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Arbeitsrecht
15.08.2016
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Kein Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats bei Verstoß gegen Unterrichtungs- und Anhörungsrechte

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2015 – 9 TaBV 2/15

Leitsatz

Das EBRG sieht als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des Europäischen Betriebsrats nach § 30 EBRG lediglich ein Bußgeld nach § 45 EBRG vor. Es fehlt eine dem § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach dem Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zusteht (im Anschluss an Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 08. September 2011 - 13 Ta 267/11 -, Rn. 30, juris).(Rn.67)

Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 30 EBRG. Nach Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG (juris: EGRL 38/2009) sehen die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie geeignete Maßnahmen vor; da die Richtlinie keine konkreten Sanktionen für den Fall der Verletzung der Unterrichtungspflicht vorsieht, ist es nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit als Sanktion einzuführen.(Rn.68)

EBRG § 45, § 30; BetrVG § 87 Abs. 1, § 111 Satz 2, § 23 Abs. 3

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Unterlassungsansprüchen für den Fall von Betriebsverlegungen, Stilllegungen oder Massenentlassungen vor ordnungsgemäßer Information des Europäischen Betriebsrates.

Der Beteiligte zu 1 ist der für die A-Gruppe in Europa gebildete Europäische Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2 hat ihren Sitz in S und beschäftigt als Gesellschaft mit der größten Arbeitnehmeranzahl der Unternehmen der A-Gruppe weltweit derzeit 1.150 Arbeitnehmer. Hauptsitz der A-Gruppe ist M/Australien. Die Beteiligten zu 3 bis 54 sind weitere Konzerngesellschaften, der A-Gruppe in Europa.

Anlass der Auseinandersetzung ist der Umstand, dass die Beteiligte zu 54 das von ihr betriebene Werk im Jahr 2014 in Neumünster geschlossen hat und die Produktion zur Beteiligten zu 50 nach Lodz in Polen verlagert worden ist.

Über die Errichtung des Beteiligten zu 1, dem Europäischen Betriebsrat der A-Gruppe, besteht zwischen der A-Gruppe Europa und den Betriebsräten sowie betrieblichen Arbeitnehmervertretungen der A-Gruppe in Europa eine Vereinbarung vom 23.10.2002 (AS 24 ff. der arbeitsgerichtlichen Akte - künftig: EBR-Vereinbarung).

Die EBR-Vereinbarung regelt unter Ziffer 10:

"10. Unterrichtung und Anhörung über außergewöhnliche Umstände

10.1 Über außergewöhnliche Umstände, die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer/-Innen in mindestens 2 A-Betrieben in verschiedenen Staaten haben können, hat die Leitung der A-Gruppe in Europa den Ausschuss bzw. den EBRA rechtzeitig und soweit wie möglich umfassend vor endgültigen Entscheidungen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten und auf Verlangen anzuhören. Als außergewöhnliche Umstände gelten insbesondere:

o Die Verlegung von Unternehmen oder Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen;

o Die Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen;

o Massenentlassungen

10.2 Erfolgt die Unterrichtung und Anhörung nicht vor dem EBRA, sondern vor dem Ausschuss, sind zu den Sitzungen auch diejenigen Mitglieder des EBRA einzuladen, die für die Betriebe oder Unternehmen bestellt wurden, die unmittelbar von der geplanten Maßnahme betroffen sind. Sie gelten insoweit als Ausschussmitglieder."

Die Beteiligten sind im Hinblick auf die Betriebsschließung des Werkes der Beteiligten zu 54 in Neumünster und die Verlagerung der dortigen betrieblichen Tätigkeiten der Beteiligten zu 50 nach Lodz insbesondere unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Unterrichtung rechtzeitig vorgenommen worden ist. Wegen des erstinstanzlichen widerstreitenden Sachvortrags der Beteiligten wird auf AS 8 - 11 für den Beteiligten zu 1, sowie AS 178 - 180 für die übrigen Beteiligten Bezug genommen.

Mit seinem am 17.10.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Beteiligte zu 1 im Wesentlichen, die Beteiligten zu 2 - 53 zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange der Beteiligte zu 1 nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden ist.

Dazu hat der Beteiligte zu 1 vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, er habe aufgrund der Rechtsverletzung der Verpflichtungen aus Ziffer 10.1 der EBR-Vereinbarung anlässlich der Schließung des Werkes der Beteiligten zu 54 in Neumünster Unterlassungsansprüche gegen die übrigen Beteiligten.

