Kündigung nicht. Der Kläger hat der Beklagten keinen Grund gegeben, sein Arbeitsverhältnis – gar fristlos - aufzukündigen. Die Kündigung wäre schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(48) „sozial gerechtfertigt“(49). Sie könnte sich folglich erst Recht nicht auf einen sogenannten „wichtigen“ Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB(50) stützen. Jedenfalls lässt sich dem Vorbringen der für die kündigungsrelevanten Tatsachen darlegungs- und beweisbelasteten(4) Beklagten ein Kündigungsgrund im Sinne der zitierten Vorschriften nicht entnehmen. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:

 

a. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(52) ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel [53]) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten erklärtermaßen um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte. Als Grundstein setzt eine so motivierte Kündigung(54) eine – in aller Regel: vorwerfbare - Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraus(55).

 

b. Eine derartige Sachlage ist hier, wie gerade vorausgeschickt, nicht feststellbar. Damit ist das Schicksal der Kündigung(en) im Schreiben vom 2. September 2013 hier bereits zum Auftakt ihrer rechtlichen Nachprüfung besiegelt:

 

ba. Der Beklagten ist allerdings unumwunden einzuräumen, dass sich aus den Grundsätzen des § 241 Abs. 2 BGB(56) für die Beteiligten eines Schuldverhältnisses unter anderem die Verpflichtung zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils ergibt. Das hält zu pfleglichem Umgang miteinander an. Insbesondere gehört hierzu das elementare Gebot, sich jeder – zumal öffentlichen – Beleidigung (s. § 185 StGB[57]) und/oder übler Nachrede (§ 186 StGB[58]) bzw. Verleumdung (§ 187 StGB[59]) des Vertragspartners zu enthalten.

 

(1.) Freilich liegt auch hier – wie so oft im Leben - derartig vieles „im Auge des Betrachters“, dass die Gerichte für Arbeitssachen mittlerweile mannigfache Gelegenheit hatten, sich mit (auch öffentlich) diskreditierenden Äußerungen von Arbeitnehmern über ihre Arbeitgeber zu befassen. Nach welchen Kriterien dies mit Rücksicht auf beteiligte Kommunikationsgrundrechte des Arbeitnehmers (s. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG[60], Art. 17 GG[61]) hinzunehmen und bei allem Ärger eben auch auszuhalten ist, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für den neueren(62) Erkenntnisstand im Juni 2004 mit diesen Worten illustriert(63):

 

„Bei der Konkretisierung der hier allein in Betracht kommenden Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) sind die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit, hinreichend zu beachten (…). …

 

aa) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ist für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend. Es gewährleistet eine der wesentlichen Äußerungsformen der menschlichen Persönlichkeit. Auf Grund seiner großen Bedeutung ist seine Berücksichtigung jeweils im Rahmen des Möglichen geboten (...). Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG wäre es unvereinbar, wenn das Grundrecht in der betrieblichen Arbeitswelt, die für die Lebensgrundlage zahlreicher Staatsbürger wesentlich bestimmend ist, gar nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre (…). Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (…). Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit (…).

 

bb) … cc) Allerdings wird das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen gebracht werden (…). Dabei gibt die Verfassung das Ergebnis einer solchen Abwägung nicht vor. Dies gilt insbesondere, wenn, wie hier, auch auf Seiten des Arbeitgebers eine verfassungsrechtlich geschützte Position in Betracht kommt. Durch Art. 12 GG(64) wird die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers, die insbesondere durch eine Störung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens berührt werden kann, geschützt (…). … Auch gehört die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB) zu den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet aber eine Wechselwirkung statt. Insbesondere die Regelung des § 241 BGB muss ihrerseits der Wert setzenden Bedeutung des Grundrechts in einem freiheitlichen demokratischen Staat Rechnung tragen. Dem besonderen Wertgehalt des Art. 5 GG, der für eine grundsätzliche Freiheit der Meinungsäußerung streitet, muss die gebührende Beachtung geschenkt werden. Die diesem Grundrecht Schranken setzenden Regelungen und gegenläufigen Positionen müssen deshalb ihrerseits aus der Erkenntnis der Wert setzenden Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ausgelegt und so in ihrer dieses Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (…). Dementsprechend ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellt (…). Ansonsten kommt es für die Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und den Rang des durch die Meinungsfreiheit beeinträchtigten Rechtsguts auf die Schwere der Beeinträchtigung des betroffenen Rechtsguts an. Bei einer Meinungsäußerung, die im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolgt, spricht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich eine Vermutung für die Freiheit der Äußerung; bei Äußerungen, die im Zuge einer privaten Auseinandersetzung gefallen sind, gilt eine solche Vermutungsregel nicht (...)(65)“.

