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Arbeitsrecht
06.06.2008
Arbeitsrecht
ArbG Hamburg: Kündigungsschutzklage bei Schwangerschaft

ArbG Hamburg, Urteil vom 27.5.2008 - 21 Ca 377/07

Leitsätze

1. § 242 BGB erstreckt sich nicht allein auf die äußeren Umstände der Kündigungserklärung, sondern schützt auch vor materiell unzureichenden Gründen. Ein Arbeitgeber handelt willkürlich, der gar keinen Kündigungsgrund hat oder ihn nicht angibt. Es muss ein arbeitsvertragsbezogener Grund vorliegen, der einleuchtend ist und der ein gewisses Gewicht hat.

2. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitverhältnis mit einer Frau, von deren Schwangerschaft er innerhalb von 2 Wochen nach Ausspruch der Kündigung Kenntnis erlangt hat, ohne behördliche Zustimmung, so ist die Arbeitnehmerin nicht gehalten, die Nichtigkeit der Kündigung innerhalb der Frist der § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend zu machen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie einer Befristung, um Beschäftigung und um die Zahlung von Geld.

Die 1980 geborene Klägerin ist ledig. Sie stellt ihre Arbeitskraft der Beklagten seit dem 1.2.2007 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zur Verfügung.

Gemäß § 1 des Arbeitsvertrages vom 1.2.2007 (Blatt 29 der Akte) erfolgte die Einstellung der Klägerin als Zimmerfrau. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist laut Arbeitsvertrag vom 1.2.2007 befristet bis zum 4.2.2008.

Gemäß § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags kann das Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. §§ 3 und 4 des Arbeitsvertrags der Parteien verweisen hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts auf eine Anlage 2a. In dieser Anlage 2a vom 1.2.2007 (Blatt 6 d.A.) sind die Rubriken "gültig ab" und "befristet bis" ausgefüllt mit  „gültig ab 1.2.07 befristet bis 14.2.08". Ferner sind eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von 12 Stunden und ein Stundenlohn von € 7,-- vereinbart. Abschließend heißt es, dass innerhalb des befristeten Arbeitsverhältnisses dieses der ordentlichen Kündigung laut Manteltarifvertrag Gaststätten- und Hotelgewerbe unterliegt.

Am 25.4.2007 unterzeichneten die Parteien eine neue Anlage 2a (Blatt 5 und Blatt 39 der Akte). Diese ist genau so wie die Anlage 2a vom 1.2.2007 überschrieben: „Anlage 2a zum Arbeitsvertrag für eine befristete Bruttobeschäftigung". Sie wird einleitend genau so wie die Anlage 2a vom 1.2.2007 bezeichnet als „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag für die Klägerin". Die Rubriken "gültig ab" und "befristet bis" ausgefüllt mit  „gültig ab 1.5.07 befristet bis ......". Die wöchentliche Mindestarbeitszeit wird mit 30 Stunden, der Stundenlohn mit 8,00 € vereinbart. Abschließend heißt es wiederum, dass innerhalb des befristeten Arbeitsverhältnisses dieses der ordentlichen Kündigung laut Manteltarifvertrag Gaststätten- und Hotelgewerbe unterliegt.

Am 19.7.2007 wurde bei der Klägerin durch einen Arzt eine Schwangerschaft festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich in der 5./6. Schwangerschaftswoche.

Mit Schreiben vom 24.7.2007 kündigte die Beklagte ohne behördliche Genehmigung das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 9.8.2007 (Blatt 8 der Akte). Die Kündigung ging der Klägerin am 25.7.2007 zu.

Mit ihrer am 16.8.2007 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 28.8.2007 zugestellten Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung vom 24.7.2007 geltend. Sie begehrt ferner Weiterbeschäftigung.