Der Beteiligte zu 1 beantragte vor dem Arbeitsgericht:

1. Den Beteiligten zu 2. - 53. wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufgegeben, es zu unterlassen; anlässlich von Verlegung von Unternehmen oder Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. nicht durchgeführt wurde.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1:

Festzustellen, dass die Beteiligten zu 2. - 53. betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Verlegungen von Unternehmen oder Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach Durchführung der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. aussprechen dürfen;

2. Den Beteiligten zu 2. - 53. unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden. Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Stilllegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. nicht durchgeführt wurde;

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2.:

Festzustellen, dass die Beteiligten zu 2. - 53..betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Stilllegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe oder Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach -Durchführung der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. aussprechen dürfen;,

3. Den Beteiligten zu 2. - 53. unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Massenentlassungen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. nicht durchgeführt wurde,

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3.:

Festzustellen, dass die Beteiligten zu 2. - 53. betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Massenentlassungen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 53. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach Durchführung der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1 aussprechen zu dürfen.

Die Beteiligten zu 2. bis 54. beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, gegen die Beteiligten zu 3. - 54. könne der Beteiligte zu 1 keine Rechte geltend machen. Ein Rechtsverhältnis des Europäischen Betriebsrates bestehe nur gegenüber der zentralen Leitung, mithin der Beteiligten zu 2. Die Anträge seien auch unzulässig, weil sie zu unbestimmt seien. Zudem seien die Anträge jedenfalls als Globalanträge unbegründet. Nicht für alle von den Globalanträgen erfassten Fallgestaltungen bestehe ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht. Zudem fehle es an einer Rechtsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch. Das EBRG kenne keine § 23 Abs. 3 BVerfG entsprechende Vorschrift. Es liege auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor. Der Gesetzgeber habe sich dazu entschlossen, einen Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht nach § 45 EBRG mit einem Bußgeld zu sanktionieren. Dadurch sei auch die zugrunde liegende Richtlinie 2009/38/EG hinreichend umgesetzt. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Beteiligten wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss vom 29.04.2015 die Hauptanträge als unbegründet, die Hilfsanträge hingegen als unzulässig abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Hauptanträge seien zulässig, da klar erkennbar sei, für welche Fälle bzw. Lebenssachverhalte der Beteiligte zu 1 einen Unterlassungsanspruch bzw. Feststellungsanspruch geltend mache. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 1 das zusätzliche Tatbestandsmerkmal in Ziffer 10.1 der EBR-Vereinbarung,. nämlich, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer in mindestens 2 A- Betrieben in verschiedenen Staaten haben können muss, betreffe die Begründetheit, nicht die Zulässigkeit der Anträge. Die Hilfsanträge hingegen seien bereits unzulässig, zwischen den Beteiligten seien hierüber keine rechtlichen Differenzen erkennbar. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 seien lediglich unterschiedlicher Auffassung, ob der Rechtslage im Sommer 2014 anlässlich der Betriebsverlagerung von der Beteiligten zu 54 in Neumünster auf die Beteiligte zu 50 in Lodz ausreichend Rechnung getragen worden sei. Es fehle, damit am erforderlichen Feststellungsinteresse für die Hilfsanträge. Soweit die. Anträge zulässig seien, seien sie unbegründet. Gegen die Beteiligten zu 3 - 54.bestünden bereits keine eigenen Rechte des Beteiligten zu 1, die gerichtlich geltend gemacht werden könnten. Der Anspruch auf Unterrichtung nach § 30 EBRG sowie nach Ziffer 9 und 10 der EBR-Vereinbarung richte sich gegen die zentrale Leitung einer europaweit tätigen Unternehmensgruppe, somit der Beteiligten zu 2. Gegen die übrigen Beteiligten habe der Beteiligte zu 1 bereits keinen Rechtsanspruch. Zudem seien sämtliche Anträge als zu weit gehende Globalanträge unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Rechtsauffassung des Beteiligten zu T verkenne den Wortlaut der Regelung in Ziffer 10.1 der EBR-Vereinbarung, wonach ein Unterrichtungsrecht nur dann besteht, wenn die dort genannten außergewöhnlichen Umstände vorlägen. Das gelte auch für die aufgezählten Beispiele. Deren Vorliegen allein reiche nicht, sondern es sei auch noch für die Auslösung eines Unterrichtungsrechtes erforderlich, dass noch erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmerinnen in mindestens 2 A-Betrieben in verschiedenen Staaten eintreten könnten.. Zudem stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche dem Beteiligten zu T nicht zu. Das EBRG sehe als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des EBR nach § 30 EBRG lediglich eine Bußgeldvorschrift nach § 45 EBRG vor. Eine planwidrige Gesetzeslücke bestehe nicht. Der Deutsche Gesetzgeber habe bewusst auf die Normierung eines Unterlassungsanspruches verzichtet, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe. Aus der Richtlinie 2009/38/EG lasse sich' ein allgemeiner Unterlassungsanspruch ebenso wenig ableiten. Diese verlange lediglich geeignete Maßnahmen, deren inhaltliche Ausgestaltung den Mitgliedsstaaten überlassen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des angegriffenen Beschlusses wird auf dessen Teil II. Bezug genommen.

Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 am 13.05.2015 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1 rechtzeitig am 05.06.2015 Beschwerde eingelegt und diese ebenso rechtzeitig innerhalb der aufgrund fristgerechten . Verlängerungsantrages vom 23.06.2015 bis zum 13.08.2015 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist diese am 31.07.2015 begründet.

Zur Begründung der Beschwerde trägt der Beteiligte zu 1 vor, das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sich nicht gegen die Beteiligten zu 3 - 54, sondern ausschließlich gegen die Beteiligte zu 2, der zentralen Leitung richteten. Aus dem Umstand, dass sich der Anspruch auf Unterrichtung und Anhörung des Antragstellers ausschließlich gegen die-zentrale Leitung richte und nicht gegen die Einzelunternehmen, könne jedoch nicht geschlossen werden, dass deswegen gegen die übrigen Unternehmen der A-Gruppe kein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden könne. Die tatsächliche Umsetzung der grenzüberschreitenden Maßnahmen erfolge nicht durch die zentrale Leitung, sondern durch die einzelnen beteiligten Unternehmen, so dass sich ein Unterlassungsanspruch zur rechtssicheren Durchsetzung des Informations- und Anhörungsrechtes auch gegen die Beteiligten gemeinschaftsweiten Unternehmen richten müsse um die tatsächliche Umsetzung der Maßnahme verhindern zu können. Das Arbeitsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass sämtliche Anträge unbegründet seien, weil diese zu weit gefasste Globalanträge darstellten. Das Arbeitsgericht hat sowohl Ziffer 10,1 EBRV als auch § 30 Abs. 1 EBRG fehlerhaft ausgelegt. Es sei falsch vom Arbeitsgericht zu verlangen, dass in den Fällen, von Verlagerung, Stilllegungen oder Massenentlassungen zusätzlich noch erhebliche Auswirkungen auf die Belegschaft darzulegen seien. Vielmehr Werde in Satz 1 der jeweiligen Vorschrift der Anknüpfungspunkt für das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht definiert, "das seien die außergewöhnlichen Umstände, die erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitnehmer hätten". In Satz 2 würden dann 3 Fallgestaltungen derartiger außergewöhnlicher Umstände beispielhaftdefiniert. Liege also ein Fall der in Satz 2 genannten Beispiele vor, so werde das Vorliegen erheblicher Auswirkungen vermutet. Ist also eine der dort in Ziffer. 10.1 EBRV genannten Beispiele gegeben, so bedürfe es einer gesonderten Darlegung dieser erheblichen Auswirkungen nicht. Ziffer 10.1 EBRV habe auch keinen Vorrang vor der Regelung des § 30 EBRG, da durch diese Vorschrift dem Antragsteller keine weitergehenden Rechte eingeräumt würden. Zudem gehe das Arbeitsgericht fehlerhafterweise davon aus, dass das EBRG keinen Unterlassungsanspruch kenne und ein. solcher auch nicht zur richtlinienkonformen Anwendung des EBRG vor dem Hintergrund der Richtlinie 2009/38/EG erforderlich sei. Die Richtlinie verpflichte die Mitgliedsstaaten geeignete und effektive Sanktionen und Regelungen zu schaffen, die geeignet seien, die Einhaltung des Anhörungsrechts zu gewährleisten. Entgegen der vom Arbeitsgericht zitierten herrschenden Meinung sei das in § 45 EBRG Bußgeld keineswegs ausreichend, um das Anhörungsrecht des EBR zu gewährleisten. Dem deutschen EBRG fehle es damit an Instrumenten, mit Hilfe derer die Erfüllung der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden könne. Das Bußgeld falle erst dann an, wenn der Verstoß bereits vorgenommen worden sei. Es werde angeregt, die auf Seite 16 und 17 aufgeführten. Fragen der Antragsschrift dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Zudem sei das Arbeitsgericht fehlerhafterweise davon ausgegangen, dass die Hilfsanträge unzulässig seien, denn zwischen den Parteien sei tatsächlich streitig, ob die zentrale Leitung und die weiteren gemeinschaftsweiten Unternehmen personelle Maßnahmen in Form von Kündigungen aussprechen durften, ohne zuvor den EBR angehört zu haben.

