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Arbeitsrecht
17.06.2010
Arbeitsrecht
OVG Rheinland-Pfalz: Keine Rente für Witwe bei verspäteter Eheschließung

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.2010 - 6 A 10320/10.OVG

Sachverhalt

Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich ein Anspruch auf Witwenrente zusteht.

Der am 11. August 1939 geborene Kläger war als niedergelassener Arzt im Gebiet der beklagten Bezirksärztekammer tätig. Deren Versorgungseinrichtung gewährt ihm seit Oktober 2003 eine Altersrente. Nach Scheidung seiner ersten Ehe heiratete er am 9. August 2007 ‑ im Alter von 67 Jahren ‑ die im Jahre 1962 geborene Klägerin.

Nach § 23 Abs. 1 Nummer 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung ‑ Stand: 1. Januar 2006 ‑ erhält der überlebende Ehegatte eines Mitglieds Witwen- beziehungsweise Witwerrente, sofern die Ehe vor Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres, geschlossen wurde und zum Zeitpunkt des Todes des Mitglieds noch bestand.

Im Januar 2008 beantragte der Kläger, § 23 Abs. 1 der Satzung zu ändern und maßgeblich auf das Erreichen des 68. Lebensjahres abzustellen. Der Verwaltungsrat der Versorgungseinrichtung beschloss, den Antrag nicht zu unterstützen, und teilte dem Kläger mit, man betrachte die Angelegenheit als erledigt.

Zur Begründung ihrer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Feststellungsklage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Die Rechtsprechung habe bisher gegen den Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter" Witwen von der Gewährung einer Witwenrente keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben. Ausgehend von den europäischen Richtlinien und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spreche aber alles dafür, dass die stringente Regelung der Satzung eine Altersdiskriminierung darstelle, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beziehungsweise das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Die Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien auf berufsständische Vereinigungen anwendbar.

Da die Beklagte der Klägerin jegliche Witwenrente versage, trage sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht Rechnung, denn die finanziellen Risiken von Spätehen seien gering, jedenfalls beherrschbar. Grundsätzlich würden wohl alle potentiellen Versorgungsempfänger versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt. Zudem sei der Kläger bereits verheiratet gewesen und erspare der Beklagten durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich kalkulatorisch die Witwenrente.

Sie hätten auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, da sie je nach Ausgang des Verfahrens Vermögensdispositionen für das Alter treffen müssten.

Die Kläger haben beantragt,

festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach von ihr eine Witwenrente zu erhalten hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Die Klage sei bereits unzulässig, da die begehrte Feststellung nicht auf ein Rechtsverhältnis gerichtet sei. Der Klägerin fehle zudem die notwendige Beschwer, da sie weder Mitglied der Versorgungseinrichtung sei noch im Falle des Vorversterbens des Klägers werden könne. Zudem begründe die theoretische Möglichkeit, dass sie ihren Ehemann überlebe, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwer. Die Klägerin könne im Übrigen im Versicherungsfall eine Leistungsklage erheben; ein "vorgezogenes" Feststellungsinteresse bestehe dagegen nicht. Der Kläger sei zwar ihr Mitglied, mache aber keine eigenen Ansprüche geltend. Daher liege auch hinsichtlich seiner Person kein Rechtsverhältnis vor.

Die Kläger könnten sich nicht darauf berufen, dass die Zulassung als Kassenarzt erst mit dem Erreichen des 68. Lebensjahres erlösche. Auf die im vorliegenden Zusammenhang bestehenden beamtenversorgungs- und rentenrechtlichen Regelungen komme es nicht an, da es sich bei diesen und dem berufsständischen Versorgungsrecht um selbstständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien handle.

Sinn und Zweck der angegriffenen Vorschrift sei es, in Fällen der Verehelichung eines Mitglieds nach dem 65. Lebensjahr eine Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft durch zwei Versicherungsleistungen auszuschließen. Eine solche Regelung werde von den Gerichten hinsichtlich Art. 3 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ nicht beanstandet. Eine Verpflichtung zur Versorgung sämtlicher Hinterbliebener resultiere auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht.

