ArbG Berlin: Kündigung – Abhilfe verhaltensbedingter Vertragsstörung durch technische bzw. organisatorische Vorkehrungen
ArbG Berlin, Urteil vom 6.6.2014 – 28 Ca 5695/14
Leitsätze
1. Ist das Recht des Arbeitgebers zur Kündigung eines aufgrund der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG geschützten Arbeitsverhältnisses an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden (s. statt vieler BAG 11.07.2013 - 2 AZR 994/12 - NZA 2014, 250 - Rn. 20-21), so erschöpft sich seine Obliegenheit zur mutmaßlich schonenderen Abhilfe wegen verhaltensbedingter Vertragsstörungen nicht in personenadressierten Reaktionen wie etwa der Abmahnung. Kommen auch zumutbare technische und/oder organisatorische Vorkehrungen zur Verhütung künftiger Vertragsstörungen in Betracht, so kann der Arbeitgeber anstelle der Kündigung auch auf solche Reaktionen verweisbar sein (hier: Verbesserung der Unterscheidbarkeit von Behälterarten zur Verwendung bzw. Nichtverwendung im Reinraum von Medizinprodukten zum Schutz gegen Verwechslungs-/Kontaminationsgefahren).
2. Zur Identifikation einschlägiger Möglichkeiten entsprechenden technischen Gefahrenschutzes kann die Orientierung an der aus dem Medizinbetrieb herrührenden Empfehlung hilfreich sein, "Nicht 'Wer war schuld?', sondern 'Was war schuld?', habe man zu fragen" (Günther Jonitz; Ärztekammer Berlin).
Sachverhalt
Es geht im Wesentlichen um auf Fehlverhalten gestützte – vorzugsweise fristlose – Kündigung. - Vorgefallen ist folgendes:
I. Die (heute[1] *Fussnoten, s. am Ende des Textes) 52-jährige Klägerin trat im März 1999 als „Produktions- und Fertigungshelferin“[2] (Kopie Arbeitsvertrag: Urteilsanlage I.) in die Dienste der Beklagten, die mit einer nicht festgestellten Zahl von Arbeitspersonen (aber jedenfalls mehr als 10[3]) medizinische Hilfsmittel und Instrumente herstellt und vertreibt[4]. Sie bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, ein monatliches Gehalt von durchschnittlich 1.697,92[5] Euro (brutto).
II. Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:
1. Unter dem Datum des 20. Dezember 2012 bescheinigte die Beklagte der in der „Endfertigung“ eingesetzten Klägerin durch ein entsprechend aufbereitetes Schaubild[6] (Kopie: Urteilsanlage II.), ihre Arbeitsqualität und auch ihre sonstigen Arbeitsleistungen seien „unterdurchschnittlich“[7]. Unter dem Datum des 20. Dezember 2013 folgte für 2013 nach demselben Muster eine weitere Beurteilung[8] (Kopie: Urteilsanlage III.), die die Arbeitsergebnisse der Klägerin abermals als „unterdurchschnittlich“ einstufte[9].
2. Am 3. Februar 2014 ergab sich nach Darstellung der Beklagten ein Geschehen, das diese der Klägerin zuschreibt[10] und zu dem die Schilderungen und Einschätzungen der Parteien (weit) auseinander gehen:
a. Fest steht, dass die Beklagte die Klägerin per Schreiben vom 3. März 2014[11] (Kopie: Urteilsanlage IV.) folgendes wissen L.:
„Abmahnung wegen fehlender Sorgfalt bei der Ausübung der übertragenen Aufgaben
… am 03.02.2014 wurden durch Sie Option Adapter verpackt, ohne zu bemerken, dass bei einem Verpackungsbeutel die werksseitige Siegelnaht unvollständig geschlossen war. Dieses führte zu einer Reklamation durch den Kunden. Aufgrund von fehlerhaften Verpackungen durch Mitarbeiter der Reinraumabteilung wurde am 20.02.2013 eine Mitarbeiterschulung hinsichtlich Sorgfalt bei der Reinraumverpackung von Instrumenten und Implantaten durchgeführt. Im Rahmen dieser Maßnahme wurden Sie ermahnt zukünftig gewissenhafter und umsichtiger zu arbeiten, um gleichartige Fehler auszuschließen.
Der aktuelle Umstand ist wiederum auf mangelnde Sorgfalt und Umsicht von Ihrer Seite zurückzuführen. Wir sind nicht länger bereit, dieses Fehlverhalten unbeanstandet hinzunehmen und mahnen Sie hiermit ab.
Sollten Sie zukünftig in gleichartiger Weise gegen Ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verstoßen, müssen Sie mit disziplinarischen Konsequenzen bis hin zur Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen. ...“.
b. Dem hielt die Klägerin nach eigenem Bekunden[12] unter dem Datum des 5. März 2014[13] (Kopie: Urteilsanlage V.) folgendes entgegen[14]:
„Ihre Abmahnung vom 03.03.2014
Gegendarstellung
… mit dem Schreiben vom 03.03.2014 erteilten Sie mir eine Abmahnung wegen fehlender Sorgfalt bei der Ausübung der übertragenen Aufgaben.
Die hierin geäußerten Vorwürfe sind aus meiner Sicht unzutreffend, daher möchte Ihnen hiermit das Geschehen aus meiner Sicht schildern:
I.
• Es trifft nicht zu, dass durch mich Option Adapter verpackt wurden, bei dem die werkseitige Siegelnaht eines Verpackungsbeutels unvollständig geschlossen war. Ich arbeite stets sorgfältig, konzentriert und achte besonders auf mögliche Löcher der Verpackungsbeutel. Das entstandene Loch hatte eine Größe, die vorher unmöglich zu übersehen wäre. Dessen sind sich alle Mitarbeiterinnen im Reinraum einig.
• Es ist nicht richtig mich als Schuldige für die Reklamation durch den Kunden zu sehen und diesbezüglich abzumahnen, da für oben genannte Reklamation verschiedene Gründe und Ursachen zutreffen können.
Diese Gründe könnten folgende sein:
• Zu einem möchte ich hier betonen, dass auf die mangelnde Qualität der Verpackungsbeutel des öfteren hingewiesen wurde, hieraus jedoch keine Konsequenzen gezogen wurden. So entstanden bereits in der Vergangenheit Reklamationen des Kunden auf Grund von ma[n]gelhafter Qualität eben dieser Verpackungsbeutel.
• Desweiteren ist der Firma bekannt, dass das hierfür verwendete Schweißgerät nicht einwandfrei funktionierte. Somit ist nicht auszuschließen, dass auch hier der Fehler ent[st]anden sein konnte.
• Die Verpackungsbeutel, in denen sich die Option Adapter befinden, werden in Schachteln verpackt, welche keine ausreichende Größe betragen. In diesem Fall ist es nicht sehr unwahrscheinlich, dass der Fehler während des Transports zustande gekommen ist.
• Zusammenfassend trifft es also zu, dass ich zuständig für das Verpacken der Option Adapter war. Die am 03.03.2014 erteilte Abmahnung enthält jedoch einen ungerechtfertigten Vorwurf, der so nicht stehengelassen werden darf. Nicht zuletzt wegen der fehlenden Beweislage diesbezüglich.
II.
1. Die mir unter dem 03.03.2014 erteilte Abmahnung ist inhaltlich unbegründet. Ich fordere Sie daher auf, die Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.
2. Sollten Sie zu einer Entfernung aus der Personalakte nicht bereit sein, so weise ich darauf hin, dass Sie gem. § 83 Abs. 2 BetrVG[15] verpflichtet sind, diese Gegendarstellung zu meiner Personalakte zu nehmen und dort solange zu belassen, bis die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wir[d.].
3. Ich hoffe auch weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit“.
3. Es kam anders: Mit Schreiben vom 28. März 2014[16] (Kopie: Urteilsanlage VI.), das die Klägerin am selben Tag erreichte[17], teilte die Beklagte ihr dies mit:
„Fristlose Kündigung Ihres Arbeitsrechtsverhältnisses
… hiermit kündigen wir Ihnen das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise ordentlich zum 30.9.2014 bzw. zum nächstmöglichen Termin.
Die außerordentliche Kündigung stützt sich u.a. auf verhaltensbedingte Gründe. Sie haben trotz Abmahnung und mehrfacher Hinweise wiederholt gegen grundlegende Arbeitspflichten verstoßen, so dass zu unserem Bedauern eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist.
Für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung nicht wirksam sein sollte, stellen wir Sie hiermit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hilfsweise von der Arbeit unter Anrechnung eines möglicherweise bestehenden Urlaubsanspruchs frei. … “.
III. Hiergegen richtet sich die (vorab per Fax) am 17. April 2014 bei Gericht eingereichte und der Beklagten neun Tage später (26. April 2014) zugestellte Kündigungsschutzklage, mit der die Klägerin bestreitet, der Beklagten einen Grund zur – gar abrupten – Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gegeben zu haben[18]. Sie bestreitet zudem vorsorglich die Wahrung der sogenannten Kündigungserklärungsfrist[19] (§ 626 Abs. 2 BGB[20]). Des Weiteren verweist sie darauf, dass sie am 12. März 2014 „fünfzehnjähriges Firmenjubiläum“ gehabt habe[21]. Zu diesem Jubiläum hätten „andere Mitarbeiter in der Firma eine Prämienzahlung von 1.000,00 EUR netto erhalten“[22]. Insofern beanspruche sie „aus dem Gesichtspunkt der Gleichstellung“ gleichfalls diesen Betrag[23].