Der Beschwerdeführer beantragt daher:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lörrach, Kammern Radolfzell vom 29.04.2015, Aktenzeichen 5 BV 8/14, zugestellt am 13.05.2015, abgeändert und nach den Schlussanträgen in erster Instanz wie folgt entschieden:

1. Den Beteiligten zu 2. - 54. wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufgegeben, es zu unterlassen, anlässlich von Verlegung von Unternehmen oder Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. nicht durchgeführt wurde.

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.,

festzustellen, dass, die Beteiligten zu 2. - 54. betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Verlegungen von Unternehmen oder Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach Durchführung der Unterrichtung und Anhörung, des Beteiligten zu 1; aussprechen dürfen;

2. Den Beteiligten zu 2. - 54. unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250:000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Stilllegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten -einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und. Anhörung des Beteiligten zu 1. nicht durchgeführt wurde;

hilfsweise für den Fall des, Unterliegens .mit dem Antrag zu 2.,

festzustellen, dass die Beteiligten zu 2.. - 54. betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Stilllegungen von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, die mindestens 2 Betriebe oder Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach Durchführung der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. aussprechen dürfen;.

3. Den Beteiligten zu 2. - 54. unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, anlässlich von Massenentlassungen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EU- Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, solange die Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1; nicht durchgeführt wurde.

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3.,

festzustellen, dass die Beteiligten zu 2. - 54. betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die anlässlich von Massenentlassungen, die mindestens 2 Betriebe der Beteiligten zu 2. - 54. in verschiedenen EÜ-Mitgliedstaaten einschließlich der Schweiz und Norwegen betreffen, erst nach Durchführung der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1. aussprechen zu dürfen.

Die Beschwerdegegner beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Beschluss des Arbeitsgerichts sei fehlerfrei. Die Anträge des Beteiligten zu 1, auch in der Fassung der Hilfsanträge seien bereits unzulässig, da sie zu unbestimmt seien. Sie seien auf die Klärung von abstrakten Rechtsfragen gerichtet. Sie berücksichtigten nicht die individuellen Umstände im Einzelfall, insbesondere ob die beabsichtigte Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer nach Ziffer 10.1 der EBR- Vereinbarung. habe. Zudem sei zwischen den Beteiligten nicht einmal streitig, dass der Ausspruch von Kündigungen erst nach der Unterrichtung und Anhörung des Beteiligten zu 1 zulässig sei. Streitig sei allein die Frage, ob die Verletzung dieser Vorschrift tatsächlich vorliege und welche rechtlichen Folgen sie habe. Im Übrigen seien die Anträge auch unbegründet. Es bestehe bereits kein Rechtsverhältnis des Antragstellers zu den Beteiligten zu 3 bis 54. Der Anspruch auf die Unterrichtung und Anhörung richte sich gegen die zentrale Leitung. Andernfalls würden den Beteiligten zu 3 - 54 auf diese Weise Sanktionen auferlegt für ein Verhalten, das von vorneherein nicht gegen Rechte des Beteiligten zu 1 aus der EBR-Vereinbarung verstoßen kann. Zwar seien die übrigen Unternehmen verpflichtet, der zentralen Leitung etwaige Auskünfte zu erteilen und diese sei. verpflichtet, dort sich Auskünfte einzuholen. Daraus ergebe sich aber kein eigener Anspruch des Europäischen Betriebsrats gegenüber allen gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen der Unternehmensgruppe. Im Übrigen stehe dem Beteiligten zu 1 auch kein Unterlassungsanspruch zu. Sanktionen für den Verstoß gegen Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des Europäischen Betriebsrats nach § 29, 30 EBRG sei allein die Bußgeldvorschrift in § 45 EBRG. Die Richtlinie 2009/38/EG kenne ebenfalls keinen allgemeinen Unterlassungsanspruch und fordere in Artikel 11 Abs. 2 lediglich geeignete Maßnahmen für den Fäll der Nichteinhaltung der Richtlinie. Welche Maßnahmen für geeignet erachtet würden, blieben den Mitgliedstaaten inhaltlich überlassen. Der allgemeine Unterlassungsanspruch nach § 87 Abs. 1 BetrVG sei inhaltlich bereits deswegen auf die vorliegende Situation nicht zu übertragen, weil es hier nur um Anhörungsrechte, nicht aber um Mitbestimmungsrechte gehe. Zudem könne der Europäische Betriebsrat seine Anhörungsrechte ggf. im Wege des einstweiligen Rechtschutzes durchsetzen. Darüber hinaus gingen die Anträge des Beteiligten zu 1 als Globalanträge inhaltlich zu weit und seien bereits aus diesem Grunde unbegründet. Der Beteiligte zu 1 begehre ohne Berücksichtigung konkreter Einzelfälle generell die Verpflichtung der Beteiligten zu 2. bis 54., bei Verlegungen, Stilllegungen oder Massenentlassungen betriebsbedingte Kündigungen bis zur Durchführung der Unterrichtung und Anhörung zu unterlassen. Dabei berücksichtige der Antragsteller nicht, dass nach Ziffer 10.1 der EBR-Vereinbarung jeweils die Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer/Innen in mindestens 2 A-Betrieben in verschiedenen Staaten haben können muss. Über die Antragstellung hinaus müsse daher wenigstens die Möglichkeit von erheblichen Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer bestehen. Das sei im Einzelfall zu prüfen. Nach der Antragsformulierung würde es ausreichen, dass die dort genannten Maßnahmen wenigstens 2 Betriebe in verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen. Das widerspreche jedoch dem Wortlaut von Ziffer 10.1 EBR-Vereinbarung, nach der ein Betreffen allein nicht ausreicht, sondern darüber hinaus erhebliche Auswirkungen in jedem der beiden A-Betriebe in den Mitgliedstaaten möglich sein müssen. Auf die Formulierung von § 30 Abs. 1 EBRG komme es hingegen nicht an. Artikel 10.1 der EBR-Vereinbarung sei die speziellere Regelung. Da die Anträge weder zulässig, noch begründet seien, bestehe auch kein Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Beteiligten zu 1 kein Unterlassungsanspruch gegenüber den Beteiligten zu 2-54 zusteht.

