ArbG Berlin: Kein Recht auf Streikmaßnahme auf Firmenparkplatz
ArbG Berlin, Urteil vom 7.4.2016 – 41 Ca 15029/15
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1780-6
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Amtliche Leitsätze
Das Hausrecht der Arbeitgeberin ist im Arbeitskampf nicht durch das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG eingeschränkt. Die Arbeitgeberin ist daher nicht verpflichtet, die Nutzung von als Betriebsmittel angemietetem und nicht auch der Öffentlichkeit zugänglich gemachtem Parkraum durch die Gewerkschaft für Streikhandlungen zu dulden.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten, auf dem Betriebsgelände der Klägerin Streikmaßnahmen durchzuführen.
Die als GmbH verfasste Klägerin ist ein zur A.-Gruppe gehörendes Unternehmen mit Sitz in P.. Ausweislich der Eintragung im Handelsregister (Amtsgericht Mannheim, HRB 714554) ist Unternehmensgegenstand die Erbringung von logistischen Dienstleistungen und anderen Vertriebsdienstleistungen, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen (Ablichtung des Handelsregisterauszugs Bl. 187 ff. d. A.). Die Klägerin ist nicht tarifgebunden. Seit April 2013 werden von der beklagten Gewerkschaft verschiedene Standorte von A. in Deutschland zur Erzwingung von Verhandlungen über Anerkennungstarifverträge bestreikt. Im August 2015 forderte die Beklagte die Klägerin zu Verhandlungen über den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages hinsichtlich der Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg auf. Dies lehnte die Klägerin, die sich Tarifverhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses von Anerkennungstarifverträgen nicht an sich verschließt, mit der Begründung ab, sie sei ein Logistikzentrum und kein Unternehmen des Einzelhandels.
Am 21. und 22.09.2015 führte die Beklagte Streikmaßnahmen auch auf den vor dem Haupteingang des Betriebes befindlichen Pkw-Parkplatz in der Weise durch, dass streikende Beschäftigte der Klägerin und Gewerkschaftsfunktionäre vor den sog. Drehkreuzen des Haupteingangs stundenweise 12 große Trommeln und mehrere Sonnenschirme aufstellten und verschiedene Flugblätter verteilten, in denen Beschäftigte über den Arbeitskampf informiert und zum Streik aufgerufen wurden. Auch nach einer Aufforderung seitens der Klägerin, das Betriebsgelände zu verlassen, wurden die Streikaktionen dort fortgesetzt. An den beiden Streiktagen wurden arbeitswillige Beschäftigte nicht beim Zutritt zum Betriebsgebäude behindert.
Die sich vor dem Haupteingang befindlichen Parkplätze sind insgesamt Bestandteil des angemieteten Betriebsgrundstücks. Ganz überwiegend gelangen die Mitarbeiter mit dem Kraftfahrzeug zur Betriebsstätte, den sie auf dem Firmenparkplatz abstellen, nachdem sie diesen über eine öffentliche Zufahrt, die unmittelbar in das Parkgelände einmündet, erreicht haben. Wie auch bei anderen A.-Unternehmen in Deutschland ist das Betriebsgelände in P. so gestaltet, dass die Mitarbeiter von dem vorgelagerten Pkw-Parkplatz zu einem Haupteingang, einen gelben Turm, dem sog. Banana Tower, und von dort über eine Brücke in das eigentliche Betriebsgebäude gelangen. Der Parkplatzbereich ist nicht eingezäunt oder sonst eingefriedet und befindet sich vor der sonstigen Umzäunung des Betriebsgeländes. Im Einfahrtsbereich zum Parkgelände wird durch eine Beschilderung u. a. auf folgendes hingewiesen: „Privatgrundstück - Befugten in das Betreten und Befahren verboten“. Wegen der weiteren Einzelheiten der räumlichen Verhältnisse wird auf die zu den Akten gereichten Lichtbilder (Bl. 263 – 277 d. A.) sowie auf den eingereichten Lageplan (Bl. 381 d. A.) Bezug genommen.
Mit ihrer – vorab per Telefax – am 26.10.2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Klage wendet sich die Arbeitgeberin mit Unterlassungsanträgen gegen Streikmaßnahmen der Gewerkschaft auf dem Betriebsgelände in den Grenzen des zugrunde liegenden Mietvertrages.