IV. Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen im Schreiben vom 28. März 2014 weder mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, noch mit dem 30. September 2014 aufgelöst werden wird;
2. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 28. März 2014 und über den 30. September 2014 hinaus unverändert fortbesteht;
3. die Beklagte zu verurteilen, sie über den 28. März 2014 und über den 30. September 2014 hinaus als Produktions- und Fertigungshelferin an deren Betriebsstätte in Berlin unter der Anschrift A.-L. 102, 12247 Berlin, gegen ein monatlich durchschnittliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.697,92 Euro weiter zu beschäftigen;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Prämie von 1.000,-- Euro (netto) zu zahlen;
5. die Beklagte verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und auf Leistung und Verhalten erstreckt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
V. Sie hält die Klagebegehren für unbegründet, sich insbesondere zur – auch fristlosen – Kündigung des Arbeitsverhältnisses für zwanglos berechtigt.
1. Hierzu lässt sie folgendes vortragen[24]:
„Am 21.3.2014 und am 24.3.2014 benutzte die Klägerin vorsätzlich, gegen alle Regeln im Bereich der Reinraumverpackung verstoßend, unsaubere nicht gekennzeichnete Behälter zum Transport von Implantaten und versuchte diese in den Reinraum zu schleusen. Dies wurde an beiden Tagen durch die Mitarbeiter der Beklagten, die auf der Reinraumseite arbeiteten, unterbunden“.
Dem hat die Beklagte per Schriftsatz vom 14. Mai 2014[25] unter dem Eindruck mündlicher Erörterungen im Gütetermin vom 7. Mai 2014 folgendes nachtragen lassen:
„Insoweit die Klägerin bestreitet, dass sie am 21.03.2014 und am 24.03.2014 vorsätzlich, gegen alle Regeln im Bereich der Reinraumverpackung verstoßend, unsaubere nicht gekennzeichnete und autorisierte Behälter zum Transport von Implantaten benutzt hat und versuchte, diese Behälter in den Reinraum zu schleusen, verweist die Beklagte auf das Zeugnis der Mitarbeiterinnen im Reinraum B. L. und B. W.. Beide Zeuginnen haben auf der Seite des Reinraumes an der Reinraumschleuse die unzulässigen Behälter, die die Klägerin versuchte in den Reinraum zu schicken, zurückgewiesen. [Beweis: … ].
Die für den Transport in den Reinraum ausschließlich zugelassenen Behälter sind gesondert gekennzeichnet. Wie bereits ausgeführt, hat die Beklagte alle Arbeitnehmerinnen einschließlich der Klägerin bereits mehrfach, so u.a. auch am 20.02.2013 über die Arbeitsabläufe und die besonderen Anforderungen an die Reinraumverpackung geschult, wie sich aus dem Schulungsprotokoll, Anlage B2 [Kopie[26]: Urteilsanlage VII.], ergibt“.
2. Was die Zahlung von 1.000,-- Euro (netto) aus Anlass des 15. „Firmenjubiläums“ betrifft, so sei zwar „richtig“, dass sie insofern „ausgewählten Mitarbeitern eine Sondervergütung gewährt“ habe. Diese sei „jedoch leistungsabhängig“ und nicht allen Mitarbeitern gezahlt worden. Sie sei vielmehr „unter Berücksichtigung der Position und der Leistungen bewährter Mitarbeiter als Sonderanerkennung gezahlt“ worden.
VI. Hierzu erwidert die Klägerin unter anderem folgendes:
1. Zur Kündigung[27]:
„Soweit die Beklagtenseite auf Seite 4 behauptet:
Am 21. März 2014 und am 24. März 2014 benutze die Klägerin vorsätzlich gegen alle Regeln im Bereich der Reinraumverpackung unsaubere nicht gekennzeichnete Behälter zum Transport von Implantaten und versuchte diese in den Reinraum zu schleusen, … ‘
ist dies schlicht falsch und eine rein konstruierte Behauptung, um wenigstens schriftsätzlich in die Nähe eines kündigungsbegründenden Sachverhalts zu gelangen. Soweit die Beklagte im Ergänzungsschriftsatz vom 14. Mai 2014 auf Seite 2 behauptet,
, … der vorsätzliche Verstoß der Klägerin gegen alle Regeln im Bereich der Reinraumverpackung ergebe sich aus der Tatsache, dass die Zeuginnen B. L. und B. W. auf Seiten des Reinraumes an der Reinraumschleuse die unzulässigen Behälter, die die Klägerin versucht habe in den Reinraum zu schleusen, zurückwiesen, … ‘
ist auch dieser Vortrag völlig unzureichend. Unterstellt, der Sachverhalt hätte sich so zugetragen, wie die Beklagtenseite behauptet, könnten die Zeugen anhand ihres Aufenthalts im Reinraum überhaupt nicht erkennen, dass die Klägerin angeblich ,vorsätzlich‘, d.h. wissentlich, willentlich und schlussendlich absichtlich einen unreinen und damit falschen Behälter in den Reinraum zu schleusen versucht habe“.
Insofern differenziere die Beklagte nicht in der gebotenen Weise zwischen der jeder Arbeitnehmertätigkeit inne wohnenden Fehlerhaftigkeit, die mit der Rechtsprechung gerade nicht ausreiche, um fristgemäße verhaltensbedingte Kündigungen zu begründen, und der vorsätzlichen Sabotage[28]. Die Beklagte möge deshalb nochmals zur Kenntnis nehmen, dass sie (Klägerin) zu keiner Zeit wissentlich und willentlich oder auch nur im Rahmen billiger Inkaufnahme kontaminierte bzw. unreine Behälter in den Reinraum „zu schleusen“ versucht habe[29]. Es fehle auch jedwedes Motiv[30]: „Warum hätte sie dies tun sollen?“[31]. Zudem könne sie sich noch nicht einmal daran erinnern, dass ihr ein Fehler irrtümlich unterlaufen sei[32]: Sie sei jedenfalls weder am 21. noch am 24. März 2014 von irgendjemandem darauf hingewiesen worden, dass ihr ein fehlerhafter Behälter unterlaufen sei[33]. - Was besagte „Behälter“ anbelangt, so gibt die Klägerin dies an[34]:
„Voranzustellen ist zunächst die Tatsache, dass bei der Beklagten sowohl für den unreinen Bereich als auch für den Reinraumbereich gleich aussehende gleichgroße weiße Behälter benutzt werden. Der Unterschied ergibt sich lediglich aufgrund eines kleinen Aufdrucks[35] auf der Frontseite einzelner Kisten. Bereits in der Vergangenheit sind offenbar wiederholt durch andere Arbeitnehmer und nicht etwa die Klägerin, die falsche‘ Kiste für die Sterilisation in den Reinraum gepackt und die Schleuse zum Reinraum gestellt worden. [Beweis: Zeugnis M. W. … ].
Der genannte Zeuge war ursprünglich selbst im Unternehmen der Beklagten bis Anfang des Jahres 2013 und zuletzt in der Produktionssteuerung bzw. Arbeitsvorbereitung tätig. Er war ursprünglich mit dem Zeugen N. befreundet und da er über dieses Freundschaftsverhältnis und diese Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten über unternehmensinterne Sachkenntnisse verfügt, ist dessen Aussage auch zu diesem Thema ergiebig. Die Klägerin war dort erst 2 Wochen und nur vertretungsweise tätig“.
Resümierend legt die Klägerin Wert auf die Feststellung, sie habe „zu keiner Zeit – und erst Recht nicht vorsätzlich – eine schmutzige, mithin nicht für den Reinraum vorgesehene Kiste mit gereinigten Implantaten“ befüllt und in den oberen Bereich der Schleuse in den Reinraum zur Endsterilisation verbracht[36]. Ein kündigungsbegründender Sachverhalt zur Begründung einer fristlosen Kündigung sei durch die Beklagte nicht vorgetragen[37]. Selbst eine vorsorglich fristgemäße Kündigung sei im vorliegenden Fall unbegründet, denn es fehle bereits an den erforderlichen Abmahnungen.[38]
2. Was die Jubiläumsprämie betrifft, so hätten in der Vergangenheit alle Mitarbeiter der Beklagten unabhängig von ihrer Leistung mit dem Erreichen des „15-jährigen Firmenjubiläums“ besagte 1.000,-- Euro (netto) erhalten.[39] Ausschließlich ihr sei sie versagt geblieben.[40] Dies sei „ein eklatanter Verstoß“ gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da es keinerlei Grund gebe, ihr diese sonst allen Mitarbeiterin gewährte Prämie zu versagen, obwohl sie deren Bezugsvoraussetzungen erfülle.[41]
VII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Für die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 21. Mai 2014 gilt dies jedoch nur mit dem Vorbehalt, dass die Beklagte keine Gelegenheit mehr erhalten hat, dazu Stellung zu nehmen, und daher vorsorglich um Schriftsatzfrist gebeten hat. Soweit hier aus besagtem Schriftsatz zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration. - Zur ergänzen ist folgendes: Die Beklagte hat im Kammertermin am 6. Juni 2014 Abbildungen von Gegenständen zur Gerichtsakte reichen lassen (Kopien[42]: Urteilsanlagen VIII.1 u. VIII.2.), die das Erscheinungsbild der für den „Reinraum“ zugelassenen Behältern einerseits, und für die anderen Behälter andererseits wiedergeben sollen. Da die Klägerin zu diesen Abbildungen wiederum ihrerseits nicht mehr schriftsätzlich hat Stellung nehmen können, gilt ganz Entsprechendes („Illustration“) für besagte Abbildungen.