 

Dem entspricht die mittlerweile eingespielte Folgejudikatur(66).

 

(2.) Eine „Seitenlinie“ dieser Judikatur, der nach den situativen Erläuterungen des Klägers (s. oben, S. 4 [vor 2.]; S. 6 [VI.]) nicht zuletzt auch für den Streitfall gesteigertes Augenmerk zu widmen wäre, hat sich bei alledem schon lange vor der Integration der verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG(67) in die einst tendenziell „toten Winkel“ des Arbeitslebens herausgebildet. Angesprochen sind Gesichtspunkte, für die der Zweite Senat des BAG schon im Jahre 1965(68) diese Worte gefunden hat:

 

„Bei der bekannten Neigung aller Menschen zu Kritik an ihren Mitmenschen … wird erfahrungsgemäß oft im Kollegenkreis und vornehmlich in gemütlicher Runde nach Dienstschluss über diesen oder jenen Kollegen gelästert und diese oder jene politische Äußerung getan, vielfach auch in einer übertriebenen oder in einer vom geschichtlichen oder politischen Irrtum getragenen, jedenfalls anfechtbaren Weise. Solche anfechtbaren oder doch jedenfalls unvorsichtigen Äußerungen werden im Kreise der Kollegen in der sicheren Erwartung getan, dass sie nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen. Der Ort, seinen gegenteiligen Standpunkt zu vertreten, ist die Gesprächsrunde selbst. Wem Thema und Ton des Gesprächs nicht passen, kann sie verlassen. Wer aber an ihr bis zum Schluss teilnimmt, unterwirft sich damit den stillschweigenden Regeln menschlicher Gemeinschaften, die Äußerungen der Gesprächsrunde nicht an andere Stellen weiterzugeben, mögen diese auch an sich legitimiert sein, Anzeigen und Beschwerden entgegen zu nehmen“.

 

Auch diese Rechtsprechung ist nach wie vor aktuell(69).

 

(3.) Zwar unterliegt keinem Zweifel, dass auch die hiernach gewährleistete Kommunikationsfreiheit im Arbeitsverhältnis ihre eingangs (s. oben, S. 9-10 [ba.]) angesprochenen Grenzen in der Verpflichtung zur Rücksichtnahme und zum Ehrenschutz des Arbeitgebers hat, deren Überschreitung sich ggf. als Vertragsverletzung dingfest machen lässt. Allerdings muss der fragliche Lebenssachverhalt einschlägige Realien auch hergeben.

 

bb. Das ist im hiesigen Streitfall indessen nicht der Fall. Auf der Grundlage des von der Beklagten beigebrachten Prozessstoffs lassen sich die nötigen Feststellungen nicht treffen (s. sogleich [1.]). - Im Gegenteil: So wie die Beklagte ihren Kenntnisstand vor Ausspruch der Kündigung organisiert hat, könnte der Streitfall ein Paradebeispiel dafür bieten, wie sehr es gerade in Problemlagen, in denen der Arbeitgeber sich Geschehensszenarien – wie hier - von Dritten zutragen lässt, regelmäßig nicht damit getan sein kann, seine Folgeerkundigungen gleichfalls auf (weitere) Dritte zu beschränken, ohne die Zielperson vor ultimativen Entschlüssen zu seinen Ermittlungsfrüchten selber zu Wort kommen zu lassen (s. unten, S. 15-17 [2.]). - Hierzu, letztmalig, der Reihe nach:

 

(1.) Wie die zitierte Entwicklungsgeschichte der arbeitsgerichtlichen Problemverarbeitung gerade gezeigt hat (s. oben, S. 10-12), spielen bei der Abstimmung der gegenläufigen Belange der Vertragsparteien nicht zuletzt phänomenologische Differenzierungen eine maßgebliche Rolle, die sich im Rechtsstreit um Kündigungen im Prozessvortrag des darlegungsbelasteten Arbeitgebers folglich auch wiederfinden müssen:

 