In Bestätigung der Vorinstanz wies das LAG Baden-Württemberg in zweiter Instanz mit Urteil vom 24.02.2016 (2 SaGa 1/15) einen im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgten Antrag der Klägerin gegen die Gewerkschaft auf Untersagung ab, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände zwecks Durchsetzung eines Anerkennungstarifvertrages durchzuführen.
Zuletzt fanden am 24.03.2016 Arbeitskampfmaßnahmen auf dem Betriebsgelände statt.
Die klagende Arbeitgeberin meint, sie müsse Streikmaßnahmen auf ihrem Betriebsgelände, auch soweit lediglich der Pkw-Parkplatz betroffen ist, nicht dulden und beruft sich dazu auf Grundrechtspositionen aus Art. 13 und 14 GG. Es sei ihr nicht zuzumuten, dem Kampfgegner ihr Betriebsgrundstück zum Zwecke eines Streiks zur Verfügung zu stellen. Für die Gewerkschaft bestünde die Möglichkeit, die unmittelbare Zufahrtstraße zum Parkplatz, ggf. unter Einholung einer erforderlichen behördlichen Erlaubnis, als Streikort zu wählen. Dort könne sie Mitarbeiter ansprechen bzw. diese zum Mitstreiken bewegen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1.
es der Beklagten – unbeschadet des Rechts der Klägerin, die Rechtswidrigkeit einer Streikmaßnahme der Beklagten aus sonstigen Gründen geltend zu machen – zu untersagen, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin, dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1. ersichtlich sind, in der A.straße 1, 75177 P. durchzuführen;
2.
hilfsweise zu Ziff. 1,
es der Beklagten – unbeschadet des Rechts der Klägerin, die Rechtswidrigkeit einer Streikmaßnahme der Beklagten aus sonstigen Gründen geltend zu machen – zu untersagen, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin (A.straße 1, 75177 P.), dessen Grenzen anhand des Mietsvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlagen 1.1.1. ersichtlich sind, zwecks Durchsetzung eines Anerkennungstarifvertrages mit dem als Anlage K 3 bezeichneten Inhalt durchzuführen;
3.
weiter hilfsweise zu Ziff. 1,
es der Beklagten – unbeschadet des Rechts der Klägerin, die Rechtswidrigkeit einer Streikmaßnahme der Beklagten aus sonstigen Gründen geltend zu machen – zu untersage, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin (A.straße 1, 75177 P.), dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1. ersichtlich sind, zwecks Durchsetzung eines Anerkennungstarifvertrages mit dem als Anlage K 3 bezeichneten Inhalt durchzuführen, soweit die Streikmaßnahmen in einem Radius von 200 m oder weniger vor dem Haupteingang (sog. Banana Tower) stattfinden;
4.
weiter hilfsweise zu Ziff. 1,
es der Beklagten – unbeschadet des Rechts der Klägerin, die Rechtswidrigkeit einer Streikmaßnahme der Beklagten aus sonstigen Gründen geltend zu machen – zu untersagen, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin (A.straße 1, 75177 P.), dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1. ersichtlich sind, zwecks Durchsetzung eines Anerkennungstarifvertrages mit dem als Anlage K 3 bezeichneten Inhalt durchzuführen, soweit die Streikmaßnahmen in einem Radius von 100 m oder weniger vor dem Haupteingang (sog. Banana Tower) stattfinden.
5.
weiter hilfsweise zu Ziff. 1,
es der Beklagten – unbeschadet des Rechts der Klägerin, die Rechtswidrigkeit einer Streikmaßnahme der Beklagten aus sonstigen Gründen geltend zu machen – zu untersagen, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin (A.straße 1, 75177 P.), dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1. ersichtlich sind, zwecks Durchsetzung eines Anerkennungstarifvertrages mit dem als Anlage K 3 bezeichneten Inhalt durchzuführen, soweit die Streikmaßnahmen in einem Radius von 50 m oder weniger vor dem Haupteingang (sog. Banana Tower) stattfinden;
6.
