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Arbeitsrecht
11.09.2014
Arbeitsrecht
LAG Schleswig Holstein: Kindergartenzuschuss als freiwillige Leistung

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.3. 2014 – 3 Sa 388/13

Amtliche Leitsätze

1. Ein als freiwillige Leistung gewährter Kindergartenzuschuss hat den Charakter einer Sozialzulage zum Arbeitsentgelt. Er ist bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG) zu berücksichtigen, wenn er in den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn der Schutzfrist oder eines Beschäftigungsverbotes gezahlt wurde.

2. Bei der Prüfung, ob es sich um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 MuSchG handelt, kommt es nicht auf die Steuerpflichtigkeit an.

3. Ein vom Arbeitgeber nur als "freiwillige Leistung" bezeichneter Kindergartenzuschuss lässt in der Regel nicht den Schluss zu, die entsprechende Zusage des Arbeitgebers stehe auch unter einem Widerrufsvorbehalt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld, konkret darum, ob ein Kindergartenzuschuss und Fahrgeld zu berücksichtigen sind.

Der Beklagte hat mehrere hundert Beschäftigte und berät seine Kunden auch steuerlich.

Die Klägerin war seit dem 01.12.2011 bei ihm als Steuerfachangestellte beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis ist zwischenzeitlich beendet. Die Klägerin hatte bei Arbeitsaufnahme bereits ein Kindergartenkind. Es existiert ein schriftlicher Arbeitsvertrag. Danach war eine monatliche Vergütung von 1.800,00 Euro brutto geschuldet, zahlbar Mitte des laufenden Monats. Zusätzlich vereinbarten die Parteien mündlich die monatliche steuer- und sozialversicherungsfreie Zahlung eines Kindergartenzuschusses in Höhe von 230,00 Euro und eines Fahrtkostenzuschusses in Höhe von 67,50 Euro. Beiden Parteien war bei der Vereinbarung bekannt, dass Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit nur dann gegeben sind, wenn es sich bei derartigen Leistungen um freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers handelt. Der Klägerin wurde bei Vertragsschluss ausdrücklich in Aussicht gestellt, dass der Beklagte diese Beträge regelmäßig zahlen werde (Berufungserwiderung S. 2, Bl. 138 d. A.).

Die Klägerin wurde schwanger. Von April 2012 bis zum Beginn der Mutterschutzfrist bestand ein ärztliches Beschäftigungsverbot.

Der Beklagte zahlte der Klägerin seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses durchgängig und ungekürzt neben den im Arbeitsvertrag vereinbarten 1.800,00 Euro brutto den Kindergartenzuschuss und den Fahrtkostenzuschuss. Das gilt auch für eine Krankheitszeit vom 14.12.2011 bis 23.12.2011 und für die Zeit des Beschäftigungsverbots. Es ergab sich insoweit ein regelmäßiger monatlicher Auszahlungsbetrag von 1.717,62 Euro (Bl. 2, 103, Anlagenkonvolut K 1, Bl. 105 – 130 d. A.).

Vom 14.08.2012 bis zum 24.11.2012 befand sich die Klägerin in Mutterschutz und erhielt das gesetzliche Mutterschaftsgeld von 13,00 Euro täglich. Für den genannten Zeitraum zahlte der Beklagte einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von 34,34 Euro täglich. Dabei ließ er den Kindergarten- und den Fahrtkostenzuschuss unberücksichtigt.

Die Klägerin begehrt auf Basis des monatlichen Gesamtauszahlungsbetrages die Zahlung eines täglichen Zuschusses in Höhe von 44,25 Euro für den Zeitraum 14.08.2012 bis 24.11.2012. Sie errechnet für diese 99 Kalendertage einen noch zu zahlenden Differenzbetrag von 9,91 Euro täglich, den sie mit der vorliegenden Klage geltend macht.

Sie hat stets die Ansicht vertreten, Kindergartenzuschuss und Fahrgeld seien in die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld einzubeziehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund geschehen, dass der Sachverhalt im Tatsächlichen durch die Klägerin nicht hinreichend dargelegt war. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 26.09.2013 verwiesen.

Gegen diese der Klägerin am 10.10.2013 zugestellte Entscheidung hat sie am Montag, den 11.11.2013 Berufung eingelegt, die fristgemäß begründet wurde.

