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Arbeitsrecht
11.12.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Krankengeldzuschuss – Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung

LAG Berlin, Urteil vom 4.9.2015 – 9 Sa 779/15

Leitsatz

§ 22 Abs. 4 S. 2 TV-L schließt Ansprüche auf Krankengeldzuschuss in einem Arbeitsverhältnis, das neben einem Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als Teilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird, nicht aus.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Krankengeldzuschusses.

Die Klägerin ist seit 1. April 1979 beim beklagten Land als Angestellte im Erziehungsdienst tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung die für das Land Berlin geltenden Tarifverträge Anwendung.

Die als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannte Klägerin erhält gemäß Bescheid vom 4. Dezember 2012 seit 1. März 2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Aufgrund des Antrags der Klägerin auf Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten Arbeitsplatz wird die Klägerin seither mit einer Arbeitszeit von 51,28% einer Vollzeitbeschäftigten beschäftigt und erhält ein monatliches Entgelt von 1.795,47 Euro brutto bzw. 1.249,25 Euro netto. Die Klägerin war vom 14. Juli 2014 bis 10. November 2014 arbeitsunfähig krank. Das beklagte Land zahlte Entgeltfortzahlung für sechs Wochen und lehnte die von der Klägerin mit Schreiben vom               1. September 2014 geforderte Zahlung eines Krankengeldzuschusses unter Berufung auf § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L ab.

Mit ihrer am 21. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin diesen Anspruch weiterverfolgt. § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L solle verhindern, dass Beschäftigte aufgrund einer Erkrankung sowohl Renten- als auch Entgeltersatzleistungen erhielten. Um eine solche deckungsgleiche Leistung, wie sie auch der Regelung in § 22 Abs. 4 S. 3 TV-L zugrunde liege, gehe es vorliegend nicht. Das aufgrund der Teilzeitarbeit bezogene Entgelt sei ein zulässiger, nicht kongruenter Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 2 SGB VI. Auch nach der Vorgängerregelung § 37 Abs. 3 S. 2a) BAT entfalle der Krankengeldzuschuss lediglich bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sollte die tarifliche Regelung einen Krankengeldzuschuss in diesen Fällen ausschließen, wäre dies eine unzulässige Benachteiligung sowohl aufgrund Behinderung als auch aufgrund Teilzeitbeschäftigung. Es bestehe daher Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss von 111,84 Euro für August, 162,05 Euro für September und 125,81 Euro für Oktober (zur Berechnung s. die Klageschrift vom 20. November 2014, Bl. 4, 5 d.A.)

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 399,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 111,84 Euro seit dem 01.09.2014, aus 162,05 EUR seit dem 01.10.2014 und aus 125,81 EUR seit dem 01.11.2014 zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte auch über den 30.09.2014 hinaus verpflichtet ist, an die Klägerin Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2, 3 TV-L in Verbindung mit § 13 Abs. 1, 2 TVÜ-L in der jeweils für das Land Berlin geltenden Fassung zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gemäß § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L bestehe ab Bezug der Rente kein Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss mehr. Grund für die Rente sei eine Erkrankung, die es der berechtigten Person unmöglich mache, vollständig für ihren Unterhalt zu sorgen. Die Klägerin sei mit der Teilerwerbsminderungsrente und dem Krankengeld nicht schlechter gestellt als bei Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 5. März 2015 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld, weil es sich auch bei der Rente aufgrund teilweiser Erwerbsminderung um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L handle. Dies entspreche dem Wortlaut und der zugrunde liegenden Annahme der Tarifvertragsparteien, dem Krankengeldzuschuss komme dieselbe Entgeltersatzfunktion zu wie den Versorgungsleistungen in § 22 Abs. 4 S. 1 TV-L, und zwar unabhängig davon, ob neben dem Bezug der Versorgungsleistungen eine Beschäftigung stattfinde oder nicht. Auf die Anrechenbarkeit gem.      § 96a Abs. 2 SGB VI komme es nicht an, da eine solche auch bei einer Vollzeitbeschäftigung auf einem geeigneten freien Arbeitsplatz geleistet werde, soweit Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten seien. Die Tarifvertragsparteien seien insoweit von deckungsgleichen Leistungen unabhängig von einer etwaigen Anrechnungs-freiheit ausgegangen. Hierin liege aufgrund der Anknüpfung an den Rentenbezug, nicht aber eine Behinderung weder eine unmittelbare noch mittelbare Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Mangels Anknüpfung an die Dauer der Arbeitszeit liege auch keine Benachteiligung aufgrund Teilzeitbeschäftigung vor. Auf die Entscheidungsgründe im Einzelnen wird Bezug genommen (s. Bl. 34-39 d.A.).  