Aus den Gründen
Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen.
Das gilt für jedes der Rechtsschutzanliegen der Klägerin. - Im Einzelnen:
A. Die Kündigungen vom 28. März 2014
I. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (28. März 2014) bei Gericht einreichen lassen (17. April 2014). Die Zustellung ist am 26. April 2014 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin bei rechtlich gebotener[43] Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO[44] die ihr durch die § 13 Abs. 1 Satz 2[45], § 4 Satz 1[46] KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigungen „gelten“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach § 7 (1. Halbsatz)[47] KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier in erster Linie sogenannten „wichtigen“) Grundes und dürfen – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.
II. Diesen Anforderungen genügen die hiesigen Kündigungen indessen nicht. Die Klägerin hat der Beklagten keinen Grund gegeben, ihr Arbeitsverhältnis – sogar fristlos - aufzukündigen. Die Kündigung wäre hier schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG[48] „sozial gerechtfertigt“.[49] Folglich steht der Beklagten erst recht kein sogenannter „wichtiger“ Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB[50] zu, kraft dessen sofortige Lösungswirkung zu erzielen wäre. Einschlägig kündigungsrelevante Tatsachen sind von der dafür bekanntlich darlegungs- und beweisbelasteten[51] Beklagten nicht beigebracht. - Der Reihe nach:
1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG[52] ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel[53]) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten erklärtermaßen um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte. Als Grundstein setzt eine so motivierte Kündigung eine – in aller Regel: vorwerfbare - Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraus[54].
2. Bereits diese Voraussetzung verhaltensbedingter Kündbarkeit des hiesigen Arbeitsverhältnisses könnte einigen Bedenken begegnen (a.); zumindest können der Beklagten spätestens die übrigen normativen Anforderungen an die Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse wegen vertraglichen Fehlverhaltens der Klägerin nicht bescheinigt werden (s. unten, S. 13 ff. [b.]). - Insofern, nochmals, der Reihe nach:
a. Zum besagten „Grundstein“ gilt folgendes:
aa. Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass aktive Sabotage, die sie der Klägerin zugeschrieben wissen will (s. oben, S. 6 [vor VI.]: „vorsätzlich“; ein-„schleusen“), in der Tat als schwerwiegende vertragliche Verfehlung den benötigten Kündigungsgrund hergäbe. Da gäbe es auch kein Vertun. - Allerdings sind Vorwürfe solcher Provenienz typischerweise leichter erhoben statt plausibel gemacht, vom zu führenden Nachweis (s. oben, S. 10 [vor 1.]) einmal ganz zu schweigen. So liegt es auch hier: Objektiv beschreibt die Beklagte bei aller Rhetorik nämlich bestenfalls ein Verdachtsbild, dessen Fundierung jedoch im hohen Maße zu wünschen übrig ließe. Weder belegte der behauptete Umstand, dass sich eine äußerlich verwandte Phänomenologie sowohl am 21. als auch (nochmals) am 24. März 2014 ergeben habe, noch gar die schlicht unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung, die Klägerin habe eben „vorsätzlich“ agiert, die hier der Klägerin schnurstracks angelastete Böswilligkeit. Mit solchen Mitteln bleibt die Beklagte nicht nur jede Basis dafür schuldig, ihr auch nur im Ansatz jenen „dringenden“ Tatverdacht bescheinigen zu können, den die Gerichte für Arbeitssachen insoweit aus guten Gründen fordern.[55] Erst recht ist weder vorgetragen, noch ersichtlich oder auch nur nahe liegend, dass die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch der Kündigungen zu ihren (vermeintlichen) Verdachtsmomenten wenigstens angehört hätte.[56] Im Gegenteil: Dazu lässt die Klägerin sogar vortragen (s. oben, S. 7 [Mitte]), sie sei weder am 21. noch am 24. März 2014 von irgendjemandem darauf hingewiesen worden, dass ihr ein fehlerhafter Behälter „unterlaufen“ sei. - Jedenfalls fehlt es bei solcher Vortragslage aufseiten der Beklagten signifikant schon am prozeduralen Ausgangspunkt für die etwaige rechtliche Anerkennung sogenannter „Verdachtskündigung“.[57] Daraus erklärt sich vermutlich auch, dass sie sich auf „Verdachtskündigung“ im Rechtsstreit tatsächlich nicht beruft,[58] so dass sich alle sonstigen Überlegungen zur dieser Thematik erübrigen.
ab. Bleibt hiernach allenfalls objektivierbar, dass es am 21. und 24. März 2014 zu einem Missgeschick der Klägerin dergestalt gekommen sei, zum Transport von Implantaten von der Endreinigung in den Reinraum anstelle entsprechend gekennzeichneter Behältnisse (s. dazu oben, S. 8 [VII.]; Urteilsanlage VIII.1.) solche ohne Kennzeichnung (Urteilsanlage VIII.2.) verwendet zu haben, so kann im Ergebnis auf sich beruhen, unter welchen situativen Bedingungen und Begleitumständen vor Ort dies geschehen sein mag. Selbst wenn sich insofern aufgrund klarer Weisungslagen und entsprechender betrieblicher Vorkehrungen für eine möglichst reibungslose und fehlerfreie Bewältigung der dem Personal gestellten Aufgaben feststellen ließe, dass die Klägerin an beiden Tagen – vorwerfbar – vertragswidrig gehandelt hätte, bedingte dies allein noch längst nicht die auf vertragliches Fehlverhalten gestützte Kündbarkeit ihres langjährigen Arbeitsverhältnisses:
b. Spätestens dann käme nämlich zum Zuge, was oben (S. 11 [2.]) schon kurz angeklungen ist. Gemeint ist der Umstand, dass die Gerichte für Arbeitssachen neben dem erwähnten „Grundstein“ (vorwerfbarer Vertragsverletzung) in einem sich über Jahrzehnte hinweg erstreckenden Entwicklungsprozess unter dem Einfluss nicht zuletzt verfassungsrechtlich inspirierter Wertungen weitere Prüfsteine verhaltensbedingter Kündbarkeit von Arbeitsverhältnissen herausgebildet haben, die im kündigungsschutzrechtlichen Kontrollprogramm[59] normativ obligatorisch Beachtung gebieten:
ba. Gemeint ist an dieser Stelle[60] der Umstand, dass das Recht zur arbeitgeberseitigen Kündigung geschützter Arbeitsverhältnisse nicht zuletzt unter dem Einfluss grundrechtlicher Vorgaben[61] vom sogenannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „beherrscht“[62] wird.
(1.) Diese – bereits im Rechtsdenken der Antike verwurzelte[63] – Rechtsausübungsschranke, deren Anerkennung speziell im kündigungsrechtlichen Sachzusammenhang namentlich auf Anstöße von Erich Molitor [64], Hans Galperin [65], Dirk Neumann [66] und Wilhelm Herschel [67] zurückgeht, verlangt vom Arbeitgeber, seine vertraglichen Belange gegenüber dem Arbeitnehmer möglichst schonend zu verfolgen (salopp: „keine Kanonen auf Spatzen“[68]). Mit anderen Worten: Er darf auf Störungen seiner vertraglichen Belange nicht ultimativ mit Kündigung reagieren, solange er diese Belange auch auf rücksichtsvollere Weise wirksam zu wahren imstande ist. Die Kündigung hat danach in den heute selber schon fast klassischen Worten des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die „unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio)“[69] zu sein.
(2.) Aus diesem normativen Rahmen ergibt sich in Fällen, in denen die Beseitigung der Vertragsstörung durch Änderung des Verhaltens des Arbeitnehmers erwirkt werden kann, unter anderem die Obliegenheit für den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung vergeblich abzumahnen.[70]
Allerdings ist dies beileibe nicht die einzige Konsequenz des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Dieses erschöpft seinen Geltungsanspruch nämlich keineswegs darauf, den Arbeitgeber auf dieses oder jenes (schonendere) Mittel zur Verhaltenssteuerung zu verweisen. – Im Gegenteil: Namentlich in Fällen, in denen der Vertragsbeziehung eine gedeihliche Perspektive nicht (nur) durch eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers, sondern gleichermaßen oder ausschließlich auf andere Weise verschafft werden kann, ist ein Grundsatz zu beachten, der sich im gerichtlichen „Hausgebrauch“ seit Jahrzehnten bewährt und – soweit ersichtlich – auf Alfred Hueck zurückgeht:[71] Danach ist eine Kündigung allenfalls dann „sozial“ gerechtfertigt, wenn es nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen „technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art“ zu entsprechen.[72]
(3.) Dieser Verweis auf möglichst schonende Wege der Problemlösung hat mittlerweile aufschlussreiche Spuren auch im geschriebenen Gesetzesrecht hinterlassen: So finden sich seit dem Inkrafttreten des sogenannten Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969[73] mit dem 1. September 1969 in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b[74] sowie § 1 Abs. 2 Satz 3[75] KSchG Vorgaben, die bestimmte Aspekte des Prinzips der Verhältnismäßigkeit kodifizieren. Neuerdings kommt hinzu, dass mit der anlässlich der Schuldrechtsreform des Jahres 2002 eingeführten Regelung des § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grunde nunmehr ausdrücklich angeordnet ist, dass die Kündigung in Fällen, in denen der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht, „erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig“ ist. Insofern hat das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren.[76] Die gesetzliche Regelung zeichnet damit – generalisierend – jedenfalls für die außerordentliche Kündbarkeit von Arbeitsverhältnissen nach, was für den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz seit Jahrzehnten ohnehin bereits zum Standard herausgebildet worden ist.