der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorsitzenden ihres Bundesvorstanden, anzudrohen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die von der Klägerin bemühten Grundrechte müssten im Wege der von der Rechtsprechung entwickelten sog. praktischen Konkordanz gegenüber dem Streikrecht und dem Recht auf effektive Ausübung des Streikrechts zurücktreten. Unverhältnismäßig sei der Gebrauch der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG nur dann, wenn in nicht mehr hinnehmbarem Umfang in die Grundrechte des Arbeitgebers oder Dritter eingegriffen würde. Die Klägerin sei durch Arbeitskampfmaßnahmen auf dem Parkplatzgelände vor dem eigentlichen Produktionsbereich, welcher eingefriedet sei, nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Das Hausrecht hinsichtlich des frei zugänglichen Parkplatzgeländes, welches durchaus unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stünde, müsse sich ebenfalls an der praktischen Konkordanz gegenüber Art. 9 Abs. 3 GG messen lassen. Sie, die Beklagte, sei aufgrund der besonderen Geländegegebenheiten darauf angewiesen, ihre Streikkundgebungen und Streikinformationen als Teil der Arbeitskampfmaßnahmen und als Teil der Ausübung des effektiven Arbeitskrampfrechtes auf den von der Beklagten angemieteten Parkplatzgelände durchzuführen. Die von der Klägerin dargestellten Möglichkeiten des Streiks außerhalb des Betriebsgeländes seien geradezu lächerlich und ineffektiv und würden sie, die Beklagte, zwingen, Beschäftigte, die in geschlossenen Fahrzeugen vorbeiführen, mittels Handzeichens zu informieren und dies in Sekundenschnelle. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass keinerlei Arbeitskampfmaßnahmen in den Geschäfts- und Betriebsräumen der Klägerin im eigentlichen Sinne je durchgeführt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig und begründet. Daher sind die Hilfsanträge nicht mehr zur Entscheidung angewachsen.
I.
Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.
1.
Nach § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der in Anspruch genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einem dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis – in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, da anderenfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde (BAG 20.11.2012 – 1 AZR 611/11 – BAGE 144, 1 – 35 sowie juris Rn. 25 m.w.N.).
2.
Diesen Anforderungen genügt der Antrag.
a)
Bei dem von der klagenden Arbeitgeberin gestellten Unterlassungsantrag handelt es sich zwar um einen Globalantrag, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst. Dies steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen, weil er auf ausnahmslos alle denkbaren Fälle gerichtet ist. Ob die Anträge für sämtliche Fälle berechtigt sind, betrifft ihre Begründetheit und nicht deren Zulässigkeit (BAG 24.04.2007 – 1 AZR 252/06 – BAGE 122, 134 sowie juris Rn. 25).
b)
Mit dem Antrag will die Klägerin jegliche Streikmaßnahmen auf ihrem Betriebsgelände verhindern. Insoweit nimmt der Sachantrag ausdrücklich Bezug auf den Mietvertrag vom 13.12.2011 nebst einer Anlage. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass namentlich der Pkw-Parkplatz dem Mietvertrag unterfällt. Aus dem vorgelegten Mietvertag ergibt sich dies auch eindeutig. Für die auf Unterlassung in Anspruch genommene Gewerkschaft verbleiben demzufolge keine Zweifel, in welchem örtlichen Bereich genau sie Streikhandlungen unterlassen soll. Es besteht also nicht die Gefahr, dass klärungsbedürftige Fragen hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse in Verbindung mit Streikhandlungen bei einer Stattgabe des Antrages in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert würden.
II.
Der Antrag ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der beklagten Gewerkschaft Anspruch auf eine gerichtliche Untersagung von Streikmaßnahmen auf dem gesamten Betriebsgelände, dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13.11.2011 ersichtlich sind. Dabei umfasst der Anspruch die Unterlassung jeglicher Arbeitskampfhandlungen auf dem Betriebsgelände, so dass der Antrag in seiner weiten Fassung als Globalantrag begründet ist, auch wenn sich die Auseinandersetzung der Parteien im Wesentlichen um den Pkw-Parkplatz dreht.
1.