Nach europäischem Recht liege eine Altersdiskriminierung ebenfalls nicht vor. Bei Art. 13 EGV handle es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, um Vorkehrungen gegen Diskriminierungen zu treffen. Die Richtlinie 2000/78/EG betreffe lediglich die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und sei daher für Mitgliedschaftsverhältnisse in berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht relevant. § 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ‑ AGG - schließe Benachteiligungen ausschließlich in Bezug auf bestimmte, abschließend aufgeführte Kriterien aus. Darüber hinaus sei der Anwendungsbereich dieser Vorschriften gemäß § 6 AGG auf Arbeitnehmer beschränkt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, wobei es offen gelassen hat, ob der Feststellungsantrag bereits unzulässig sei; die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die maßgebliche Satzungsbestimmung verstoße nicht gegen das in § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG enthaltene Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. § 23 Abs. 1 Ziffer 1 der Satzung sei jedenfalls nach § 10 AGG zulässig. Die Satzungsregelung verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 141 des EG-Vertrags ‑ EGV ‑ oder die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, 16).

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Es sei anerkannt, dass ein aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis feststellungsfähig sein könne. Eine wirksame unmittelbare und sachnähere Verfahrensart als die Feststellungsklage stehe ihnen nicht zur Verfügung. Wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergebe, sei dieses Gesetz auch auf die Versorgungseinrichtung anwendbar, und eine bundesrechtliche Regelungskompetenz bestehe zumindest als Annex zu Art. 74 Abs. 1 Nummer 19 GG. Die Frage könne aber letztlich dahinstehen, da § 10 AGG und die Richtlinie 2000/78/EG inhaltlich identisch seien. Zum Ausschluss kalkulatorischer Risiken reiche es aus, auf die Dauer der neuen Ehe beziehungsweise den Altersunterschied zwischen den Ehegatten abzustellen. Der gewählte Weg einer Totalverweigerung sei jedoch unangemessen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2009 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz festzustellen, dass die Klägerin im Falle des Vorversterbens des Klägers bei der Beklagten versorgungsberechtigt ist und dem Grunde nach eine Witwenrente zu erhalten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie zwar zulässig (A.), aber unbegründet (B.) ist.

A. Die Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Klägerin im Falle des Todes des Klägers grundsätzlich einen Anspruch auf Witwenrente hat, ist als Feststellungsklage (§ 43 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑) zulässig.

I. Das Begehren ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO gerichtet. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, die streitigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 ‑ 8 C 38/09 ‑, juris, m.w.N.).

a) Die begehrte Feststellung bezieht sich zunächst auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Zwar entsteht der Anspruch auf Witwenrente nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung nach dem Tod des Klägers selbständig in der Person der Klägerin, ist aber zu seinen Lebzeiten Gegenstand eines ihm zustehenden bedingten Anspruchs (vgl. ‑ zum Beamtenversorgungsrecht ‑ BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971 ‑ VI C 57.66 ‑, BVerwGE 38, 346; Urteil vom 8. Juni 1965 ‑ VI C 13.64 ‑, BVerwGE 21, 214; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. März 2009 ‑ 2 A 11403/08 ‑, ZBR 2010, 100). Der Sachverhalt ist bereits hinreichend überschaubar, auch wenn er davon abhängt, dass die Klägerin den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Klägers noch besteht (vgl. BVerwG, a.a.O.), da der Eintritt dieser Bedingungen bei regelmäßigem Verlauf nicht fernliegt (zum umgekehrten Fall vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 ‑ 2 C 23/88 ‑, NJW 1990, 1866).

b) Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ebenfalls ein konkretes Rechtsverhältnis streitig. Zwar ist die Klägerin derzeit nicht Mitglied der Versorgungseinrichtung, und der von ihr behauptete Anspruch auf Witwenrente steht ebenfalls unter der Bedingung, dass sie den Kläger überlebt und ihre Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestanden hat. Sofern ihre Rechtsauffassung zuträfe, hätte sie aber bereits jetzt eine ungesicherte Anwartschaft auf ihre zukünftige Witwenrente (vgl. das Urteil des Senats vom 20. November 2007 ‑ 6 C 10767/07.OVG ‑, juris, m.w.N.). Der Sachverhalt ist ebenso überschaubar, wie dies hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten der Fall ist. Der ohne nähere Begründung in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1971 und 8. Juni 1965 (a.a.O.) vertretenen gegenteiligen Auffassung schließt sich der Senat daher nicht an.

II. Hinsichtlich der bei Feststellungsklagen in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 ‑ 8 C 10/08 ‑, DVBl. 2009, 1382, ständige Rechtsprechung) bestehen ebenfalls keine Bedenken, da es möglich erscheint, dass dem Kläger ein bedingter Anspruch auf Zahlung von Witwenrente an die Klägerin zusteht, der eine vergleichbare ungesicherte Anwartschaft der Klägerin entspricht.