bb. Im Lichte dieser Grundsätze wäre die Beklagte hier im Vergleich zur Trennung als ultimativer Reaktion auf die sich in der Verwechslung zweier Behälterarten spiegelnde Vertragsstörung auf - vorrangig - schonendere Abhilfemöglichkeiten sogar in doppelter Hinsicht zu verweisen:
(1.) Nimmt man die Beklagte nämlich beim Wort, wonach sich die im Waschstraßenraum verfügbaren Behältnisse offenbar lediglich in seitlichen Aufklebern – nicht aber in Größe, Form und Farbgebung - unterscheiden sollen (s. oben, S. 8 [VII.]; Urteilsanlagen VIII.1. u. VIII.2.), so drängt sich als mutmaßlich erfolgversprechende Abhilfe der Gedanke auf, zunächst einmal für eine farbliche Unterscheidung beider Behältergattungen zu sorgen. Wären etwa die der Verbringung von Implantaten und sonstigen medizinischen Artikeln in den Reinraum zugedachten Transportbehälter in (jeweils leuchtend) gelbem oder rotem Kunststoffmaterial gefertigt und das Personal entsprechend instruiert, so wäre eine irrtümliche Verwendung der andersfarbigen (weißen) Behältnisse selbst unter hohem Zeitdruck oder sonstigen störenden Arbeitsbedingungen nach menschlichem Ermessen nahezu ausgeschlossen. Mit einer solchen auf die betriebliche Organisation ausgerichteten Maßnahme wäre nicht nur dem schon von Alfred Hueck in die Diskussion gebrachten Maxime (s. oben, S. 15 [vor (3.)]) bestens entsprochen. Sie orientiert sich vielmehr auch am zur Vermeidung betrieblicher Gefährdungslagen ohnehin zutiefst bewährten Grundsatz, wonach technischer Gefahrenschutz vor Verhaltenssteuerung zu gehen habe (s. dazu prototypisch § 4 Nrn. 2[77] u. 5[78] ArbSchG), weil seine Zuverlässigkeit sich gegenüber derjenigen des menschlichen Tuns oder Lassens nun einmal in vielerlei Hinsicht als nachhaltig überlegen erwiesen hat.[79] In dieselbe Richtung verweist denn auch gerade für den modernen Medizinbetrieb das prägnante Diktum des Vorsitzenden der Ärztekammer Berlin, Günther Jonitz[80]: „Nicht ,Wer war schuld?‘, sondern,,Was war schuld?‘, habe man zu fragen“. Nur diese Sichtweise trägt schließlich auch dem Umstand Rechnung, dass zur Vermeidung individualisierender Schuldzuweisungen vorrangig noch immer die Organisationsverantwortung des Arbeitgebers als „Herrn“ des Betriebes im Auge zu behalten ist, wenn die Verantwortungsanteile der unter seiner Regie koordinierten Menschen und Betriebsmittel nicht schon im Ansatz kündigungsschutzrechtlich folgenreich missverstanden werden sollen.[81]
(2.) Soweit dies auf diesem Hintergrund noch zur Debatte stehen sollte, wäre im Übrigen vor einer ultimativen Trennung als „Höchststrafe“ etwaiger Vertragsverstöße der Klägerin noch immer die Abmahnung (s. oben, S. 14-15 [(2.)]) geboten: Da dieser mit vollem Recht die Tauglichkeit zugeschrieben wird, die Wiederherstellung der betrieblichen Kooperation[82] zu bewirken[83], wäre es auch hier Sache der Beklagten, die Verwendung ausschließlich der für den Reinraum bestimmten Behältnisse von der Klägerin notfalls per Abmahnung (im Bilde: „gelber Karte“) einzufordern. Davon ist die Beklagte hier nicht etwa deshalb befreit, weil der Klägerin schon in der Vergangenheit über die Jahre hinweg eine ganze Reihe von Fehlern unterlaufen sein sollen. Abgesehen davon, dass die diesbezüglichen Schilderungen der Beklagten entweder so unsubstantiiert unterbreitet werden, dass sie kaum einlassungsfähig anmuten[84], oder aber als singuläre (überdies für nicht Eingeweihte kaum zu verstehende) Geschehnisse[85] weit davon entfernt bleiben, die der Klägerin erteilten Beurteilungen der Jahre 2012 und 2013 (s. oben S. 2 [II.1.]; Urteilsanlagen. II. u. III.) auch nur im Ansatz plausibel erscheinen zu lassen, richtet sich die Frage nach dem Verbleib der (möglichst) schonender Möglichkeiten zur Wiederherstellung betrieblicher Kooperation stets nach dem konkreten Störungsbild: Liegen diese – wie hier bei der (angeblichen) Verwechslung verfügbarer Transportbehältnisse – nach Art und Abhilfemöglichkeiten auf ganz verschiedenen Gebieten, so hat sich der Arbeitgeber ggf. für jedes der Störungsbilder auf Alternativen zur ultimativen Kündigung verweisen zu lassen. Insofern hilft es der Beklagten somit hier insbesondere nicht weiter, dass sie die Klägerin Anfang März 2013 für eine angeblich von dieser zu verantwortende unzulängliche Siegelnaht eigens förmlich abgemahnt hatte (s. oben, S. 2-4 [II.2.]; Urteilsanlagen IV. u. V.).
III. Die Konsequenzen dieser Befunde spiegelt der Tenor zu I. des Urteils.
B. Der (weitere) Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2.)
Der Klage war ihr Erfolg auch nicht zu versagen, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 2. festgestellt sehen will, dass ihr Arbeitsverhältnis auch über den 28. März bzw. den 30. September 2014 hinaus fortbestehe: Es ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO[86] stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere – zuweilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft[87]. Dieses Klagebegehren wird im Fachschrifttum pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet[88]. Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch der hiesigen Klägerin – ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen – objektiv nicht abzusprechen. - Daher also: Tenor zu II.
C. Die Weiterbeschäftigung (Klageantrag zu 3.)
Dass die Klägerin bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits ihre vorläufige Weiterbeschäftigung fordern kann, ergibt sich aus den bekannten Grundsätzen in BAGE 48, 122[89]. - Dem trägt der Tenor zu IV. Rechnung.
D. Die Jubiläumsprämie (Klageantrag zu 4.)
Als begründet erweist sich auch das Verlangen der Klägerin nach Zahlung einer Prämie von 1.000,-- Euro (netto) wegen der 15 Jahre, die sie im Arbeitsverhältnis zur Beklagten mittlerweile verbracht hat. Der Anspruch beruht auf § 611 Abs. 1 BGB[90] in Verbindung mit dem heute teilweise in § 75 Abs. 1 BetrVG[91] und § 612 a BGB[92] kodifizierten Grundsatz der Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:
I. Heute darf als Binsenweisheit gelten, was Marie-Luise Hilger in ihrem berühmten Aufsatz über den „Anspruch auf Gleichbehandlung im Arbeitsrecht“[93] schon 1975 mit den Worten auf den Begriff gebracht hat, dass es nur wenige Dinge im Arbeitsleben gebe, „die das Gerechtigkeitsgefühl des Arbeitnehmers so sehr kränken wie der Verdacht oder gar die Gewissheit, schlechter als ein Arbeitskollege behandelt zu werden“.
1. Das zugrunde liegende Phänomen ist allerdings deutlich älter und gerade durch die Neigung betrieblicher Sachwalter, einzelne Beschäftigte ihre Abneigung speziell bei der Erbringung von Sonderzuwendungen spüren zu lassen,[94] zum Geburtshelfer des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Gerichte für Arbeitssachen[95] geworden. Dieser kommt dabei als Anspruchsgrundlage nach heutigem Erkenntnisstand insbesondere „dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten Regelung gewährt“.[96] Er verbietet dem Arbeitgeber nicht nur eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage.[97] Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, so der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) weiter,[98] so muss vielmehr auch die Gruppenbildung als solche sachlichen Kriterien entsprechen.
2. Kommt es – wie hier – zum Streit über Anforderungen und Wahrung solcher Gleichbehandlung, so hat der Arbeitgeber – nochmals im Bilde - „mit offenen Karten zu spielen“. Der Zehnte Senat des BAG führt hierzu zutreffend folgendes aus:[99]
„Die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes lässt sich nur überprüfen, wenn die Darlegungs- und Beweislast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sachgerecht verteilt wird (…). Der Arbeitgeber hat deshalb nicht ohne weiteres erkennbare Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offen zu legen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprach. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar, und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar, oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (...)“.