Die Klägerin meint, dass die Kündigung gegen § 9 Mutterschutzgesetz verstoße und deshalb unwirksam sei. Sie behauptet, dass sie ihre Vorgesetzte, die Vorarbeiterin Frau S., am 23.7.2007 um 13:54 Uhr auf dem Handy angerufen und darüber informiert habe, dass sie schwanger und aufgrund schwangerschaftsbedingter Beschwerden arbeitsunfähig sei. Sie habe sich dann bei der Mitarbeiterin der Beklagten im H. Büro Frau V. telefonisch beschwert und darauf hingewiesen, dass sie in der Schwangerschaft nicht gekündigt werden könne. Frau V. habe ihr mitgeteilt, dass sie sich an die Zentrale in D. wenden solle. Vor dem Zugang der Kündigung am 24.7.2007 habe sie mehrere Male mit der Beklagten in D. telefoniert und ihre Schwangerschaft mitgeteilt. In D. habe man ihr gesagt, dass sie sich an die Geschäftsstelle in M. wenden solle. Dort habe man sie nach H. verwiesen. Schließlich habe sie sich am 31.7 2007 schriftlich an die Beklagte gewandt.

Mit diesem Schreiben vom 31.7.2007 widersprach die Klägerin der Kündigung. Sie teilte der Beklagten durch dieses Einschreiben mit, dass sie Frau S. am 23.7.2007 gesagt habe, dass sie weiterhin krank geschrieben und schwanger sei; sie habe Frau S. gebeten, dies an Frau L. weiterzugeben (Anlage K 4, Blatt 49 der Akte). Das Schreiben der Klägerin vom 31.7.2007 ging der Beklagten am 3.8.2007 zu.

Die Klägerin behauptet, dass die Kündigung der Beklagten die Reaktion auf ihre Schwangerschaft gewesen sei.

Die Klägerin macht sodann geltend, dass die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam sei. Sie verweist darauf, dass der ursprüngliche befristete Vertrag eine Tätigkeit als Zimmerfrau bei einer Arbeitszeit von 12 Stunden pro Woche und einem Stundenlohn von € 7,00 vorsah. Sie macht ferner geltend, dass die Parteien sich am 1.5.2007 auf eine Beschäftigung als den Zimmerfrauen übergeordnete Checkerin bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche und einer Vergütung von € 8,00 pro Stunde verständigt hätten. Eine Befristung dieses Arbeitsverhältnisses zu völlig neuen Bedingungen sei nicht vereinbart worden. Hierzu macht sie geltend, dass in der neuen Anlage 2a vom 25.4.2007 die Rubrik "befristet bis" nicht ausgefüllt ist. Angesichts dessen sei zumindest nicht hinreichend klar ersichtlich, dass die vereinbarte Fortsetzung nur befristet erfolgen sollte, so dass im Ergebnis keine wirksame Befristung zustande gekommen sei.

Schließlich begehrt die Klägerin der Zahlung von Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit von August 2007 bis Januar 2008.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten nicht durch Kündigung der Beklagten vom 24.7.2007 zum 9.8.2007 aufgelöst wird, sondern fortbesteht;

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen ihres Arbeitsvertrages als "Checkerin" im Zimmerservice weiter zu beschäftigen;

....

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht aufgrund Befristung mit Arbeitsvertrag vom 1.2.2007 am 4.2.2008 endet, sondern fortbesteht,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen:

für August 2007: € 1.104,-- brutto abzüglich € 253,97 netto abzüglich € 429,44 Krankengeld;

für September 2007: € 960,-- brutto abzüglich 58,56 Krankengeld;

für Oktober 2007: € 1.104,-- brutto;

für November 2007: € 1.056,-- brutto abzüglich € 527,50 Leistungen nach SGB II;

für Dezember 2007: € 1.008,-- brutto abzüglich € 527,50 Leistungen nach SGB II;

für Januar 2008: € 1.104,-- brutto abzüglich € 527,50 Leistungen nach SGB II;

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestätigt, dass sich die Klägerin am 23.7.2007 arbeitsunfähig krank gemeldet hat. Von ihrer Schwangerschaft hingegen habe sie jedoch  erstmals durch das Schreiben der Klägerin vom 31.7.2007 erfahren.

Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen erfolgt. Sie habe einen Reinigungsauftrag für das Hotel A. zum 31.12.2007 verloren.

