LAG Köln: Kein Weiterbeschäftigungsanspruch eines Vorfeld-Initiators einer Betriebsratswahl im einstweiligen Rechtsschutz
LAG Köln, Urteil vom 19.1.2024 – 7 GLa 2/24
ECLI:DE:LAGK:2024:0119.7GLA2.24.00
Volltext: BB-Online BBL2024-1523-3
Leitsätze
Der allgemeine Beschäftigungsanspruch besteht nur, soweit nicht im Einzelfalle überwiegende schutzwürdige Interessen der arbeitgebenden Partei entgegenstehen.
Die Ungewissheit über die objektive Rechtslage während der Dauer eines Kündigungsschutzprozesses begründet regelmäßig ein dem Beschäftigungsinteresse der klagenden Partei entgegenstehendes überwiegendes und schutzwertes Interesse der arbeitgebenden Partei an der Nichtbeschäftigung und lässt deswegen einen Beschäftigungsanspruch für die Prozessdauer entfallen.
Der Status als Vorfeld-Initiator einer Betriebsratswahl stellt keinen geeigneten Aspekt dar, um die Interessenabwägung im Hinblick auf den allgemeinen Beschäftigungsanspruch zu entscheidend zu beeinflussen. Die besonderen Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen im Rahmen der Betriebsverfassung sollen in erster Linie die Wahl der Betriebsverfassungsorgane und die Kontinuität ihrer Arbeit sichern (vgl. BT-Drs. 19/28899, 25). § 15 KSchG dient damit nicht primär den persönlichen Interessen des erfassten Personenkreises, sondern den kollektiven Interessen der Belegschaft an der unabhängigen und von willkürlichen Maßnahmen der arbeitgebenden Partei nicht bedrohten Amtsführung des Betriebsrats (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.2002 - 8 AZR 175/01, juris, Rn. 48; BAG, Urteil vom 27.09.2012 — 2 AZR 955/11, juris, Rn. 23; Linck/Krause/Bayreuther/Bayreuther, 16. Aufl. 2019, KSchG 15 Rn. 1).
§ 15 Abs. 3 b KSchG
Sachverhalt
Die Parteien streiten im Rahmen im Rahmen des Berufungsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz zuletzt noch über den Anspruch des Verfügungsklägers auf den Zugang zu betrieblichen Kommunikationssystemen der Verfügungsbeklagten.
Die Verfügungsbeklagte gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der Cybersicherheit für die Industrie und das Gesundheitswesen tätig ist. Unternehmensgegenstand der Verfügungsbeklagten ist die Erbringung von Marketing- und Vertriebsdienstleistungen in Bezug auf Cybersicherheitssoftware und damit verbundene Produkte und IT-Dienstleistungen. Die Verfügungsbeklagte unterhält keine Büroflächen oder Sozialflächen. Alle Mitarbeitenden sind ausschließlich im Home Office tätig. Die Kommunikation untereinander findet über elektronische Kommunikationsmittel statt, insbesondere über E-Mails sowie Videokonferenzsoftware und Instant-Messaging-Dienste. Bei der Verfügungsbeklagten ist kein Betriebsrat gebildet.
Der Verfügungskläger war seit dem 03.09.2020 auf Basis des Arbeitsvertrages vom 31.08./01.09.2020 (Bl. 9 ff. der erstinstanzlichen Akte) bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt; zuletzt als Senior Presales und Team Lead DACH und Middle East. Sein jährliches Bruttogrundgehalt betrug 135.000,000 EUR. Der Verfügungskläger erhielt zudem leistungsbezogene Provisionszahlungen in Höhe von bis zu 30.000,00 EUR jährlich. Seine Arbeitstätigkeit erbrachte er von seiner Wohnung in B aus im Homeoffice.
Am 06.07.2023 wurde der Verfügungskläger von einem Kollegen zu einer von diesem gegründeten What‘sApp-Gruppe mit dem Namen „BR-Wahl“ hinzugefügt, in welcher in der Folge Textnachrichten versendet wurden. Dieser Kollege führte am 19.09.2023 ein Gespräch mit einer Gewerkschaftssekretärin der Gewerkschaft V. Im Nachgang übersandte er dem Verfügungskläger Informationsmaterialen der Gewerkschaft zum Thema Betriebsratswahlen.