Gegen dieses ihr am 15. April 2015 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 4. Mai 2015 eingelegten und am 21. Mai 2015 begründeten Berufung. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts regele § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L keine Anspruchs-voraussetzungen, sondern sei eine rechtsvernichtende Einwendung. Die Regelung solle Ansprüche im Falle der Fortführung des Arbeitsverhältnisses gem. § 33 Abs. 3 TV-L nicht begrenzen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführe, handle es sich bei der Rente der Klägerin und dem streitgegenständlichen Krankengeldzuschuss nicht um kongruente Leistungen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei dies aber erforderlich, der Krankengeldzuschuss solle durch § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L im Hinblick auf seine Entgeltersatzfunktion nur dann beendet werden, wenn und soweit das Entgelt, das dieser teilweise ersetzen solle, und die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sich ausschlössen. Dies sei im Falle des vorliegenden Teilzeitarbeitsverhältnisses gerade nicht gegeben. Bei anderem Verständnis liege eine Benachteiligung aufgrund ihrer Schwer-behinderung vor, ohne die sie keine Erwerbsminderungsrente beziehen und weiterhin vollzeitig arbeiten würde. Zudem sei von einer mittelbaren Benachteiligung auszugehen, weil typischerweise Beschäftigte mit Schwerbehinderung eine Erwerbsminderungsrente erhielten.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Rücknahme der Berufung betreffend den für den August 2014 geforderten Betrag im Hinblick auf die im Termin erörterte zweifelhafte Berechnung desselben,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.03.2015 teilweise abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 287,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 aus 162,05 EUR und aus 125,81 EUR seit dem 01.11.2014 zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte auch über den 30.09.2014 hinaus verpflichtet ist, an die Klägerin bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 22 Abs. 2, 3 TV-L Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2, 3 TV-L in Verbindung mit § 13 Abs. 1, 2 TVÜ-L in der jeweils für das Land Berlin geltenden Fassung zu zahlen.

Der Beklagten und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und der Berufungsklägerin, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, die Kosten aufzuerlegen.

Das beklagte Land verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Wortlaut des § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L sei eindeutig, auf eine deckungsgleiche Entgeltersatzfunktion komme es hiernach gerade nicht an. Es liege keine Benachteiligung aufgrund einer Schwerbehinderung und - insoweit setzte sich die Berufungsbegründung ohnehin nicht mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts auseinander - aufgrund Teilzeitbeschäftigung vor.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.  

Aus den Gründen

A.

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b), ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 519, 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG) der Klägerin ist zulässig.

B.

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der geforderte Krankengeldzuschuss gemäß § 22 Abs. 2, 3 TV-L zu. § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L steht dem nicht entgegen.

I. Der Antrag zu 1) ist zulässig. Der Antrag ist zutreffend auf einen Bruttobetrag gerichtet, weil Zuschüsse zum Krankengeld zwar unter Bezugnahme auf Nettobeträge berechnet werden (§ 22 Abs. 2  S. 1, 2 TV-L), aber gleichwohl der Besteuerung unterliegen (s. § 8 Abs. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 5 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung).

II. Der Antrag zu 1) ist begründet.

Die Klägerin hat  gem. § 22 Abs. 2, 3 TV-L Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss von      162,05 Euro für den September 2014 und auf 125,81 Euro für den Oktober 2014.

1. Nach § 22 Abs. 2, 3 TV-L erhalten Beschäftigte bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt fortgezahlt, wenn sie ohne Verschulden durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind und nach Ablauf dieses Zeitraums für die Zeit, für die ihnen Krankengeld oder entsprechende gesetzliche Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt für bestimmte Zeiten.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, die Klägerin war unstreitig nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen im August 2014 durchgehend weiterhin im September und Oktober 2014 durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert und hat im September und Oktober Krankengeld erhalten. Die Differenz zwischen dem bezogenen Krankengeld und dem Nettoentgelt der Klägerin beträgt für den September 2014 162,05 Euro und für den Oktober 2014 125,18 Euro. Einwände gegen die insoweit nachvollziehbar dargelegten Berechnung (vgl. zur Berechnung BeckOK TV-L/Guth TV-L § 22 Rn. 29-29c.1, beck-online) wurden nicht erhoben. Der Zeitraum gemäß § 22 Abs. 3 TV-L ist nicht überschritten.

2. § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L schließt den Anspruch nicht aus. Hiernach wird Kranken-geldzuschuss nicht über den Zeitpunkt hinaus gezahlt, von dem an Beschäftigte eine Rente oder eine vergleichbare Leistung auf Grund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenen¬versorgung oder aus einer sonstigen Versorgungseinrichtung erhalten, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist.

Die von der Klägerin gemäß Bescheid vom 4. Dezember 2012 für die Zeit ab 1. März 2011 bezogene Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die die Klägerin neben ihrer erwerbsminderungsbedingt nur in Teilzeit erfolgenden Beschäftigung  bezieht, wird hiervon nicht umfasst. Die Regelung bezieht sich nicht auf Krankengeldzuschüsse aus einem Arbeitsverhältnis, das ungeachtet des Bezugs einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden eingeschränkten zeitlichen Einsetzbarkeit begründet oder ohne Eintritt eines Ruhenstatbestandes fortgesetzt wird. Dies ergibt eine Auslegung der Regelung.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Bei der Auslegung eines ablösenden Tarifvertrags kann neben dem ablösenden Tarifvertrag selbst auch der abgelöste Tarifvertrag mit herangezogen werden (BAG, Urteil vom 14. Juli 2015 - 3 AZR 903/13 -, Rn. 17, juris m.w.N.).

 b) aa) Der Wortlaut der Regelung spricht für die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung, schließt aber ein anderes Verständnis nicht aus.

Es handelt es sich, worauf das Arbeitsgericht unter Bezugnahme der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 07. Februar 2007 - 5 AZR 260/06 -, Rn. 13, juris) zutreffend verweist, bei einer Rente wegen einer Erwerbsminderung um eine Rente aufgrund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist.

Gleichwohl könnte unter einer Erwerbsminderungs-„Rente“ in diesem Sinne auch nur eine solche gemeint sein, die als Ersatzleistung für eine langfristig nicht mehr mögliche Arbeitsleistung gezahlt wird und nicht eine solche, die parallel zu einem fortgeführten Arbeitsverhältnis gezahlt wird. So verweist auch das Bundesarbeitsgericht in der Begründung, weshalb eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von dieser Regelung umfasst werde, darauf dass (auch) diese Rente zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führe (BAG, Urteil vom 07. Februar 2007 - 5 AZR 260/06 -, Rn. 13, juris).

bb) Jedenfalls aber ist nach Regelungszusammenhang und Sinn der Regelung eine insoweit einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) geboten. Nach dem tarifvertraglichen Kontext und dem Zweck der Regelung sind hier nur Erwerbsminderungsrenten gemeint, die als Ersatzleistung für die langfristig nicht mehr mögliche Arbeitsleistung gezahlt werden, nicht aber Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung, die parallel zu einem in Vollzug befindlichen Teilzeitarbeitsverhältnis gezahlt werden. 

(1) Die Regelung steht im Zusammenhang mit den Regelungen in § 33 TV-L. Gemäß § 33 Abs. 2 TV-L endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist, im Fall einer auf Zeit gewährten Rente ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird. D.h. grundsätzlich geht nach der tarifvertraglichen Regelung mit dem Bezug einer Rente auch wegen teilweiser Erwerbsminderung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. bei zeitweisem Bezug ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses einher. Demgegenüber ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nur für den Fall vorgesehen, dass dies vom Beschäftigten innerhalb einer kurzen Frist von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids beantragt wird, ein geeigneter freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht und dem keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründe entgegenstehen.

Da diese Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht als Normalfall, sondern als eine an besondere Bedingungen geknüpfte Ausnahme geregelt ist, spricht dies dafür, dass der Regelung in § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L der tarifvertragliche „Normalfall“ zugrunde liegt. Auch in der Literatur und Rechtsprechung wird betreffend die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L auf Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung ausgeführt, auch diese führe zu einem Ruhen bzw. einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sei entsprechend einer Rente wegen Erwerbsminderung gleichzusetzen ((BeckOK TV-L/Guth TV-L § 22 Rn. 33, beck-online; Clemens/Scheuring u.a. TV-L, 25. Lief., § 22 Rn. 403; Sponer / Steinherr, TV-L, § 22 Rn. 242; s. auch BAG, Urteil vom 07. Februar 2007 - 5 AZR 260/06 -, Rn. 13, juris zu den vergleichbaren Regelungen des BAT, diesbezüglich für § 22 Abs. 4 TVöD in Bezug genommen  durch Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15. April 2015 - 7 Sa 1242/14 -, Rn. 80, juris). Der abweichende Fall einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses wird soweit ersichtlich gar nicht erörtert.