Die Beklagte meint, dass alle Unwirksamkeitsgründe innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz geltend zu machen seien. Da die Klägerin nicht gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Klage erhob und auch die Zweiwochenfrist des § 9 Mutterschutzgesetz nicht eingehalten habe, sei die Kündigung wirksam. Hierzu verweist sie auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 28.6.2006 - 6 AZR 873/06 - und vom 8.11.2007 - 2 AZR 314/06 -.

Die Befristung sei wirksam vereinbart worden. Aus der fehlenden Angabe des Befristungsendes in der neuen Anlage 2a vom 25.4.2007 könne nicht hergeleitet werden, dass die Befristung aufgehoben werde. Dagegen würden sowohl die Überschrift auch die Schlussformulierung der Anlage 2a sprechen.

Weitere Einzelheiten des Vorbringens der Parteien ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den mündlichen Erklärungen der Parteien. Darauf wird ergänzend gemäß § 313 Abs. 2 Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 24.7.2007 ist rechtsunwirksam. Die Beklagte ist des Weiteren verpflichtet, der Klägerin die Arbeitsvergütung für die Zeit von August 2007 bis Januar 2008 zu zahlen. Mit Ablauf des 4.2.2008 hingegen endete das Arbeitsverhältnis der Parteien. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefasst im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz):

Die Kündigung der Beklagten vom 24.7.2007 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien konnte gemäß § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags in den ersten sechs Monaten unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen trotz seiner Befristung gekündigt werden.

Die Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam, weil sie § 242 BGB verletzt. Denn sie ist willkürlich.

aa)       Vorliegend bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien noch keine 6 Monate. Der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes gilt daher nicht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG gewährleisten jedoch die zivilrechtlichen Generalklauseln den durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Mindestschutz der Arbeitnehmer, soweit die Bestimmungen des KSchG nicht greifen. Dort, wo der Gesetzgeber es unterlassen hat, durch zwingende Bestimmungen einen Mindestschutz zu regeln, ist es im Einzelfall Aufgabe des Richters, den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte mit den Mitteln des Privatrechts, insbesondere der zivilrechtlichen Generalklausel § 242 BGB, Rechnung zu tragen. Dies führt im vorliegenden Fall zur Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten. Denn dem Arbeitnehmer darf außerhalb des KSchG das sozialstaatlich gebotene Minimum seiner Berufsausübung nicht grundlos entzogen werden. Der Mindestkündigungsschutz ist mehr als eine Option, von der nach freiem Ermessen Gebrauch gemacht werden könnte. Er ist vielmehr verfassungsrechtlich geboten. Art. 12 GG gewährleistet den Kernbestand eines Arbeitsplatzschutzes.

Der Schutz vor grundlosen Kündigungen ist aus zwei Gründen elementar: Zum einen bietet der Arbeitsplatz typischerweise die Existenzgrundlage für den Arbeitnehmer, zum anderen bestimmt sich die Freiheit im Arbeitsverhältnisses von seinem Ende her. Angesichts der großen Bedeutung für die Berufsausübung des einzelnen Arbeitnehmers muss der sozialstaatlich gebotene Schutz der Berufsfreiheit den ungerechtfertigten Entzug des Arbeitsplatzes auch in Kleinbetrieben und auch vor Erfüllung der Wartezeit verhindern. Die Berufsfreiheit liefert damit die Basis für einen allgemeinen Bestandsschutz. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet es generell, den Einzelnen in seinem Entschluss zu schützen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf beizubehalten. Es gehört zum Minimum einer sozialstaatlich ausgestalteten Berufsfreiheit, willkürliche und grundlose Kündigungen auszuschließen.

Dieser nach der Entscheidung des BVerfG vom 27.1.1998 von der Verfassung geforderte allgemeine Mindestkündigungsschutz, auch "Kündigungsschutz zweiter Klasse" genannt, beeinflusst den Grundsatz von Treu und Glauben. Der allgemeine Mindestkündigungsschutz soll auf der einen Seite nicht so weit reichen, dass er den kündigungsschutzrechtlichen Grundsätzen des KSchG auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes zur Geltung verhilft, andererseits aber einen effektiven und spürbaren Schutz gewährleisten, damit etwa die Herausnahme des Kleinbetriebs aus dem Anwendungsbereich des KSchG verfassungsgemäß bleibt.