III. Die Kläger haben zudem ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO), da sie in dieser Frage Klarheit benötigen, um erforderlichenfalls Dispositionen zur wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

IV. Die Kläger können ihr Rechtsschutzziel derzeit auch nicht mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erreichen, so dass die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegensteht.

B. Die Klagen sind aber unbegründet, da die Klägerin im Fall des Todes des Klägers keinen Anspruch auf Witwenrente hat. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ausgeschlossen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung schon das 65. Lebensjahr vollendet und somit die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung überschritten hatte. Darüber hinaus bezog er bereits Altersrente. Die Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf § 14 Abs. 6 Nr. 2 des Heilberufsgesetzes ‑ HeilBG ‑ vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Oktober 2009. GVBl. S. 358) und sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

I. Der Ausschluss des Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente verstößt nicht gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ‑ AGG ‑ vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I, S. 160). Danach dürfen Beschäftigte insbesondere nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Solche Benachteiligungen sind nach Maßgabe dieses Gesetzes insbesondere unzulässig in Bezug auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG). Selbst wenn man Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften auf Fälle der vorliegenden Art (1.) zurückstellt, ist die hier vorliegende Benachteiligung wegen des Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt (2.).

1. Gegen die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG spricht, dass der Kläger als Mitglied der Versorgungseinrichtung kein Beschäftigter im Sinne des 2. Abschnitts des AGG ‑ §§ 7 bis 18 AGG ‑ ist.

a) Er unterfällt als Angehöriger eines sogenannten freien Berufs nicht der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 AGG. Danach sind Beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Angehörige freier Berufe gehören ersichtlich nicht zu diesem Personenkreis.

b) Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts dieses Gesetzes jedoch entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören. Dies könnte die Annahme stützen, § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung sei an den genannten Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen (vgl. VG Trier, Urteil vom 29. April 2009 ‑ 5 K 806/08.TR ‑; Franke, in: Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 42; Herrmann, ebd., § 18 Rn. 13; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 2 Rn. 68, § 18 Rn. 14, Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, § 2 AGG Rn. 13, 27, § 18 AGG Rn. 4, 13).

c) Allerdings bestehen begründete Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Regelungen, die Auswirkungen auf die Leistungen von Versorgungseinrichtungen der Angehörigen freier Berufe haben (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 27/06 ‑, BVerwGE 129, 1512). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beruft sich auf die Kompetenzen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ (Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes), Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht, gerichtliches Verfahren, Rechtsberatung) sowie ‑ bezüglich § 2 Abs. 2 AGG ‑ Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge). Die Versorgung der Angehörigen der freien Berufe unterfällt keiner dieser Kompetenzvorschriften (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007, a.a.O.). Eine Annexkompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wie sie die Kläger angesprochen haben, liegt ebenfalls fern. Denn es erscheint nicht plausibel, dass der Bund von seiner Kompetenz zur Regelung der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sinnvoll nur Gebrauch machen kann, wenn er ebenfalls Regelungen bezüglich der Hinterbliebenenversorgung trifft. Ob die berufsständischen Versorgungswerke dem Gebiet der Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen sind, ist umstritten (zum Meinungsstand vgl. z. B. v. Roetteken, NVwZ 2008, 615 m.N.).

2. Die Frage nach der Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes kann für die vorliegende Entscheidung jedoch offen bleiben, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung mit den Vorschriften dieses Gesetzes jedenfalls insoweit in Einklang steht, als es um Fälle geht, in denen das Mitglied ‑ wie hier der Kläger ‑ zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Altersrente bezogen hat. Die Vorschrift schließt zwar den Anspruch auf Witwenrente gerade wegen der Überschreitung der Altersgrenze zum Zeitpunkt der Eheschließung aus, stellt also eine Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dar. Diese ist aber nach § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGG ungeachtet des § 8 AGG zulässig ‑ dieser regelt die unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen und ist hier nicht einschlägig ‑, da sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (a) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (b).