(a.) Insofern ist zunächst an die situativen Gegebenheiten zu erinnern, unter denen sich das maßgebliche Geschehen abgespielt haben soll. Wie gesehen, kommen darin namentlich Wertungen des Persönlichkeitsschutzes des Arbeitnehmers (Art. 1 Abs. 1[70], 2 Abs. 1[71] GG) zur Geltung, die somit nicht zuletzt die Tragweite seiner vorerwähnten Verpflichtung zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB[72]) begrenzen. - Im Hinblick darauf ist evident, dass die Beklagte es sich hier mit der „Identifizierung“ der fraglichen Gesprächsszenerie bei weitem zu leicht macht: Allein der pauschale Hinweis (s. oben, S. 2 [II.1 a.]), die Äußerung des Klägers sei „im Rahmen“ der Veranstaltung vom 20. August 2013 gefallen, ist offensichtlich unbrauchbar, um im Hinblick auf die erwähnten Differenzierungen der Rechtsprechung – im Bilde gesprochen – die „Spreu vom Weizen trennen“ zu können. - Bereits mit diesem Defizit in ihrem Prozessvorbringen wäre das Schicksal der hiesigen Kündigung der Beklagten besiegelt.

 

(b.) Das ist allerdings noch längst nicht alles:

 

(ba.) So kommt hinzu, dass nicht zuletzt im gleichfalls persönlichkeitsrechtlich inspirierten Kontext grundrechtlicher Güterabwägung auch dem Bezugsgeschehen dialogischer Unmutsäußerung von Arbeitspersonen gebührende Aufmerksamkeit zu widmen ist: Wie die Gerichte für Arbeitssachen wieder und wieder hervorgehoben haben(73), können selbst vordergründig krasse verbale Entgleisungen angesichts ihrer Begleitumstände in deutlich milderem Licht mit der Folge erscheinen, dass dem Arbeitgeber das Mittel der Kündigung als Reaktion versagt bleibt (s. hierzu im Übrigen auch den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB[74]). - In diesen Zusammenhang gehörten hier ggf. jene etwaigen Vorbelastungen der Arbeitsbeziehung, von denen der Kläger zumindest im Rechtsstreit berichtet (s. oben, S. 3 [b.]). Ohne deren Berücksichtigung könnte ggf. von einer kündigungsrelevanten Vertragsverletzung nicht gesprochen werden.

 

(bb.) Noch wichtiger erscheint hingegen, worauf der Kläger mit vollem Recht gleichfalls schon aufmerksam gemacht hat (s. oben, S. 6): Gemeint ist der Umstand, dass zwischen Gefühlsimpulsen einerseits und Handlungen im Leben von Menschen andererseits vielfach Welten liegen. So ist es in der Tat etwas völlig anderes, ob eine Person über eine destruktive Handlung oder entsprechende Pläne gegenüber anderen Menschen spricht, oder über einen bloßen Gefühlsimpuls (Volksmund anschaulich: „Faust in der Tasche“), zu dessen etwaiger Verwirklichung er sich gerade nicht hinreißen lässt. Insofern kann bis zum Beweis des Gegenteils nicht einmal davon gesprochen werden, dass allein die Verbalisierung von Gewaltassoziationen auch nur den Hang einer Person zu entsprechenden Übergriffen gegen andere bezeugte. - Im Gegenteil: „Barking dogs don't bite“, heißt es im Englischen und sowohl allgemeine Lebenskunde wie auch mühelos zugängliche Selbsterfahrung belehren bekanntlich oft genug darüber, wie sehr gerade die Hingabe an spontane Phantasieaufwallungen dazu beizutragen vermag, die sich darin bemerkbar machenden aggressiven Impulse emotional zu überwinden.

 

(c.) Auf diesem Hintergrund kann der Beklagten nach allem schon nicht bescheinigt werden, den besagten „Grundstein“ verhaltensbedingter Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses zum Kläger (s. oben, S. 9 [a.]) geliefert zu haben. Mit ihrer in vielfacher Hinsicht von „weißen Flecken“ geprägten Landschaftsschilderung ergibt sich hinsichtlich des Geschehens ein einseitig geprägtes, belastendes Gesamtbild vom Kläger, das jedoch in dieser Form als Kündigungsgrund in keiner Weise tragfähig ist.

 

(2.) Wie weiter oben (s. Seite 13 [bb.]) schon angeklungen, ist auch das aber noch nicht alles. Tatsächlich bestand nämlich nach Lage der Dinge alle Veranlassung, dem Kläger vor abschließenden Schlussfolgerungen zunächst einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zum entstandenen Lagebild einzuräumen. Käme es darauf noch an, so führte hier auch die Versäumung solcher Anhörung im Ergebnis zur Unwirksamkeit der Kündigung:

 

(a.) Entgegen verbreiteter Ansicht in Teilen des Fachschrifttums besteht das rechtliche Gebot zur Anhörung einer Arbeitsperson vor der Beschlussfassung über etwaige Weiterungen keineswegs nur im vordergründig „klassischen“ Fall sogenannter Verdachtkündigung(75). Die Gerichte für Arbeitssachen kennen das Anhörungsgebot vielmehr in einer Vielzahl von Problemlagen, in denen es – wie hier - darum geht, Aufklärung über Vorwürfe zu suchen, die dem Arbeitgeber durch Dritte zugetragen werden(76).