II. Nach diesen Grundsätzen ist dem Klageerfolg hier - offensichtlich - nicht auszuweichen: Die Beklagte gibt selber an (s. oben, S. 6 [2.]), sie habe den Jubiläumsbetrag „leistungsabhängig“ erbracht. Damit ist ein konkretes Bezugskriterium benannt, an dem sie sich gegenüber der Klägerin folglich auch messen lassen muss. Dies hätte insbesondere dann zu gelten, wenn es mit der Darstellung der Klägerin unter Hinweis auf ein ganzes Konvolut von Belegen[100] (Kopien: Urteilsanlagen IX.1. bis IX.6) seine Richtigkeit hätte, sie sei in der Vergangenheit vielfach für Einsatz und Leistung – auch materiell - belobigt worden.[101] Verhielte es sich so, dann dürfte die Beklagte selbst dann, wenn ihre Darstellung über eine Auswahl der Zuwendungsempfänger nach Leistungsgesichtspunkten zutreffen sollte, nicht auf Kosten gerade der Klägerin mit zweierlei Maß messen. Da sie die Einzelheiten der angeblichen Bezugsvoraussetzungen indessen ohnehin trotz ihrer diesbezüglichen Obliegenheit (BAG a.a.O.) nicht offengelegt hat, treffen die Folgen sie hier unabhängig von weiterer diesbezüglicher Sachaufklärung.
III. Besagte Folgen verlautbart der Tenor zu IV.
E. Das Zwischenzeugnis (Klageantrag zu 5.)
Begründet ist auch der Wunsch der Klägerin nach einem Zwischenzeugnis, den ihr die Beklagte somit zu Recht nicht streitig macht: Unter den Gerichten für Arbeitssachen[102] sowie im Fachschrifttum[103] besteht im Grundsatz Einigkeit, dass der Arbeitnehmer nicht nur nach § 109 GewO[104] Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch darauf, während des – selbst ungekündigten - Arbeitsverhältnisses ein Zwischenzeugnis zu erhalten (s. § 241 Abs. 2 BGB[105]). Das soll jedenfalls dann gelten, wenn für das Begehren ein „triftiger“ Grund besteht[106]. Hierher gehört nicht zuletzt der Fall, dass sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer – wenn auch (noch) ohne rechtlich durchgreifende Beweggründe - trennen will[107]: In solchen Problemlagen bedingt schon sein wohlverstandenes Eigeninteresse, der Zielperson den Weg in eine Anschlussbeschäftigung nicht unnötig zu verbauen. Solche Verhältnisse prägen ersichtlich auch die hiesige Fallgestaltung. Ihnen trägt der Tenor zu V. des Urteils die gebotene Rechnung.
E. Kosten und Streitwerte
Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:
I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO[108]). Besagte Kosten treffen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO[109] und in den Grenzen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG[110] die Beklagte, weil sie im Rechtsstreit unterlegen ist (Tenor zu VI.).
II. Den Wert der Streitgegenstände hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG[111] im Tenor festgesetzt. Ihn hat es für die Kündigungsschutzklage (Antrag zu 1.) nach Maßgabe des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG[112] mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 1.697,92 Euro = ) 5.093,76 Euro. Der weitere Feststellungsantrag ist ohne Ansatz geblieben, während das Weiterbeschäftigungsverlangen mit einer Monatsvergütung (1.697,92 Euro), die Prämie mit ihrem bezifferten Betrag (1.000,-- Euro) und das Zwischenzeugnis mit nochmals einem Gehalt (1.697,92 Euro) zu Buche schlägt. Das macht zusammen (5.093,76 Euro + 1.697,92 Euro + 1.000,-- Euro + 1.697,92 Euro = ) 9.489,60 Euro und erklärt den Tenor zu VII.
Fussnoten:
[1] Geboren im Februar 1962.
[2] S. Kopie des Arbeitsvertrags vom 25.3.199 als Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 9-11 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).
[3] S. Klageschrift S. 3 (Bl. 7 GA): „Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit“.
[4] S. Klageerwiderungsschrift vom 5.5.2014 S. 1 (Bl. 30 GA): „Die Beklagte stellt medizinische Hilfsmittel und Instrumente, wie Hüftgelenke, Kniegelenke und ähnliches her, die in einem Reinraum steril verpackt werden und durch Krankenhäuser bzw. medizinische Einrichtungen dann bei Patienten eingesetzt bzw. benutzt werden“.
[5] S. Klageschrift S. 2 (Bl. 6 GA).
[6] S. Kopie als Anlage B 1 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 35 GA).
[7] S. Klageerwiderungsschrift S. 1-2 (Bl. 30-31 GA).
[8] S. Kopie als Anlage B 3 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 37 GA).
[9] S. Klageerwiderungsschrift S. 3 (Bl. 32 GA): „Auch die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Klägerin für 2013 ergaben unterdurchschnittliche Arbeitsleistungen und insbesondere eine mangelhafte Arbeitsqualität der Klägerin“.
[10] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.: „Am 3. Februar 2012 [gemeint: 2014; d.U.] kam es im Rahmen des Fertigungsauftrages 20222 dazu, dass die Klägerin einen CeramTec Adapter in einer defekten Primärverpackung verpackte. Dies führte zur einer Kundenreklamation bei der sich herausstellte, dass die Verpackung durch die Klägerin erfolgt war“.
[11] S. Kopie als Anlage B 4 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 38 GA).
[12] Diese Mitteilung steht unter dem Vorbehalt, dass die Beklagte dazu (noch) keine Gegenäußerung hat unterbreiten können, da ihre Bevollmächtigte bis 2.6.2014 im Urlaub war; d.U.; s. dazu auch noch unten, S. 8 [VII.]
[13] S. Kopie als Anlage K 1 zum Schriftsatz vom 21.5.2014 (Bl. 64-65 GA).
[14] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 6 (Bl. 60 GA).
[15] S. Text: „§ 83 Einsicht in Personalakten. (1) … - (2) Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte sind dieser auf sein Verlangen beizufügen“.
[16] S. Kopie als Anlage K 3 zur Klageschrift (Bl. 17 GA).
[17] S. Klageschrift S. 2 (Bl. 6 GA).
[18] S. Klageschrift S. 3 (Bl. 7 GA).
[19] S. Klageschrift a.a.O.
[20] S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. - (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil den Kündigungsgrund auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen“.
[21] S. Klageschrift a.a.O.
[22] S. Klageschrift a.a.O.
[23] S. Klageschrift a.a.O.
[24] S. Klageerwiderungsschrift S. 4 (Bl. 33 GA).
[25] S. Schriftsatz vom 14.5.2014 S. 2 [3.] (Bl. 44 GA).
[26] S. Kopie als Anlage B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 36 GA).
[27] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 2 (Bl. 56 GA).
[28] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 3 (Bl. 57 GA).
[29] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[30] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[31] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[32] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[33] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[34] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 3-4 (Bl. 57-58 GA).
[35] S. dazu auch Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 4 (Bl. 58 GA): „Die letztere Kiste (x) ist bau- und farbgleich mit den Kisten, die für den Reinraum vorgesehen sind (bis auf einen Aufkleber)“.
[36] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 6 (Bl. 60 GA).
[37] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[38] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[39] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 8 (Bl. 62 GA).
[40] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[41] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 a.a.O.
[42] S. Kopien als Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 6.6.2014 (Bl. 80-81 GA).
[43] Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97 – NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: 'demnächst')“; ebenso schon BAG 8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.
[44] S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.
[45] S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen. (1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden“.
[46] S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.
[47] S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.
[48] S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.
[49] S. zu dieser Prüfungsfolge auch bei Erklärung einer fristlosen Kündigung näher Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 483-484: „Der Rechtsanwender, dem die Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung obliegt, fragt – als Kontrollüberlegung – zunächst, ob der vorgelegte Sachverhalt überhaupt eine personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermag. Diese Kontrollfrage ist möglich, geboten und hilfreich, weil es in der Tat keinen außerordentlichen Kündigungsgrund geben dürfte, der nicht in diese Dreiteilung eingeordnet werden könnte. … Kommt er nach dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass schon eine ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt wäre, scheitert natürlich erst recht die außerordentliche Kündigung“; ders. DB 1990, 685, 689; ders. Anm. BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 44; Reiner Ascheid, KSchR (1993), Rn. 92; Walter Erman/Detlev W. Belling, BGB, Handkommentar, 12. Auflage (2008), § 626 Rn. 45; früher schon Klaus Popp, Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (1980), in: Wilhelm Maus/F. Jochen Kremp, Handbuch des Arbeitsrechts, Teil VI B; s. im gleichen Sinne auch Wilhelm Herschel, BB 1982, 254.
[50] S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann“.
[51] S. zur Beweislast für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG; Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 4Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen“; s. entsprechend zum „wichtigen Grund“ nach § 626 Abs. 1 BGB statt vieler etwa BGH 20.2.1995 – II ZR 9/94 – ZIP 1995, 560 = NJW-RR 1995, 669 [I.3 a.]: „Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 28.10.2002 – II ZR 353/00 – ZIP 2002, 2254 = NJW 2003, 431 [I.2 c, bb.]: „Wer einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB geltend macht, wie hier die Beklagte, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 12.2.2007 – II ZR 308/05 – ZIP 2007, 396 = NJW-RR 2007, 690 [III.1.]; ständige Rechtsprechung.
[52] S. Text oben, Fn. 48.
