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Arbeitsrecht
01.07.2008
Arbeitsrecht
ArbG Hamburg: Kündigungserklärung auf einer Kopie

ArbG Hamburg, Urteil vom 10.6.2008 - 21 Ca 563/07

Leitsatz

Das Schriftformerfordernis (§ 623 BGB) ist gewahrt, wenn eine Kündigung auf einer Kopie erklärt wird.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie um Beschäftigung.

Der Kläger stellte der Beklagten seine Arbeitskraft im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses seit dem 15.11.2007 zur Verfügung. Die Beklagte setzte ihn als stellvertretenden Filialleiter ein und zahlte ihm Arbeitsvergütung in Höhe von brutto EUR 1.900,00. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war zum 30.10.2009 befristet.

Am 10.12.2007 kündigte die Beklagte zum 24.12.2007. Dies erfolgte mit Schreiben vom 06.12.2007 (Blatt 73 der Akte). Dieses Schreiben wurde auf dem Briefbogen der Beklagte verfasst. Es ist über der Zeile „ppa. J.F." von Herrn J.F. unterschrieben. Am Kopf des Schreibens befindet sich unter dem Logo der Beklagten der Eintrag „Kopie".

Der Kläger macht geltend, dass die Kündigung unwirksam sei. Dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB sei nicht Rechnung getragen. Zum einen handele es sich bei der Kündigung lediglich um eine Fotokopie. Dies zeige sich daran, dass auf dem Papier keinerlei Druck- oder Stanzspuren zu erkennen seien. Zum anderen ergebe sich aus der Urkunde selbst, dass es sich nicht um ein Original handele, denn die Überschrift des Kündigungsschreibens zeige, dass dies lediglich eine Kopie und eben nicht das Original sei.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 6.12.2007, zugegangen am 10.12.2007, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestand endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 31.10.2007 geregelten Arbeitsbedingungen als stellvertretender Filialleiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass es sich bei dem dem Kläger übergebenen Kündigungsschreiben um ein Original-Schreiben mit Original-Unterschrift handele. Wenn sie einem Arbeitnehmer kündige, fertige sie zunächst von dem noch nicht unterschriebenen Schreiben eine Kopie an. So sei auch im Fall des Klägers verfahren worden. Das kopierte Schreiben sei sodann von dem Prokuristen Herrn J.F. unterschrieben worden.

Weitere Einzelheiten des Vorbringens der Parteien ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den mündlichen Erklärungen der Parteien. Darauf wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG ergänzend verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2007 ist wirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht nicht fort. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefasst im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG):

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG eröffnet, da es sich um eine Streitigkeit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt.

2. Das Arbeitsgericht Hamburg ist örtlich zuständig. Für die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit des angegangenen Gerichts genügt es, dass der allgemeine (§§ 12 bis 18 ZPO) oder ein besonderer Gerichtsstand gegeben ist und nicht ein anderes Gericht ausschließlich zuständig ist (§ 12 ZPO). Denn zwischen mehreren zuständigen Gerichten darf die Klägerin wählen (§ 35 ZPO).

Im vorliegenden Fall ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hamburg bereits daraus, dass die Beklagte in Hamburg eine Niederlassung unterhält (§ 21 ZPO). Eine dem entgegen stehende ausschließliche Zuständigkeit ist nicht gegeben.

3. Das gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung folgt ausnahmsweise nicht bereits daraus, dass gemäß § 7 KSchG die Kündigung nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 2 KSchG als wirksam anzusehen ist, wenn nicht vorher die Feststellungsklage erhoben wird. Denn § 4 KSchG gilt nur für schriftlich erklärte Kündigungen (statt aller APS- Ascheid/Hesse , 3. Auflage, § 4 KSchG, Rn. 6).

Trotzdem besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Rechtsverhältnis streitig. Unter einem Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Gegenstand der Feststellungsklage können dabei auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines Rechtsverhältnisses sein (Zöller/ Greger ZPO, 24. Aufl., 2004 § 256 Rdnr. 3). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne stellt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien dar. Vorliegend geht es darum, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 10.3.2007 beendet worden ist. Damit streiten die Parteien unmittelbar um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist. Durch die Feststellungsklage kann mit Rechtskraft für alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dessen Fortbestand geklärt werden (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl., 2004, § 46 Rn. 86). Danach ist vorliegend ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO anzunehmen.

4. Die Kündigung ist nicht rechtsunwirksam, weil sie sozialwidrig im Sinne von § 1 KSchG wäre. Der erste Abschnitt des KSchG ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar. Der Kläger war im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 10.12.2007 nicht länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG), sondern erst seit dem 5.11.2007 als Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten tätig.

5. Die Kündigung ist auch nicht im Hinblick auf § 623 BGB unwirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die auf der Kopie des Schreibens vom 6.12.2007 erklärten Kündigung zum 24.12.2007 beendet. Das Schriftformerfordernis (§ 623 BGB) ist nämlich gewahrt, wenn wie hier eine Kündigung auf einer Kopie erklärt wird.

a) Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung bedarf nach § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Das gesetzgeberische Ziel der Norm ist vorrangig in der Stärkung der Rechtssicherheit zu sehen. Es soll verhindert werden, dass über die Existenz einer Kündigung Ungewissheit oder Streit bestehen. Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Befragung von Zeugen zu klären ist, ob im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien die eine oder die andere gekündigt hat, sollen der Vergangenheit angehören.