Am 27.10.2023 gab der Verfügungskläger eine öffentlich beglaubigte Erklärung (Bl. 41 f. der erstinstanzlichen Akte) folgenden Inhalts ab:
„Ich habe die Absicht an der Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsratswahl als sogenannter „Vorfeld-Initiator" mitzuwirken und vorab folgende Vorbereitungshandlung unternommen:
Erwerb von Literatur zur Betriebsratsgründung
Einholen von Beratung zur Betriebsratsgründung
Absprache mit Kollegen im Betrieb über Mitwirkung
Vorbereitung einer Einladung zu ersten Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für die Betriebsratswahl“
Mit Schreiben vom 30.10.2023 (Bl. 44 f. der erstinstanzlichen Akte), kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.11.2023 und stellte den Verfügungskläger mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Ob die Verfügungsbeklagte zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Personen in Vollzeit beschäftigte, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Verfügungskläger erhob unter dem 02.11.2023 eine Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung und stellte dort einen Weiterbeschäftigungsantrag (Arbeitsgericht Bonn 4 Ca 1741/23).
Am 11.12.2023 sprach die Verfügungsbeklagte gegenüber dem Verfügungskläger eine außerordentliche Kündigung aus. Diese begründete sie damit, dass der Verfügungskläger in der notariellen Erklärung vom 27.10.2023 sowie im Kündigungsschutzverfahren und im einstweiligen Verfügungsverfahren falsch vorgetragen habe. Der Verfügungskläger erweiterte im Hinblick auf diese weitere Kündigung seine Kündigungsschutzklage.
Bereits am 20.11.2023 hat er beim Arbeitsgericht Bonn den Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung bis zum 27.01.2024 gestellt.
Der Verfügungskläger hat behauptet, er habe beschlossen, einen Betriebsrat zu gründen. Er habe seit dem 06.07.2023 Gespräche und Abstimmungen mit zwei weiteren Initiatoren einer Betriebsratswahl durchgeführt. Zu diesem Zweck sei auch die What’sApp-Gruppe gegründet worden. In dem Gespräch des Kollegen mit der Gewerkschaftssekretärin am 19.09.2023 sei es darum gegangen, die Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Aufstellung eines Wahlvorstandes vorzubereiten. Der Verfügungskläger habe an dem Gespräch nicht teilgenommen, sei aber an der Vor- und Nachbereitung beteiligt gewesen. Der Verfügungskläger habe mit vielen Mitarbeitenden gesprochen und mit diesen erörtert, ob und inwieweit sie sich für die Wahl als Betriebsratsmitglied aufstellen lassen würden. Da dem Verfügungskläger nach dem Zugang der Kündigung der Zugriff auf alle Daten sowie der Zugang zu seinem E-Mail-Postfach entzogen worden sei, habe er nun keine Möglichkeit mehr, mit den anderen Beschäftigten der Verfügungsbeklagten Kontakt aufzunehmen.
Der Verfügungskläger hat sich auf einen Weiterbeschäftigungsanspruch berufen und die Auffassung vertreten, die Wertentscheidung des § 15 Abs. 3b KSchG, die erstmalige Wahl eines Betriebsverfassungsorgans durch die Gewährung von Sonderkündigungsschutz für die Vorfeld-Initiatoren der Wahl abzusichern, erlange nur dann tatsächliche Wirksamkeit, wenn das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3b KSchG von einem im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren Weiterbeschäftigungsanspruch der Vorfeld-Initiatoren flankiert werde. Erfolge gegenüber Vorfeld-Initiatoren eine betriebsbedingte Kündigung, begründe die Wertentscheidung des § 15 Abs. 3b KSchG ein überragendes ideelles Beschäftigungsinteresse der Vorfeld-Initiatoren. Es sei nicht ersichtlich, wie eine sinnvolle Vorbereitung auf eine erstmalige Betriebsratswahl erfolgen solle, wenn dem Verfügungskläger kein Zugriff auf die betrieblichen Kommunikationsmittel gewährt werde und er freigestellt sei. Ohne tatsächliche Beschäftigung sei die sinnvolle Vorbereitung auf eine Betriebsratswahl nicht möglich. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass im Hinblick auf die kurze Zeitdauer des Kündigungsschutzes von maximal drei Monaten ab Abgabe der notariell beglaubigten Absichtserklärung der Schutzzweck des § 15 Abs. 3b KSchG nach einer unverzüglichen Durchsetzbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers verlange. Diese sei zeitlich auf die Dauer des Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3b KSchG begrenzt, vorliegend also bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2 BetrVG, längstens aber bis zum 27.01.2024.