[53] S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt … die Richtung an, aus der die Störung kommen kann“; ebenso BAG 25.11.1982 – 2 AZR 140/81 – BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der 'Störquelle', nicht nach den der 'Störung' eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen“.
[54] S. dazu statt vieler BAG 23.6.2009 – 2 AZR 283/08 – AP § 1 KSchG 1969 Abmahnung Nr. 5 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75 [I.1.]: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint“; s. zur derzeitigen Formel der Judikatur des Zweiten Senats aus neuerer Zeit anschaulich BAG 19.4.2012 – 2 AZR 186/11 [AP § 14 KSchG 1969 Nr. 13 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27 = DB 2013, 124 [I.2 b. - „Juris“-Rn. 23]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe ,bedingt‘, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht“; 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 – NZA 2014, 250 [B.I.1. - „Juris“-Rn. 20]; s. zu § 626 Abs. 1 BGB orientierungshalber auch BAG 20.8.2009 – 2 AZR 165/08 – NZA 2009, 1227 [B.I.]: „Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde an sich nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen“.
[55] S. dazu statt vieler BAG 12.5.2010 – 2 AZR 587/08 – AP § 15 KSchG 1969 Nr. 67 = NZA-RR 2011, 15 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67 [II.6 b, aa) – Rn. 27]: „Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen … . Ein dringender Verdacht liegt nur vor, wenn bei kritischer Prüfung eine auf Beweistatsachen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht“; 25.11.2010 – 2 AZR 801/09 – AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9 [B.I.1. - Rn. 16]: „starke Verdachtsmomente“.
[56] S. dazu nach wie vor ebenso instruktiv wie zutreffend Wilhelm Herschel, Anm. BAG [13.3.1972] AP § 626 BGB Nr. 63 [I.b.]: „Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat, der belebenden Wirkung des Art. 103 Abs. 1 GG zum Trotz, erst neuerlich größere Bedeutung gewonnen. Sie will eine etwaige rechtzeitige Entlastung des Arbeitnehmers fördern und so unnütze Rechtsstreitigkeiten vermeiden; sie soll dem Arbeitgeber Gelegenheit verschaffen, den Sachverhalt zuverlässiger und umfassender kennen zu lernen und damit eine bessere Grundlage der Beurteilung für den Kündigungsentschluss zu erlangen. Zunehmende Lebenserfahrung belehrt uns ja darüber, wie sehr die Anhörung des anderen Teils in objektiver wie subjektiver Hinsicht neue Aspekte zu liefern vermag. In dem Postulat steckt darüber hinaus die Vorstellung, es könne die Achtung vor der Person des Arbeitnehmers erfordern, dass ihm vor Ausspruch einer – insbesondere diskriminierenden – außerordentlichen Kündigung rechtliches Gehör auch im Betrieb gewährt werde“.
[57] S. dazu zunächst BVerfG 15.12.2008 – 1 BvR 347/08 – n.v. (Volltext in „Juris“) [Ls. 2 a., 2 b.]: „2 a. Jedenfalls unter den strengen, für die sogenannte Verdachtskündigung entwickelten Voraussetzungen (…) ist die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses … auch wegen eines Verdachts möglich. – 2 b. Insbesondere muss der Arbeitnehmer … ausreichend Gelegenheit zur Äußerung erhalten, damit soweit wie möglich ausgeschlossen werden kann, dass das Arbeitsverhältnis wegen eines unberechtigten Verdachts aufgelöst wird“; s. zu den diesbezüglichen Anforderungen statt vieler BAG 28.11.2007 – 5 AZR 952/06 – EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4 = NZA-RR 2008, 344 [II.1 b, bb.]: „Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht lediglich mit einer unsubstantiierten Wertung konfrontieren und ihm nicht wesentliche Erkenntnisse vorenthalten. Er muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Nur dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten in einer die Aufklärung fördernden Weise zu äußern (BAG 26.9.2002 – 2 AZR 424/01 – a.a.O. [B.I.1 b, bb.])“; 13.3.2008 – 2 AZR 961/06 – AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = NZA 2008, 809 [B.I.1 a.]: „Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen“; s. auch zutreffend Mario Eylert/Anne Friedrichs, DB 2007, 2203, 2205 [II.3.] – im Zusammenhang: „Insbesondere darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits gewonnen hat und die seiner Ansicht nach den Verdacht begründen. Er muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Anderenfalls werden die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt und der Sinn der Anhörung, zur Aufklärung beizutragen und eine unnötige Kündigung zu vermeiden, verfälscht“.
[58] S. deutlich etwa BAG 28.8.2003 – 2 AZR 333/02 – AP § 242 BGB Kündigung Nr. 17 = RzK I 8 l Nr. 48 = EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 4 [B.III.1 b, cc.]: „Es ist … Teil der Vertragsfreiheit, dass die Parteien ihre Interessen selbst definieren“.
[59] S. dazu etwa – falls Interesse – Bernd Ruberg, Sozialrechtfertigung als Organisationsschutz – Zur personen- und verhaltensbedingten Kündbarkeit geschützter Arbeitsverhältnisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (1999), S. 27 ff.; 61 ff.
[60] S. im Übrigen zu den Prüfkriterien, die danach in ihrer Gesamtheit die sogenannte „kündigungsrelevante Gefahrenlage“ konstituieren, bei Bedarf Bernd Ruberg (Fn. 59) S. 283 ff.; Hinweise auch in ArbG Berlin 9.5.2014 – 28 Ca 4045/14 – z.V.v.
[61] S. zum normativen Geltungsgrund des Prinzips der Verhältnismäßigkeit im Kündigungsschutzrecht etwa die Überlegungen bei Bernd Ruberg, (Fn. 59), S. 218 ff., 222 ff.
[62] S. dazu anklingend schon BAG 25.3.1976 – 2 AZR 127/75 – AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 10 [V.2.]; ausdrücklich dann spätestens BAG 4.11.1981 – 7 AZR 264/79 – BAGE 37, 64 = AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 4 [II.2 b, aa.]; 18.10.1984 – 2 AZR 543/83 – BAGE 47, 80 = AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 6 [B.I.1]; 13.6.1986 – 7 AZR 623/84 – BAGE 52, 210 = AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 13 [II.1]; 16.2.1989 – 2 AZR 299/88 – BAGE 61, 131 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 20 [B.III.1 c, bb]; 17.1.1991 – 2 AZR 375/90 – BAGE 67, 75 = AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25 [II.2 c.]; 21.1.1993 – 2 AZR 330/92 – AP § 52 MitbestG Schleswig-Holstein Nr. 1 [C.II.2 b.]; 18.2.1993 – 2 AZR 518/92 – RzK I 6 f Nr. 7; 6 g Nr. 17 [B.II.2 d.]; s. aus neuerer Zeit BAG 12.7.2007 – 2 AZR 716/06 – AP § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = NZA 2008, 173 [B.II.2 a.]; s. übergreifend auch BGH 11.2.1987 – IV a ZR 194/85 – BGHZ 100, 60, 64, wo von dem „das ganze Zivilrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck“ die Rede ist.
[63] S. instruktiv Franz Wieacker, Geschichtliche Wurzeln des Prinzips der verhältnismäßigen Rechtsanwendung, in: Marcus Lutter u.a. (Hrg.), Festschrift für Robert Fischer (1979), S. 867, 874 ff.; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2 (1994), § 84 I 2; s. auch Ulrich Preis, Verhältnismäßigkeit und Privatrechtsordnung, in: Peter Hanau/Friedrich Heither/Jürgen Kühling (Hrg.), Festschrift für Thomas Dieterich (1999), 429, 446, 452-453; s. ferner Bernd Ruberg, Schikanöse Weisungen (2004), S. 70 ff.
[64] S. Erich Molitor, Die Kündigung, 2. Auflage (1951), S. 294: „Man wird … fordern müssen, dass jedes andere nach der gegebenen Sachlage anwendbare Mittel erschöpft ist, um das von dem Kündigenden als unhaltbar angesehene Rechtsverhältnis zumutbar zu gestalten“.
[65] S. Hans Galperin, Der wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung, DB 1964, 1114, 1117 [9.], wo – soweit ersichtlich – erstmals der Ausdruck von der Kündigung als „ultima ratio“ verwendet wird.
[66] S. Dirk Neumann, Kündigung bei Krankheit, 2. Auflage (1965), S. 26, wo als „allgemeiner Grundsatz des Kündigungsschutzrechts“ herausgestellt wird, dass „zu einer Kündigung nur als letztem möglichem Ausweg gegriffen werden“ solle.
[67] S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [22.8.1963] SAE 1964, 2: „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel (Übermaßverbot)“; ders. Anm. BAG [26.11.1964] AP § 626 BGB Nr. 53 [IV.]: „Übermaßverbot“; ders. Anm. BAG [21.10.1965] AP § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5: „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel“; ders. Anm. BAG [12.12.1968] AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 20: „Grundsatz von der Verhältnismäßigkeit der Mittel“.
[68] Das heute „geflügelte“ Wort stammt, soweit ersichtlich, von Friedrich Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 2. Auflage (1912), S. 354 für das Handeln der Polizei im konstitutionellen Rechtsstaat.