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG umschreibt weder, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist, noch enthält er eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG entsprechende Regelung, wonach unter legitimen Zielen insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind. Allerdings wird unter Bezugnahme auf diese Regelbeispiele teilweise die Auffassung vertreten, legitime Ziele müssten auf die Verfolgung gesetzgeberisch formulierter Gemeinwohlinteressen gerichtet sein, während andere jeden legitimen Zweck zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen lassen (zum Meinungsstand vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 20 ff. m.w.N.). Die Frage braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung gesetzgeberisch formulierten Gemeinwohlinteressen dient.

aa) § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung stellt maßgeblich auf die Erreichung der Altersgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1 der Satzung ab. Nach dieser Vorschrift erhalten ‑ im Regelfall ‑ alle Mitglieder der Versorgungseinrichtung ab der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente mit der Folge, dass gleichzeitig ihre Pflicht zur Entrichtung von Versorgungsabgaben gemäß § 16 Abs. 2 der Satzung erlischt. Die Regelung ist somit erkennbar darauf ausgerichtet, eine Witwen- oder Witwerrente dann auszuschließen, wenn die Ehe vom Mitglied der Versorgungseinrichtung erst im Ruhestand und nach Erreichen der Altersgrenze geschlossen wird. Sie dient somit dem Ausschluss sogenannter „nachgeheirateter" Witwen bzw. Witwer (vgl. BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 ‑ 1 BvR 2584/06 ‑, juris; zum Beamtenversorgungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2000 ‑ 2 B 6/00 ‑, Buchholz, 239.1 § 19 BeamtVG Nr 1; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.).

bb) Das übergeordnete Ziel, das Risiko zukünftiger Zahlungsverpflichtungen zu begrenzen, ist bereits im Wesen der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet. Sie erbringt Leistungen für ihre Mitglieder und ihre Angehörigen bei Berufsunfähigkeit, im Alter und nach dem Tod der Mitglieder. Wie das Sozialversicherungsrecht bietet sie ihnen eine von der Höhe der Beiträge abhängige angemessene Versorgung. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Die Versorgungseinrichtung ist rechtlich einer Versicherung zuzuordnen, weil sie sich ausschließlich durch Beiträge der Mitglieder finanziert und die Lasten, die dem Einzelnen und seinen Familienangehörigen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf die Gemeinschaft der Mitglieder verteilt. Durch die enge personale Verbindung erhält die Versorgungseinrichtung genossenschaftsähnlichen Charakter, der geprägt ist durch Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Solidarität. Anders als die Rentenversicherung nach dem 4. Buch des Sozialgesetzbuchs ‑ SGB VI ‑ ist sie eine personell eng begrenzte und auf Kapitalbildung basierende soziale Sicherungseinrichtung. Mit dem Versicherungsgedanken geht zwingend eine Risikoübernahme einher, die auf dem Gesetz der großen Zahl beruht. Andererseits ist dem Solidaritätsprinzip im Interesse der gesamten Gefahrengemeinschaft eine Risikobegrenzung wesensimmanent. Was für die Versichertenrente gilt, gilt umso mehr, wenn ‑ wie bei der Hinterbliebenenversorgung, die ohne einen zusätzlichen Beitrag erbracht wird (vgl. §§ 17 ff. der Satzung) ‑ der fürsorgliche genossenschaftliche Aspekt der Angehörigenversorgung zum Versicherungsprinzip hinzutritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2005, a.a.O.).

cc) Dass die Risikobegrenzung ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Abs. 1 AGG darstellt, zeigt auch die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 10 Sätze 1 und 2 AGG insbesondere die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen einschließen kann. Zwar hat der Gesetzgeber es versäumt, die Ziele solcher Ungleichbehandlungen festzulegen (vgl. z. B. die Kritik bei Brors, a.a.O., § 10 Rn. 137). Die Regelung zeigt aber, dass Differenzierungen aufgrund des Alters in der Natur von ‑ nicht nur betrieblichen ‑ Versorgungssystemen angelegt, an ihre Legitimierung somit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Thüsing, a.a.O., § 10 AGG Rn. 54; vgl. auch ‑ bezüglich der vergleichbaren Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie  2000/78/EG ‑ BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

dd) Da der Gesetzgeber der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 2 HeilBG) aufgegeben hat, die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder zu regeln und diese Aufgaben durch ihre Versorgungseinrichtung durchzuführen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8, 12 Abs. 1 Satz 1 HeilbG), hat er auch das berufsständische Versorgungssysteme prägende Prinzip der Risikobegrenzung in seinen Willen aufgenommen und die Beklagte bzw. ihre Versorgungseinrichtung ermächtigt (vgl. § 14 Abs. 6 HeiBG), dieses Ziel näher zu konkretisieren und die seiner Erreichung dienenden Regelungen zu treffen.