 

(aa.) So hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt die Konsultation des Betroffenen im Vorfeld der Beendigung von Arbeitsverhältnissen eingefordert, wo sich aufdrängte, dass dessen Wissen zur Erhellung der Verhältnisse mutmaßlich beitragen konnte(77):

 

So hat der Zweite Senat des BAG schon im Juli 1960(78) mit Blick auf die „Tragweite einer außerordentlichen fristlosen Entlassung, insbesondere auch gegenüber einer Arbeitnehmerin, die immerhin seit 9 Jahren dem Betrieb angehört“, das Gebot an den Arbeitgeber formuliert, „den wahren Sachverhalt vor Ausspruch der Entlassung in seinen Einzelheiten festzustellen“. Hierzu rechnete der Senat die Obliegenheit des (dortigen) Arbeitgebers, der damaligen Klägerin „Gelegenheit zur ausführlichen Stellungnahme zu gewähren“. - Es ging also, im Klartext, um Anhörung.

 

Im gleichen Sinne hat der Siebte Senat in einem im November 1983 entschiedenen Streitfall(79) eine Kündigung als „treuwidrig“ (§ 242 BGB) kassiert, die ohne Anhörung des Betroffenen auf bloße Nachrede von dritter Seite hin verfügt worden war. In einem weiteren Urteil desselben Senats aus dem September 1987(80) wurde dem Arbeitgeber sogar angekreidet, vor einer Anfechtung des Arbeitsvertrags (§ 143 Abs. 1 BGB) „keinerlei Anstalten unternommen“ zu haben, sich durch Befragung des Klägers „über die wahre Sachlage zu vergewissern“. Im März 1996(81) befand wiederum der Zweite Senat in einem Streitfall, in welchem dem Arbeitgeber zu Ohren gekommen war, der arbeitsunfähig erkrankt gemeldete Arbeitnehmer sei unterdessen Nebenbeschäftigungen nachgegangen, dass nun nicht durch fristlose Kündigung kurzer Prozess gemacht werden könne; vielmehr gelte, dass der Arbeitgeber „den Arbeitnehmer konkreter über die Art seiner Erkrankung befragen und ihm Gelegenheit zur Erklärung geben“ müsse, „weshalb die Krankheit diese anderen Tätigkeiten zuließ, aber vertragsgemäßen Arbeit im Betrieb entgegen stand“.

 

(ab.) Man sieht: Betroffen sind allesamt Variationen auf immer ein und dasselbe Thema – und nur das ist auch richtig: Denn immerhin hat der Bundesgerichtshof in Zivilsachen (BGH) schon 1956(82) dezidiert daran erinnert, dass die Anhörung des Betroffenen v o r Ziehung nachteiliger Konsequenzen „ein Fundamentalgrundsatz jeder rechtsstaatlichen Ordnung“ sei. Dem entspricht – von ebenso pragmatischer wie grundrechtlicher Warte her gesehen – die prägnante Mahnung Wilhelm Herschels gleichfalls bereits aus dem Jahre 1972(83):

 

„Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat, der belebenden Wirkung des Art. 103 Abs. 1 GG zum Trotz, erst neuerlich größere Bedeutung gewonnen. Sie will eine etwaige rechtzeitige Entlastung des Arbeitnehmers fördern und so unnütze Rechtsstreitigkeiten vermeiden; sie soll dem Arbeitgeber Gelegenheit verschaffen, den Sachverhalt zuverlässiger und umfassender kennen zu lernen und damit eine bessere Grundlage der Beurteilung für den Kündigungsentschluss zu erlangen. Zunehmende Lebenserfahrung belehrt uns ja darüber, wie sehr die Anhörung des anderen Teils in objektiver wie subjektiver Hinsicht neue Aspekte zu liefern vermag. In dem Postulat steckt darüber hinaus die Vorstellung, es könne die Achtung vor der Person des Arbeitnehmers erfordern, dass ihm vor Ausspruch einer – insbesondere diskriminierenden – außerordentlichen Kündigung rechtliches Gehör auch im Betrieb gewährt werde“.