Der Verfügungskläger hat beantragt,
die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, den Verfügungskläger bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem vor dem Arbeitsgericht Bonn zum Aktenzeichen 4 Ca 1741/23 anhängigen Kündigungsschutzverfahren, längstens jedoch bis zum 27.01.2024 oder bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2 BetrVG zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Senior Presales und Team Lead DACH und Middle East zu beschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte hat behauptet, es handele sich bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers um einen Kleinbetrieb, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Hintergrund der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei, dass sie ihre Organisation künftig auf Regionen (Nord, Mitte, Süd/ME) basieren werde und regionsübergreifende Ressourcen keine Rolle mehr spielen würden. Die Zuständigkeit des Antragstellers für die DACH-Region und den Nahen Osten werde in Zukunft in zwei verschiedenen Regionen zusammengeführt. Zugleich änderten sich die Berichtslinien der an den Verfügungskläger berichtenden Mitarbeiter.
Die Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, dem Verfügungskläger stünde kein Weiterbeschäftigungsanspruch zu. Die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochene Kündigung sei nicht offensichtlich unwirksam, weil betriebsbedingte Kündigungen vom Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3b KSchG nicht erfasst seien. Ohnehin falle der Verfügungskläger bereits deshalb nicht unter den Schutzbereich des § 15 Abs. 3b KSchG, weil er keine hinreichenden Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrates unternommen habe. Dem Verfügungskläger sei auch nicht die Kommunikation mit den anderen Mitarbeitenden abgeschnitten. Er könne sämtliche Mitarbeitende mit den ihm bekannten beruflichen E-Mailadressen erreichen und mit diesen in Kontakt treten. Jedenfalls stünden dem Beschäftigungsanspruch überwiegende und schutzwürdige Interessen der Verfügungsbeklagten entgegen. Aufgrund des besonderen Geschäftsfelds der Verfügungsbeklagten seien hohe Anforderungen an die Geheimhaltung und den Umgang mit sensiblen Daten zu stellen. Das Verhalten des Klägers im Nachgang der Kündigung lasse befürchten, dass dieser mit den sensiblen Daten der Verfügungsbeklagten und ihrer Kunden nicht sorgsam umgehen werde.
Mit Urteil vom 06.12.2023 hat das Arbeitsgericht der Verfügungsklage teilweise stattgegeben und die Verfügungsbeklagte verurteilt, dem Verfügungskläger bis zum 27.01.2024 oder bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17 a Nr. 3 Satz 2 BetrVG den Zugang zu den betriebsinternen Kommunikationswegen E-Mail, Teams und Zoom der Verfügungsbeklagten zu verschaffen sowie deren Nutzung zu ermöglichen.