Die Klägerin ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, sie habe aufgrund der getroffenen Vereinbarungen einen Anspruch auf diese Beträge, die ihr uneingeschränkt zugesichert worden seien. Das ergebe sich auch aus dem Zahlungsverhalten des Beklagten, der den Kindergartenzuschuss und den Fahrtkostenzuschuss unabhängig von ihrer Anwesenheitszeit stets durchgängig gezahlt habe. Bei beiden Positionen handele es sich tatsächlich nicht um Aufwendungsersatz.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 26.09.2013, Az. 2 Ca 839 b/13, wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 981,09 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 138,74 Euro seit dem 01.09.2012, auf weitere 297,30 Euro seit dem 01.10.2012, auf weitere 307,21 Euro seit dem 01.11.2012 und auf weitere 237,84 Euro seit dem 1.12.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Er meint, der Kindergartenzuschuss und das Fahrgeld seien bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen, da es sich um Aufwendungsersatz handele, der im Falle des Mutterschutzes nicht anfalle. Der Aufwand für die Unterbringung des Kindes im Kindergarten sei während des Mutterschutzes nicht mehr beruflich veranlasst. Die Klägerin sei zuhause und daher fortan selbst zur Kinderbetreuung in der Lage. Ihr gleichwohl den Kindergartenzuschuss zuzusprechen, stelle eine ungerechtfertigte Besserstellung der werdenden Mutter gegenüber der berufstätigen Frau dar. Außerdem handele es sich um eine freiwillige Leistung. Diese könne der Beklagte jederzeit ohne Einschränkungen widerrufen. Auch § 106 GewO finde insoweit keine Anwendung. Beide Zuschüsse seien nur versehentlich bis zum Mutterschutz weitergezahlt worden. Letztendlich bestehe schon deshalb kein Anspruch der Klägerin, weil die die Vertragsverhandlungen führenden Steuerberater nicht befugt gewesen seien, arbeitsvertragliche Zusagen zu erteilen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.

Aus den Gründen

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld unter Einbeziehung des ihr bislang gewährten Kindergartenzuschusses in Höhe von 230,00 Euro sowie des monatlichen Fahrtkostenzuschusses in Höhe von 67,50 Euro zu zahlen.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.

1. Der Anspruch folgt nicht aus § 611 BGB. Mit Beginn der Mutterschutzfrist werden die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag suspendiert. Die Schwangere schuldet keine Arbeit, der Arbeitgeber keine Vergütung mehr. An die Stelle des Vergütungsanspruchs der Arbeitnehmerin tritt als "lohnähnlicher Ersatzanspruch" der Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Da der Arbeitgeber während der Mutterschutzfristen ein aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgendes Arbeitsentgelt nicht mehr schuldet, scheidet ein auf § 611 BGB gestützter Anspruch aus (BAG vom 11.10.2000 –5 AZR 240/99, zitiert nach Juris, Rz. 27 m.w.N.).

2. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmerinnen vom Arbeitgeber für die Zeit der Schutzfristen (6 Wochen vor der Entbindung und 8 Wochen nach der Entbindung) einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Dessen Höhe entspricht dem Unterschied zwischen 13,00 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist.

3. Im Bezugszeitraum hat die Klägerin außer ihrem Gehalt auch den Kindergartenzuschuss in Höhe von 230,00 Euro und die Fahrtkosten in Höhe von 67,50 Euro erhalten. Die beiden Zahlungsbeträge sind vom Beklagten jeden Monat regelmäßig gezahlt worden. Aus den seitens der Klägerin zur Akte gereichten Gehaltsabrechnungen ergibt sich, dass der Beklagte die Fahrtkosten und den Kindergartenzuschuss laufend und ungekürzt an die Klägerin gezahlt hat. Das ist nicht nur in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Beginn der Schutzfrist geschehen, sondern auch in den letzten drei Monaten vor Beginn des Beschäftigungsverbots. Beide Zahlbeträge könnte der Beklagte bei der Berechnung des Zuschusses nur dann unberücksichtigt lassen, wenn der Kindergartenzuschuss und die Fahrtkostenerstattung kein Arbeitsentgelt wären. Das Gegenteil ist richtig.