Das BVerfG hebt u.a. den Schutz vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen hervor. In diesem Sinn kann eine Kündigung gegen § 242 BGB verstoßen, wenn sie Treu und Glauben verletzt. Während im Anwendungsbereich des KSchG jede Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss, ist außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG eine Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich zulässig und nur in Ausnahmefällen unzulässig. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist also umgekehrt. Die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers wird lediglich durch eine Missbrauchskontrolle beschränkt.

Treu und Glauben bilden allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen eine entsprechende inhaltliche Begrenzung. Damit kommt es durch § 242 BGB zu einer Inhaltskontrolle von Arbeitgeberkündigungen. Die grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers wird inhaltlich durch die Frage begrenzt, ob einem verständigen Arbeitsgeber eine Rücksichtnahme i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB in der Weise zuzumuten ist, dass er eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses unterlässt.

§ 242 BGB erstreckt sich nicht allein auf die äußeren Umstände der Kündigungserklärung, die Norm schützt auch vor materiell unzureichenden Gründen. Willkürliche und schikanöse Kündigungen verbieten sich. So sind leichtfertig und unfair ausgesprochene Kündigung im Hinblick auf § 242 BGB unter dem Stichwort „Willkür" beanstandet worden (Beispiel: Arbeitgeber kündigt wegen eines Verdachts, macht aber keinerlei Angaben über konkrete Umstände und nimmt dem Arbeitnehmer damit jede Möglichkeit, den Verdachts zu entkräften; Arbeitgeber kündigt aufgrund einer nicht bestätigten Aussage vom Hörensagen ohne dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit gegeben zu haben, zu den unsubstantiierten Vorwürfen Stellung zu nehmen).

Ein Arbeitgeber, der gar keinen Grund hat oder ihn nicht angibt, handelt ebenfalls willkürlich. Es muss ein arbeitsvertragsbezogener Grund vorliegen, der einleuchtend ist und der ein gewisses Gewicht hat. Dabei soll der Arbeitgeber einerseits außerhalb des KSchG keinem materiellem Begründungserfordernis unterworfen sein. Die sachgrundlose Kündigung wäre demnach abgesehen von Willkürfällen frei. Dagegen spricht, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG der Arbeitnehmer im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG den Arbeitsplatz nicht aus Gründen verlieren darf, die in keinem schutzwürdigen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Daher muss ein grundrechtlich geleitetes Verständnis von Treu und Glauben dazu führen, dass eine ordentliche Kündigung nach § 242 BGB nichtig ist, wenn die Kündigung evident sozialwidrig wäre bzw. der Arbeitgeber sich nicht auf einen sachbezogenen, im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Grund stützen kann.

bb)       Soweit grundrechtliche Schutzpositionen berührt sind, haben Beweisführungslast und Beweismaß Grundrechtsrelevanz. Eine Beweislastverteilung, die den durch zivilrechtliche Normen bewirkten Grundrechtsschutz letztlich leer laufen lässt, ist verfassungsrechtlich unzulässig. Sowohl der Schutzcharakter der Norm als auch verfassungsrechtliche Positionen können die konkrete Beweisführungslast verändern. Das Verfahrensrecht darf nicht so gehandhabt werden, dass der Schutz der Grundrechte leer läuft. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung müssen die Beweislastregeln so gehandhabt werden, dass der gebotene Grundrechtsschutz gewährleistet ist.