Die Frage der Beschäftigungspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist habe sich durch Zeitablauf erledigt. Da der Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist nunmehr streitig sei, komme ein Weiterbeschäftigungsanspruch vor einer erstinstanzlichen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren nur dann in Betracht, wenn die Kündigung entweder offensichtlich unwirksam sei oder der Verfügungskläger ein überragendes Weiterbeschäftigungsinteresse glaubhaft mache und die Verfügungsbeklagte keine besonderen Gründe für sein Interesse an einer Nichtbeschäftigung darlege. Die Kündigung vom 30.10.2023 sei zwar nicht offensichtlich unwirksam, da die dem Verfügungskläger gegenüber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung nicht unter den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3b KSchG falle. Es ergebe sich jedoch ein überragendes ideelles Beschäftigungsinteresse des Klägers aus der Wertentscheidung des § 15 Abs. 3b KSchG. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei allerdings auf die Maßnahmen zu beschränken, welche für die Vorbereitung der Betriebsratswahl erforderlich seien. Der Verfügungskläger habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen seine tatsächliche Arbeitstätigkeit und der damit einhergehende Zugriff auf die gesamte IT-Infrastruktur für ihn für die Vorbereitung der Betriebsratswahl nötig sei. Eine tatsächliche Wahrnehmung der Arbeitstätigkeit sei nicht erforderlich, da in dem Betrieb der Verfügungsbeklagten ausnahmslos die Arbeit vom Heimarbeitsplatz aus erfolge. Für die Vorbereitung der Betriebsratswahl erforderlich sei jedoch der Zugang zu der betriebsinternen Kommunikation. Zur Vorbereitung der Wahl müsse der Verfügungskläger für die Kollegen erreichbar sein und die Kommunikation über die betriebsinternen Kommunikationsmittel wie Teams und Zoom möglich sein, um direkt Absprachen treffen und die Betriebsratswahl vorbereiten zu können. Der Verfügungskläger könne nicht allein auf die Nutzung seiner privaten E-Mail verwiesen werden.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 144 ff. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 11.12.2024 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte am 11.01.2024 Berufung eingelegt und diese im Berufungsschriftsatz begründet.
Die Verfügungsbeklagte wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Arbeitsgericht habe dem Verfügungskläger etwas Anderes zugesprochen als beantragt und damit gegen den Grundsatz ne ultra petita verstoßen. Die vom Verfügungskläger begehrte Beschäftigung stelle zur tenorierten Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur Verschaffung eines Zugangs und der Ermöglichung der Nutzung von betriebsinternen Kommunikationswegen kein im Antrag enthaltenes Minus, sondern ein qualitatives Aliud dar.
Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht das Bestehen eines Verfügungsanspruches angenommen. Es läge kein Ausnahmefall mit atypischer Interessenlage vor, der die Beschäftigung über die Kündigungsfrist hinaus rechtfertigen könne. § 15 Abs. 3b KSchG normiere zwar einen Sonderkündigungsschutz von sog. Vorfeld-Initiatoren. Hieraus lasse sich allerdings kein materiellrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch ableiten. Zudem sei dem Verfügungskläger betriebsbedingt gekündigt worden. Er unterfalle daher gerade nicht dem Kündigungsschutz für Vorfeld-Initiatoren. Jedenfalls erfülle der Verfügungskläger auch nicht die persönlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG. Der Verfügungskläger sei lediglich von einem Kollegen in eine What’s-App-Gruppe zum Thema Betriebsratsgründung eingeladen worden und habe sich Informationsmaterial der Gewerkschaft weiterleiten lassen. Zu den angeblich erfolgten Gesprächen mit anderen Mitarbeitenden habe der Verfügungskläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Der Verfügungskläger habe keine nach außen gerichteten Handlungen vorgenommen und eine Betriebsratsgründung nicht ernsthaft oder nachhaltig verfolgt. Insoweit seien die Angaben in der notariell beglaubigten Erklärung vom 27.10.2023 falsch. Das Arbeitsgericht habe das entgegenstehende Interesse der Verfügungsbeklagten, den Zugang des Klägers zu hochsensiblen Daten zu unterbinden, nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.12.2023, Aktenzeichen 4 Ga 27/23, wird teilweise aufgehoben.
2. Der Antrag des Verfügungsklägers und Berufungsbeklagten auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird vollständig zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es dem Antrag stattgegeben hat.