4. Der Begriff "durchschnittliches Arbeitsentgelt" in § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG hat den gleichen Inhalt wie der Begriff "Durchschnittsverdienst" in § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Zum im Bezugszeitraum verdienten Arbeitsentgelt zählt jede geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch die Arbeitnehmerin im Berechnungszeitraum (BAG vom 14.12.2011, 5 AZR 439/10, LS 2 und Rz. 19 m.w.N.; BAG vom 29.01.1971, 3 AZR 97/69 – Juris, Rz. 10). Daher zählen auch sämtliche regelmäßigen und festen geldwerten Bezüge, auch Sachbezüge zum Durchschnittsverdienst, wenn diese in den letzten drei Monaten Teil des Arbeitsentgelts waren (BAG vom 11.10.2000 – 5 AZR 240/99, Rz. 29 und 37 m.w.N.;Roos, Bieresborn/Zimmermann, Kommentar zum MuSchG, BEEG, 2. Auflage 2014, Rz. 13 zu § 14 ; Rancke/Pepping, MuSchG, 3. Aufl. 2014, Rz. 16 zu § 14; ErfK/Schlachter MuSchG, Rz. 7 zu § 11; Buchner, Becker, Kom. zum MuSchG. 8. Aufl. Rz. 113 zu § 14).

5. Bei der Prüfung, ob es sich um zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 MuSchG handelt, kommt es nicht auf die Steuerpflichtigkeit an (Rancke / Pepping Rz. 16 zu § 14 MuSchG). Insoweit ist es für die Einordnung nicht maßgeblich, ob die Zuschüsse die Voraussetzungen des § 3 Nr. 33 EStG (Kindergartenzuschuss) bzw. des § 40 Abs. 2 S. 2 EStG (Fahrtkostenzuschuss) erfüllen. Steuerrechtlich ist für die Steuerfreiheit bzw. Steuerpauschalierung erforderlich, dass die Leistungen freiwillig sind und nicht dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zuzurechnen sind (vgl. nur BFH vom 19.09.2012, VI R 54/11 und BFH vom 19.09.2012, VI R 55/11). Es ist jedoch durchaus möglich, dass in Folge der Arbeitsvertragsgestaltung oder des arbeitsrechtlichen Instituts der betrieblichen Übung pauschalierte, im Sinne der §§ 3, 40 EStG steuervergünstigt gewährte freiwillige Zuschüsse arbeitsrechtlich objektiv ohnehin geschuldeter Arbeitslohn sind bzw. geworden sind (vgl. BFH a. a. O).

6. Maßgeblich für die Feststellung, was zum durchschnittlichen Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 MuSchG gehört, ist der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff. Zum Gesamtverdienst gehört insoweit alles, was im Sinne des Arbeitsrechts Arbeitsentgelt darstellt (Roos /Zimmermann, Rz. 11 zu § 11 MuSchG m.w.N.). Alles, was der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsverhältnisses als laufende Zahlung gewährt und nicht unter den Aufwendungsersatz fällt, ist Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 MuSchG (BAG vom 29.01.1971, 3 AZR 97/69 – Rz. 12). Darunter fallen daher auch Sachbezüge, soweit sie Entgeltcharakter haben. Gleiches gilt für Zuschläge, Zulagen und Entgeltleistungen, soweit es sich um Gegenleistungen für die Arbeitsleistung handelt (Buchner/Becker, Rz. 85 zu § 11 MuSchG). Das gilt beispielsweise für die sogenannten Sozialzulagen wie Wohnungs- und Kindergeld, Alters- und Dienstzeitzulagen (Roos/Zimmermann, Rz. 16 zu § 11 MuSchG).

7. Gehören Sachbezüge zum Arbeitsentgelt und sind sie nicht frei widerruflich, so sind sie der Arbeitnehmerin regelmäßig auch während der Mutterschutzfristen zu gewähren. Sinn und Zweck der Vorschriften des § 11 und § 14 MuSchG ist, die werdende Mutter vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, die anderenfalls mit Beschäftigungsverboten verbunden wären. Die Beschäftigungsverbote sollen zu keinerlei Verdienstminderung führen, damit jeder finanzielle Anreiz für die Arbeitnehmerin entfällt, entgegen den ihrem Schutz dienenden Verboten die Arbeit zu ihrem und des Kindes Nachteil fortzusetzen. Erhält die Arbeitnehmerin als Teil des Arbeitsentgelts Sachbezüge bis zum Beginn der Schutzfrist und würden diese mit Fristbeginn wegfallen, so wäre sie möglicherweise gerade in der Zeit erhöhter Schutzbedürftigkeit gezwungen, sich um Ersatz zu bemühen. Davor soll die Schwangere bzw. junge Mutter nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung geschützt sein (BAG vom 11.10.2000, a.a.O.Rz.36). § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist deshalb dahin auszulegen, dass der Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld grundsätzlich in Form der Weitergewährung von Sachbezügen zu erfolgen hat, wenn diese in den letzten drei Monaten vor Beginn der Schutzfrist fester Teil des Arbeitsentgelts der Arbeitnehmerin waren.