Durch den Ausschluss „nachgeheirateter" Witwen und Witwer von dem Bezug einer Hinterbliebenenrente stellt die Versorgungseinrichtung die Solidargemeinschaft vom Risiko der Versorgung überlebender Ehegatten frei, wenn diese die Berufstätigkeit des Mitglieds und somit die Aufbringung von Versorgungsabgaben nicht einmal für kurze Zeit durch Fürsorge mittragen können (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; vgl. auch ‑ bezogen auf eine vorgeschriebene Mindestdauer der Ehe ‑: BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 ‑ 8 CN 1/09 ‑, BVerwGE 134, 99; Urteil des Senats vom 20. November 2007, a.a.O.). Auch dieses Ziel erscheint angesichts des vom Solidaritätsprinzip geprägten Wesens der berufsständischen Versorgungseinrichtung legitim.

ee) Das Ziel der Begrenzung solcher Risiken der Hinterbliebenenversorgungsrisiken ist auch „objektiv" und „angemessen" im Sinne von § 10 Satz 1 AGG ‑ sofern diesen Kriterien im Rahmen des § 10 Abs. 1 AGG überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt ‑, da dieser Differenzierungsgrund über den Gesichtspunkt des Alters hinausgeht und grundsätzlich geeignet ist, den Diskriminierungsschutz zurücktreten zu lassen (vgl. Brors, a.a.O., § 10 AGG Rn. 32; Bertelsmann, in Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 48 ‑ „sachlich und vernünftig" ‑).

b) Der Ausschluss des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente ist als Mittel zur Erreichung der angestrebten Risikobegrenzung angemessen und erforderlich. Mit diesem Begriffspaar umschreibt § 10 Abs. 1 Satz 2 AGG das Erfordernis der Übereinstimmung der Ungleichbehandlung mit dem verfolgten legitimen Ziel, wobei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 10 Rn. 34; Bertelsmann, in: Rust/Falke, a.a.O., § 10 Rn. 54 ff.). Die aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung folgenden Ungleichbehandlungen stehen, soweit sie für die vorliegenden Entscheidung relevant sind, mit dem verfolgten legitimen Ziel in Einklang (aa - dd). Die Regelung ist geeignet (ee) sowie erforderlich (ff), um das angestrebte Ziel zu erreichen, und steht zu ihm auch nicht außer Verhältnis (gg).

aa) § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 differenziert zunächst zwischen den Fällen, in denen die Ehe geschlossen worden ist, als das Mitglied die Altersgrenze noch nicht überschritten und noch aktiv im Berufsleben gestanden hat, und den Fällen, in denen das Mitglied zum Zeitpunkt der Eheschließung die Altersgrenze überschritten und bereits ‑ dies ist nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Regelfall ‑ ab diesem Zeitpunkt Altersrente bezogen hat. Nur der ersten Fallgruppe wird ein Anspruch auf Witwenrente zugestanden.

Diese Ungleichbehandlung steht im Einklang mit dem Ziel, die Begründung von Versorgungsrisiken zu Lasten der Solidargemeinschaft nach dem Beginn des Rentenbezugs auszuschließen. Zwar verringert sich der Beitrag, den der Ehepartner eines noch berufstätigen Mitglieds zu dessen Berufstätigkeit erbringt, mit zunehmender Nähe der Eheschließung zum Rentenbeginns immer weiter, bis er schließlich mathematisch kaum mehr fassbar sein dürfte. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit einer je nach dem Abstand der Eheschließung zum Rentenbeginn differenzierenden Regelung verbunden wären, darf der Satzungsgeber jedoch aufgrund der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis an dem leicht handhabbaren Kriterium des Erreichens der Altersgrenze und dem damit regelmäßig einhergehenden Rentenbeginn anknüpfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 ‑ 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97 ‑, BVerfGE 100, 138; BVerfG 1. Senat, 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 ‑, juris).

bb) Die Rechtfertigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung durch das mit der Regelung verfolgte Ziel wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass durch die ausschließliche Anknüpfung an die Altersgrenze nach § 22 Abs. 1 der Satzung ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente auch dann besteht, wenn die Ehe zwar vor Erreichen der Altersgrenze geschlossen worden ist, das Mitglied aber zum Zeitpunkt der Heirat bereits eine vorgezogene Altersrente nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung ‑ frühestens ab dem vollendeten 60. Lebensjahr ‑ oder eine Invalidenrente nach § 22 Abs. 2 der Satzung bezogen hat. In solchen Fällen kann der Ehepartner ebensowenig einen Beitrag zur aktiven Berufstätigkeit des Mitglieds leisten wie bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze und dem einhergehenden Beginn des Rentenbezugs. Es kann dahinstehen, ob die Befugnis zum Erlass typisierender Regelungen (vgl. oben) allein ausreicht, um diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Sie ist jedenfalls durch weitere legitime Gründe gerechtfertigt.