[69] S. grundlegend BAG 30.5.1978 – 2 AZR 630/76 – BAGE 30, 309 = AP § 626 BGB Nr. 70 = NJW 1979, 332 [Leitsatz 2 u. III.2 b.]; s. aus jüngerer Zeit BAG 12.7.2007 (Fn. 62) [B.II.2 a.]: „Eine Kündigung ist als letztes Mittel nur zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat“; [B.II.2 b.]: „Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung künftig zu beseitigen“.
[70] S. zu dieser Entwicklung, die ihren judikativen Ausgangspunkt einst beim Sechsten Zivilsenat des Reichsgerichts (RG) genommen hat, etwa schon RAG 21.5.1938 – RAG 17/38 – ARS 33, 135, 139: „Auf der anderen Seite können es die Umstände, insbesondere eine langjährige, erfolgreiche Dienstzeit des Angestellten und schwerwiegende wirtschaftliche Folgen der Kündigung für ihn durchaus rechtfertigen, dem Unternehmen erst einen Versuch zuzumuten, die Beschwerden durch eine Abmahnung abzustellen …“; s. aus jüngster Zeit sodann etwa BAG 23.6.2009 (Fn. 54) [I.1 b.]: „Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (…) einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel – ordnungsgemäße Vertragserfüllung – erreicht werden kann“; 19.4.2012 (Fn. 54) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]: „Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (…). Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (…). Das gilt grundsätzlich auch für Störungen im Vertrauensbereich“; im Anschluss BAG 11.7.2013 (Fn. 54) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21].
[71] S. Alfred Hueck, Kündigungsschutzgesetz (1951), § 1 Rn. 36: „Darin [d.h. im Erfordernis ‚dringender betrieblicher Erfordernisse’; d.U.] kommt zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber zur Kündigung nur schreiten darf, wenn es im Interesse des Betriebe wirklich notwendig ist, und dass er nach Möglichkeit zu versuchen hat, die Kündigung durch andere Mittel, z.B. durch Arbeitsstreckung … zu vermeiden, sofern eine solche Arbeitsstreckung für den Betrieb technisch, organisatorisch und wirtschaftlich tragbar ist“.
[72] S. angedeutet schon in BAG 12.12.1968 - 1 AZR 102/68 – BAGE 21, 248 = AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 20 [2.], wonach eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt sei, wenn für den Arbeitgeber „keine Möglichkeit“ bestehe, durch „andere Maßnahmen als eine Kündigung der betrieblichen Lage Rechnung zu tragen“; wie zitiert sodann seit BAG 7.12.1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6 [II.1 a.]: „Diese betrieblichen Erfordernisse müssen ‚dringend’ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichen Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein“; im Anschluss BAG 9.11.1979 – 7 AZR 933/77 – n.v. [2.]; 17.10.1980 – 7 AZR 675/78 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 [3 b.]; 27.9.1984 – 2 AZR 63/83 – BAGE 47, 26 = AP § 2 KSchG 1969 Nr. 8 [B.II.]; 30.5.1985 - 2 AZR 321/84 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 [B.II.1.]; ständige Judikatur - s. insofern aus neuerer und neuester Zeit etwa BAG 21.4.2005 – 2 AZR 244/04 – AP § 2 KSchG 1969 Nr. 80 = NZA 2005, 1294 [II.2.]; 3.4.2008 – 2 AZR 500/06 – n.v. (Volltext: „Juris“) [B.I.1.].
[73] S. BGBl. I S. 1106.
[74] S. Text [heutige Fassung; d.U.]: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 2Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn 1. in Betrieben des privaten Rechts a) … b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, … “.
[75] S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat“.
[76] S. BAG 12.1.2006 – 2 AZR 179/05 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68 = NZA 2006, 980 = ZTR 2006, 559 [B.III.2 b, aa. - „Juris“-Rn. 56]: Die Abmahnung „ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (…). Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren“; s. auch BAG 19.4.2012 (Fn. 54) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]: „Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (…)“; im Anschluss BAG 11.7.2013 (Fn. 54) [B.I.1 b. - „Juris“-Rn. 22].
[77] S. Text: „§ 4 Allgemeine Grundsätze. - Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: - 1. … - 2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen“.
[78] S. Text: „§ 4 Allgemeine Grundsätze. - Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: - 1. … - 5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen“.
[79] S. dazu für den technischen Gefahrenschutz statt vieler anschaulich Andreas Blume/Ulrich Faber, in: Wolfhard Kohte/Ulrich Faber/Kerstin Feldhoff (Hrg.), Gesamtes Arbeitsschutzrecht (2014), § 4 Rnrn. 53 ff.: „Das Schutzziel der Gefahrenverhütung ,an ihrer Quelle‘ (§ 4 Nr. 2 ArbSchG) steht für das klassische Prinzip des Unfallschutzes einer technischen Eliminierung von Gefahren (z.B. Vermeidung von Fang-, Quetsch-, Stolper- und Schnittstellen durch konstruktive Maßnahmen). … - 2. Nicht immer lassen sich die vom Gesetz favorisierten technischen Maßnahmen realisieren, weil es – jedenfalls noch – an technischen Lösungen fehlt. … Hier konzentriert sich der Lösungsraum – mangels technischer Alternativen – auf eine baulich/organisatorische Trennung von Mensch und Lärmquelle. … - 3. Personelle Maßnahmen (P). Erst in letzter Konsequenz (…) sind nach § 4 Nr. 5 ArbSchG individuelle, d.h. an der Person des Beschäftigten ansetzende Maßnahmen zu ergreifen“.
[80] Hier zitiert nach Rosemarie Stein im Berliner „Tagesspiegel“ vom 29.6.2005 S. 24: „Nicht ‚Wer war schuld?’, sondern ‚Was war schuld?’, habe man zu fragen“; s. im Übrigen etwa auch das Diktum des Vorsitzenden der Fachgruppe Personalmanagement des Bundesverbandes Deutscher Unternehmerverbände (BDU) Jan Kunert im Berliner „Tagesspiegel“ vom 11.8.2002 S. K 1: „Uns geht es nicht in erster Linie um die Schuldfrage, die ist eher nachrangig. Es müssen Lösungsstrategien entwickelt werden“.
[81] S. zum Problem statt vieler anschaulich Erwin Fromm, Die arbeitnehmerbedingten Kündigungsgründe (1995), S. 277 ff.: „Indessen gehört es zu den wichtigsten soziologischen Einsichten, dass die Welt sich nicht als Ergebnis individueller Aktivitäten begreifen lässt. Sie ist letztlich nur unter Einbeziehung sozialer Phänomene wie Rollenprozesse, Gruppendynamik und institutioneller Mechanismen verständlich. … So hat die Konfliktforschung reichhaltiges Material zusammengetragen, wie durch überindividuelle Phänomene individuelles Fehlverhalten geradezu vorprogrammiert wird. So können Widersprüche in der Organisation eines Betriebs Kompetenzstreitigkeiten auslösen, die rasch als individuelles Fehlverhalten missverstanden werden können. Ebenso kann ein individuelles Fehlverhalten die Folge von Spannungen zwischen formalen und informellen Verhaltensnormen bzw. Widersprüchen zwischen Gruppenzielen und Betriebszielen sein. .… Auch hier darf das bei isolierter Betrachtung fehlerhaft handelnde Individuum nicht zum alleinigen Zurechnungssubjekt gemacht werden, weil es überindividuelle Mechanismen sind, die sein Tun und Lassen entscheidend beeinflusst haben. All diesen Einsichten trägt das Kündigungsschutzrecht Rechnung, indem es den kontradiktorischen Gegensatz von ,vertragswidrig-vertragsgemäß' zugunsten eines abgestuften Systems unterschiedlicher Verantwortungsgrade relativiert“.
[82] S. dazu anschaulich Joachim Heilmann/Tatjana Aigner, Streitkultur in Wirtschaftsunternehmen – Zur Konzeption eines abgestuften Konfliktmanagements, in: Dieter Strempel/Theo Rasehorn (Hrg.), Empirische Rechtssoziologie, Gedenkschrift für Wolfgang Kaupen (2002), S. 223, 239: „Insgesamt dokumentieren die Erscheinungsformen der Intervention den Versuch, die durch das Fehlverhalten gestörte Kooperation wiederherzustellen“.
[83] S. dazu mit Recht etwa BAG 10.6.2010 - – 2 AZR 541/09 – BAGE 134, 349 = AP § 626 BGB Nr. 229 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227 = BB 2011, 59 [A.III.3 c, aa. - „Juris“-Rn. 36]: „Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann ([Monika] Schlachter NZA 2005, 433, 436)“; im Anschluss BAG 9.6.2011 – 2 AZR 284/10 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37 = NZA-RR 2012, 12 = DB 2011, 2724 [III.2 a. - „Juris“-Rn. 35]; 19.4.2012 (Fn. 54) [I.2 a, cc. - „Juris“-Rn. 22]; ebenso BAG 11.7.2013 (Fn. 54) [B.I.1 a. - „Juris“-Rn. 21]; s. zum (erwähnten) Fachschrifttum namentlich Monika Schlachter, Fristlose Kündigung wegen Entwendung geringwertiger Sachen, NZA 2005, 433, 435 [vor 3.]: „Von Kleptomanie einmal abgesehen, handelt es sich um steuerbares Verhalten, das durch Androhung schwerer Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses beeinflusst werden kann“.