8. Handelt es sich hingegen bei Sachleistungen oder Zulagen um reinen Aufwendungsersatz, wie häufig bei Fahrtkosten, sind diese nicht einzuberechnen, da aufgrund des Beschäftigungsverbots auch der hiermit auszugleichende Aufwand für die Arbeitnehmerin entfällt (Rancke/Pepping, Rz. 36 zu § 11 MuSchG; Roos / Zimmermann, Rz. 16 zu § 11 MuSchG).

9. Es gibt allerdings auch Mischformen. Bei Mischformen kommt es darauf an, welcher Teil (Entgelt oder Aufwendungsersatz) für die betreffende Leistung prägend ist (Rancke/ Pepping, a.a.O. und Anm. 16 zu § 14 MuSchG). Das ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.

10. Letztendlich ist eine von beiden Seiten gewünschte Abgeltung in Geld und eine im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben notwendige andere Entscheidung nicht ausgeschlossen (BAG vom 11.10.2000 – 5 AZR 240/99, Rz. 37).

11. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind vorliegend sowohl der Kindergartenzuschuss als auch der Fahrtkostenzuschuss als Arbeitsentgelt bei der Bestimmung der Höhe des Zuschusses nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG zu berücksichtigen. Das ergibt die Auslegung (§§ 133,157 BGB).

a) Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor, so dass eine Wortlautauslegung nicht möglich ist.

b) Der Kindergartenzuschuss hat den Charakter einer Sozialzulage. Diese hat regelmäßig Entgeltcharakter. Würde dieser Kindergartenzuschuss bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld unberücksichtigt bleiben, hätte die werdende Mutter durch das Beschäftigungsverbot einen wirtschaftlichen Nachteil. Sie müsste aufgrund des Beschäftigungsverbotes nunmehr selbst für die Kosten der Kindergartenunterbringung aufkommen. Das würde aber bei der Klägerin als werdende Mutter gerade zu der Verdienstminderung führen, die § 14 MuSchG verhindern will (siehe BAG vom 11.10.2000, a.a.O). Der seitens des Beklagten gezahlte Kindergartenzuschuss ist daher als Arbeitsentgelt einzuordnen.

c) Der Kindergartenzuschuss wurde zudem als laufende Leistung gewährt und ungekürzt auch während der Urlaubs- und Krankheitszeit sowie während des Beschäftigungsverbots gezahlt. Auch das spricht für den Entgeltcharakter.

c) Dem kann auch nicht § 3 Ziff. 33 EStG entgegengehalten werden, wie der Beklagte meint. Zum einen kommt es, wie bereits dargelegt, nicht auf die Steuerpflichtigkeit an. Zum anderen ist höchst fraglich, ob § 3 Ziff. 33 EStG vorliegend einschlägig ist. Denn es spricht sehr viel dafür, dass der zwischen den Parteien vereinbarte Kindergartenzuschuss aufgrund der getroffenen individuellen Vereinbarungen hier steuerlich tatsächlich dem „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ zuzurechnen ist (vgl. hierzu BFH vom 19.09.2012, VI R 54/11 und BFH vom 19.09.2012, VI R 55/11 – jeweils zitiert nach Juris). Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist der arbeitsrechtlich geschuldete. Nur freiwillige Arbeitgeberleistungen, auf die kein Anspruch besteht, schuldet der Arbeitgeber nicht ohnehin (BFH a.a.O).