 

(ac.) Dem hat die Kammer (fast) nichts hinzuzufügen. Insofern sei allenfalls nochmals auf die schon zitierte(84) Regelung des § 241 Abs. 2 BGB verwiesen, die nicht zuletzt auf einen Mindeststandard auch für die prozeduralen Anforderungen fairen Konfliktmanagements verweist. Nicht ohne Grund hat der parlamentarische Gesetzgeber unlängst unter Hinweis auf § 241 Abs. 2 BGB ein „eher partnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten“ angemahnt(85). Dass ein „Miteinander“ ohne brauchbare Chance, gegenüber Vorwürfen von dritter Seite persönlich zu Wort zu kommen, schwerlich hergestellt werden kann, bedarf (hoffentlich) keiner weiteren Erläuterung.

 

(b.) Nach diesen Grundsätzen wäre es auch hier Sache der Beklagten gewesen, dem Kläger die aus den Gesprächen ihres Geschäftsführers mit seinen Gewährspersonen gewonnenen Eindrücke über dialogische Lebensvorgänge vorsorglich erst einmal zur Stellungnahme mitzuteilen, um sich ein potenziell verlässlicheres Bild über Gedeihlichkeitsperspektiven der Arbeitsbeziehung zu verschaffen als nach typischerweise höchst fragwürdigen Erinnerungsfragmenten (allein) von Dritten. Was schon hierbei versäumt wird, ist im Prozess – nach richtiger Ansicht - nicht wieder gutzumachen.

 

3. Kann der Beklagten nach allem schon die Befugnis zur fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses bescheinigt werden, so scheidet die Befugnis zur fristlosen Kündigung erst Recht aus(86) (s. bereits oben, S. 8-9 [2.]). Das Resultat dieser Befunde spiegelt der Tenor zu I. dieses Urteils.

 

II. Der „Schleppnetzantrag“ (Klageantrag zu 2.)

 

Der Klage war ihr Erfolg auch nicht zu versagen, soweit der Kläger mit seinem Klageantrag zu 2. festgestellt sehen will, dass sein Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern über den (vermeintlichen) Beendigungszeitpunkt hinaus fortbestehe: Es ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO(87) stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere – zuweilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft(88). Dieses Klagebegehren wird daher im Fachschrifttum pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet(89). Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch dem hiesigen Kläger – ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen – objektiv nicht abzusprechen. - Daher also: Tenor zu II.

 

III. Kosten und Streitwerte

 

Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:

 

1. Soweit das Gericht zu gegebener Zeit auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme wird entscheiden müssen, bedarf es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO[90]). Diese Entscheidung bleibt jedoch – sofern ein solches noch ergehen muss - dem Schlussurteil vorbehalten (Tenor zu III.).

 

II. Den Wert des Streitgegenstandes hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG91 im Tenor festgesetzt und nach Maßgabe des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG92 mit der dreifachen Monatsvergütung des Klägers bemessen, also mit (3 x 3.016,69 Euro = ) 9.050,07 Euro und erklärt den Tenor zu IV.

 

Fußnoten

 

1) Geboren im August 1967.

2) S. Kopie des Anstellungsvertrags vom 26.5.2005 als Anlage zur Klageschrift (Bl. 12-15 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

3) S. Klageerwiderungsschrift vom 19.11.2013 S. 3 [vor 2.] (Bl. 40 GA).

4) S. zur Selbstauskunft Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 39 GA): „Von Kindertagesstätten über Grund- und Oberschulen, Lese-, Rechtschreib-Studios, Berufsfachschulen wie die Höhere Handelsschule, die Berufsfachschule für Design, die Touristikakademie und das MEDICUM bis hin zur international ausgerichteten Hochschule zählt die Beklagte zu einer der renommiertesten Adressen, wenn es um qualifizierte und praxisorientierte Ausbildung für junge Menschen geht“.

4) S. etwa BGH 20.2.1995 – II ZR 9/94 – ZIP 1995, 560 = NJW-RR 1995, 669 [I.3 a.]: „Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 28.10.2002 – II ZR 353/00 – ZIP 2002, 2254 = NJW 2003, 431 [I.2 c, bb.]: „Wer einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB geltend macht, wie hier die Beklagte, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 12.2.2007 – II ZR 308/05 – ZIP 2007, 396 = NJW-RR 2007, 690 [III.1.]; ständige Rechtsprechung; s. zur Beweislast für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG; Text: (1) … Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen“.

5) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

6) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 10 GA).

7) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 39 GA).

8) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

9) S. Klageerwiderungsschrift S. 2-3 (Bl. 39-40 GA).