[84] S. etwa Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 31 GA): „Insbesondere wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie 2012 vergessen hatte, sterile Punkte auf den Produkten bzw. mittig auf die vorgegebene Stelle anzubringen und teilweise Matrixcode überklebt hatte. Weiter wurde beanstandet, dass die Klägerin vergessen hatte, Etikette auf die Verpackungen zu kleben und Beutel nicht richtig verschweißt hatte sowie bei einem Keramik Steckkopf den zweiten Beutel vergessen hatte zu zu schweißen, so dass es zu Kundenreklamationen gekommen war“.
[85] S. etwa Klageerwiderungsschrift S. 2 u. 3 (Bl. 31 u. 32 GA): „Zudem hatte die Klägerin am 27.8.2012 zwei Bauteile verpackt und davon ein Bauteil nicht verschweißt. Weiter hatte die Klägerin am 18.10.2012 non sterile Aufkleber bei 176 CeramTec Adaptern vergessen und am 25.10.2012 die Fertigungsakte fehlerhaft ausgefüllt und 96 Stück statt 196 Stück Gutmenge eingetragen. … - So hat die Klägerin am 1.3.2013 bei der RE-Sterilisation von Bauteilen HM 30127 23 Stück neu verpackt und davon drei Stück ohne Sterilindikatorpunkt auf dem Außenetikett. Am 2.4.2013 vertauschte die Klägerin Sterilsiebe GA 91002 und GA 91004, Siebeinleger und Etiketten“.
[86] S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde“.
[87] S. dazu nur BAG 13.3.1997 – 2 AZR 512/96 – EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 57 [II.1.]: „Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Arbeitnehmer neben einer gegen die Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen kann. … a) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung der zulässigen Verbindung beider Klagen nach § 4 KSchG und nach § 256 ZPO insbesondere zu den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fällen entwickelt, bei denen Arbeitgeber oder deren Prozessbevollmächtigte durch nicht ohne weiteres erkennbare weitere (Prozess-)Kündigungen versuchen, die Wirkungen des § 7 KSchG herbeizuführen“.
[88] S. Walter Bitter; Zur Kombination von Kündigungsschutzklage mit allgemeiner Feststellungsklage – Oder: Zur Schleppnetztheorie des Bundesarbeitsgerichts, DB 1997, 1407 ff.
[89] S. hierzu BAG (GS) 27.2.1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122 = AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 [Leitsatz 1.]: „Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen“; s. ferner BAG a.a.O. [C.II.3 b. u. C.II.3 c.]: „b) Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit über den Prozessausgang mit den daraus folgenden Risiken ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsprozesses nicht zu beschäftigen. … [wird aufgeführt; d.U.] – c) Die Interessenlage verschiebt sich jedoch, wenn im Kündigungsprozess ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Durch ein solches noch nicht rechtskräftiges Urteil wird zwar keine endgültige Klarheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geschaffen. Aber die Parteien hatten Gelegenheit, dem Gericht in einem ordentlichen Prozessverfahren die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassungen darzustellen. Wenn ein Gericht daraufhin eine die Instanz abschließende Entscheidung trifft und die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, so ist damit zumindest eine erste Klärung der Rechtslage im Sinne des klagenden Arbeitnehmers eingetreten. … Es [gemeint: das Feststellungsurteil; d.U.] wirkt sich, solange es besteht, dahin aus, dass nunmehr die Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann“.
[90] S. Text: „§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag. (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“.
[91] S. Text: „§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen. (1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt“.
[92] S. Text: „§ 612 a Maßregelungsverbot. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt“.
[93] S. Marie-Luise Hilger, Zum Anspruch auf Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, RdA 1975, 32: „Es gibt wenig Dinge, die das Gerechtigkeitsgefühl des Arbeitnehmers so sehr kränken wie der Verdacht oder gar die Gewissheit, schlechter als ein Arbeitskollege behandelt zu werden“.
[94] S. insofern noch undifferenziert etwa Volkmar Dersch, Anm. RAG [19.7.1931 – RAG 667, 668/30] ARS 14, 144, 151 [2.]: „Die Frage ist für alle freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers von Bedeutung, namentlich für Zulagen, Urlaub, Gratifikationen usw. Eine etwa der Treuepflicht zu entnehmende Rechtspflicht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmer gleich oder wenigstens nicht ungerecht ungleich zu behandeln, besteht weder direkt noch indirekt“.
[95] S. dazu etwa LAG Magdeburg 5.3.1936 – 15 Sa 13/36 – ARS [LAG] 27, 75 [Leitsatz]: „Auch wenn sich der Unternehmer bei der Frage der Ausschüttung einer Weihnachtsgratifikation vollkommen freie Hand gewahrt hat, kann er ohne besonderen Grund einen einzelnen Angestellten nicht von einer der gesamten übrigen Gefolgschaft gewährten Weihnachtsgratifikation ausschließen“; LAG Hamburg 8.3.1937 – 19 Sa 15/37 – ARS 29 [LAG] 172 [Leitsatz]: „Auch wenn der Unternehmer sich die Entscheidung über die Gewährung einer Weihnachtsgratifikation vorbehalten hat, darf er, wenn er überhaupt eine Gratifikation gewährt, nicht einen einzelnen Angestellten ohne besonderen Grund davon ausnehmen. Die Tatsache, dass der Angestellte zum Ende des Jahres gekündigt hat, ist kein Grund, ihm die Gratifikation zu verweigern“.
[96] So statt vieler BAG 2.8.2006 – 10 AZR 572/05 – EzA § 75 BetrVG 2001 nr. 3 = AR-Blattei ES 800 Nr. 161 [II.4 a. - „Juris“-Rn. 32].
[97] S. BAG 2.8.2006 a.a.O.
[98] S. BAG 2.8.2006 a.a.O.
[99] S. BAG 2.8.2006 (Fn. 96) [II.4 d. - „Juris“-Rn. 35].
[100] S. Kopien als Anlagen K 2 u. K 3 zum Klägerinschriftsatz vom 21.5.2014 (Bl. 66-71 GA).
[101] S. Schriftsatz vom 21.5.2014 S. 8 (Bl. 62 GA).
[102] S. statt vieler etwa BAG 21.1.1993 – 6 AZR 171/92 – AP § 61 BAT Nr. 1 = EzA § 630 BGB Nr. 18 = NZA 1993, 1031 = ZTR 1993, 513 [2. - „Juris“-Rn. 18]: „Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei ihm jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht (§ 242 BGB) zur Erteilung des Zwischenzeugnisses verpflichtet. Diese Auffassung trifft nicht zu. Zwar ist richtig, dass der Arbeitgeber aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt für verpflichtet gehalten wird, dem Arbeitnehmer schon vor dem nach § 630 BGB maßgebenden Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu erteilen (…). Der Kläger verkennt jedoch, dass die Tarifvertragsparteien für sein Arbeitsverhältnis die Voraussetzungen der Zeugniserteilungspflicht in § 61 BAT abschließend geregelt haben“; s. auch LAG Köln 9.2.2000 – 3 Sa 1296/99 – NZA-RR 2000, 419 = MDR 2000, 774 [„Juris“-Rn. 32]: „Die Pflicht des Arbeitgebers, ein Zwischenzeugnis zu erteilen, stellt eine allgemeine vertragliche Nebenpflicht dar. Sie besteht, wenn das Verlangen des Arbeitnehmers nach einem Zwischenzeugnis auf einem triftigen Grund beruht (...)“; LAG Frankfurt 28.3.2003 – 12 SaGa 1744/02 – LAGReport 2004, 215 = AR-Blattei ES 1850 Nr. 46 [II.2. - „Juris“-Rn. 25]: „Es ist allerdings anerkannt, dass nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis bestehen kann, wenn zugunsten des Arbeitnehmers ein triftiger Grund für dessen Erteilung besteht, etwa bei einem Vorgesetztenwechsel, bei einer Versetzung des Arbeitnehmers oder nach dem Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist (...)“.
[103] S. dazu etwa ErfArbR/Rudi Müller-Glöge, 14. Auflage (2014), § 109 GewO Rn. 50: „Soweit tarifliche Vorschriften nicht eingreifen, kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses als allgemeine vertragliche Nebenpflicht ergeben (…). … Im Wesentlichen wird dies bei rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses gegeben sein, wenn durch sie das Vertragsverhältnis einen erkennbaren Einschnitt erfährt. Dementsprechend können Zwischenzeugnisse bei der Versetzung, der Zuweisung einer neuen Tätigkeit oder längerem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (z.B. Wehrdienst, Elternzeit, Abgeordnetenmandat) verlangt werden“.
[104] S. Text: „§ 109 Zeugnis. (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben über Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.. - (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. - (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen“.
[105] S. Text: „§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis. (1) … (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“.
[106] S. dazu die Nachweise in Fn. 102 u. 103.
[107] S. insofern etwa ErfArbR/Rudi Müller-Glöge (Fn. 103), § 109 GewO Rn. 50: „Während des Laufs der Kündigungsfrist oder während eines Kündigungsschutzprozesses nach einer AGKündigung hat der AN Anspruch auf ein dem Zwischenzeugnis verwandtes vorl. Zeugnis (…). Beabsichtigt der AN einen Stellenwechsel, ist ein triftiger Grund für ein Zwischenzeugnis anzuerkennen“.
[108] S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.
[109] S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.
[110] S. Text: „§ 12 a Kostentragungspflicht. (1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes“.
[111] S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.
[112] S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet“.