Die Arbeitgeberin wendet sich mit ihren Sachanträgen vorliegend nicht gegen den von der Beklagten geführten Streik als solchen, so dass nicht zu prüfen ist, ob sie als Betriebsinhaberin in ihrem nach den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen ist. Sie wendet sich allein dagegen, dass Handlungen im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf in rein örtlicher Hinsicht auf ihrem Betriebsgelände stattfinden, und damit nicht etwa gegen eine bestimmte, evtl. neuartige, Erscheinungsform des Arbeitskampfes, dessen Zulässigkeit in Anwendung von Art. 9 Abs. 3 GG nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen wäre, also mit der Würdigung, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich ist und bezogen auf das Kampfziel angemessen (proportional) eingesetzt wird (BAG 19.06.2007 – 1 AZR 396/06 – Rn. 25 mwN). Indem die Gewerkschaft das Parkplatzgelände für Streikmaßnahmen nutzte, um so ihre Einwirkungsmöglichkeiten insbesondere auf streikunwillige Arbeitnehmer zu erhöhen, hat sie damit kein eigenständiges Kampfmittel angewandt. Deshalb sind die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zu Kampfmitteln in Form streikbegleitender sog. „Flashmob-Aktionen“ der Gewerkschaft im Einzelhandel (Erscheinungsformen: Personen entnehmen in „konzertierter Aktion“ den Regalen Artikel, legen diese in ihre Einkaufswagen und lassen die gefüllten Einkaufswagen dann irgendwo im Geschäft zurück, ohne die Waren an der Kasse zu bezahlen und sie anschließend mitzunehmen; Personen kaufen koordiniert einzelne Waren von geringem Wert, wodurch der betriebliche Ablauf gestört wird, wenn ein von einer Vielzahl von Aktionsteilnehmern abgesprochener Kauf der „Cent-Artikel“ dazu führt, dass sich an den Kassen lange Warteschlangen bilden und dadurch potentielle Kunden von einem Einkauf in diesem Ladengeschäft abgehalten werden) vorliegend nicht einschlägig (vgl. BAG 22.09.2009 - 1 AZR 972/08 - NZA 2009, 1347-1355 sowie juris insb. Rn. 29 ff.).
2.
Die Arbeitgeberin kann von der beklagten Gewerkschaft nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs., 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 14 Abs. 3 GG verlangen, dass Streikmaßnahmen auf dem gesamten dem Mietvertrag unterliegenden Bereich einschließlich dem Pkw-Parkplatz unterbleiben.
a)
Die Klägerin ist Mieterin auch des Pkw-Parkplatzes. Ihre Rechtsposition als Mieterin mit dem Rechts zum Besitz ist gegenüber Dritten durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützt, was auch die Beklagte ausdrücklich nicht in Abrede stellt. Hinsichtlich des gesamten Betriebsgeländes steht der Klägerin das Hausrecht zu.
aa)
Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder Grundstücksbesitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht dem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbots durchzusetzen (BGH 20.01.2006 – VZR 134/05 – NJW 2006, 1054 – 1056 = Juris Rn. 7; BAG 22.09.2009 – 1 AZR 972/08 – BAGE 132, 140 – 161 = Juris Rn. 57 m.w.N.). Das auf Eigentum und Besitz beruhende Hausrecht muss der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit grundsätzlich nicht weichen. Dabei kann dahinstehen, ob auch ein privater Hausrechtsinhaber gehalten ist, sein Hausrecht „grundrechtsfreundlich“ auszuüben. Jedenfalls muss der Inhaber eines Betriebs die Inanspruchnahme seines Besitztums zum Zwecke der Herbeiführung von Betriebsablaufstörungen im Arbeitskampf nicht dulden (BAG a.a.O. Rn. 57).
bb)
Im Streitfall hat die Klägerin von ihrem Hausrecht gegenüber der Gewerkschaft anlässlich deren Streikmaßnahmen vom 21. und 22.09.2015 eindeutigen Gebrauch gemacht. Die Streikteilnehmer wurden seitens der Klägerin vergeblich aufgefordert, die Streikmaßnahmen auf dem Pkw-Parkplatz zu unterlassen und diesen zu räumen.