Hervorzuheben ist hier vor allem, dass die Parteien nach dem übereinstimmenden Vortrag mündlich bei Vertragsschluss die Zahlung des Kindergartenzuschusses und des Fahrgeldes aus rein steuerlichen Gründen als freiwillige Arbeitgeberleistung eingeordnet haben. Letztendlich kommt es aber aus den o.g. Gründen hier auf die steuerrechtlichen Aspekte nicht an. Maßgebend ist für den vorliegenden Rechtsstreit der arbeitsrechtliche Gesichtspunkt.

d) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf (Fort)-Zahlung des Kindergartenzuschusses und des Fahrtkostenzuschusses und damit einhergehend auf Berücksichtigung bei der Zuschussberechnung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte beides bei Vertragsschluss mündlich als freiwillige Leistung bezeichnet hat und beide Vergütungsbestandteile bis zum Beginn des Mutterschutzes als solche steuerlich behandelt wurden. Das führt nicht dazu, dass der Beklagte diese Vergütungsbestandteile jederzeit widerrufen kann, geschweige denn, dass ein Widerruf rechtlich schrankenlos wäre, wie der Beklagte meint (Ss. vom 11.03.2014 – S.2, Bl. 150 d.A.).

aa) Die Bezeichnung von Zuwendungen als „freiwillige“ Sozialleistung lässt in der Regel nicht den Schluss zu, die entsprechende Zusage des Arbeitgebers stehe unter einem Widerrufsvorbehalt. Eine solche Bezeichnung bringt für den Arbeitnehmer nicht unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich der Arbeitgeber eine grundsätzlich freie Lösung von der gegebenen Zusage vorbehält, sondern kann auch so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber „freiwillig“ zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein. Es kommt darauf an, wie der Empfänger einer Erklärung diese verstehen muss (§§133, 157 BGB). Daher muss der Arbeitgeber es in seiner Erklärung gegenüber Arbeitnehmern unmissverständlich deutlich machen, wenn er sich den Widerruf einer zugesagten Sozialleistung vorbehalten, also eine vertragliche Bindung verhindern will (BAG vom 23.10.2002, 10 AZR 48/02 – Juris, Rz.41, siehe auch BAG vom 28.04.2004, 10 AZR 481/03 – Juris).

bb) Eine derartige, über den Hinweis auf Freiwilligkeit hinausgehende Klarstellung hat der Beklagte bei Vertragsschluss aber nicht vorgenommen. Er hat nach dem eigenen Vorbringen gegenüber der Klägerin angegeben, er werde den Kindergarten- und Fahrtkostenzuschuss regelmäßig gewähren, aber steuerfrei (Bl. 138 d.A.). Das ist gerade kein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass er sich den jederzeitigen Widerruf dieser Leistungen vorbehalte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Klägerin musste nach dem Empfängerhorizont angesichts der Zusicherung des Beklagten, die Zuschüsse würden regelmäßig gezahlt, die Einordnung als „freiwillige“ Leistung nicht dahin verstehen, dass die Zuschüsse gleichwohl jederzeit widerruflich sein sollten. Schon gar nicht liegt die geforderte „Unmissverständlichkeit“ eines etwaigen Widerrufsvorbehaltes, für die der Beklagte bei der Vertragsgestaltung hätte sorgen müssen, vor.

cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die beiden freiwilligen Zuschüsse nur mündlich vereinbart wurden, wie der Beklagte meint. Schriftform ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch mündliche Vereinbarungen sind verbindlich und verpflichtend und machen eine freiwillige Leistung nicht zu einer jederzeit vom Arbeitgeber widerruflichen.

f) Der Fahrtkostenzuschuss ist vorliegend ebenfalls als Teil des Arbeitsentgelts und nicht als tatsächlicher reiner Aufwendungsersatzanspruch einzuordnen.

aa) Aufwendungsersatzleistungen sollen einen Aufwand abgelten, den der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers erbracht hat (Buchner, Becker, Rz. 96 zu § 11 MuSchG). Als Aufwendungsersatz bezeichnet man den Ersatzanspruch des Arbeitnehmers für Auslagen, die er zugunsten des Arbeitgebers gemacht hat (Küther, Personalbuch 2013, Stichwort „Aufwandsentschädigung“ Rz. 1 und Stichwort „Aufwendungsersatz, Rz. 1 ff). Da die Erstattung der Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeit arbeitsrechtlich regelmäßig nicht vom Arbeitgeber geschuldet ist, denn die Arbeitsleistung beginnt am regelmäßigen Arbeitsort, bedarf es – außerhalb spezieller tariflicher oder betrieblicher Regelungen - für die Übernahme derartiger Privatauslagen immer einer freiwilligen Übernahmevereinbarung mit dem Arbeitgeber.