10) Um wen es sich hier handelt, gibt die Beklagte nicht an; s. zum „who‘s who“ aber auch Klägerschriftsatz vom 13.12.2013 S. 3 (Bl. 47 GA): „Arbeitskollege“.

11) Um wen es sich dabei handelt, gibt die Beklagte gleichfalls nicht an.

12) Um wen es sich insofern handelt, gibt die Beklagte abermals nicht an.

13) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 S. 2-3 [II.] (Bl. 46-47 GA).

14) Geschlechtsangabe wie im Original, obwohl es sich bei der mit „T.“ bezeichneten Person nach Beklagtenangaben um eine Dame („Frau T.“) handeln soll; d.U.

15) Schreibweise wie im Original; d.U.

16) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 17 GA).

17) Einfügung durch das Gericht; d.U.

18) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 10 GA): „Es liegen keine Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Klägers vor, die eine Kündigung rechtfertigen“.

19) Terminologische Anpassung an den Sprachgebrauch des § 108 Abs. 1 GewO durch das Gericht; d.U.

20) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann“.

21) S. Klageerwiderungsschrift S. 4 (Bl. 41 GA).

22) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

23) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

24) S. Klageerwiderungsschrift S. 5 [oben] (Bl. 42 GA) mit Hinweis auf BAG „NZA 2003“.

25) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

26) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

27) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 S. 4 (Bl. 47 GA).

28) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

29) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

30) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

31) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

32) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

33) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 S. 5 (Bl. 48 GA).

34) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 a.a.O.

35) S. Text: „Art. 5 [Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft] (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. … (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“.

36) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 S. 6 (Bl. 49 GA).

37) S. Text: „Art. 5 [Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft] (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. … (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“.

38) S. Schriftsatz vom 13.12.2013 S. 7 (Bl. 50 GA).

39) S. Text: „§ 46 Grundsatz.(1) … (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt“.

40) S. Text: „§ 495 Anzuwendende Vorschriften. (1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben“.

41) S. Text: „§ 301 Teilurteil. (1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil des Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen“.

42) Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97 – NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: 'demnächst')“; ebenso schon BAG 8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.

43) S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.

44) S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen. (1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden“.

45) S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.

46) S. Text oben, Fn. 44.

47) S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.

48) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.

49) S. zu dieser Prüfungsfolge auch bei Erklärung einer fristlosen Kündigung näher Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 483-484: „Der Rechtsanwender, dem die Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung obliegt, fragt – als Kontrollüberlegung – zunächst, ob der vorgelegte Sachverhalt überhaupt eine personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermag. Diese Kontrollfrage ist möglich, geboten und hilfreich, weil es in der Tat keinen außerordentlichen Kündigungsgrund geben dürfte, der nicht in diese Dreiteilung eingeordnet werden könnte. … Kommt er nach dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass schon eine ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt wäre, scheitert natürlich erst recht die außerordentliche Kündigung“; ders. DB 1990, 685, 689; ders. Anm. BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 44; Reiner Ascheid, KSchR (1993), Rn. 92; Walter Erman/Detlev W. Belling, BGB, Handkommentar, 12. Auflage (2008), § 626 Rn. 45; früher schon Klaus Popp, Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (1980), in: Wilhelm Maus/F. Jochen Kremp, Handbuch des Arbeitsrechts, Teil VI B; s. im gleichen Sinne auch Wilhelm Herschel, BB 1982, 254.

50) S. Text oben, S. 5 Fn. 20.

52) S. Text oben, S. 8 Fn. 48.

53) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt … die Richtung an, aus der die Störung kommen kann“; ebenso BAG 25.11.1982 – 2 AZR 140/81 – BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der 'Störquelle', nicht nach den der 'Störung' eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen“.

54) Soweit eine Passage der Klageerwiderungsschrift den Eindruck erwecken konnte, die Beklagte betreibe hier eine sogenannte „Verdachtskündigung“ (s. Klageerwiderungsschrift S. 4 [2. Absatz]), hat diese im Kammertermin am 20.12.2013 klarstellen lassen, dass dem nicht so sei; d.U.

55) S. dazu statt vieler BAG 23.6.2009 – 2 AZR 283/08 – n.v. (Volltext: „Juris“) [I.1.]: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint“; s. auch BAG 20.8.2009 – 2 AZR 165/08 – NZA 2009, 1227 [B.I.]: „Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde an sich nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen“.

56) S. Text: „§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis. (1) … (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“.

57) S. Text: „§ 185 Beleidigung. Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.