Des Weiteren geh es um die Warnfunktion der Schriftform (vgl. BAG 19. 1. 2006 AP BGB § 623 BGB Nr. 7 = NJW 2006, 2796; 23. 11. 2006 AP BGB § 623 BGB Nr. 8 = NZA 2007, 466). Wer gehalten ist, seine Willenserklärung schriftlich niederzulegen und zu unterschreiben, hat mehr Zeit und Veranlassung darüber nachzudenken, ob er die angestrebte Rechtsfolge tatsächlich will. Insbesondere die Abfassung einer schriftlichen Kündigung gibt dem Erklärenden Gelegenheit, seinen spontanen Kündigungsentschluss zumindest noch einmal zu überdenken. Damit schützt die gesetzliche Schriftform auch vor Übereilung.

b) § 623 BGB begründet ein konstitutives Schriftformerfordernis (APS- Preis , 3. Auflage, § 623 BGB, Rn. 11). Ist die Schriftform nicht eingehalten, ist die Kündigung nichtig und kann nicht nachträglich geheilt werden.

Die Kündigung muss die Schriftform gem. § 126 Absatz1 BGB wahren. „Urkunde" i.S.d. Formvorschriften des BGB setzt eine schriftliche Abfassung voraus. Eine schriftliche Urkunde erfordert dauerhaft verkörperte Schriftzeichen (Staudinger/ Hertel (2004), § 623 BGB, Rn. 108). Die Urkunde muss vom Aussteller unterschrieben sein (BAG 21. 4. 2005 AP BGB § 623 BGB Nr. 4 = NZA 2005, 865). Die Unterschrift muss den Inhalt des Kündigungsschreibens decken, also unter dem Text stehen und ihn räumlich abschließen (BGH 24. 9. 1997 NJW 1998, 58, 60).

Von wem und in welcher Form - handschriftlich, maschinenschriftlich, vorgedruckt, fotokopiert oder in sonstiger Weise vervielfältigt - das Kündigungsschreiben abgefasst wurde, ist gleichgültig. Entscheidend ist die Unterschrift. Sie muss eigenhändig vom Aussteller stammen. Anders als beim eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB) braucht hier nur die Unterschrift eigenhändig zu sein. Die Unterschrift ist durch Nennung des ausgeschriebenen Namens zu leisten (vgl. ErfK/ Müller-Glöge , 8. Aufl., § 623 BGB, Rn. 1, 3, 12).

Ob die Urkunde vom Aussteller, der Partei oder von einem Dritten hergestellt wurde, ist unerheblich. Ebenso ist es egal, ob sie mit der Hand, der Maschine oder dem PC geschrieben, gedruckt oder vervielfältigt worden ist (KR- Spilger , § 623 BGB, 8. Auflage, Rn. 98). Die Verwendung einer Kopie ist denkbar (Soergel/Hefermehl, § 126, Rn. 3). Möglich ist ebenso die Wiederverwendung einer unwirksam gewordenen alten Urkunde (RGZ 78, 31).

c) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich:

aa) Bei dem Kündigungsschreiben der Beklagten handelt es sich nicht um eine Farbkopie, sondern um ein Original. Denn es trägt die Originalunterschrift des Prokuristen Herrn J.F.. Dies ist zweifelsfrei mit bloßem Auge erkennbar.

bb) Der Umstand, dass auf dem Kündigungsschreiben „Kopie" steht, ist unschädlich. Trotz dieser Überschrift handelt es sich um eine schriftlich abgefasste Urkunde. Denn es folgen dauerhaft verkörperte Schriftzeichen. Trotz der Überschrift „Kopie" ist die Urkunde vom Aussteller mit vollem Namen eigenhändig unterschrieben. Trotz der Überschrift „Kopie" deckt die Unterschrift den Inhalt des Kündigungsschreibens. Sie steht unter dem Text und schließt ihn räumlich ab. Damit sind alle Voraussetzungen einer schriftlichen Kündigungserklärung erfüllt.

Auch Sinn und Zweck der Norm gebieten kein anderes Verständnis. Aus der Sicht des Klägers kann nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte kündigen wollte. Der Umstand, dass - wie er hervorhebt - noch eine Originalkündigung in der Welt ist, ändert nichts daran, dass die Beklagte ihm gegenüber klipp und klar die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hat.

6. Auch der Leistungsantrag erwies sich als unbegründet. Im bestehenden Arbeitsverhältnis hat ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (§§ 611, 613, 242 BGB). Stellt ein Arbeitsgericht fest, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung wirksam ist, hat der Arbeitnehmer an seiner Beschäftigung jedoch kein schützenswertes Interesse mehr (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Die Klage musste daher insgesamt als unbegründet zurück gewiesen werden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Als unterliegende Partei war die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

8. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes beträgt für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehälter (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG). Für den Weiterbeschäftigungsantrag war ein weiteres Bruttomonatsgehalt (§ 3 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG) festzusetzen.

9. Eine gesonderte Zulassung der Berufung war nicht erforderlich, da diese bereits kraft Gesetzes zulässig ist (§ 64 Abs. 2 b und c ArbGG).

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