Im ersten Schritt reicht es aus, dass der Arbeitnehmer einen Treu und Glauben verletzenden Umstand bzw. den Verdacht unsachlicher Gründe geltend macht, um auf der nächsten Stufe eine Darlegungslast des Arbeitgebers auszulösen. Dem Arbeitgeber ist es im Rahmen von § 138 Abs. 2 ZPO zuzumuten, dem beweispflichtigen Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen. Folge der Nichterfüllung der sekundären Behauptungslast ist, dass die Behauptung des primär darlegungspflichtigen Arbeitnehmers trotz mangelnder Substantiierung als zugestanden i.S.v. § 138 Abs. 3 ZPO gilt. Ähnlich wie bei § 102 Abs. 1 BetrVG (subjektive Determination) muss der Arbeitgeber seine Kündigungsüberlegungen vortragen (Einzelheiten und Nachweise vgl. Stein, DB 2005, 1218).

cc) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Kündigung der Beklagten willkürlich ist. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass ihr wegen der Schwangerschaft gekündigt wurde. Die Beklagte hat als Grund für ihre Kündigung vom 24.7.2007 zum 9.8.2007 einzig den Verlust des Reinigungsauftrags zum 31.12.2007 angegeben. Dieser Hinweis kann gedanklich gestrichen werden, da er offensichtlich in keinem Zusammenhang mit dem Kündigungssachverhalt steht. Die Beklagte ist daher so zu behandeln, als ob sie gar keinen Grund für die von ihr ausgesprochene Kündigung angegeben hat, obwohl die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht hatte. Demzufolge war festzustellen, dass die Kündigung gegen das Willkürverbot des § 242 BGB verstößt.

Die Kündigung der Beklagten ist des Weiteren auch deshalb rechtsunwirksamen, weil sie gemäß § 138 BGB, § 9 MuSchG nichtig ist.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Frau während der Schwangerschaft ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (§ 9 MuSchG). Die Kündigung ging der Klägerin am 25.7.2007 zu. Das Schreiben der Klägerin vom 31.7.2007, in dem die Klägerin auf ihre Schwangerschaft hinwies, ging der Beklagten innerhalb von 2 Wochen, nämlich am 3.8.2007 zu. Die Beklagte muss sich deshalb so behandeln lassen, als ob sie in Kenntnis der Schwangerschaft der Klägerin kündigte.

Der Arbeitgeber kann vom Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG durch rechtskräftigen Verwaltungsakt der zuständigen Landesbehörde in besonderen Fällen ausnahmsweise befreit werden. Eine solche Befreiung ist der Beklagten im vorliegenden Fall nicht erteilt worden. Eine verbotswidrig erklärte Kündigung ist gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. ErfK-Schlacher, 8. Aufl., § 9 MuSchG m.w.N.).

Die Kündigung ging der Klägerin am 25.7.2007 zu. Ihre Klage ging am 16.8.2007 bei Gericht ein. Gem. § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz müssen alle Unwirksamkeitsgründen innerhalb von drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden. Dies gilt sowohl für die Sozialwidrigkeit als auch für eine Unwirksamkeit aus anderen Gründen. Die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG ist vorliegend nicht gewahrt. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist dies jedoch unschädlich.

 (1)       Bis zum 31. Dezember 2003 musste ein Arbeitnehmer, der geltend machen wollte, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, gemäß § 4 aF KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Hatte jedoch ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG bezeichneten Gründen im Klageweg geltend gemacht, es liege keine rechtswirksame Kündigung vor, so konnte er gemäß § 6 Satz 1 KSchG in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz auch noch die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG geltend machen (BAG, 13. August 1987 - 2 AZR 599/86 - AP KSchG 1969 § 6 Nr. 3 = EzA BGB § 140 Nr. 12). Die Regelung des § 6 aF KSchG bezweckte, den Arbeitnehmer, der zunächst die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit im Sinne des KSchG geltend machte, vor Rechtsnachteilen zu bewahren, wenn er sich doch noch auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung berufen wollte (BAG, 13. August 1987 - 2 AZR 599/86 - aaO; Stahlhacke/Preis/Vossen-Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1816).