(2) Zweck der tarifvertraglichen Regelung ist die Vermeidung eines Doppelbezuges, verwiesen wird auf die Entgeltersatzfunktion der Krankengeldzuschüsse für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, nach der sich eine Rente und Entgeltleistungen ausschlössen (Sponer / Steinherr, TV-L, § 22 Rn. 239; vgl. auch BAG, Urteil vom 30. September 1999 - 6 AZR 130/98 -, Rn. 11, juris).  Letztlich soll auch vermieden werden, dass vom Arbeitgeber zu zahlende Krankenbezüge zu einer Kürzung von Rentenansprüchen führen, d.h. Beschäftigte keinen Vorteil von der Regelung haben (vgl. zu diesbezüglichen Erwägungen der Tarifvertragsparteien BAG, Urteil vom 29. Juni 2000 - 6 AZR 50/99 -, Rn. 39, juris; zur Vorgängerregelung: Bredemeier/Neffke, BAT/BAT-O,  BAT § 37 Rn. 122-125, beck-online).

Ein solcher Doppelbezug sowohl aufgrund der erwerbsminderungsbedingten Leistungsunfähigkeit (Rente) als auch aufgrund der arbeitsunfähigkeitsbedingten Leistungsunfähigkeit (Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld und Zuschuss zum Krankengeld) ist bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gleichzeitiger Teilzeitarbeit und hier auftretender Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen.

Gem. § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI wird eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gezahlt, weil Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. D.h. Anknüpfungspunkt ist eine langfristig ausgeschlossene Vollzeitbeschäftigung, weshalb diese Rente gezahlt wird. Hiermit verbunden ist die Erwartung an teilweise erwerbsgeminderte, d.h. weiterhin teilweise erwerbsfähige Menschen, im Rahmen ihres verbleibenden zeitlichen Leistungsvermögens für den weiteren Teil des Lebensunterhalts zu sorgen. In dem dann angezeigten Fall der Teilzeitbeschäftigung steht der Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung entsprechend dem gesetzlichen Konzept der teilweisen Erwerbsminderung neben dem Entgelt aufgrund Teilzeitbeschäftigung. Bei der gleichzeitigen Zahlung von Vergütung für die Teilzeit-Arbeitsleistung und dem Bezug der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung handelt es sich dann nicht um einen „Doppelbezug“ sondern nebeneinander stehende Regelungen. Nichts anderes gilt für Entgeltersatzleistungen aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund vorübergehender Erkrankung. Diese bleiben ohne besondere Auswirkung auf den Rentenanspruch.

Die Anrechnungsregelung in § 96 a SGB VI, die im Ergebnis eine ungerechtfertigte Besserstellung teilweise Erwerbsgeminderter verhindern soll, gilt gleichermaßen für Entgelt und Entgeltersatzleistungen. Bei einer Teilzeitbeschäftigung unterhalb der möglichen Hinzuverdienstgrenzen führt weder das Entgelt noch eine dieses ersetzende Entgeltersatzleistung wie das Krankengeld, ggf. nebst Krankengeldzuschuss, zu höheren Rentenbezügen. Es liegt kein Fall vor, in dem erst diese Zahlung ursächlich für eine Kürzung oder einem Ruhen von Rentenansprüchen ist. Demgegenüber ist Zweck der tarifvertraglichen Krankengeld¬zuschussregelung, den Beschäftigten im Fall vorübergehender, aber über einen Zeitraum von sechs Wochen hinausgehender Arbeitsunfähigkeit das bisherige Einkommen zu sichern (BeckOK TV-L/Guth TV-L § 22 Rn. 24, beck-online). Dieser Absicherungsbedarf besteht auch, wenn Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ihr Einkommen unter Ausschöpfung der verbleibenden Erwerbsfähigkeit mit teilweiser Erwerbstätigkeit erzielen und vorübergehend erkranken.