Die Berufsunfähigkeit infolge von Krankheit, anderen Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung) stellt eine ganz erhebliche, in der Regel schicksalhaft über den Betroffenen hereinbrechende Störung des üblichen Verlaufs des Berufslebens dar. Diese Abweichung vom Regelfall der Beendigung der aktiven Berufsausübung mit dem Erreichen der Altersgrenze lässt es legitim erscheinen, auch in diesen Fällen den Anspruch auf Witwenversorgung aus Gründen der Fürsorge erst auszuschließen, wenn die Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze erfolgt.

Im Ergebnis gilt auch für die Fälle nichts anderes, in denen ein Mitglied auf eigenen Antrag eine vorgezogene Altersrente bezieht. Hinter dem Rückzug aus dem aktiven Berufsleben dürften ebenfalls nicht selten gesundheitliche Probleme, nachlassende Leistungsfähigkeit - unterhalb der Schwelle zur Berufsunfähigkeit ‑ oder wirtschaftliche Schwierigkeiten stehen. Es erscheint daher gerechtfertigt, im Hinblick auf solche Schwierigkeiten pauschalierend an das in der Praxis leicht handhabbare Kriterium des Erreichens der Altersgrenze anzuknüpfen und nicht in jedem Einzelfall nachzuprüfen, welche Motive für die Beantragung einer vorgezogenen Altersrente ausschlaggebend waren.

cc) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung besteht ein Anspruch auf Witwenrente allerdings selbst dann nicht, wenn die Ehe zwar nach dem Erreichen der Altersgrenze durch das Mitglied geschlossen worden ist, der Beginn der Rentenzahlung aber gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung auf Antrag des Mitglieds über diesen Zeitpunkt hinausgeschoben worden ist. In diesem Fall leistet der Ehepartner noch einen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds und damit auch zum Beitragsaufkommen. Der den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter" Witwen und Witwer legitimierende Grund, dass sie keinen Beitrag zur Berufsausübung des Mitglieds geleistet haben, trägt diese Benachteiligung daher nicht.

Ob insoweit lediglich ein Redaktionsversehen vorliegt oder eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers gerechtfertigt sein könnte, kann hier dahinstehen. Denn die Kläger sind von dieser Ungleichbehandlung nicht betroffen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits Rente bezogen hat. Zudem hätte eine solche unterstellte ungerechtfertigte Benachteiligung nicht die Unwirksamkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung zur Folge. Vielmehr könnte gegebenenfalls die Vorschrift im Wege der gesetzeskonformen Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Anspruch auf Witwenrente nur dann entfiele, wenn das Mitglied die Ehe erst nach dem Erreichen der Altersgrenze und nach dem Beginn der Rentenzahlung geschlossen hat.

dd) Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger sei bereits einmal verheiratet gewesen, und durch den in der Satzung geregelten Versorgungsausgleich erspare die Beklagte kalkulatorisch die Witwenrente. Richtig ist zwar, dass der Kläger durch seine erste Eheschließung bereits einmal zu Lasten der Versorgungseinrichtung das Risiko begründet hatte, unter Umständen Witwenrente zahlen zu müssen. Dieses Risiko ist auch mit der Scheidung dieser Ehe entfallen, und der in § 26 der Satzung geregelte Versorgungsausgleich hat allein zu einer Minderung seiner Versorgungsanwartschaften geführt. Der zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführte Versorgungsausgleich steht aber in keinem inneren Zusammenhang mit dem Versorgungsrisiko, das er später durch seine erneute Heirat begründet hat. Daher erscheint es auch legitim, dass die Beklagte ihn wegen dieses neuen Versorgungsrisikos nicht anders behandelt als ein Mitglied, das vor der Erreichung der Altersgrenze noch nicht verheiratet war (vgl. ‑ zur Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten ‑ BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971, a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 19. September 2006 ‑ 1 Q 24/06 ‑, AS 33, 314).

ee) Dass der Ausschluss nachgeheirateter Witwen und Witwer von der Versorgung zur Begrenzung der von der Gesamtheit der Mitglieder zu tragenden Risiken geeignet ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

ff) Er ist auch erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen nicht ebenso geeignet wären, die Belastungen durch Versorgungsleistungen zu begrenzen. Dies gilt sowohl für die Möglichkeit, den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente von einer gewissen Mindestdauer der Ehe abhängig zu machen ‑ gegebenenfalls gekoppelt mit dem Möglichkeit des Nachweises, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt ‑, als auch für die Möglichkeit einer gestaffelten Rentenhöhe in Abhängigkeit von der Dauer der Ehe.