Zur Frage der Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen über die Gründung eines Betriebsrates führt er konkretisierend aus, dass entsprechende Gespräche unter anderem am 07.09.2023 sowie am 04.09.2023 zwischen dem Verfügungskläger sowie dessen Kollegen Herrn S und Herrn R stattgefunden hätten. Der Verfügungskläger habe außerdem mit nahezu allen Mitarbeitenden der Verfügungsbeklagten über sein Vorhaben gesprochen, einen Betriebsrat zu gründen. Er habe dabei insbesondere dargestellt, welche Vorteile ein Betriebsrat mit sich bringt und bei den einzelnen Kollegen abgefragt, wer sich möglicherweise als Kandidat im Rahmen der Betriebsratswahl aufstellen lassen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, da sie statthaft (§ 64 Absatz 1, Absatz 2 lit. b) ArbGG) und nach den §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Klageantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die in dem Tenor des erstinstanzlichen Urteils enthaltene Verpflichtung ist im Wege der Klageänderung wirksam zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
a) Das Arbeitsgericht hat dem Verfügungskläger zwar nicht weniger, sondern etwas Anderes als beantragt, zugesprochen. Aus dem aus der Dispositionsmaxime des Zivilprozesses ableitbaren und in § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesetzlich normierten Grundsatz der Bindung des Gerichts an die Parteianträge ergibt sich, dass der Streitgegenstand durch den Antrag der klagenden Partei bestimmt wird. Ob ein Klageantrag ein begründetes Teilbegehren enthält, das der Klagepartei vom Gericht bei Abweisung des unbegründeten Mehrbegehrens zugesprochen werden kann, ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln. Die beklagte Partei darf nicht zu etwas anderem (aliud) verurteilt werden, als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste. Das gilt auch dann, wenn es im Interesse der Klagepartei liegt, jenes „aliud” zumindest auch zu verlangen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 9 AZR 435/00 –, juris, Rn 28). Auch § 938 ZPO hebt den Grundsatz der Antragsbindung nicht auf. Die Anordnung muss sich im Rahmen des gestellten Antrags halten (vgl. LAG München, Urteil vom 18.09.2002 – 5 Sa 619/02 –, juris, Rn. 56; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 938 ZPO, Rn. 1). Vorliegend war der Antrag des Klägers ausschließlich auf die Beschäftigung als Senior Presales und Team Lead DACH und Middle East gerichtet. Zur Begründung hat er vorgebracht, ohne tatsächliche Beschäftigung sei die sinnvolle Vorbereitung auf eine Betriebsratswahl nicht möglich. Zwar lässt sich die Beschäftigung als Senior Presales und Team Lead DACH und Middle East in zahlreiche Einzeltätigkeiten untergliedern, zu denen auch der Umgang mit betrieblichen Kommunikationsmitteln gehören dürfte. Wenn der Zugriff auf die betrieblichen Kommunikationsmittel und deren Nutzung jedoch isoliert und ohne jeden Zusammenhang mit der Erfüllung von Arbeitstätigkeiten und Aufgaben als Senior Presales und Team Lead DACH und Middle East in Anspruch genommen wird, dann stellt dies keinen Teilaspekt der Beschäftigung mehr dar, sondern etwas materiell anderes (vgl. zur Unterscheidung zwischen Beschäftigungsanspruch und dem Anspruch auf die Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln BAG, Urteil vom 10.11.2021 – 5 AZR 334/21, juris, Rn. 22)
b) Ist im ersten Rechtszug eine Verurteilung unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ergangen, liegt in dem mit der Berufungserwiderung gestellten Antrag auf Zurückweisung der Berufung eine - hier nach § 533 ZPO zulässige - Klageänderung (vgl. Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 308 ZPO, Rdnr. 7; vgl. zum arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren LAG Köln, Beschluss vom 24.06.2022 – 9 TaBV 52/21 –, juris, Rn. 119). Vorliegend hat der Verfügungskläger beantragt, die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen, und damit zum Ausdruck gebracht, er mache sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts jedenfalls hilfsweise zu eigen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20.04.1990 – V ZR 282/88 –,juris, Rn. 8). Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist somit die vom Arbeitsgericht tenorierte und von dem Verfügungskläger verteidigte Verpflichtung.
2. Der Verfügungskläger hat keinen Verfügungsanspruch auf die begehrte Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Eröffnung eines Zugangs zu betrieblichen Kommunikationsmitteln bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2 BetrVG oder bis zum 27.01.2024.
a) Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag.