I.

Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte Beschwerde ist nach § 87 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet und war daher zurückzuweisen.

1.

a) Das Arbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die gestellten Hauptanträge zulässig sind. Auf die zutreffende Begründung unter II. 1.a) des angegriffenen Beschlusses wird. Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat insbesondere zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anträge nicht unbestimmt sind. Sollten sie Sachverhalte erfassen, in denen kein Unterlassungsanspruch besteht, so sind sie unbegründet. Aus den Anträgen ergibt sich hinreichend, dass der Beteiligte zu 1 in allen Fällen, in denen' es zu einer Verlegung von Unternehmen oder Betrieben, der Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen oder einer Massenentlassung, die mindestens zwei Betriebe unter den in den Anträgen näher genannten Voraussetzungen betreffen den Anspruch geltend macht, dass die Beteiligten zu 2-54 derartige Maßnahmen unterlassen.

Für einen derartigen Antrag fehlt es auch nicht am Rechtsschutzinteresse, denn der Beteiligte zu 1 behauptet, die Beteiligten zu 2-54 hätten gegen ihre Informationspflichten aus 10.1 der EBR-Vereinbarung verstoßen und daraus ergebe sich sein Anspruch gegen sie, zukünftig den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen vor der ordnungsgemäßen Information des Beteiligten zu 1 zu unterlassen.

b) Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die gestellten Hilfsanträge jeweils unzulässig sind. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

Dem Einwand der Beteiligten zu 2-54, es bestehe zwischen den Beteiligten überhaupt kein Streit darüber, dass diese die in den Hilfsanträgen genannten Maßnahmen nicht vor der Unterrichtung aussprechen dürften, kann zunächst mit einer Auslegung der Anträge begegnet werden. Diese sind so zu verstehen, dass der Beteiligte zu 1 festgestellt wissen will, dass für den Fair der dort genannten Maßnahmen ein Anspruch des Beteiligten zu 1 auf Unterlassung von betriebsbedingten Kündigungen gegen die Beteiligten zu 2-54 besteht. Jedoch laufen die gestellten Hilfsanträge auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens hinaus, das - worauf die Beteiligte zu 2 zutreffend hinweist - einer rein ideellen Rechtskraft fähig wäre.

Sofern dem Beteiligten zu 1 ein Anspruch auf Unterlassung des Ausspruchs betriebsbedingter Kündigungen zusteht, wird dieses Begehren durch die jeweils gestellten Hauptanträge abgebildet. Die gestellten Hilfsanträge haben denselben Gegenstand zum Inhalt wie die Leistungsanträge, kleiden diesen Inhalt jedoch in einen Feststellungsantrag. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags scheitert deshalb auch daran, dass in diesem Fall der Vorrang des Leistungsantrags gilt.

Daran ändert auch der Einwand des Beteiligten zu 1 nichts, die Hilfsanträge stellten eine Präzisierung der der Verlagerung des Betriebs zu Grunde liegenden Handlungen dar. Diese Handlungen sind bereits in den jeweiligen Leistungsanträgen in identischer Weise beschrieben; worin hier eine Präzisierung zu sehen sein soll, ist nicht erkennbar.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sind die gestellten Hauptanträge jedoch nicht schon deswegen unbegründet weil sie als so genannte Globalanträge auch Sachverhaltskonstellationen erfassen, in denen kein Unterrichtungsanspruch und demgemäß erst recht kein Unterlassungsanspruch besteht.