Auch der Einwand der Kläger, alle potentiellen Versorgungsempfänger würden versicherungsmathematisch als verheiratet berücksichtigt, es sei daher nicht erforderlich, Ansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer auszuschließen, greift nicht durch. Nach § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Satzung wird die Rentenbemessungsgrundlage ‑ nach § 28 der Satzung ein wesentlicher Faktor für die Berechnung der Rentenhöhe ‑ jährlich vom Verwaltungsrat aufgrund der Ergebnisse eines versicherungsmathematischen Gutachtens festgesetzt. Die Berechnung ist so vorzunehmen, dass nach den Verhältnissen zu Beginn des entsprechenden Jahres die künftigen Einnahmen und der vorhandene Ausgleichsstock (§ 21 Abs. 2 der Satzung) einschließlich der Zinsen ausreichen, um die künftigen Verpflichtungen gemäß § 21 der Satzung zu erfüllen.

In solchen versicherungsmathematischen Gutachten ist das Risiko einer Hinterbliebenenversorgung „nachgeheirateter" Witwen und Witwer nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 der Satzung dürfen nämlich die durch die Entrichtung von Versorgungsabgaben vorhandenen Mittel grundsätzlich nur zur Erbringung der in der Satzung festgelegten Leistungen, zur Bildung der geschäftsplanmäßigen Deckungsrücklagen sowie zur Bestreitung der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden (Abs. 1). Soweit die Einnahmen eines Jahres nicht für satzungsmäßige Ausgaben verwendet werden, sind sie dem Ausgleichsstock zuzuführen (Abs. 2 Satz 1). Reichen die Einnahmen nicht aus, um die satzungsmäßigen Aufgaben zu bestreiten, so ist der fehlende Betrag dem Ausgleichsstock zu entnehmen (Abs. 2 Satz 2). Wegen dieser Bindung der finanziellen Mittel der Versorgungseinrichtung an die satzungsmäßigen Aufgaben, kann keine Rede davon sein, das Risiko von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter" Witwen und Witwer sei bereits durch die erbrachten Versorgungsabgaben abgegolten.

Eine fehlerhafte versicherungsmathematische Berechnung unter Berücksichtigung vermeintlicher Ansprüche „nachgeheirateter" Witwen oder Witwer hätte im Übrigen allenfalls zur Folge, dass die Rentenbemessungsgrundlage zu niedrig festgesetzt und dem Ausgleichsstock ein zu hoher Betrag zugeführt bzw. ihm ein zu geringer Betrag entnommen würde. Zusätzliche Ansprüche - abweichend von § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ‑ ließen sich hieraus jedoch nicht ableiten. Daher konnte der Senat entgegen der Anregung der Kläger davon absehen, durch Einsichtnahme in die versicherungsmathematischen Gutachten der Versorgungseinrichtung der Frage nachzugehen, ob das Versorgungsrisiko nachgeheirateter Witwen und Witwer darin berücksichtigt worden ist.

gg) Die mit dem Ausschluss von Versorgungsansprüchen „nachgeheirateter" Witwen und Witwer verbundene Schlechterstellung steht auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg. Dies gilt selbst dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, Rentenansprüche dieser Gruppe führten nur zu einer verhältnismäßig geringen, jedenfalls beherrschbaren Mehrbelastung. Denn die Belastung durch den Ausschluss der Hinterbliebenenrente bei einer Eheschließung nach Erreichen der Altersgrenze wiegt ebenfalls nicht schwer. Insbesondere greift dies nicht in grundrechtlich geschützte Positionen ein.

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, da § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung keine Vermutung einer Versorgungsehe enthält, sondern eine wertneutrale Regelung zur Begrenzung der Risiken der Solidargemeinschaft (vgl. ‑ hinsichtlich einer Regelung zur Mindestdauer von „Spätehen" ‑ BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

Die Regelung greift auch nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein, da es keine dem einzelnen Mitglied zurechenbare Eigenleistung gibt, aufgrund derer der satzungsmäßige Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente dem grundrechtlich geschützten Eigentum zuzuordnen wäre. Die Hinterbliebenenversorgung wird vielmehr ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Versicherungsleistung des Mitglieds gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.).