(3) Weiter wird angenommen,  bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bestehende Rentenleistungen stünden einem Anspruch auf Krankengeldzuschuss nicht entgegen (Sponer / Steinherr, TV-L, § 22 Rn. 239). Für eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten, die eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bereits bei Begründung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses bezogen haben und Beschäftigten, die in einem bestehenden Arbeitsverhältnis aufgrund aufgetretener Einschränkungen nunmehr nur noch in Teilzeit arbeiten können und deshalb eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beziehen gibt es keine nachvollziehbaren Gründe. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine solche gewollt hätten. 

(4) Dieser Auslegung stehen Praktikabilitätserwägungen nicht entgegen. Letztlich wird das gemäß der Konzeption der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung angestrebte  Nebeneinander von Teilzeitbeschäftigung und Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch im Falle einer etwas längeren vorübergehenden Erkrankung fortgeführt. Teilzeitarbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die aufgrund eingeschränkter Erwerbsfähigkeit in Teilzeit arbeiten und Teilzeitarbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die aus anderen Gründen in Teilzeit arbeiten, werden gleich behandelt. Soweit langfristig keine Leistungsfähigkeit für die Teilzeitbeschäftigung besteht, führt der dann gemäß den tarifvertraglichen Regelungen vorgesehene Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einem Ruhen bzw. einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Zuschüsse zum Krankengeld sind dann nicht geschuldet.

Soweit das beklagte Land erstinstanzlich ausgeführt hat, die Klägerin sei mit der Teilerwerbsminderungsrente und dem Krankengeld auch ohne Krankengeldzuschuss nicht schlechter gestellt als im Falle des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente, mag dies zutreffen, berücksichtigt aber nicht, dass die Klägerin die auf nicht absehbare Zeit bestehende fehlende Leistungsfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI als Voraussetzung des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt. Für eine „Deckelung“ von Ansprüchen im Falle vorübergehender Arbeitsunfähigkeit auf das, was im Falle dauerhafter Leistungsunfähigkeit und Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt würde, gibt es keine Anhaltspunkte.

(5) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung im Falle einer anderen Auslegung als  unzulässige Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten oder von Menschen mit Behinderung anzusehen wäre. Soweit das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 15. April 2015 - 7 Sa 1242/14 - dies mit der Begründung ablehnt, die Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei eine Einkommensersatzleistung, Zweck derselben sei die wirtschaftliche Sicherung bei Minderung der Erwerbsfähigkeit und nicht wie klägerseitig geltend gemacht, ein Ausgleich für Nachteile wegen einer Behinderung (Rn. 91, juris) spricht dies im Umkehrschluss dafür, ein im Rahmen dieser Einschränkungen zwecks Erwerb der „zweiten Einkommenshälfte“ ausgeübtes Arbeitsverhältnis auch betreffend Entgelt¬fortzahlung und Zuschüsse zum Krankengeld ebenso zu behandeln wie jedes andere Arbeitsverhältnis. 

(6) Aus der tariflichen Vorgängerregelung ergibt sich nichts anderes. Diese Regelung enthielt  als Voraussetzung für einen Ausschluss der Krankengeldzahlung in § 37 Abs. 3 a) BAT eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Angesichts des anderen Regelungskontextes und soweit ersichtlich nur begrenzter Erörterung und Praxisrelevanz des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gem. § 59 BAT (vgl. hierzu kurz Böhm/Spiertz, Sponer/Steinherr, BAT § 37 Rn. 209, Stand Juni 2001) lässt sich hieraus weder eine sinngemäß gewollte Fortführung der Regelung noch im Umkehrschluss eine bewusste Abkehr vom Erfordernis voller Erwerbsminderung ableiten. 

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, § 24 Abs. 1 TV-L.

III. Der Antrag zu 2) ist zulässig. Der gestellte Antrag ist hinreichend bestimmt, das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag wird der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt (vgl. BAG, Urteil vom 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 -, Rn. 22, juris), es geht um eine Verpflichtung des beklagten Landes aus einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis mit Auswirkungen auf die Zukunft (vgl. BAG, Urteil vom 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 -, Rn. 17, juris).

IV. Der Antrag zu 2) ist begründet, auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. 

C.

Die Kostenentscheidung beruht soweit die Berufung zurückgenommen wurde auf § 516 Abs. 3 ZPO und im Übrigen auf § 91 Abs. 1 ZPO.

D.

Die Berufung wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. 

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