bb) Vorliegend kann zugunsten des Beklagten davon ausgegangen werden, dass mit der freiwilligen Zusage zur Zahlung eines Fahrtkostenzuschusses der Klägerin jedenfalls auch Auslagenersatz gewährt werden sollte. Der Fahrtkostenzuschuss hat hier jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles Mischcharakter. Es überwiegt der Entgeltcharakter, denn der Beklagte hat den Fahrtkostenzuschuss nicht nur gezahlt, wenn die Klägerin reale Fahrtkostenauslagen hatte. Er hat vielmehr diesen Zuschuss auch während der Urlaubszeiten der Klägerin, der Arbeitsunfähigkeit im Dezember und während des Beschäftigungsverbots durchgehend und ungekürzt gewährt, obgleich insoweit keine Fahrtkosten für Fahrten zur Arbeit angefallen sind. Das spricht dafür, dass der als laufende Leistung gezahlte Fahrtkostenzuschuss objektiv überwiegend Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung war und damit Entgeltcharakter hat. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Beklagte der Klägerin bei Vertragsschluss die regelmäßige Zahlung ausdrücklich zugesichert hat.

g) Das Vorbringen des Beklagten, die Weiterzahlung sei versehentlich erfolgt, kann die Kammer nur als Schutzbehauptung einordnen. Der Beklagte ist berufsbedingt steuerlicher Experte und kannte seine Rechte daher genau, wie die Vertragsverhandlungen zeigen. Dass er gleichwohl wiederholte Male über viele Monate hinweg bei unterschiedlichen Anlässen jeweils versehentlich und nicht willentlich die Zuschüsse weitergezahlt hat, erscheint unglaubwürdig. Der Beklagte hat auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, die auf ein Versehen schließen lassen könnten.

12. Im Streitfall ist eine Korrektur zugunsten des Beklagten nach Treu und Glauben nicht geboten. Der Beklagte hatte sich unstreitig ausdrücklich bei den Vertragsverhandlungen verpflichtet, Fahrgeld und Kindergartenzuschuss regelmäßig zu zahlen. Hieran ist er gebunden. Beide Parteien wollten nur die steuerlich günstigere Pauschalversteuerung erwirken.

13. Letztendlich ist es für das Entscheidungsergebnis auch unbeachtlich, ob die beiden Leiter der Bezirksstelle in S..., die die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin geführt und den Kindergartenzuschuss sowie den Fahrtkostenzuschuss zugesagt haben, hierzu befugt waren oder ob sie ihre Befugnisse überschritten haben.. Es gelten die Grundsätze der Anscheinsvollmacht (§§ 172 ff BGB) zugunsten der Klägerin. Mangels entsprechenden Vorbringens des Beklagten – auch anlässlich der Erörterungen in der Berufungsverhandlung - fehlt jeglicher Anhaltspunkt für eine etwaige Bösgläubigkeit der Klägerin. Abgesehen davon stammen alle die Zuschüsse ausweisenden Gehaltsabrechnungen aus dem K... Hauptsitz des Beklagten, in dem die Geschäftsführer ansässig sind und den Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Es erschließt sich der Kammer nicht, vor welchem Hintergrund die Klägerin angesichts dessen davon ausgehen sollte, die Zuschüsse würden nicht mit Wissen und Wollen des Vertragsarbeitgebers gezahlt.

14. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB. Insoweit ist es unbeachtlich, dass arbeitsvertraglich der Gehaltsanspruch Mitte des jeweiligen Monats fällig ist, die Klägerin hingegen Verzinsung erst ab Monatsende begehrt. Es steht jedem frei, weniger geltend zu machen, als ihm zusteht.

15. Aus den genannten Gründen ist auf die Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil abzuändern. Der Beklagte war antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen hier vor, so dass die Revision zuzulassen war. Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist über die Berücksichtigung eines freiwillig, ohne schriftliche Fixierung eines Widerrufsvorbehaltes gezahlten Kindergartenzuschusses und Fahrgelds bei der Ermittlung der Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld bislang nicht entschieden worden.

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