b)
Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen den Störer. Handlungsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung durch eigenes Handeln unmittelbar bewirkt hat (BAG 20.01.2009 – 1 AZR 215/08 – BAGE 129, 129, 145 sowie juris Rn. 30). Danach ist die mit der Klage in Anspruch genommene und die Streikmaßnahmen durchführende Gewerkschaft passivlegitimiert. Da an den Streikmaßnahmen Beteiligte der arbeitgeberseitigen Aufforderung, den Parkplatzbereich zu räumen und zu verlassen, nicht Folge geleistet hatten und erneute Arbeitskampfmaßnahmen zuletzt noch am 24.03.2016 stattfanden, besteht die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr als Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen, zudem dadurch bestätigt, dass sich die Beklagte gerichtlich wie außergerichtlich einer entsprechenden Berechtigung zur Nutzung des Parkgeländes zu Arbeitskampfzwecken weiter berühmt.
c)
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Sie ist nicht verpflichtet, die Nutzung des Parkplatzgeländes zu Zwecken des Arbeitskampfes zu dulden. Eine solche Duldungspflicht der Arbeitgeberin folgt namentlich nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG zum Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit der Beklagten.
aa)
Nach § 1004 Abs. 2 BGB sind Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Eine Pflicht zur Duldung kann auf gesetzlicher und/oder rechtsgeschäftlicher Grundlage bestehen (MüKoBGB/Baldus 6. Aufl. § 1004 Rn. 199 ff.).
bb)
Eine Duldungspflicht der Arbeitgeberin ergibt sich nicht aus der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des Art. 9 Abs. 3 GG. Dessen Schutzbereich beschränkt sich nicht auf Tätigkeiten, die für die Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Koalition unerlässlich sind, sondern umfasst alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen durch die Koalition und ihre Mitglieder (BVerfG 14.11.1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 1 und 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352). Mit der Durchführung von Streikmaßnahmen (auch) auf dem Betriebsgelände der Klägerin nimmt die Gewerkschaft ihre kollektive Koalitionsfreiheit wahr. Da sie hierbei jedoch das Besitzrecht der Arbeitgeberin in Anspruch nimmt, kollidiert ihr Handeln mit deren Rechtspositionen aus Art. 14 GG. Geraten grundrechtliche Gewährleistungen im Einzelfall miteinander in Konflikt, ist grundsätzlich im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz ein schonender Ausgleich mit dem Ziel ihrer Optimierung herbeizuführen (BVerfG 07.03.1990 - 1 BvR 266/86 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 278; BAG 20.11.2012 - 1 AZR 611/11 - NZA 2013, 437-448 sowie juris Rn. 51 ff.). Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BAG 20.01.2009 - 1 AZR 515/08 - BAGE 129, 145 sowie juris Rn. 38 - 40).
cc)
Bei dem Parkgelände handelt es sich um ausschließlichen Privatbesitz der Klägerin, welches nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist. Dies ergibt sich nach außen durch die Beschilderung an der Parkplatzeinfahrt. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt es keine andere rechtliche Bewertung, wenn das Parkplatzgelände selbst nicht besonders eingefriedet bzw. eingezäunt ist. Das Hausrecht wird durch solche Vorkehrungen zwar besser geschützt und gesichert, Inhalt, Umfang und Reichweite des Hausrechts sind davon jedoch nicht abhängig. Allerdings scheint die Beklagte mit ihrem diesbezüglichen Einwand immerhin selbst auf dem Standpunkt zu stehen, dass im Falle einer Umzäunung die Nutzung des Parkgeländes für Streikmaßnahmen (praktisch und rechtlich) ausgeschlossen wäre.