58) S. Text: „§ 186 Üble Nachrede. Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht die Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.

59) S. Text: „§ 187 Verleumdung. Wer wieder besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.

60) S. Text oben, S. 6 Fn. 37.

61) S. Text: „Art 17 [Petitionsrecht] Jedermann hat da Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“.

62) S. zur noch deutlich restriktiveren Linie etwa BAG 26.5.1977 – 2 AZR 632/76 – BAGE 29, 195 = AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 5 = NJW 1978, 239 [II.5.]: „Besteht die Betätigung in einer Meinungsäußerung, so findet das dem Arbeitnehmer gemäß Art. 5 Abs. 1 GG zustehende Grundrecht der freien Meinungsäußerung seine Schranken in den Grundregeln über das Arbeitsverhältnis (...)“; 15.12.1977 – 3 AZR 184/76 – AP § 626 BGB Nr. 69 = NJW 1978, 1874 [II.2.]; differenzierter und unter Berücksichtigung jüngerer Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sodann BAG 17.2.2000 – 2 AZR 927/98 – n.v. (Volltext in „Juris“) [II.1.]; 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 – EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 1 = DB 2003, 1797 [B.I.3 a.]; s. ferner auch BAG 6.11.2003 – 2 AZR 177/02 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 46 = ZTR 2004, 261 [II.].

63) S. (für Äußerungen im gewerkschaftseigenen Intranet) BAG 24.6.2004 – 2 AZR 63/03 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = NZA 2005, 158 [B.III.2 a.].

64) S. Text: „Art. 12 [Berufsfreiheit] (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden“.

65) S. BAG a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG 9.10.1991 – 1 BvR 1555/88 – BVerfGE 85, 1; 25.8.1994 – 1 BvR 1423/92 – NJW 1994, 1943; 16.10.1998 – 1 BvR 590/96 – NJW 1999, 2262.

66) S. im Anschluss BAG 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – AP § 626 BGB Nr. 198 = NZA 2006, 650 [B.I.2 b.]; 12.1.2006 – 2 AZR 21/05 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = NZA 2006, 917 [B.II.1 c, bb. und cc.]; 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 – AP § 626 BGB Nr. 226 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 29 = NZA 2010, 698 = DB 2010, 1128 [I.4 b.].

67) S. Text oben, S. 6 Fn. 37.

68) S. BAG 21.10.1965 – 2 AZR 2/65 – AP § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5.

69) S. dazu etwa BAG 30.11.1972 – 2 AZR 79/72 – AP § 626 BGB Nr. 66 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 23 = SAE 1974, 17 [Leitsatz]: „Wenn ein Arbeitnehmer in einer Unterhaltung mit einem Mitarbeiter über Vorstandsmitglieder seines Arbeitgebers unwahre und ehrenrührige Tatsachen behauptet, aber als sicher davon ausgehen darf, dass sein Arbeitskollege die Äußerungen für sich behalten wird, dann ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht zur ordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde berechtigt, wenn der Gesprächspartner die Vertraulichkeit der Unterhaltung ohne vernünftigen Grund missachtet und ihren Inhalt einem der angesprochenen Vorgesetzten mitteilt“; 17.2.2000 (Fn. 62) [II.3 a. - „Juris“-Rn. 23]: „Richtig ist zwar, dass ehrverletzende Äußerungen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter Umständen eine Kündigung nicht rechtfertigen (…). Der Senat hat sogar umgekehrt mit Urteil vom 21.10.1965 (…) die Offenbarung derartiger vertraulicher Aussagen als möglichen Kündigungsgrund angesehen. Die Nichtberücksichtigung vertraulicher Äußerungen wird letztlich durch die Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geboten, das die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre als Ausdruck der Persönlichkeit besonders schützt, solange der Betroffene die Vertraulichkeit nicht selbst aufhebt (...)“; 10.12.2009 (Fn. 66) [I.4 c. - „Juris“-Rn. 18]: „Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen (…). Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet. Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet“.

70) S. Text: „Art. 1 [Schutz der Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung] (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“.

71) S. Text: „Art. 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, … ] (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.

72) S. Text oben, S. 9 Fn. 56.