aa) Dabei kann dahinstehen, ob auf die Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel ein eigenständiger Anspruch aus § 611a Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag besteht (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.2021 – 5 AZR 334/21, juris, Rn. 22; Chandna-Hoppe, RdA 2023, 152, 155; Fischels/Stodolski, Anmerkung zu BAG, Urteil vom 10.11.2021 – 5 AZR 334/21, AP BGB § 611a nF Nr. 1; Klocke/Hoppe, NZA-RR 2022, 515) oder ob es sich insoweit um einen akzessorischen Anspruch bzw. ein Annex zum allgemeinen Beschäftigungsanspruch handelt (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 12.03.2021 – 14 Sa 306/20, juris, Rn. 30 Wittlich/Krülls, RdA 2022, 248, 250; Seiwerth, RdA 2023, 342, 351). In jedem Fall ist, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, Voraussetzung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf die Bereitstellung von Arbeitsmitteln, dass auch ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung besteht. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Verfügungskläger hat derzeit keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung.
bb) Ein Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis ist abzuleiten aus den §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG. BAG, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 –, juris, Rn. 38). Er ergibt sich daraus, dass die arbeitgebende Partei aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Treupflicht sowie aufgrund der jedem aus Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes obliegenden Verpflichtung alles zu unterlassen hat, was die Würde der anderen Partei und die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigen kann. Eine solche Beeinträchtigung beider Grundrechtspositionen bedeutet es aber, wenn die Betätigung im Beruf vorenthalten wird. Ein solcher „Zwang zum Nichtstun“ ist geeignet, die betreffende Person nicht mehr als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft überhaupt erscheinen lassen, indem sie gehindert wird, ihre Persönlichkeit durch berufliche Betätigung zu entfalten (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.1955 – 2 AZR 591/54 –, juris, Rn. 30).
Der allgemeine Beschäftigungsanspruch besteht nur, soweit nicht im Einzelfalle überwiegende schutzwürdige Interessen der arbeitgebenden Partei entgegenstehen. Das gilt bereits in einem unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis. Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt und wird das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses streitig, weil eine Kündigungsschutzklage erhoben wurde, so verändert sich dadurch die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine weitere tatsächliche Beschäftigung, da bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsprozesses aber Ungewissheit über die objektive Rechtslage herrscht. Diese Ungewissheit begründet regelmäßig ein dem Beschäftigungsinteresse der klagenden Partei entgegenstehendes überwiegendes und schutzwertes Interesse der arbeitgebenden Partei an der Nichtbeschäftigung und lässt deswegen einen Beschäftigungsanspruch für die Prozessdauer entfallen.
Die Ungewissheit über den Fortbestand des gekündigten Arbeitsvertrags kann dann nicht zu einer Verschiebung der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien gegenüber der Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses führen, wenn die umstrittene Kündigung offensichtlich unwirksam ist, da dann in Wahrheit kein ernstzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht. Eine offensichtliche Unwirksamkeit in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag der arbeitgebenden Partei ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (vgl. BAG, Beschluss vom 27.02.1985, GS 1/84, juris, Rn. 71 ff.).
Wenn die Kündigung nicht offensichtlich unwirksam ist, besteht im gekündigten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung feststellendes Urteil ergeht, auch dann ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn besondere Gründe gemacht werden, die es ausnahmsweise rechtfertigen, die in der Regel geltende Interessenabwägung zu Lasten der arbeitgebenden Partei zu verändern (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26.11.1985 – 1 Sa 975/85 –, juris, Rn. 28; LAG Köln, Urteil vom 22.01.2014 - 11 SaGa 10/13; LAG Berlin, Urteil vom 22.02.1991 - 2 Sa 35/90, juris; Korinth in: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 5. Auflage 2022, I.114; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch 20. Auflage 2023, § 125. Weiterbeschäftigungsanspruch, Rn. 18 a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.02.2021 – 8 SaGa 11/20, juris, Rn. 81; Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, 7. Aufl. 2024, BetrVG § 102 Rn. 238). Dabei muss es sich um gravierende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte handeln, die über die Belastungen durch die Tatsache der vorübergehenden Nichtbeschäftigung als solche hinausgehen (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26.11.1985 – 1 Sa 975/85 –, juris, Rn. 28). Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Erhaltung und Sicherung einer Qualifikation oder die Fortführung einer Berufsausbildung gefährdet sind (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 09.06.1997 – 10 (9) Ta 92/97 –, juris; BeckOK ArbR/Kerwer, 70. Ed. 1.12.2023, KSchG § 4 Rn. 117).
cc) Nach den vorstehend dargestellten Maßstäben bestehen vorliegend keine Gründe dafür, die in der Regel geltende Interessenabwägung zu Lasten der Verfügungsbeklagten zu verändern.