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wird auch nicht durch die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) begründet, da diese nicht gebietet, jegliche die Ehe oder die Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Die Eheschließung führt auch nicht zu einem Verlust von Versorgungsansprüchen, die dem überlebende Ehepartner ohne die Heirat zugestanden hätten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

Schließlich ist bei einer Eheschließung nach dem Erreichen der Altersgrenze eher als bei einer Eheschließung in jungen Jahren anzunehmen, der Ehepartner verfüge selbst bereits über ausreichende Versorgungsanwartschaften oder Vermögen (vgl. ‑ zur Eheschließung nach Vollendung des 62. Lebensjahres ‑ BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). In den Fällen, in denen der Ehepartner noch so jung ist, dass er sich noch keine ausreichenden Versorgungsanwartschaften oder Vermögen schaffen konnte, erscheint es für ihn im Regelfall zumutbar, sich durch eine Erwerbstätigkeit die Grundlage für seine Versorgung im Alter noch zu schaffen.

Zur Begründung ihrer Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung können sich die Kläger auch nicht auf die Begründung der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 22. Mai 2008 in der Rechtssache C-427/06 (Bartsch) berufen. Die darin (Ziff. 118 ff.) geäußerten Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit eines völligen Ausschlusses einer Hinterbliebenenversorgung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zwar beziehen sie sich auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der durch § 10 Sätze 1 und 2 AGG umgesetzt wird. Allerdings betreffen sie eine Regelung, die eine Hinterbliebenenversorgung einschränkt, wenn der Altersunterschied zwischen Eheleuten ein bestimmtes Maß übersteigt. Eine solche Regelung ist mit dem Ausschluss „nachgeheirateter" Witwen und Witwer von der Hinterbliebenenversorgung nicht vergleichbar.

II. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Normgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich ‑ bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs ‑ ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 ‑ 2 BvR 167/02 ‑, BVerfGE 112, 164 [174]). Hinsichtlich der Ungleichbehandlung der Mitglieder und der sie überlebenden Ehepartner je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung folgt aus den Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass diese Differenzierungen auf sachlichen Gründen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG beruhen.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folgt auch nicht daraus, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, das Beamtenversorgungsrecht sowie die Satzungen anderer Versorgungswerke keine oder weniger strenge Einschränkungen der Versorgungsansprüche nachgeheirateter Witwen und Witwer enthalten. Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Aus ihm kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010, a.a.O.).

Aus diesem Grund begründet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls keinen Anspruch auf Angleichung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung an die bis zum 30. August 2008 geltende Altersgrenze für Vertragsärzte von 68 Jahren (vgl. § 95 Abs. 7 Satz 3 des 5. Buchs des Sozialgesetzbuchs ‑ SGB V ‑ in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I Seite 2266, geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2008, BGBl. I Seite 2426). Zudem stand diese Altersgrenze in einem völlig anderem Regelungszusammenhang wie die hier maßgebliche Satzungsregelung.

III. § 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht.

1. Ein Verstoß gegen Art. 13 des EG-Vertrages ‑ EGV ‑ scheidet aus, da diese Vorschrift lediglich eine Ermächtigung des Rates der Europäischen Union enthält, Vorkehrungen gegen Diskriminierungen ‑ unter anderem ‑ wegen des Alters zu treffen, begründet selbst allerdings kein solches primärrechtliches Verbot (vgl. EuGH, Urteil vom 23. September 2008 ‑ C-427/06 ‑, EuZW 2008, 697).

2. Art. 141 EGV steht der Satzungsregelung ebenfalls nicht entgegen. Danach stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher, wobei unter "Entgelt" die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Da die Hinterbliebenenversorgung kein nachgezogenes Entgelt für Arbeit ist und bei einem freiberuflich tätigen Arzt nicht von einer ehemals ausgeübten "Beschäftigung" gesprochen werden kann, scheidet eine Verletzung von Art. 141 EG aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009, aaO.). Zudem differenziert § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung nicht nach dem Geschlecht des Mitgliedes und seines Ehepartners, sondern nach dem Alter des Mitglieds zum Zeitpunkt der Eheschließung.

3. Die Satzungsregelung verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) findet diese nach ihrem Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund auf berufsständische Versorgungseinrichtungen als staatliche Systeme der sozialen Sicherheit, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 141 EG entsprechen, schon keine Anwendung (offen gelassen im Urteil vom 27. Mai 2009, a.a.O.). Auch diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung ist nämlich gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt. Danach stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Bezug genommen, durch das die Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umgesetzt worden ist.

4. Es besteht keine Veranlassung für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EGV, da keine entscheidungserheblichen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestehen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

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