Das Arbeitsgericht hat darauf abgestellt dass allein die Erwähnung der in Nr. 10.1 S. 2 EBR-Vereinbarung aufgezählten Beispiele nicht ausreiche, um Unterrichtung- und Anhörungsrechte des Beteiligten zu 1 auszulösen, sondern hinzu kommen müsse noch die Möglichkeit erheblicher Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer/innen in mindestens zweier A-Betriebe in verschiedenen Staaten.

Das Beschwerdegericht teilt diese Auffassung nicht; es ist anerkannt, dass das Vorliegen einer der in § 30 Abs. 1 S. 2 EBRG genannten Angelegenheiten erhebliche Auswirkungen, auf die Interessen der Arbeitnehmer unwiderleglich vermuten lässt (Annuß u.a,( EBRG, § 30 Rn 4; GK- BetrVG/Oetker, § 30 EBRG Rn. 4). Das ergibt sich bereits aus der Parallelität ' der Formulierung der Vorschrift zu § 111 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz, für den diese rechtliche Bedeutung der Aufzählungsbeispiele ebenfalls angenommen-wird (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 111, Rn. 42 ; BAG, Urteil vom 9. November 2010,1 AZR 708/09).

§ 30 EBRG findet vorliegend im Hinblick auf den Abschluss einer EBR-Vereinbarung zwar keine Anwendung. Nr. 10.1 der EBR-Vereinbarung ist jedoch seiner inhaltlichen Struktur nach identisch mit § 30 Abs. 1 EBRG, so dass auch hier davon auszugehen ist, dass eine weitergehende - gegebenenfalls einschränkende - Beschreibung der für die Arbeitnehmer der betroffenen Betriebe nachteiligen Maßnahmen nicht erforderlich ist. Aus dem Grunde können die Anträge nicht mit der Begründung abgewiesen werden, es handele sich um inhaltlich zu weitgehende Globalanträge.

3. Das Arbeitsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Beteiligten zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus rechtlichen Gründen nicht besteht.

a) Das EBRG sieht als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des Europäischen Betriebsrats nach § 30 EBRG lediglich ein Bußgeld (nach § 45 EBRG vor. Es fehlt eine dem § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach dem Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zusteht bzw. an einer Vorschrift, nach der überhaupt ein Unterlassungsanspruch bei unterbliebener Information besteht.

b) Die Frage, ob ein solcher Unterlassungsanspruch für den Fall der unterbliebenen Information besteht, ist umstritten (zum Meinungsstand siehe GK-BetrVG/Oetker, § 30 EBRG, Rn. 11 ff.).

aa) Für die Annahme eines solchen Unterlassungsanspruchs wird angeführt, dass sich dieser aus Art. 11 der RL 2009/3S/EG ergebe, weil hier wie auch in den Erwägungsgründen Nr. 35. und 36 ausdrücklich klargestellt sei, dass die Einhaltung der Ziele der Richtlinie effektiv gesichert werden muss und fühlbare Sanktionen vor ihrer Missachtung Abschrecken müssen (HaKo-BetrVG/Blanke, 3. Aufl., § 32 EBRG, Rn. 4; DKKW/Bachner,.§ 29 EBRG Rn. 2). Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung französischer Gerichte, die entsprechende Unterlassungsansprüche angenommen haben (im Einzelnen siehe HaKo-BetrVG/Blanke, 3. Aufl., § 32 EBRG, Rn. 6).

bb) Zutreffender Weise besteht jedoch ein solcher Unterlassungsanspruch nicht (so auch Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 08. September 2011 - 13 Ta 267/11 Rn. 30, juris). Den Interessen der Arbeitnehmer wird durch die Einführung von Sanktionen bei nicht richtiger, nicht vollständiger oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung durch die Bußgeldvorschriften des § 45 EBRG Rechnung getragen. Zudem sind die Rechtsstellung des Europäischen Betriebsrates und des (deutschen) Betriebsrates im Falle von Betriebsänderungen nicht vergleichbar (sofern man, was umstritten ist, dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch zur Sicherung seines Beteiligungsrechtes nach § 111, § 112 BetrVG einräumt). Die Rechte des Europäischen Betriebsrates sind schwächer ausgestaltet als die des Betriebsrates nach § 111 f. BetrVG, denn Letzterer kann in einem formalisierten Vermittlungsverfahren seinen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch durchsetzen und die Einigungsstelle anrufen. Die Richtlinie 2009/38/EG verfolgt durch das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht demgegenüber nur den Meinungsaustausch und die Errichtung eines Dialogs zwischen der zentralen Leitung und dem Europäischen Betriebsrat bzw. dem Ausschuss (GK-BetrVG/Oetker, § 30 EBRG, Rn. 13; Annuß u.a/Kühn., EBRG, § 30 Rn 25).