Nach § 6 Satz 1 KSchG in der zum 1. Januar 2004 erfolgten Neufassung durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) (im Folgenden: § 6 nF KSchG) kann sich ein Arbeitnehmer, der innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Klagewege geltend gemacht hat, in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit auch auf innerhalb der Klagefrist noch nicht geltend gemachte Gründe berufen. § 6 nF KSchG ist eine Folge der Ausdehnung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 nF KSchG auf alle Unwirksamkeitsgründe einer schriftlichen Kündigung (BT-Drucks. 15/1204 S. 13; Stahlhacke/Preis/Vossen-Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1816a; KR-Friedrich 7. Aufl. § 6 KSchG Rn. 7; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 6 Rn. 1). § 6 nF KSchG ermöglicht dem Arbeitnehmer - wie bisher - die Erweiterung der Klage auf Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, vorausgesetzt, dass die wegen Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen erhobene Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG eingereicht wurde. Darüber hinaus umfasst die neue Regelung - wegen der Erstreckung der Klagefrist des § 4 nF KSchG auf sämtliche Unwirksamkeitsgründe - auch den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer form- und fristgerecht Klage gegen die von ihm als sozialwidrig angesehene Kündigung erhoben hat und nach Ablauf der Klagefrist weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben will, wie z.B. die unterbliebene oder mit Mängeln behaftete Anhörung des Betriebsrats. Voraussetzung aber ist, dass innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage erhoben wurde.

 (2)       In den Fällen, in denen ein absolutes Kündigungsverbot besteht und die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, beginnt die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts jedoch erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer (§ 4 S. 4 Kündigungsschutzgesetz). Kündigt zum Beispiel der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis von dessen Schwerbehinderteneigenschaft, ohne zuvor nach § 85 SGB IX die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einzuholen, so kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen. Nach § 4 Satz 4 KSchG beginnt in derartigen Fällen die dreiwöchige Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 KSchG erst ab der Bekanntgabe des Integrationsamts an den Arbeitnehmer (BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 864/06 -; BAG  3.7.2003 - 2 AZR 487/02 - ). Gleiches gilt für Schwangere.

 (3)       Die Klagefrist des § 4 Satz1 KSchG brauchte also vorliegend nicht eingehalten zu werden (vgl. KR-Friedrich, 8. Aufl., § 4 KSchG Rn. 203 m.w.N.). Die gegenteilige Auffassung (z.B. APS-Ascheid/Hesse, 3. Aufl., Rn. 10a m.w.N.) verkennt die Bedeutung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes werdender Mütter und das sich daraus ergebende Gebot verfassungsgeleiteter Auslegung.

Der Staat soll gem. Art. 6 GG die Bereiche Familie, Eltern und Kindern als personalen Freiraum respektieren und durch gesetzgeberische Ausgestaltung gewährleisten, dass die Voraussetzungen freiheitlicher Lebensformen hier tatsächlich bestehen. Der Schutz von Ehe und Familie dient als Freiheitsrecht der persönlichen Entfaltung in einem abgeschirmten Autonomie- und Lebensbereich (BVerwG, 29.10.1992, E 91, 120 = NVWZ 1993, 696).

Der Staat hat die Pflicht, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch gesellschaftliche Kräfte zu bewahren (BVerfG, 21.10.1980, E 55, 114, 126; 28.4.1992, E 87, 1, 35). Art. 6 Abs. 4 GG verlangt, daß die besonderen Belastungen, denen Mütter aus biologischen, emotionalen und gesellschaftlichen Gründen ausgesetzt sind, angemessen ausgeglichen werden. Der Staat muss die besonderen Belastungen der Mutterschaft abmildern und die damit verbundenen Lasten angemessen ausgleichen. Er hat zwar einen Ermessensspielraum. Es gibt aber ein Untermaß, das nicht unterschritten werden darf. Dazu gehören vor allem der öffentlich-rechtliche Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie eine sozialrechtliche Sicherung im Krankheitsfall, aber auch zivilrechtliche Mindeststandards.

Vor allem das Arbeitsrecht ist hier gefordert. Für Frauen im gebärfähigen Alter wirkt Mutterschaft in unserer Arbeitswelt als Handicap. Der Staat ist verpflichtet, ihre Arbeitsplatzrisiken und wirtschaftlichen Belastungen abzumildern und ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Er hat mit dem Mutterschutzgesetz unmittelbare Schutzbedürfnisse geregelt. Der Mutterschutz muss effektiv sein.