(a) Die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochenen Kündigungen sind nicht offensichtlich unwirksam. Eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich insbesondere nicht aus § 15 Abs. 3b KSchG. Zwar unterfällt der Kläger, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, dem persönlichen Schutzbereich des § 15 Abs. 3 b KSchG. Er hat am 27.10.23 eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu errichten. Auch hat der Verfügungskläger Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternommen. Unter Vorbereitungshandlungen ist jedes für Dritte erkennbare Verhalten zu verstehen, das zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet ist. Darunter fallen zum Beispiel Gespräche mit anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um die Unterstützung für eine Betriebsratsgründung zu ermitteln, das Für und Wider einer Betriebsratsgründung zu besprechen oder um Schritte zu planen, die für die Planung und Durchführung der Betriebsratswahl relevant sein können (vgl. BT-Drucks. 19/28899, S. 24). Der Gesetzgeber legt insoweit ein weites Verständnis des Begriffs der Vorbereitungshandlung an (vgl. Mai/Fuhlrott, GWR 2023, 93). Der Verfügungskläger war unstreitig seit Juni 2023 Mitglied einer What’sApp-Gruppe, in der er mit zwei Kollegen das Thema Betriebsratswahl erörterte. Auch ließ er sich unstreitig von einem Kollegen gewerkschaftliches Informationsmaterial zu diesem Thema zuleiten. Diese Handlungen reichen, auch wenn sie sich auf einen eng begrenzten Personenkreis bezogen, aus, um ein für Dritte erkennbares Verhalten zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl darzustellen. Der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG für Initiatoren einer erstmaligen Betriebsratswahl erstreckt sich jedoch nicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Auch in der Person oder im Verhalten begründete Kündigungen aus wichtigem Grund sind zulässig. Nach dem von dem Verfügungskläger nicht bestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten handelte es sich bei der Kündigung vom 30.10.2023 um eine betriebsbedingte Kündigung; die Folgekündigung vom 11.12.2023 war eine außerordentliche Kündigung. Die Kündigungen fallen damit nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3b KSchG.
Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, dass die ordentliche Kündigung mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes keiner sozialen Rechtfertigung bedürfe. Eine solche liege aber jedenfalls vor, da der Bedarf an der Beschäftigung des Klägers aus betriebsbedingten Gründen entfallen sei. Im Hinblick auf die außerordentliche Kündigung hat die Verfügungsbeklagte einen Sachverhalt vorgetragen, der das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht von Vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt. Da es insoweit einer tatrichterlichen Würdigung des Kündigungssachverhaltes und einer Interessenabwägung bedarf, liegt keine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG bzw. mangels wichtigem Grund im Sinne des § 626 BGB vor.
(b) Der Verfügungskläger hat auch keine besonderen Gründe geltend gemacht, die es ausnahmsweise rechtfertigen, die in der Regel geltende Interessenabwägung zu Lasten der Verfügungsbeklagten zu verändern. Der Status des Klägers als Vorfeld-Initiator einer Betriebsratswahl stellt keinen geeigneten Aspekt dar, um die Interessenabwägung im Hinblick auf den allgemeinen Beschäftigungsanspruch zu entscheidend zu beeinflussen (a.A. ArbG Kassel, Urteil vom 10.03.2022 – 3 Ga 1/22 –, juris, Rn. 50 ff.). Denn der Verfügungskläger beruft sich insoweit nicht auf eine gravierende Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die seine Betätigung im Beruf, die Erhaltung und Sicherung der Qualifikation und die Eingliederung in die Berufsgemeinschaft betrifft. Es geht ihm vielmehr ausschließlich um kollektivrechtliche Rechtspositionen. Die besonderen Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen im Rahmen der Betriebsverfassung sollen aber in erster Linie die Wahl der Betriebsverfassungsorgane und die Kontinuität ihrer Arbeit sichern (vgl. BT-Drs. 19/28899, 25). § 15 KSchG dient damit nicht primär den persönlichen Interessen des erfassten Personenkreises, sondern den kollektiven Interessen der Belegschaft an der unabhängigen und von willkürlichen Maßnahmen der arbeitgebenden Partei nicht bedrohten Amtsführung des Betriebsrats (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.2002 - 8 AZR 175/01, juris, Rn. 48; BAG, Urteil vom 27.09.2012 – 2 AZR 955/11, juris, Rn. 23; Linck/Krause/Bayreuther/Bayreuther, 16. Aufl. 2019, KSchG 15 Rn. 1).