cc) Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 ergibt sich ein solcher Unterlassungsanspruch auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 30 EBRG. Nach Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG sehen die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie geeignete Maßnahmen vor; sie gewährleisten insbesondere, dass die Verwaltung- oder Gerichtsverfahren vorhanden sind, mit deren Hilfe die Erfüllung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden kann.

Das ist der Fall. Zunächst kann im Wege eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, gegebenenfalls auch mittels einer einstweiligen Verfügung der Unterrichtungsanspruch des Europäischen Betriebsrates durchgesetzt werden (siehe Komm. z. EU- ArbR/Oetker, RL 2009/38/EG Art. 11 Rn.5). Damit ist der 2. HS des Abs. 2 erfüllt. Darüber hinaus sieht § 45 EBRG einen mit einem Bußgeld bewährten Ordnungswidrigkeitstatbestand vor, wenn die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Auf diese Weise wird eine Sanktion verhängt, die zur Sicherung des Unterrichtungsanspruches dient. Da die Richtlinie keine konkreten Sanktionen für den Fall der Verletzung der Unterrichtungspflicht vorsieht, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit als Sanktion einzuführen. Eine irgendwie geartete Verpflichtung, einen Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrates zu normieren gibt die Richtlinie nicht vor.

Allerdings ist dem Beteiligten zu 1 darin beizupflichten, dass das Bußgeld nach § 45 Abs. 2 EBRG von maximal Euro 15.000,00 eher gering ist und unter Umständen keine hinreichend abschreckende Wirkung im Sinne des Erwägungsgrundes Nr. 36 der Richtlinie entfaltet. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 36 sollten im Falle eines Verstoßes gegen die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen administrative oder rechtliche Verfahren sowie Sanktionen, die wirksam, abschreckend und im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessen sind, angewandt werden, wie sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts ergibt.

Insbesondere bei größeren Betriebsstilllegungen oder -Verlagerungen fällt dieser Betrag angesichts der dadurch entstehenden Gesamtkosten nicht nennenswert ins Gewicht. Jedoch sind auch die ordnungswidrigkeitsrechtliche Nebenfolgen wie der Eintrag ins Gewerbezentralregister nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO sowie eine negative Öffentlichkeit in die Frage der abschreckenden Wirkung einzubeziehen. Sie erhöhen die bei ausschließlich finanzieller Betrachtung eher geringe abschreckende Wirkung. Auch ist zu sehen, dass das Bußgeld gegebenenfalls auch gegen natürliche Personen des Unternehmens festgesetzt werden kann (Annuß u.a./Rupp, EBRG § 45 Rn 6), wenn diese Täter der Ordnungswidrigkeit sind.

Die Frage, ob ein Bußgeld von bis zu 15.000,00 € eine mit Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG zu vereinbarende, insbesondere hinreichend abschreckende Sanktion darstellt muss jedoch nicht endgültig beantwortet werden, denn selbst dann, wenn man dies annimmt, ergibt sich daraus nicht, dass, dem Beteiligten zu 1 ein Unterlassungsanspruch zusteht.

dd) Der Richtliniengeber hat es den jeweiligen nationalen Gesetzgebern überlassen, wie sie die Durchsetzung der Ziele der Richtlinie konkret gestalten. Der nationale deutsche Gesetzgeber hat sich für die "Bußgeldlösung" entschieden. Dass dies per se eine ungeeignete Lösung ist, behauptet auch der Beteiligte zu 1 nicht. Selbst wenn man aber annimmt, dass die konkrete Ausgestaltung nicht mit Art. 11 Abs. 2 RL . 2009/38/EG vereinbar ist führt das nicht dazu, dass das Gericht befugt wäre, anstelle der vom Gesetzgeber gewählten Bußgeldlösung nunmehr einen Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats anzunehmen. Dadurch würde das Gericht den Willen des Gesetzgebers missachten Und ein solcher Gestaltungsspielraum kommt dem Gericht bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen auf Grund des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht zu. Die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung würden überschritten. Der Gesetzgeber hat bewusst auf einen Unterlassungsanspruch verzichtet, so dass hier kein Raum für eine richtlinienkonforme Auslegung - so diese denn notwendig sein sollte - wäre.