Obwohl das BVerfG als letztverbindliche Instanz über die Auslegung und Anwendung der Grundrechte zu wachen hat, ist den Fachgerichten eine zentrale Rolle zugewiesen. Die Arbeitsgerichte haben das „einfache Recht" im Licht der Grundrechte zu entfalten und sind zu verfassungsgeleiteter Auslegung verpflichtet. Die Fachgerichte müssen zwischen mehreren verfassungsmäßigen Auslegungen die verfassungsnächste wählen und sich damit an den übergeordneten Grundsatzentscheidungen der Grundrechte orientieren (vgl. AR-Blattei SD 830 (Stein) Rn. 109, 491 ff.). Vorliegend besteht die grundrechtsnähere Auslegung darin, an § 4 S. 3 und nicht an § 4 S. 1 Kündigungsschutzgesetz anzuknüpfen.

So weit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, war der Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf der Befristung am 4.2.2008 (dazu sogleich 3.).

So weit in die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung festgestellt wissen möchte, war der Antrag zurückzuweisen. Dies folgt daraus, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses wirksam ist.

Der Arbeitsvertrag der Parteien ist ausdrücklich befristet. Die Befristung ist ohne Sachgrund zulässig (§ 14 Abs. 2 TzBfG).

Zwischen denen Parteien bestand seit dem 1.2.2007 ein (einziges) Arbeitsverhältnis. Die Annahme der Klägerin, dass mehrere Arbeitsverhältnisse vereinbart worden seien, ist unzutreffend. Im Hinblick auf die neue Anlage 2a vom 25.4.2007 begannen die Wartezeiten gem. § 1 Abs. 1 KSchG, § 3 Abs. 3 EfzG oder § 4 BUrlG nicht ab dem 1.5.2007 neu zu laufen. Es gibt vielmehr einen einzigen Arbeitsvertrag, der am 1.2.2007 geschlossen wurde (Blatt 29 der Akte). Die Anlagen 2a sind ausdrücklich als Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag bezeichnet. Sie sind also nicht der Arbeitsvertrag selbst.

§§ 3 und 4 des Arbeitsvertrags der Parteien verweisen hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts auf eine Anlage 2a. Änderungen der Anlage 2a verändern zwar den Inhalt des Arbeitsvertrages in einzelnen Punkten, begründen jedoch nicht ein neues Arbeitsverhältnis.

Die Verwendung des Vordrucks für die Anlage 2a ändert auch nichts daran, dass das Arbeitsverhältnis befristet ist. Die Anlage 2a befasst sich nicht mit der Befristung oder Nichtbefristung des Arbeitsverhältnisses. Sie regelt die Arbeitsvergütung und die Arbeitszeit.

Im Übrigen setzt die Anlage 2a voraus, dass es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt. Dies ergibt sich aus der Überschrift der Anlage. Diese lautet: „Anlage 2a zum Arbeitsvertrag für eine befristete ...".

Aus der fehlenden Angabe des Befristungsendes in der neuen Anlage 2a vom 25.4.2007 kann nach allem nicht hergeleitet werden, dass die Befristung aufgehoben wird.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin weiter zu beschäftigen. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf der Befristung am 4.2.2008. In rechtlicher Hinsicht verweist das Gericht ergänzend auf den Beschluss des Großen Senats des BAG vom 27. Februar 1985 (BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Die Beklagte schuldet der Klägerin Zahlung der Arbeitsvergütung für die Zeit vom August 2007 bis Januar 2008. Der Höhe nach sind die Beträge zwischen den Parteien unstreitig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz im Urteil festzusetzen. Der Antrag zu 1 ist gemäß § 42 Abs. 4 GKG mit 3 Bruttomonatsgehältern à € 1.080,00 bewertet worden. Für den Beschäftigungsantrag sowie den auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung zielenden Antrag sind jeweils ein weiteres Bruttomonatsgehalt veranschlagt worden. Der Zahlungsantrag ist mit € 4.015,-- berücksichtigt worden.

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