dd) Indem der Pkw-Parkplatz Bestandteil des Mietverhältnisses ist und die Klägerin auch für ihn einen Mietzins entrichtet, zählt er zu ihren Betriebsmitteln. Wäre die Klägerin verpflichtet, die Nutzung dieser Fläche durch die Gewerkschaft zu Arbeitskampfmaßnahmen zu dulden, würde von ihr verlangt werden, an der eigenen streitbedingten Schädigung durch die Bereitstellung von Betriebsmitteln mitzuwirken. Derartiges ist aber ausgeschlossen (BAG 15.10.2013 – 1 ABR 31/12 – NZA 2014, 319 – 323 sowie Juris Rn. 36 ff.) und etwas anderes folgt nicht aus dem durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verbürgten Streikrecht der Gewerkschaft im Wege praktischer Konkordanz. Insbesondere die Mobilisierung von Arbeitnehmern zur Streikteilnahme, um die es der Beklagten nach ihrer Einlassung vor allem geht, ist Aufgabe der jeweiligen Koalition und ihrer Mitglieder (vgl. BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 62, BAGE 122, 134) und ist daher ausschließlich mit eigenen gewerkschaftlichen Mitteln zu verfolgen. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, hieran durch Bereitstellung von Betriebsmitteln mitzuwirken. Dies muss ganz unabhängig davon gelten, ob und inwieweit auch eine nur geringfügige Nutzung der Fläche durch die Beklagte lediglich im Eingangsbereich des sog. Banana-Towers das Interesse der Klägerin, den Mitarbeitern Parkraum zur Verfügung zu stellen und den streikunwilligen Arbeitnehmern den ungehinderten Zugang zum Betrieb zu gewährleisten, überhaupt beeinträchtigt. Entscheidend ist, dass die Nutzung hier zur Arbeitskampfzwecken erfolgen soll. Der Unterlassungsantrag richtet sich dementsprechend nicht allgemein gegen gewerkschaftliches Handeln, sondern ausschließlich gegen Streikmaßnahmen des sozialen Gegenspielers auf dem Betriebsgelände. Mit dem (Fern)Ziel einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen besteht der Streik im Kern in der kollektiven Arbeitsverweigerung der Beschäftigten. Wie dieser ist damit jeglichen weiteren und begleitenden Streikmaßnahmen immanent, dass sie zur Druckausübung auf die Arbeitgeberin als Zwischenziel Betriebsablaufstörungen und Produktionseinbußen verfolgen, auch wenn an den beiden Streiktagen im September 2015 arbeitswillige Beschäftigte nicht beim Zutritt zum Betriebsgebäude behindert wurden. Die Klägerin kann über Art. 9 Abs. 3 GG nicht verpflichtet werden, an ihrer arbeitskampfbedingten Schädigung durch die Zurverfügungstellung von Betriebsflächen oder auch nur der Duldung ihrer Nutzung mitzuwirken.
d)
Die Frage, ob die Beklagte zur Ausübung des effektiven Arbeitskrampfrechtes auf das von der Beklagten angemietete Parkplatzgelände angewiesen ist, stellt sich nach alledem nicht. Insbesondere der Einwand der Beklagten, sie würde gezwungen sein, Beschäftigte, die in geschlossenen Fahrzeugen vorbeiführen, in Sekundenschnelle mittels Handzeichens zu informieren, begründet keine Unterstützungspflicht der Arbeitgeberin aus Art. 9 Abs. 3 GG. Schließlich bleibt für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung, wenn nach dem Vorbringen der Beklagten bisher keinerlei Arbeitskampfmaßnahmen in den Geschäfts- und Betriebsräumen der Klägerin im eigentlichen Sinne durchgeführt worden sind.
e)
Soweit das Bundesarbeitsgericht das Hausrecht der Arbeitgeberin in Abwägung mit Grundrechtspositionen der Gewerkschaft in sog. praktischer Konkurrenz eingeschränkt sieht, handelte es sich stets um koalitionsspezifische Betätigungen der Gewerkschaft (insbesondere Mitgliederwerbung) außerhalb von Arbeitskampfmaßnahmen (vgl. BAG 22.06.2010 – 1 AZR 179/09 – NZA 2010, 1365 – 1369 sowie Juris Rn. 28 ff; BAG 15.10.2013 – 1 ABR 31/12 – a.a.O. Rn.38).
Nach alledem war dem mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsbegehren der klagenden Arbeitgeberin zu entsprechen.
III.
Die Androhung der Ordnungsmittel im Falle der Zuwiderhandlung folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.
IV.
Als unterlegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreit zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitgegenstandswert war in Anwendung der §§ 3 ff. ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei hat sich die erkennende Kammer von der Streitwertbemessung im Einstweiligen Verfügungsverfahren (Arbeitsgericht P. 23.09.2015 – 5 Ga 4/15) in Höhe von 20.000 EUR leiten lassen und einen Aufschlag im Hauptsacheverfahren im Umfang von 1/3 für angemessen angesehen.