73) S. dazu statt vieler etwa schon BAG 22.12.1956 – 3 AZR 91/56 – BAGE 3, 193 = AP § 626 BGB Nr. 13 [II. - „Juris“-Rn. 7]: „Im vorliegenden Falle hätte demnach das LAG die gesamten Vorgänge aufklären müssen, die nach Darstellung des Klägers zu seinem Schreiben geführt haben, so die angeblichen Behauptungen des Direktors des Arbeitsamtes, der Kläger sei an einem ungünstigen Prüfungsbericht des Landesarbeitsamtes schuld, der Kläger könne keine Versicherungsakten prüfen“; s. auch – falls Interesse – ArbG Berlin 11.5.2001 – 88 Ca 5714/01 – NZA-RR 2002, 129-133; hierzu Klemens Dörner/Reinhard Vossen, in: Reiner Ascheid/Ulrich Preis/Ingrid Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage (2012), § 626 BGB Rn. 227: „Zuzustimmen ist auch dem ArbG Berlin (11.5.2001 – NZA-RR 2002, 129), das zwar auch bei der Bezeichnung des Geschäftsführers als ,Arschloch‘ einen wichtigen Grund verneint hat, dies aber deshalb, weil der Geschäftsführer an der Zuspitzung der mentalen Belastungslage des Arbeitnehmers als Auslösers der beleidigenden Äußerung auf Grund mehrmonatigen Lohnzahlungsrückstandes beteiligt war und der Arbeitnehmer seiner Bedrängnis durch die beleidigende Äußerung Ausdruck verschafft hat“.

74) S. Text: „§ 162 Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts. (1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten. - (2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt“.

75) S. zum diesbezüglichen Anhörungsgebot statt vieler BAG 14.9.1994 – 2 AZR 164/94 – NZA 1995, 269 [II.3 c.]; 26.9.2002 – 2 AZR 424/01 – AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 [B.I.1 b.]; 10.2.2005 – 2 AZR 189/04 – AP § 1 KSchG 1969 Nr. 79 = NZA 2005, 1056 [B.I.4 a.].

76) S. statt vieler etwa Thüringer LAG 10.4.2001 – 5 Sa 403/2000 – NZA 2001, 347 = LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 2 [III.3 b, cc. (2 b, ab.)]: „ … Das Schreiben der Stellvertreterin des Klägers enthielt lediglich deren Zusammenarbeit mit dem Kläger betreffende Pauschalvorwürfe, die zumindest dessen Anhörung erfordert hätten“.

77) S. im selben Sinne wohl auch ErfArbR/Ulrich Preis, 14. Auflage (2014), § 611 BGB Rn. 634: „Verdachtsmomente hat der AG vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig durch Befragung des AN aufzuklären (BAG 21.3.1996 AP BGB § 123 Nr. 42)“.

78) S. BAG 14.7.1960 – 2 AZR 64/59 – AP § 123 BGB Nr. 13 [IV.6 b.].

79) S. BAG 2.11.1983 – 7 AZR 65/82 – AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 29 [A.II.2 b.].

80) S. BAG 18.9.1987 – 7 AZR 507/86 – AP § 123 BGB Nr. 32 = NZA 1988, 731.

81) S. BAG 21.3.1996 – 2 AZR 543/95 – AP § 123 BGB Nr. 42 [B.I.2 e.].

82) S. BGH 29.11.1956 – III ZR 70/55 – BGHZ 22, 258, 267 zur strukturell verwandten Vorschrift des § 90 BBG.

83) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [13.3.1972] AP § 626 BGB Nr. 63 [I.b.].

84) S. schon oben, S. 9 Fn. 56.

85) S. BT-Drs. 14/8796 S. 24 [Zu Satz 3]: „Nach einem modernen Verständnis der arbeitsrechtlichen Beziehungen können Unternehmen heute, vor allem auch im globalen Wettbewerb, nicht mehr nur durch Über- oder Unterordnung, sondern durch ein eher partnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten bestehen“.

86) S. insofern nochmals Ulrich Preis (Fn. 49).

87)S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde“.

88) S. dazu nur BAG 13.3.1997 – 2 AZR 512/96 – EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 57 [II.1.]: „Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Arbeitnehmer neben einer gegen die Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen kann. … a) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung der zulässigen Verbindung beider Klagen nach § 4 KSchG und nach § 256 ZPO insbesondere zu den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fällen entwickelt, bei denen Arbeitgeber oder deren Prozessbevollmächtigte durch nicht ohne weiteres erkennbare weitere (Prozess-)Kündigungen versuchen, die Wirkungen des § 7 KSchG herbeizuführen“.

89) S. Walter Bitter; Zur Kombination von Kündigungsschutzklage mit allgemeiner Feststellungsklage – Oder: Zur Schleppnetztheorie des Bundesarbeitsgerichts, DB 1997, 1407 ff.

90) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

91) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

92) S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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