Bei der nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen Interessenabwägung kommt es nicht auf die kollektiven Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft am Verbleib der betroffenen Person in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Funktion an. Es ist vielmehr allein das Interesse der arbeitgebenden Partei an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse der anderen Partei an seinem Fortbestand in einer hierauf bezogenen Gesamtwürdigung abzuwägen (vgl. BAG, Urteil vom 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, juris, Rn. 39; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 3 Sa 23/16, juris, Rn. 79; LAG Köln, Urteil vom 28.11.1996 – 6 Sa 844/96, juris). Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei der Interessenabwägung im Hinblick auf den Weiterbeschäftigungsanspruch ein anderer Maßstab gelten sollte.
b) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Normen, insbesondere nicht aus § 20 Abs. 1 BetrVG.
aa) Dieser Gesichtspunkt war auch im Urteilsverfahren zu berücksichtigen, da es sich bei der kollektivrechtlichen und der individualrechtlichen Rechtsposition des mit dem Antrag verfolgten Verlangens um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt (vgl. BAG, Beschluss vom 04.12.2013 - 7 ABR 7/12, juris, Rn 47 f.).
bb) § 20 Abs. 1 BetrVG sichert die ungehinderte Durchführung der Wahl und schützt den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts. Wahl bedeutet hier nicht nur die eigentliche Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts. Dieser Begriff ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst alle mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäfte, unter anderem auch die Einberufung und Durchführung der Wahlversammlungen zur Wahl des Wahlvorstandes und des Betriebsrats im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14a, § 17a Nr. 3 und der Betriebsversammlung zum Zwecke der Bestellung des Wahlvorstands (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 20 Rn. 7).
cc) Der Verfügungskläger wird allerdings durch die Vorenthaltung des Zugangs zu dem betrieblichen Kommunikationsmitteln E-Mail, Zoom und Teams nicht bei mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäften behindert.
(a) In Betracht käme in dem vom Verfügungskläger dargelegten Stadium der Vorbereitung der Betriebsratsgründung als Betätigung lediglich die Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Aufstellung eines Wahlvorstandes.
(b) Gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG können zu einer solchen Versammlung aber nur wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Wahlberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 BetrVG nur Arbeitnehmer des Betriebs. Die arbeitsvertraglichen Beziehungen werden bei der ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist und bei der außerordentlichen Kündigung mit Zugang der Kündigung beendet. Das aktive Wahlrecht entfällt, selbst dann, wenn eine Kündigungsschutzklage erhoben wurde (vgl. BAG, Beschluss vom 10.11.2004 – 7 ABR 12/04, juris; BAG, Beschluss vom 25.10.2017 – 7 ABR 10/16 –, juris, Rn. 27 f.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die gekündigte Person während des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt wird. Sie ist dann weiterhin betriebszugehörig und damit wahlberechtigt (vgl. BAG, Beschluss vom 10.11.2004 – 7 ABR 12/04, juris). Umstritten ist, ob eine Wahlberechtigung besteht, wenn zwar ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht und geltend gemacht wurde, dieser aber bis zum Wahltag nicht durchgesetzt werden konnte (vgl. zum Streitstand Lindemann/Simon, NZA 2002, 365, 368). Vorliegend kann diese Frage jedoch dahinstehen, da dem Verfügungskläger ein Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusteht; vgl. dazu die Ausführungen unter II.2.a)bb).
(c) Da der Verfügungskläger mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung somit nicht mehr wahlberechtigt war, könnte er derzeit bereits aus rechtlichen Gründen nicht zu einer Betriebsversammlung zur Aufstellung eines Wahlvorstandes einladen. Die Vorenthaltung des Zuganges zu den betrieblichen Kommunikationsmitteln stellt daher keine Behinderung der Wahl dar.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger als unterliegende Partei (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).