Der eindeutige Wille des Gesetzgebers ergibt sich im einzelnen aus folgenden Überlegungen:

Durch einen Antrag vom 23. März 2011 an den Deutschen Bundestag hat die SPD- Fraktion beantragt (BT Drs. 17/5184):

"Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf, bei der Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes zur Effektivierung der Arbeit Europäischer Betriebsräte folgende Punkte aufzunehmen:

1. Bei Pflichtverstößen gegen die Richtlinie müssen wirksame und abschreckende Sanktionen durchgesetzt werden. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten in dem neuen Erwägungsgrund 36, im Falle eines Verstoßes gegen die sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen Sanktionen anzuwenden, die wirksam, abschreckend und im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessen sind. Eine Geldbuße in Höhe von maximal 15.000,00 Euro, wie sie unverändert zur bisherigen Gesetzeslage im Zweiten Gesetz zur Änderung des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes vorgesehen ist, steht nicht im Einklang mit diesen. Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Die Sanktionshöhe ist nicht ausreichend und muss deutlich erhöht werden.

2. im Gesetz muss ein Anspruch auf Unterlassung beteiligungswidriger Maßnahmen (sogenannter allgemeiner Unterlassungsanspruch) festgeschrieben werden. Dies führt dazu, dass richtlinien- bzw. gesetzeswidrige Maßnahmen, wie eine ohne rechtzeitige Unterrichtung und/oder Anhörung vorgesehene Werksschließung oder eine Fusionsentscheidung, unwirksam sind, nicht vollzogen werden dürfen. Zu ihrer Wirksamkeit müssen Unterrichtung und/oder Anhörung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nachgeholt werden. Damit können EBR vor Gericht klagen, wenn Unternehmen versuchen, diese von Entscheidungen auszuschließen."

ee) Zu diesem Änderungsantrag zum 2. EBRG-Änderungsgesetz. hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales am 6.4.2011 empfohlen, diesen Antrag abzulehnen (BT - Drs 17/5399) und der Deutsche Bundestag ist dieser Beschlussempfehlung ausweislich des Protokolls (BT-Protokol117/102 3. 11729 (C)) gefolgt. Aus den vorliegenden Unterlagen zum Gesetzgebungsgang ergibt sich, dass der Gesetzgeber sich des Problems bewusst gewesen ist und sich eindeutig gegen einen Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats bei unzureichender oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung entschieden hat.

Selbst wenn die Sanktion eines Bußgeldes von bis zu 15.000,00 € den Anforderungen des Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG nicht genügen sollte, scheitert eine europarechtskonforme Auslegung durch Annahme eines .Unterlassungsanspruches im Wege der richtlinienkonformen Auslegung am eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers. Das Gesetz enthält hier keine Lücke und ist deswegen auch nicht auslegungsfähig.

Die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung ist nicht nur dann Überschritten, wenn sich aus der nationalen Rechtsordnung nicht eindeutig ergibt, dass zur Umsetzung der unionsrechtlichen Verpflichtung zur Festsetzung effektiver Sanktionen nur eine bestimmte Rechtsfolge in Betracht kommt, wenn sich solche eindeutigen Anhaltspunkte der deutschen Rechtsordnung nicht entnehmen lassen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 9AZR 51/13, Rn. 34), sondern auch dann, wenn sich umgekehrt der deutschen Rechtsordnung eine eindeutige Vorstellung des Gesetzgebers entnehmen lässt, welche Maßnahmen zur Durchsetzung der Richtlinie ergriffen werden und welche Maßnahmen nicht ergriffen werden sollen.

Es mag sein, dass § 45 EBRG im Hinblick auf die relativ niedrige Höhe des Bußgeldes den Anforderungen des Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG nicht genügt. Das hätte zur Folge, dass die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt ist. Es hat aber nicht zur Folge, dass das Gericht unter Missachtung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nunmehr stattdessen eine völlig andere Sanktion für Missachtung der Verpflichtungen nach § 30 EBRG ersetzen darf.

4. Aus diesem Grund ist auch eine Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof nicht geboten. Die Antwort auf die Frage, ob § 45 EBRG den Anforderungen des Artikels 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG genügt kann keine Antwort auf die vom nationalen Gericht zu beantwortende Frage geben, ob die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten wären bei Annahme eines Unterlassungsanspruchs. .

Aus diesem Grund hat das Arbeitsgericht auch zu Recht offengelassen, ob die Beteiligte zu 2 tatsächlich die Informationsrechte des Beteiligten zu 1 anlässlich der im Sachverhalt beschriebenen Betriebsverlagerung nach Lodz verletzt hat.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

III.

Die Rechtsbeschwerde war für den Beteiligten zu 1 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

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